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Tagebuch

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Ich traf einen Jungen. Nicht irgendeinen Jungen, sondern einen besonderen Jungen. Gérard.

Ich erinnere mich daran, wie er mir das erste Mal sprachlos mit seinen großen Augen entgegen blinzelte, als wäre es erst gestern gewesen. Bis heute spüre ich das leicht erhöhte Klopfen meines Herzens, wenn ich auch nur an seinen verschlafenen Blick denke.

Ein Blick, mit dem er mich heimlich aus jeder noch so großen Entfernung beobachtete.

Das Kitzeln auf meiner Haut, wenn seine Augen mich streiften, fühlte sich genauso stark an wie damals mit meinem Jugendfreund, der sich verbotene Küsse von mir stahl.

Ich fühlte mich umgehend auf eine Art zu diesem fremden Burschen hingezogen, wie ich es nicht verspüren sollte. Er weckte wieder diese zärtlichen Gefühle in mir, die ich tief vergraben hatte, seit ich damals die Nachricht erhielt, dass mein heimlicher Liebster in die Stadt ziehen würde, während ich in die Armee eintrat, um meinen Vater stolz zu machen. Ich weiß bis heute nicht, was aus meiner ersten Liebe geworden ist, es interessierte mich irgendwann auch nicht mehr. Er war nur noch eine blasse Erinnerung im Strudel der Zeit, als gehörte sie zu einem anderen Leben.

Ich hatte geglaubt, ich wäre durch die Armee ein anderer Mann geworden.

Allerdings reichten meine Gefühle gegenüber jenem besonderen Jungen – über den ich hier schreiben möchte – von Anfang an deutlich tiefer, was mich zusätzlich beschämen sollte.

Aber dieser junge Bursche, Gérard … ich konnte ihm und seinen verträumten Augen nicht entkommen. Ich musste ihn haben.

Ich war verliebt.

Mit einem Lächeln denke ich daran zurück, dass ich ihn für seltsam hielt, weil er mich unentwegt ansah, als wäre ich der Sohn Gottes. Erst als ich begriff, dass er mich nur deshalb auf diese anhimmelnde Art anstarrte, weil er sich ebenso zu mir hingezogen fühlte, wie ich mich zu ihm, wurde mir gewahr, welche verbotenen Gefühle sich zwischen uns auftaten. Wenn ich von nun an in seine Augen sah, erkannte ich mich selbst darin; erkannte mein eigenes Verlangen.

Ich erinnere mich an das tiefe Blau seiner Augen und das Funkeln darin, als würde sich der Sternenhimmel auf der Oberfläche einer glatten See spiegeln. Ich sehe noch seine dunkelbraunen Löckchen, die keck in seiner glatten Stirn hingen, und wie ich die Hand ausstrecke, um sie zur Seite zu streichen, damit er mich ansieht.

Ich begehrte ihn.

Ich erinnere mich, wie ich ihn das erste Mal berührte, wie sich seine blasse Haut unter meinen Fingern anfühlte, samten und warm. Und ich erinnere mich noch deutlich daran, wie ich ihn das erste Mal küsste, nachdem er mich fragte, ob ich ein schlechtes Empfinden dabei hätte, auf welche Weise wir einander ansahen.

Seine Lippen … Ich habe nie wieder etwas Köstlicheres gekostet als diese. Ihre weiche Beschaffenheit und die Süße seiner Jugend, die auf ihnen haftete, ließen mich erkennen, wo mein persönliches Glück entsprang. Noch heute fühle ich seinen Kuss auf meinem Mund, und ich bin wie berauscht.

Ich kann noch immer seine Berührungen auf meinem Körper fühlen.

Das Prickeln unter meiner Haut ist mit meinen starken Erinnerungen verbunden.

Jede Nacht wälze ich mich umher und denke an uns, an ihn und an sein albernes, strahlendes Lächeln, seine funkelnden Augen. Ich denke an das letzte Mal, als er mich berührte, und an das letzte Mal, als ich ihn küsste; und dann, wirklich nur dann, kann ich einschlafen. Wenn ich mir einrede, er läge neben mir, und das Kissen, in das ich meine Nase vergrabe, wäre sein weiches Haar, das stets nach einem taufrischen Wald geduftet hatte.

Wenn er doch nur wüsste, dass ich mein Versprechen brach, weil ich ihn beschützen wollte! Und wäre es mir doch nur möglich, zu erfahren, wo er gerade ist und ob er in Sicherheit war! Ich könnte mit der Schuld, ihn verlassen zu haben, erträglicher leben, wüsste ich, dass es nicht umsonst gewesen war, ihm das Herz zu brechen.

Ich schreibe diese Zeilen zwei Jahre nachdem ich ihn das letzte Mal gesehen habe … es kommt mir vor, als hätte ich ihm erst gestern zum Abschied gewunken. Und doch fühlte sich jeder bisher erlebte Tag wie eine halbe Ewigkeit an. Eine Ewigkeit der Qual.

Ich wollte mich entschuldigen, doch ich war zu feige. Tausend angefangene und wieder verbrannte Briefe fielen dem Feuer zum Opfer, keinen habe ich je abgeschickt. Ich wüsste auch gar nicht, wohin ich die Botschaft hätte schicken sollen, da ich nicht weiß, wo er jetzt ist.

Aber ich muss ihn finden, denn mich ereilte heute eine unheilvolldrohende Nachricht …

Das Gold der Felder

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