Читать книгу Gwendoline - Kristina Schwartz - Страница 4
Kapitel 1
Оглавление»Lass mich deine Sklavin sein«, sagte sie, und ihre grünen Augen glühten vor Begeisterung. Sie rannte ins Schlafzimmer und kam mit ein paar Handschellen zurück.
Sandra verdrehte die Augen.
Die Großgewachsene schnappte sich ein Geschirrtuch, stopfte es sich in den Mund, lehnte sich auf dem Boden sitzend gegen ein Bein vom Küchentisch, das sie mit beiden Armen umfasste, und ließ die Handschellen demonstrativ laut einschnappen.
Amüsiert betrachtete Sandra sie. »So geht das aber nicht, Anika!«, dabei legte sie den Kopf zur Seite, als würde sie nachdenken.
»Warum nicht?«, schienen Anikas weit aufgerissene Augen, die aus einem mittlerweile wieder makellosen Gesicht, ohne hässlicher Hautverfärbungen, strahlten, zu fragen.
»So einfach ist es nicht.«
Sie versuchte den Knebel auszuspucken, was ihr beim dritten Anlauf auch gelang. »Aber es könnte so einfach sein.«
Genervt stieß Sandra die Luft aus.
»Du könntest mich erziehen«, sagte sie mit dem Enthusiasmus einer Zehnjährigen und dabei rüttelte sie demonstrativ heftig an ihren Handfesseln, um zu verdeutlichen, wie sie sich ihre Erziehung im Detail vorstellte. »Mir meine Flausen austreiben!« Ihr Lachen klang unschuldig und naiv. Sie wandte den Kopf und betrachtete Sandras Scham, die durch das zarte Gewebe der Strumpfhose gut zu sehen war. Provozierend spreizte diese ihre Beine noch weiter.
»Was schaust du so?«
»Deine Frühherbstgarderobe?«
»Bitte?«
»Minirock, Strumpfhose, kein Höschen?«
»Ich bin wirklich nicht gewillt, mich zu Tode zu schwitzen, bei fünfundzwanzig Grad Anfang Oktober«, entgegnete Sandra ernst. »Sind außerdem nur zwanzig Den.«
»Da spricht die Expertin. Oder bist du mittlerweile schon Fetischistin?«
Sandra schien die Frage nicht gehört zu haben. »Wie stellst du dir das vor, Anika, nach allem, was geschehen ist? Einfach zur Tagesordnung übergehen?«
Anika sah sie groß an.
»Es hat mich eine Menge Zeit gekostet, Joe davon zu überzeugen, ihr Kidnapping nicht einem Anwalt zur weiteren Verfolgung des Rechtsweges zu übergeben.«
Ein breites Schmunzeln legte sich über Anikas Gesicht. »Weil du mich immer noch liebst.«
»...«
»Ich wollt’ dich damals nicht mit Absicht provozieren.«
»Das hat Chruschtschow zweiundsechzig zu Kennedy auch gesagt«, entgegnete Sandra lapidar.
»Wärst du etwas relaxter gewesen, hättest du mich auch nicht gleich aus deinem Haus geworfen.«
»Hat dir das dein Seelenklempner eingeredet? Wie heißt der Quacksalber?«
»Ist mir ganz von allein eingefallen, wenn du’s genau wissen willst.«
»Fichtner? Birker?«
»Tanner.« Anika rollte die Augen.
»Wusste, es war ein Baum.« Sandra verzog das Gesicht. »Und die Sache mit deinem Bruder?«
»Sandra, ich war verzweifelt.« Sie versuchte, ihren Rücken zu straffen, was ihr angesichts ihrer Fesselung aber nicht wirklich gelang. »Ich war fertig, am Ende. Ich hätte alles getan, um deine Aufmerksamkeit zu erregen ...«
»Das hast du ja auch bravourös hingekriegt. – Keine Frage.«
»... um dich – deine Liebe – zurückzugewinnen.«
Sandra schloss ihre Beine, legte die Stirn in Falten und verschränkte die Arme vor der Brust. »Vielleicht ist das mit deiner Erziehung gar keine so dumme Idee.«
Anika strahlte. »Wirklich?«
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Die Frauen sahen sich überrascht an.
»Ach, du bist’s«, sagte sie, als sie Joe einließ.
»Wen hast du erwartet?«
Sandra zuckte mit den Schultern. »Nach oben ist die Skala immer offen. Nur die Sterne sind das Limit.«
Joe folgte Sandra ins Vorhaus. »Könntest du mir einen Gefallen tun, meine ...« Erschrocken starrte sie durch die offenstehende Küchentür auf endlos lange Beine, die unter dem Küchentisch hervorlugten. »... Große?«
»Worum geht’s?«
Joe deutete mit ihrem Kopf in Richtung der Frau auf dem Küchenboden.
»Nicht so wichtig. - Was gibt’s?«
»Michael hat mir geholfen, ein paar meiner Kartons zu übersiedeln. Hättest du wohl Zeit, mir beim Ausräumen und schlichten zu helfen?« Erneut wanderte Joes Blick zu der Frau in der Küche.
»Kann warten. Erziehung braucht nun mal seine Zeit.«
»Wer ist ...« Joe schlich zum Küchentisch. »Anika!«, rief sie aus und ihre Stimme überschlug sich. Ein süffisantes Grinsen legte sich über ihr Gesicht. »Und da soll noch mal einer sagen, dass es keine Gerechtigkeit gibt. - Hätte nicht gedacht, dich jemals wieder zu sehen. Schon gar nicht so schnell. Und dann noch hier!« Breitbeinig baute sie sich vor Anika auf, die die Augen niederschlug. »Hast du nicht noch etwas gut bei mir?«
Anika hätte am liebsten ihren Kopf zwischen den Schultern verschwinden lassen. Als spielte Zeit keine Rolle, ließ Joe sich auf Anikas Schenkeln nieder und presste ihre Beine zusammen.
