Читать книгу Ruf mich an - Kristin Fieseler - Страница 5

Heute schon geduscht?

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Mütter wollen sich auch mal waschen, genauer gesagt, sie wollen sich mal in Ruhe genussvoll den heißen Wasserstrahl aus dem ergonomisch geformten Duschkopf über ihren Körper prasseln lassen. Ich will mich ja nicht beschweren, aber... So fangen ja alle Sätze an, mit denen man das berüchtigte Gegenteil einleitet. Ich kenne den Satz aus meinen manchmal heiß wieder ersehnten Jugendtagen von den Oldies: Ich will mich ja nicht einmischen, aber... Also, was will ich eigentlich damit sagen? Ich will mich ja nicht beschweren, aber so als Mutter von drei Kindern komme ich so gut wie gar nicht mehr zum – Duschen. Die lieben Kleinen könnten ja währenddessen einen Streit vom berüchtigten Zaun brechen. Es fehlt einem die innere Ruhe und ein wenig die Gleichgültigkeit, um sagen zu können: „Okay, wenn ich jetzt dusche, könnte....“ Ja, also es könnte der achtjährige Junior just in dem Moment, in dem ich unter der Dusche stehe, seiner siebenjährigen Schwester auf den Kopf hauen. Sie würde dann aus lauter Frust der Jüngsten, gerade drei, an den Haaren ziehen. Und natürlich steht das Fenster offen, die besorgte Nachbarin klingelt. Das Geschrei überschlägt sich. Die Nachbarin denkt, die hat bestimmt ihre drei Kinder allein gelassen. Die Nachbarin, noch ohne liebenswerte Kinder, ruft dann - ganz klar - die Polizei. Und ich öffne dann der Polizei nur im rosa Badetuch bekleidet, und weißem Handtuch-Turban im Haar, genauer gesagt öffne ich Polizeiwachtmeister Willi die Tür, worüber er sich natürlich sehr freut. Ich bin am Wutentbrennen, weil ein Polizist hat sich nicht zu freuen, schon gar nicht über meine Notlage. Ich hebe die rechte Hand hoch, was dazu führt, dass meine spärliche Hülle fällt und prompt bekomme ich eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und Vernachlässigung meiner Kinder, inklusive Ankündigung eines Besuches vom Jugendamt. Und das nur, weil ich mal duschen will. Also lasse ich es lieber. Sie können nun verstehen, dass ich nicht entspannt duschen kann, wenn ich mit den Kindern allein bin. Also muss ich immer auf die Wachablösung von meinem Mann warten. Erst dann kann ich duschen.

Also dusche ich nicht morgens, sondern nachmittags um 15 Uhr, dann, wenn mein Mann zurückkommt. Ich stehe schon bereit. Endlich klingelt es. Verschwitzt steht er vor der Tür. Küsschen. Ich trällere ein „Ich gehe dann mal duschen.“ Ich deute auf seinen bereits gefüllten Teller auf dem Esstisch. „Essen ist schon fertig.“ Die Kinder spielen extrem ruhig Lego. Verdächtig ruhig. Ich gehe entschlossen die knarzenden Holztreppenstufen nach oben. Durch die Schlitze zwischen den Stufen sehe ich, wie mein Mann stehen bleibt und irgendwas überlegt. Er sieht hungrig aus. Inzwischen bin ich pfeifend im Badezimmer angekommen. Oh nein, die Jüngste hat mal wieder mit Zahnpasta experimentiert. Eine Holzschublade aus dem Kaufladen wurde mit Zahnpasta eingecremt. Und der Spiegel wurde mit einem Zahnpastaherz verziert. Ich widerstehe meinem inneren Zwang sauberzumachen. Schnell wie der Wind entkleide ich mich. Ich habe ein Knarzen gehört. Ich rufe nach der Jüngsten. Keine Antwort. Auch gut. Wird schon gut gehen, die Wachablösung ist ja da. Gut gelaunt hüpfe ich unter die Dusche und balsamiere meinen gestressten Körper mit beruhigenden Lavendel-Duschgel. Das Wasser prasselt laut, als plötzlich der Vorhang beiseite geschoben wird. Ich will gerade den Mund zum Schimpfen formen, was meistens mit einem „W“ beginnt, dem „W“ folgt dann ein „Was soll das?“. Aber es ist mein Mann. Auch nackisch. Er hätte keinen Hunger. Er müsse jetzt auch duschen, weil er so verschwitzt sei. Nicht mal hier hat man seine Ruhe. Gerade als er den rechten Zeh auf den Duschfliesen aufsetzen will, kommt Geschrei von unten. Mit verdächtig ruhiger Stimme meint er:„Ach komm, das ist nur vorübergehend. Die sind gleich wieder ruhig.“ Vor meinem geistigen Auge zieht das ganze Schreckens-Szenario mit Polizist Willi vorbei. Das würde dem Ganzen noch die Krone aufsetzen. Mein Göttergatte würde wahrscheinlich nicht die Tür aufmachen, weil er nicht gestört werden will, und der Polizist bräche natürlich der Sicherheit halber die Tür auf. Wir würden unter der Dusche erwischt werden. Ich kann mich bei solchen Gedanken wirklich nicht entspannen.