»Joe ... bitte ... das war ein ... Missverständnis ... damals ... bei dir ... in der Ordi.«
Joe kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Soso. Missverständnis. - Ein brutales Bondagemissverständnis, bei dem ich draufgehen hätte können, wäre ich nicht rechtzeitig gefunden worden.«
»Ich hab dir damals nachspioniert, Joe. Ich hab die falschen Mails unter deinem Namen verschickt, ich wusste, dass der Polier einen Stand auf dich hat. Ich ...«, sie legte die ganze Betonung auf dieses eine Wort, »... hab, gleich nachdem ich dich in der Ordination zurückgelassen hab, noch bevor ich raus zur Mühle gefahren bin, den Baumeister angerufen – seine Tafel mit Namen und Adresse stand ja für jedermann sichtbar auf der Baustelle –, hab ihm gesagt, der soll seinem Polier sagen, wo du bist, wo er dich ...«
Joe hielt die Luft an. Ihr Gesicht brannte rot vor Wut. Sie reckte ihre Arme über den Kopf, als wollte sie eine Dehnungsübung machen, dann holte sie aus und donnerte Anika eine schallende Ohrfeige ins Gesicht.
Diese gab keinen Laut von sich.
»Bin fertig«, tönte Sandras Stimme vom Vorraum. »Können wir?« Sie warf einen Blick in die Küche. »Was wird das?« Und als sich nichts rührte. »Joe?«
»Nichts Ernstes. Nur eine kleine, sich hartnäckig einer zivilisierten Lösung widersetzende Angelegenheit zwischen Frauen.«
Sandra nickte. »Komm jetzt!« Dann ging sie aus dem Haus.
Flink nahm Joe das Seidentuch, welches sie als Gürtel zu ihrem Kleid trug, schlang es mehrfach um Anikas Hals und das Tischbein, und machte einen doppelten Knoten in die Enden. »An deiner Stelle, und das ist wirklich ein gutgemeinter ärztlicher Rat, würde ich jetzt ganz ruhig sitzenbleiben, denn sonst könnte es für dich sehr schmerzhaft werden.« Sie wollte schon aus der Küche laufen, machte an der Obstschüssel noch einmal kehrt und schnappte sich einen Apfel. Als sie damit auf Anika zuging, versuchte diese, den Kopf hektisch zur Seite zu drehen. Joe funkelte sie diabolisch an, was ausreichte, damit sie ihren Mund freiwillig weit aufspreizte. Mit geschickten Fingern steckte Joe ihr den Apfel in den Mund, bis sich Anikas Zähne darin verbissen. »Braves Mädchen«, tätschelte Joe ihren Schädel und lief aus dem Haus.
»Warum hast du sie eigentlich an den Tisch gefesselt«, wollte Joe, der der Schalk aus den Augen blitzte, wissen.
»War ich nicht.«
»Klar.«
Sandra sah sie schief von der Seite herab an. »Sie war es selbst.«
Joe blieb stehen, stemmte die Arme in die Hüften. »Warum kannst du nicht einmal ernst sein, wenn ich mit dir rede?«
»War noch nie in meinem Leben ernster«, gab Sandra zurück.
Eingehend betrachtete Joe Sandras Physiognomie.
»Sie möchte, dass ich sie zu meiner Sklavin erziehe und, um all meine Zweifel schon im Vorfeld zu zerstreuen, hat sie mir gleich ihre uneingeschränkte Mithilfe signalisiert.«
»Aha. – Was es nicht alles gibt.«
Schweigend gingen sie nebeneinander die Dorfstraße entlang, wie ein seit zwanzig Jahren verheiratetes Ehepaar, das keine Possen, keine Pointen oder Bonmots mehr zu erzählen wusste, mit denen es den Partner noch überraschen oder schockieren konnte.
Joe schloss die Tür zur Mühle auf, die sich jedoch nur zur Hälfte öffnen ließ. Unzählige Umzugskartons stapelten sich gleich dahinter im Vorhaus.
Sandra sah sich um. »Wer zieht außer dir noch ein?«
»Bitte?«
»Oder willst du behaupten, dass das ganze Zeugs allein dir gehört.«
»Allerdings.«
»Hattest du das alles in deiner Wiener Wohnung?«
»Das ist noch nicht einmal alles. Ein paar Dinge sind noch dort.«
»Uah ... ist der schwer«, stöhnte Sandra, als sie eine dieser würfelförmigen Schachteln anheben wollte. »Was ist denn da drin? Gewichte für’s Kiesertraining?«
»Die mit den Büchern kommen in die Wohnküche ...«
»Die ehemalige Stube.«
»Die mit den Schuhen bleiben hier. Die Klamotten kommen rauf ins Schlaf- oder ins Ankleidezimmer.«
»Vornehm, vornehm«, ätzte Sandra mit einem breiten Schmunzeln.
»Muss ja dem Kaefer auch genug hinblättern für die Renovierung.«
»Ja. Nicht zu vergessen die Tischlerei, die dir diese nette Planerin vorbeigeschickt hat, um die Räume exakt auszumessen.«
Joe grinste. »Eifersüchtig?«
»Jetzt enttäuschst du mich aber, mein Schatz. Eifersucht ist was für Anfänger. Über das Stadium bin ich doch schon hinaus.«
Aber noch nicht lange, dachte Joe, ohne es laut auszusprechen. »Wie recht du hast, meine Große«, sagte sie und strich Sandra sanft über den Rücken. Sie streifte die Schuhe ab und schleppte den ersten Karton die Holztreppe hinauf.
»Eigentlich hätt ich lieber die Klamotten ausgepackt.« Einen Flunsch ziehend, schnappte sie sich eine von den Bücherkisten und trug sie, geschickt auf ihren grazilen Absätzen balancierend, in die Wohnküche. Vor dem noch unbefüllten Regal stellte sie die Schachtel ab und begann lustlos dieser Bücher zu entnehmen und einzuschlichten. Schopenhauer, Nietzsche, Suter – war das auch ein Philosoph? – Pschyrembel und plötzlich, gänzlich unerwartet, das ... »Hey«, schrie Sandra laut, dass es im ganzen Haus widerhallte. »Find ich ja toll, dass du auch g’scheiten Lesestoff hast. – Haha!«
»Shibari. Japanese Rope Bondage and Erotic Macramé« hielt sie in ihren Händen. Gleich darunter stieß sie auf »Jay Wiseman’s Erotic Bondage Handbook«.
»Ich wusste, du hast guten Geschmack, Joe«, rief sie aufgekratzt.
»Was is’?«, hollerte es von oben.
Sandra nahm die beiden Bücher und trippelte die Stufen hinauf. »Da, die zwei Bücher«, sagte sie keuchend und hielt sie Joe unter die Nase.
»Ah ...«, sagte Joe theatralisch, als wäre ihr gerade das eigene Ich aus einem Paralleluniversum begegnet. Plötzlich fiel es ihr wieder ein. Der herrliche Sommertag, an dem sie nach der Ordi noch zum Morawa fuhr, um die beiden Bücher, die sie bestellt hatte, abzuholen. Blut hatte sie dabei geschwitzt, weil es ihr so unendlich peinlich war, Bücher zu einem Thema, das ihr so gar nicht gesellschaftsfähig schien, persönlich abzuholen. Eine Verklärtheit stieg mit einem Mal in ihre Augen. »Die ...«, sie holte tief Luft. »Die hab ich damals wegen dir gekauft, meine Große.«
Unverständnis zeigte sich in Sandras ebenmäßigem Gesicht.
»Wirklich«, insistierte Joe. »Ich hab sie bestellt, um mich fortzubilden, damit ich mir nicht ganz blöd neben dir vorkomm, damit ich weiß, wovon du redest, und damit ich in der Lage bin, dir das zu geben, was du so liebst, was dir so wichtig ist ...«
Wie erstarrt stand Sandra vor ihr, rührte sich nicht. Einzig ihre Augen veränderten sich, wurden glasig, wässrig. Sie lachte und Tränen der Freude kullerten ihr über die Wangen. »Du bist so süß, Joe. So, so, so süß« und dann drückte sie drei, vier, fünf feuchte Küsse auf Joes Mund, bevor ihre Zungen miteinander verschmolzen. Joe hielt sie fest umklammert und ihre warmen Brüste berührten sich.
»Recht gebraucht, ich meine, so als hättest du jeden Tag drin gelesen, sehen sie aber nicht aus«, stellte sie mit holmesschen Fähigkeiten fest, nachdem sie die Tränen mit dem Handrücken fortgewischt hatte.
»Ich ... bin dann irgendwie nicht mehr dazugekommen. Dann war der Bondagekurs.«
Sandra nickte, als hätte es den Bondage-Workshop und dessen Kursleiterin Harriet nie gegeben. »Was ist denn jetzt eigentlich mit deiner Mutter?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Na, auf was habt ihr euch denn jetzt geeinigt?«
Joe biss sich auf die Unterlippe. »Nachdem sie mit ihrem Tiroler, oder er mit ihr, kann ich nicht genau sagen, Schluss gemacht hat, ist sie vorläufig – wie sie selbst sagt – in meine Wohnung im 3. Bezirk eingezogen.«
»Und die gute Nachricht?«
Joe rollte mit den Augen. »Das war schon die gute.«
»Oh«, Sandras sonniges Gemüt verfinsterte sich. »Tut mir leid, das zu hören. Ich wusste nicht, dass es so schlimm ist.«
»Ist es. Das Schicksal scheint mir auch nach dem Kidnapping nicht gerade hold zu sein. Da ich ja nun ohnehin in die Mühle ziehe, denkt sie sicher für immer in der Wohnung bleiben zu können, bzw. so lange, bis sie wieder einen Dummen gefunden hat, der es eine Zeit lang mit ihr aushält.«
»Arme Joe«, sagte Sandra, und eine geballte Ladung an Mitgefühl klang aus diesen beiden Worten. Zärtlich strich sie über Joes braunes Haar, das in sanften Wellen bis zu den Schlüsselbeinen fiel. »Musst es positiv sehen. Du wohnst dann hier und sie sitzt in Wien und ...«
»Und?«
»... wenn du dann noch deine Handynummer änderst.«
Ein Lächeln zeigte sich auf Joes Gesicht. »Gut gedacht, meine Große!«, und dabei klopfte sie anerkennend auf Sandras Hintern. »Es ist meiner Meinung nach nur eine Frage der Zeit, bis ich das tue. Aber vermutlich kommt der Zeitpunkt eher früher als später.« In diesem Augenblick läutete ihr Smartphone. Die Frauen sahen sich, als hätte man sie gerade bei etwas sehr Intimem gestört, überrascht an. »Vielleicht schon morgen«, sagte sie genervt und war gleich darauf erleichtert, als sie Michaels Nummer erkannte.
»Michael, kann ich dich später zurückrufen? Bei mir ist es grad ... ungünstig«, flötete Joe ins Telefon.
»Klar. Wann immer du willst«, drang seine Stimme angenehm an ihr Ohr.
Ein wohliges Kribbeln regte sich in ihrem Körper, als versuchte er ihr etwas damit zu sagen. Doch sie hatte keine Ahnung, was das sein könnte und achtete nicht weiter drauf.
»Warst du eigentlich wieder mal bei Harriet?«
Falsches Thema, schrillten sämtliche Alarmglocken in Joes Kopf.
»Wir haben telefoniert«, sagte sie, was auch der Wahrheit entsprach, »vor ungefähr zwei Wochen«, was wiederum nicht einmal annähernd der Wahrheit entsprach.
Joe, hör mal, ich will mich wirklich nicht in dein Leben, schon gar nicht in dein Sexleben und Gott behüte womöglich gar in dein SM-Leben einmischen, aber hältst du es für klug, jetzt, wo sich dein Verhältnis zu Sandra wieder einigermaßen entspannt hat, ihr gleich wiederum Lügen aufzutischen?