Da klingelt das Telefon. Stimmt, letzte Woche hatte ich mein neues Manuskript diesem großen Verlag in Frankfurt angeboten. Ja, das könnte ein Lektor sein. Endlich. Schnell hüpfe ich aus der Dusche. Mein Mann seufzt.

„Aber was ist, wenn jetzt der Lektor dran ist?“ entgegne ich ihm. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Dieser Trieb dann ans Telefon zu müssen ist sehr viel größer. Ins Badetuch gekleidet renne ich die Stufen hinunter, zwei Stufen auf einmal. Oh, mein rechter Fuß ist noch nass. Ich rutsche aus und fange mich zum Glück auf der letzten Stufe wieder, falle jedoch nach vorne, mit der Nase nach unten. Meine Jüngste hält das schnurlose Telefon in der Hand, nur ein paar Zentimeter von meinem rechten Ohr entfernt. Sie weiß schon, dass sie auf die Taste mit dem grünen Hörer drücken muss. Das hat man davon, wenn man intelligente Kinder hat.

Am anderen Ende höre ich, wie jemand sagt: „Kannst du mir mal deine Mami geben?“ Madita guckt mich an. „Die liegt auf Boden. Nackisch Popo.“ Oh nein, wie peinlich.

Am anderen Ende höre ich eine amüsierte Stimme: „Kannst du mir trotzdem deine Mami geben?“

Ich kann jetzt unmöglich drangehen, nicht nach dem, was die Jüngste von sich gegeben hat. Zu spät, die Jüngste drückt mir den Hörer in die Hand. Mit einem zaghaftem „Ja?“ melde ich mich.

Es ist natürlich nicht der Lektor, sondern ein Typ von der Tageszeitung. Er muss sich sehr zusammenreißen, um nicht zu lachen. Er fragt: „Wie hat Ihnen das Probeabo gefallen?“ Ja, das ist schon das mindestens zehnte Mal, dass ich ein Probeabo von der Tageszeitung bekommen habe. Sie überreden mich jedes Mal. Die Zeitung ist ja ganz nützlich, als Unterlage für den Kaninchenstall, zum Ausstopfen nasser Schuhe, zum Auslegen der Biotonne, ganz zu Schweigen von diesem enormen Vorteil, sie als Unterlage beim Anstreichen der Wände zu benutzen. Das geht mir so durch den Kopf. Das ist aber nicht nett, wenn ich dies sagen würde. Der Typ fragt mich weiter, ob ich mir denn vorstellen könnte, ein Abo zu bestellen. Was sage ich dieses Mal? Das erste Mal habe ich gesagt, dass ich noch Studentin sei. Das zweite Mal meinte ich, dass bestimmte Themen fehlten. Das dritte Mal teilte ich mit, dass ich Kopfschmerzen hätte. Beim vierten Mal meinte ich, dass die Buchstaben zu klein wären. Beim fünften Mal sagte ich, dass sechs Spalten besser als sieben wären. Beim sechsten Mal ging die Jüngste ans Telefon und konnte so den Typen abwimmeln. Beim siebten Mal schob ich vor, dass mein Mann dagegen wäre. Und beim achten Mal sagte ich, dass wir nächste Woche für mindestens vier Wochen verreisen. Beim neunten Mal dachte ich mir aus, dass für meine Altersgruppe nichts dabei sei. Und heute war das zehnte Mal, was der Typ am anderen Ende sofort wusste. Also, führen sie doch eine Liste. Und er las mir alle bisherigen Absagegründe vor. Mist, was würde ich heute sagen? Ich stehe vorsichtig auf, in der rechten Hand das Telefon, mit der linken Hand halte ich das Tuch fest. Gut, dass der Typ mich nicht sieht.