Ich dachte, du wärst meine innere Stimme, mein anderes Ich?
So ist es.
Bist du nun auch noch mein Gewissen, das mir auf Schritt und Tritt im Genick sitzt und mir erzählt, wie ich wertvoll und ethisch zu handeln habe?
Joe, ich ...
Schluss jetzt. Ich will nichts mehr hören.
Manche Dinge sind seltsam. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich sie einfach nicht verstehe. Seit mich Anika in der Ordination überfallen und Sandra sich verschnürt und beinah bewusstlos in meinem Kellergewölbe wiedergefunden hatte, scheint sich einiges verändert zu haben. Zwischen mir und Sandra ist es fast wieder wie früher. Sie ist nett und zuvorkommend, hilft mir, wo sie kann. Egal was sie sagt oder tut, ich fühle so viel Empathie auf ihrer Seite. Sie stellt keine Fragen mehr, hinter denen sich das grünäugige Monster der Eifersucht versteckt, sie lästert nicht, wenn mich Michael anruft, macht sich nicht lustig, wenn ich mit Sabine telefoniere und ...
Jetzt kommt’s mir grad. Ihre vor Sarkasmus triefenden Bemerkungen mir gegenüber scheint sie auch auf ein für sie absolut notwendiges Mindestmaß zurückgeschraubt zu haben. Fehlen mir diese etwa? Sollt ich es bedenklich finden? Hat sie womöglich kein Interesse mehr an mir?
Seit damals hat sie sich wieder öfters mit ihrer Anika getroffen. Sie scheinen ein Herz und eine Seele zu sein, was mir auch irgendwie merkwürdig vorkommt. Stark hat sie sich gemacht für sie, dass ich sie nicht anzeige wegen Freiheitsberaubung, Kidnapping oder was weiß ich, wie der passende Paragraf lautet. Mit Anikas Bruder war sie da nicht ganz so zimperlich. Von dem verlangt sie außergerichtlich eine gewisse Summe als Schmerzensgeld, sie sagte mal was von zweitausend Euro, sonst würde sie die Sache dem Gericht übergeben. Aber – ich kann mich natürlich täuschen – ich denke, dass sie das nicht tun wird, denn dann würde Anika als Mittäterin oder Anstifterin oder zumindest als Mitwisserin automatisch mit hineingezogen in die Sache, und das will Sandra um alles in der Welt vermeiden.
Vor nicht einmal einer halben Stunde, nachdem ich ihn schon wochenlang ständig absagt, neu vereinbart, abgesagt, wieder neu vereinbart, noch mal abgesagt hab, hab ich ihn nun endgültig fixiert, den Termin für mein Treffen mit Harriet. Ich denke, nun bin ich soweit. Gleich nach dem Zwischenfall in der Ordi hatte ich eigentlich keinen Bock, mich mit ihr zu treffen. Allein schon bei dem Gedanken an Seile, Handschellen, Knebel und Fesselspiele drehte sich mir der Magen um. Ich traf mich mehrmals mit Michael, der mir das gab, was ich brauchte: Wärme, Zuneigung und ab und an einen ordentlichen Fick an der Garderobenwand, im Abstellraum, einmal sogar im Keller. Seit einer Woche erst denke ich wieder vermehrt an Sabine, das heißt an Harriet. Von Sabine weiß ich eigentlich so gut wie nichts, von Harriet nur geringfügig mehr. Müsste ich Harriet eigentlich als Kunstfigur sehen, als eine Person, die nicht wirklich real ist, eine Person, die zwar in Sabines Körper steckt, aber gänzlich andere Eigenschaften besitzt? Doch das mit den Eigenschaften kann ich, zumindest jetzt, wo ich dies niederschreibe, nur vermuten. Ich kenne Sabines Wesen nicht, weder ihre guten noch ihre schlechten Seiten, weder die, die man gerne ins Rampenlicht rückt, noch jene, die man gleich einer vermaledeiten Kreatur im finstersten Keller anketten und vor der Welt für immer verbergen möchte. Was, wenn Harriet diese Kreatur ist, die dunkle, unwillkommene Seite einer ansonsten so bezaubernden Frau, einer Frau, deren Umriss von einer Malerin gezeichnet wurde, einer Malerin, die an diesem Tag ihre bezauberndste Frauengestalt schuf, eine Frau von solcher Anmut und Sinnlichkeit, von einer so ungeheuren Verführungskraft, dass sie selbst Frauen zu fesseln und ihnen den Kopf zu verdrehen im Stande ist. Die ...
Joe legte den sündhaft teuren Montblanc Füller auf die aufgeschlagene Doppelseite ihres Tagebuchs, die Beine auf den Tisch und spielte mit zärtlichen Fingern in jener sündhaft empfindsamen Region ihres Körpers, bis ihrem Mund ein lusttriefendes Stöhnen und ihrer Vagina die Feuchte der Erregung entwich.
Mit einem Mal war sie wieder da, diese Flamme, die in ihr loderte und sich nach dieser Frau und deren wunderschönem, geschmeidigem Körper verzehrte.
Irgendwie gelang es ihr an diesem Tag nicht, sich auf ihre Patienten und deren zahllose Wehwehchen zu konzentrieren. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu den weichen, runden, femininen Formen Harriets, zu ihrem makellosen Körper, ihren gefühlvollen Händen, ihrer einnehmenden Stimme. Rascher als üblich scheuchte sie erst ihre Patienten, gleich darauf ihre Sprechstundenhilfe aus der Ordination.
Flink wie eine Teenagerin, die fürchtete, die frisch eingelangten Schnäppchen bei H&M könnten ausverkauft sein, bevor sie überhaupt die Filiale betrat, ging sie, so rasch ihre Absätze sie trugen, drei Blocks stadtauswärts. Mit einem gewissen Stolz stellte sie fest, dass sie die Adresse in dieser Wohnsiedlung, die aussah wie die UNO-City für den gehobenen Mittelstand, auf Anhieb gefunden hatte.
»Letzter Stock«, sagte die Gegensprechanlage mit einer gutgelaunten Frauenstimme und Joe fühlte dieses angenehme Kribbeln, das von ihren Haar- bis in die Zehenspitzen lief.
»Danke.«
Harriet, die im bürgerlichen Leben eigentlich Sabine hieß, empfing sie in der halboffenen Wohnungstür. »Schön, dass du doch noch gekommen bist, Joe«, meinte sie mit lustigen Augen. »Ich fürchtete schon, du hättest es dir anders überlegt.«
»Ich ... Hallo Sabine«
»Komm rein! Tee oder Kaffee?«
»Hast du vielleicht auch ein Bier da? Nach der Ordi tut mir ein Schlückchen ganz gut.«
»Selbstverständlich«, lachte Sabine, »kannst du auch Bier haben. Zipfer oder Gösser?«
»Egal. Hauptsache nicht alkoholfrei.«
»Komm weiter«, sagte sie und wies Joe eine Tür am Ende des Flurs, die in einen großzügigen Wohnraum führte, von dem aus man in die Küche sehen konnte. »Bitte, setz dich.«
Joe betrachtete die Sitzgruppe aus dunklem Leder, die Couchtische aus Mahagoni, die Philodendren, die, wie zufällig im Raum verstreut, diesem etwas von der eleganten Strenge nahmen.
Harriet klapperte mit ihren Stiefeln, die, in der Wohnung auszuziehen, sie sich nicht die Mühe machte, in die Küche. »Joe, so wie es aussieht, hab ich dir zuviel versprochen. Ich hab nur mehr a Sechzehner Blech.«
Joe hatte augenblicklich das Gefühl, von der Kaste der Studierten in die unterste Schublade gekullert zu sein. »Bitte? Was war das?«
»’tschuldige, wollte sagen, ich hab nur noch Ottakringer.«
»Ist okay«, entgegnete Joe und fragte sich ernsthaft, ob Bier nicht gleich Bier war. Oder war es womöglich ähnlich kompliziert wie beim Wein? Gab’s auch Jahrgänge beim Bier und sie, die einfältige Naive hatte es bis heute noch nicht mitgekriegt? »Ein Zwanzigzehner, wenn du hast.« Gleich darauf fiel ihr ein, dass Michael, der Bierexperte, noch nie etwas von Jahrgängen erwähnt hatte.
Sabine lachte. »Kenn mich schon aus.« Dann brachte sie Joe die Flasche, zusammen mit einem anmutig geschwungenen Tulpenglas, in das sie etwas einschenkte, bevor sie beides vor Joe auf den Tisch stellte.
Mit offenem Mund bestaunte Joe Sabines Fertigkeiten.
Diese schmunzelte. »Hab in meinem früheren Leben gekellnert.« Dabei zwinkerte sie Joe kokett zu und verschwand in die Küche, um sich ein Glas Rotwein zu holen.
Eine wallende Hitze spürte Joe plötzlich in sich aufsteigen. Sie schlug ein Bein über das andere, als könne sie diese damit unter Kontrolle halten. Vermutlich in einer Stripbar, ging es ihr durch den Kopf und sie versuchte, diesen Gedanken sofort wieder zu verdrängen.
»Es war in einem – wie heißt es so euphemistisch? – einschlägigen Etablissement, in dem die Damen nur leicht bekleidet herumlaufen, um die männliche Klientel zu erfreuen. Leicht bekleidet hieß in unserem Fall ein dünnes Schnürchen um die Hüften und ein noch dünneres durch den Schritt, beide in einem kräftigen Rot et voilà, fertig war die Dienstuniform. Passte erstklassig zur Corporate Identity.« Sie lachte. »Die Mädchen konnte man nur aufgrund der Größe ihrer Titten und ihrer Haarfarbe unterscheiden.«
Joe sah verunsichert aus. Sie wusste nicht, ob sie das alles hören wollte, was ihr Sabine da erzählte. Wenn es keine Vergangenheit gäbe, könnte man viel ungezwungener im Hier und Jetzt leben, sinnierte Joe. Oder dient die Vergangenheit allein dazu, um zu erklären, wie und warum man zu der Person wurde, die man heute war, dient sie dazu, um all die Macken, Fehler und Unzulänglichkeiten des eigenen Ichs erklären und entschuldigen zu können, sie auf das Verhalten anderer zu schieben, um sich selbst reinzuwaschen und in ein strahlenderes Licht zu stellen?
»... ich auch meinen Mann«, war Sabine schon ein Kapitel weiter. »Wir hatten«, dabei strahlte ein schelmisches Grinsen aus ihrem Gesicht, »nur einen einzigen Punkt, bei dem wir uns wirklich – und ich meine wirklich – einig waren ...«
Joe, einen großen Schluck von ihrem Bier nehmend, fragte sich, warum sie sich aufrechter und gerader hielt als sonst.
»... und das war Sex.«
Da war es wieder, Joes leidiges Thema. Ja, Mann und Frau haben Sex, viel Sex, sieben Tage die Woche, zweiundfünfzig Wochen im Jahr; wenn beide berufstätig sind, es in der Firma einen heimeligen Kopierraum oder eine verwaiste Besenkammer gibt, noch öfter. Joe!, Schluss jetzt mit dem Selbstmitleid.
»... beide die etwas härtere Gangart. Er war der geborene Unterwürfige. Und ich ... mein Part schien mir schon in die Wiege gelegt worden zu sein. Auch wenn es gar nicht in der Absicht meiner Eltern gelegen hatte.« Sie nippte von ihrem Wein. »Irgendwann ging es dann aber nicht mehr. Der Alltag wurde zunehmend anstrengender und mühsamer. Wir ließen uns scheiden, gingen ohne Zorn, ohne Hass auseinander. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Ich war frei, konnte tun und lassen, was mir gefiel, und da wurde mir klar, ich wollte mich nie wieder auf einen Partner fixieren.«
Joe nickte andächtig, als hätte sie schon drei geschiedene Ehen hinter sich und wüsste genau, wovon Sabine sprach.