„Also, Frau G. Was haben Sie heute für eine Ausrede für mich parat?“ Boh, der ist ganz schön unverschämt. Ich und Ausreden? Das sind doch Fast-Wahrheiten. Außerdem drängen sich die Zeitungstypen bei einem quasi auf, damit man wieder ein Probeabo abschließt.

Am anderen Ende höre ich: „Ich warte auf eine Antwort.“ Ein Knarzen auf der Treppe. Mein Mann. „Ich warte auch.“ Um seine Hüften, ein Handtuch lose gebunden. Also, was sage ich wem? Man sagt uns Frauen zwar nach, wir seien multitasking-fähig, aber diese Situation ist zuviel. Haben Sie schon mal zwei Leute verwechselt? Und so schnaube ich in den Hörer: „Du denkst auch immer nur an das Eine.“ Meine Kopfbeleuchtung geht sofort auf Alarmstufe Blühendes Rot. Ein amüsiertes Seufzen am anderen Ende. „Aber Frau G., ich wollte Sie schon immer mal fragen…“ Oh nein, was kommt jetzt? Ich halte den Hörer zu und zische meinem Mann zu. „Lass das Handtuch oben. Die Kinder gucken.“ Die beiden Ältesten sind jedoch ins Legospielen vertieft. Nur die Jüngste verfolgt interessiert das Geschehen. Ich halte den Hörer wieder ans Ohr. „Oh, wissen Sie, ich bin manchmal etwas zerstreut.“

Der Typ ist erfreut. „Ach ja? Wollen Sie vielleicht doch?“ Ich stöhne: „Nein, auf keinen Fall. Ich will nicht mit Ihnen irgendwo hingehen.“ Er lacht. „Aber nein, es geht doch ums Abo.“

Just in diesem Moment zupft mein Mann an meinem Handtuch. Schwupp, weg ist es. Die Jüngste schnappt es sich und rennt durch die Wohnung. Lautstark. „Mama, nackich, Mama, nackich.“ Der Typ von der Zeitung räuspert sich dezent. „Also, bei Ihnen ist aber ganz schön was los. Haben Sie wirklich nichts an?“ Ich schnaufe. „Das geht Sie gar nichts an.“ Das aktiviert natürlich auch die beiden Älteren. Passiert ja nicht alle Tage, dass Mama nackich durch die Wohnung düst, mit rotem Kopf, Hörer am Ohr und hinter der Jüngsten hinterher. Mein Mann meint ganz trocken. „Ich kann dir ja meins leihen.“

Der Typ von der Zeitung bestätigt das Ganze mit einem Johlen. „Wow, irre Party.” Dann seufzt er:“Verstehe, dass Sie kein Abo haben wollen. Ihr Leben ist einfach zu aufregend.“ Klick und weg ist er.

Und das ist der zehnte Grund, warum ich kein Abo haben will. Der Typ von der Zeitung kritzelt es enttäuscht in seine Liste. Was wird wohl sein Chef sagen, wenn er wieder keinen Abonnenten werben konnte? Armer Typ. Mein Göttergatte grinst, als er mir das Handtuch reicht.

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