»War dann natürlich die große Frage für mich, was tun, um meinen Lebensinhalt zu finanzieren. Ich konnte nichts außer Tabletts schleppen, aufreizend lächeln und die Drinks so abstellen, dass den Gästen meine Titten ins Gesicht sprangen.« Da war wieder dieses verschmitzte Grinsen. »Dann kam mir irgendwann die Idee, Geld zu verdienen mit dem, was mir Spaß macht und was ich wirklich konnte.«
Wie Sabine sich eine so großzügige Wohnung mit Dachterrasse leisten konnte, mit höchstens zwei Tagen Workshop in der Woche, faszinierte Joe über alle Maßen.
» ... gründete meinen eigenen Escortservice mit nur einer Angestellten – mir.«
Überrascht sah Joe durch ihre tiefschwarzen Wimpern, musterte Sabines Gesichtsausdruck.
»War ’ne tolle Sache. Erst in schicke Restaurants, ins Theater, in die Oper – Robert Meyer als Alfred P. Doolittle in ›My Fair Lady‹, ein Genuss, sag ich dir. Dann ins Ana Grand – hieß es damals noch –, ins Sacher oder ins Imperial, mit den schweren Teppichen und den edlen Hölzern. Die Betten sind halt ein Krampf, denn auf Gäste, die mit Handschellen kommen und diese irgendwo festmachen wollen, sind die nicht eingerichtet. Nix ist’s da mit Messingbetthaupt und massivem Fußteil. Musst ich gleich eine negative Rezension schreiben.« Sie giggelte wie eine Pubertierende.
»Meine Begleittätigkeit biete ich selbstverständlich auch für Frauen an, doch bis dato hat sich noch keine dafür interessiert. Später kam ich auf die Idee mit den Workshops. BDSM hatte weitgehend seine Schrecken, vor allem aber seinen anrüchigen Ruf verloren.« Sie lachte. »Jeder wollte auf einmal mit Seilen und Handschellen spielen, doch niemand wusste so recht, wie man diese gefahrlos, für die eigene, wie die Gesundheit des anderen, handhabt. Kratzer und Abschürfungen sind ja noch das harmlose Ende des Spektrums, aber das brauch ich dir als Ärztin ja nicht zu erzählen.«
Sofort, als sie das Wort Ärztin vernahm, versteifte sich Joes Oberkörper und sie zog ihre Schultern zurück, als wäre sie eben aufgefordert worden, vor den Vereinten Nationen in New York zu sprechen.
»Wie du vielleicht schon bemerkt hast«, und dabei strich Sabine mit den manikürten Fingern verführerisch über ihre Schenkel, die in seidig glänzenden Strümpfen, und ihre Hüften, die in einem knappen Lederrock steckten, »bin ich Fetischistin.«
Für einen kurzen Moment weiteten sich Joes Augen auf das Doppelte ihrer normalen Größe und sie spürte eine unbändige Hitze in ihre Wangen kriechen. Sie nahm einen kräftigen Zug vom Bier.
»Ich liebe diese hauchdünnen, weichen Stoffe, die sich wie unsichtbar an meine Haut schmiegen, sie überziehen, sie einhüllen wie ein zartes Gefängnis. Ich mag hohe Schuhe und ich mag Leder. Latex wär auch schwer okay, wenn nicht dieser Wahnsinnsaufwand mit dem Anziehen wär.«
Joe trank ihr Glas leer.
»Willst du was sehen«, fragte Sabine neckisch.
Joe, die dachte, das Bier hätte sich in ihrem Hals gerade zu einem dicken Kloß verklumpt, nickte nicht gerade enthusiastisch.
»Komm mit!« Sabine stöckelte aus dem Wohnraum, den Gang entlang, um dann in einer Tür auf der linken Seite zu verschwinden. »Schlafzimmer.«
»Von der Größe sieht es eher wie eine Junior-Suite aus«, stellte Joe lakonisch fest.
Ohne darauf zu reagieren trippelte Sabine über den hochflorigen Teppich zum Kleiderschrank.
Dort, wo Joe in der Suite eine Sitzgruppe und den Fernseher platziert hätte, befand sich in Sabines Schlafraum eine u-förmig angelegte Landschaft aus Kästen, offenen Regalen und Schubladen, alles in massiver Rotbuche, geölt. »Nett«, japste sie, um irgendwas zu sagen.
Sabine ließ eine Schiebetür lautlos zur Seite gleiten und offenbarte Joe eineinhalb Meter Leder, Lack und Latex. »Hier.« Zielsicher langte Sabine – bei den Kleidungsstücken war es schon eher angebracht von Harriet zu sprechen – in den Schrank und entnahm ihm ein ärmelloses, schmal geschnittenes Lederkleid. »Sieht doch sexy aus! Ist eins meiner Lieblingsstücke.« Gekonnt wie eine Verkäuferin bei Dior hängte sie es wieder zurück. »Oder hier.« Sie zauberte ein viktorianisch aussehendes Korsett aus Brokat hervor. »Sehr elegant. Lässt sich selbst in der Staatsoper tragen, ohne dass man schiefe Blicke erntet oder angepöbelt wird von den besseren Herrschaften.«
Interessiert genoss Joe diese Führung durch die Erotik weiblicher Klamotten. »Sehr hübsch«, sagte sie, denn sie fand es tatsächlich sehr hübsch.
Gleich darauf verschwand das edle Stück ebenso schnell dorthin zurück, woher es gekommen war.
»Aber dies hier ...«, Harriet legte eine Pause ein, um sich die volle Aufmerksamkeit ihrer Besucherin zu sichern, »... dies ist mein Prachtstück.« Sie schwenkte, was aussah wie ein Overall, kokett vor Joes Augen. »Catsuit aus feinstem Nappaleder. Maßanfertigung, damit er wirklich sitzt.«
Joe wurde tatsächlich rot bei dem Gedanken, wie die bezaubernden Kurven ihrer Gastgeberin in diesem wunderbaren Anzug aussehen.
»So, nun aber genug der Vorstellung«, meinte Harriet, schloss den Schrank und war mit einem Schlag wieder, simpel und profan, Sabine.
»Danke«, flüsterte Joe.
»Ein paar nette Sachen hab ich noch. Kannst dir gern mal was ausborgen, wenn’s dir passt.«
Joes Augen strahlten rund und groß.
»Kein Spaß, ich mein das ernst.«
Joe legte die Hände auf ihre Hüften, die ihr plötzlich unheimlich ausladend vorkamen.
Als die beiden wieder im Wohnzimmer saßen, Sabine die Getränke nachgeschenkt hatte, fragte sie: »Und was tut sich bei dir, Joe, außer dass du gerne Bondageworkshops besuchst, bei denen du dich äußerst geschickt anstellst?« Dabei ließ sie ihre Hand auf Joes Schenkel gleiten und sah sie neugierig aus ihren grünen Augen an.
Langeweile, dachte Joe. Eintönige, nie enden wollende Langeweile in der Ordi. Was sollte sie bloß von sich erzählen, dass Sabine nicht gleich in den nächsten drei Minuten hier, neben ihr auf dem Sofa einschlief? In ihrem Leben gab es so gar nichts, das sie als erwähnenswert erachtete. Misserfolge könnte sie jede Menge vorweisen, Defizit an Sex auch, Überbeanspruchung des Zeige- und Mittelfingers der rechten Hand – aber das war eine Folgeerscheinung des vorherigen Punkts. ›Saufen mit Sandra bis zur Bewusstlosigkeit‹, wär ein Thema oder auch ›Wie frau mit zweiunddreißig das schwindelfreie Stöckeln erlernt hat‹, oder ...
Sabine blinzelte ihr aufmunternd zu.
Nicht so schüchtern, Joe!, hörte sie das Kichern ihrer inneren Stimme.
Joe straffte ihren Rücken, strich ihr Haar hinters Ohr und hob das Kinn an, als hätte sie etwas wirklich Bedeutsames zu erzählen. »Tja ... also ...«
*
Joe war aufgekratzt, im positiven Sinn echauffiert und glücklich, als sie ihren Smart unter den drei Kastanien hinter der Mühle abstellte.
Sabine schien sehr an ihrem Leben, ihren bisherigen Beziehungen und ihren Vorlieben interessiert gewesen zu sein. Mehrmals fragte sie Details nach. Besonders hatte ihr die Geschichte von Claudia, ihrer ersten Liebe, gefallen, die noch dazu in einem Desaster geendet hatte. Sie wollte wissen, ob sich Joe bewusst war, was auf sie zukam, würde sie sich mit ihr, Sabine, auf eine Affäre einlassen. Joe beteuerte es mehrfach, denn sie dachte, dass diese wohl nicht viel anders als ihre Beziehung zu Sandra ablaufen würde.
»Es gibt Fesselspiele«, sagte Harriet, »und es gibt Bondage. Ich betreibe letzteres, und das kann ich wirklich ohne Übertreibung sagen, ich hab schon Männer gesehen, die nach einer halben Stunde in einer ausgewachsenen Panik das Safeword schrien, weil sie nur noch nach Hause zu ihrer Frau wollten.« Dabei machte sie ein Gesicht, das keinerlei Rückschlüsse darauf zuließ, ob sie das humorvoll oder angewidert meinte. Dann, Joe war total perplex, setzte sie sich plötzlich auf ihre Oberschenkel, sah sie aus aufgeweckten Augen an und gab ihr einen langen Kuss. »Ich hab dich damals im Kurs schon unbeschreiblich anziehend gefunden«, sagte Harriet. »Du besitzt etwas Außergewöhnliches, wie hab ich es genannt?, eine ›unkonventionelle Natürlichkeit‹«.
Joe konnte sich daran erinnern. Doch was Harriet damit genau meinte, war ihr nach wie vor schleierhaft, und nachfragen wollte sie auch nicht.
»Ich hätte Lust, mit dir zu spielen, Joe. Sehr große Lust. Ein ganzes Wochenende lang – für den Anfang – möchte ich mit dir spielen, möchte dich verführen, verschnüren, fesseln, knebeln, schlagen und dir dabei so viel Lust bereiten, wie du sie noch nie verspürt hast.«
Joe, wusste es, auch wenn sie keinen Spiegel dabei hatte, dass ihre Augen geleuchtet hatten, gestrahlt vor Begeisterung und Vorfreude, als Harriet mit diesen Worten wohlige Schauer durch ihren Körper und frivole Fantasien durch ihren Kopf jagte.
»Mach mit mir, was du willst«, sagte Joe, vielleicht doch etwas zu voreilig. »Mein Körper gehört dir.«
Harriet sah sie ernst an. »Du solltest es nicht sagen, Joe, wenn du es nicht auch genauso meinst. Andernfalls könnte es gefährlich werden.«
Joe nickte. »Ich meine es aber genau so.«
»Dann is’ ja gut«, doch Joe dachte in ihrem Gesicht zu lesen, dass sie ihr kein Wort glaubte. »Wann hast du also Zeit für unser erstes Treffen, bei dem sich dann alle noch offenen Fragen von allein beantworten werden?«
Sie brauchte keinen Kalender, um zu wissen, dass ihre nächsten Wochenenden so leer von irgendwelchen Verpflichtungen waren wie ein frischgeschöpftes Papier von Worten. »Wär kommendes Wochenende okay?«
Harriet nickte, tippselte und wischte, wischte und malträtierte das iPhone-Display mit dem Nagel ihres Zeigefingers. »Alles klar.« Sie lächelte, küsste Joe noch einmal, bevor sie von ihr stieg und sie hinausbegleitete.
Das war jetzt gerade mal eine gute Stunde her und noch immer konnte Joe den herrlichen Geschmack Harriets auf ihrer Zunge, deren Berührungen auf ihren Lippen und deren aphrodisierenden Duft in ihrer Nase spüren. Obwohl die Einrichtung ihres neuen Zuhauses, der Mühle, noch bei weitem nicht komplett war, fühlte sie sich bereits geborgen, als sie in den Vorraum trat. Aber was spielte das für eine Rolle, an einem Tag wie diesem, an dem sie von ihrer Bondagelehrerin geküsst worden war, eindringlich und zärtlich und diese ihr sagte, was sie beim nächsten Treffen alles mit ihr anstellen wollte, und zwar ein ganzes Wochenende lang.
Sie meinte einen Seufzer gehört zu haben.
Was is’?
Du bist schon wieder feucht, Joe!
Was dagegen?
Beim Zeus. Was sollte ich dagegen haben? Aber ein Außenstehender könnte denken, dass dich das Fahren in deiner winzigen Karre so anmacht, dass du jeden Augenblick kommst.
Das Treffen zwischen Joe und Sabine war charmant, kurzweilig und für beide Seiten aufschlussreich gewesen. Wäre da nicht ein kleiner Punkt gewesen, den Harriet mit keiner Silbe erwähnt, ja nicht einmal angedeutet hatte. Aber vielleicht war es gut so, denn vielleicht hätte es Joe nur unnötig verunsichert oder sie dazu veranlasst, ihre vereinbarte Verabredung erneut abzusagen, wenn sie gewusst hätte, dass Harriet ein Faible für die klassische Ménage-à-trois hatte.
*
Als Joe seinen Namen auf der Warteliste auf ihrem Monitor sah, huschten ihr Gedanken durch den Kopf, ob es nicht doch an der Zeit wäre, ihr Stethoskop an den nächsten Nagel zu hängen, um in Zukunft einer fesselnderen Tätigkeit nachzugehen, die obendrein noch Spaß machte. Sabine, nein, Harriet natürlich, hatte es doch vorgemacht, wie es ging – und dass es möglich war. Was Dr. Bertram betraf, der an diesem Tag bereits zum fünften Mal in diesem Monat bei ihr vorstellig wurde, sah sie sich bereits in der Rolle der unbarmherzigen Domina, die, in hohen Stiefeln und hautengem Latexcatsuit, ihrem Patienten die Flausen mit der Neunschwänzigen austrieb. Als sie sich das Bild vorstellte, stieg eine bis dato nicht bekannte Erregung in ihr auf. Ihre Zehen kribbelten, ihre rechte Hand fasste ständig ins Leere, als versuchte sie nach dem Griff einer unsichtbaren Peitsche zu greifen. Weit würde sie ausholen, würde erst sein Hemd zerfetzen, dann blutige Striemen auf seinen Rücken zeichnen, ihn schlagen, peitschen, demütigen ...
»Mein lieber Dr. Bertram«, flötete Joe eine Spur zu übertrieben, als dieser zur Tür hereinkam, und sie hoffte, dass er ihre Gedanken nicht von ihren Wangen ablesen konnte.
»Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich Ihnen«, sagte er, während er auf sie zuging, die linke Hand hinter dem Rücken, als wäre sie dort festgebunden.
»Was kann ich für Sie ...?« Joe blieben die Worte weg, als er vor ihr stand, seine Hand und mit ihr einen wunderbaren Blumenstrauß hinter seinem Rücken hervorzauberte.
»Für Ihre Bemühungen«, sagte er mit einem schelmischen Zwinkern, als hätte er die Blumen gerade vom Jedleseer Friedhof gestohlen. Er überreichte ihr einen opulenten Strauß aus Chrysanthemen.
Mit angehaltenem Verstand sah sie ihn an, wusste nicht, womit sie diese Nettigkeit verdient hatte. »Aber ich bitte Sie, das wär doch nicht nötig gewesen«, sprudelte sofort eine Plattitüde professionell aus ihrem, in dezentem Veilchenton geschminkten, ärztlichen Mund. »Die sind ja wunderschön. Die kann ich unmöglich annehmen.«
»Aber ich bestehe darauf.«
»Ich ...«
Joe, fang jetzt keinen Streit an, hier in der Ordi. Er hat gesagt, er besteht darauf.
Na dann ... »Herzlich Dank, Herr Doktor, obwohl ...«
Dr. Bertram hob beschwichtigend seine Arme.
»Das ist doch keine Bestechung?«, fragte Joe plötzlich ernst. »Oder ›Anfüttern‹? In Österreich ist das ›Anfüttern‹ verboten.
»Doch nur bei Staats- und Landesbediensteten, wenn ich mich richtig erinnere, und da auch nur bei den unteren Chargen.« Dr. Bertram schmunzelte.
Verzückt nahm sie die Blumen und legte sie in das Waschbecken. »Der Blutdruck?«, wurde sie sofort wieder dienstlich.
»Nur wenn ich Sie sehe, meine liebe Frau Doktor.«
Joe spürte, wie sich ihre Wangen knallrot färbten, als hätte sie sie gerade mit Kadmiumrot dunkel eingecremt. »Bitte unterlassen Sie diese Scherze.«
Noch immer lächelte er. »Ich möchte Sie, liebe Frau Dr. Binder, in aller Ehrenhaftigkeit, versteht sich, gerne zum Essen einladen.«
Verlegen presste Joe die Lippen zusammen. »Schauen Sie, mein lieber Doktor Bertram, ich kann ...«
»Zum ›Plachutta‹ in die Wollzeile ... oder ›Zum schwarzen Kameel‹ ... oder von mir aus auch ›Meinl am Graben‹ ...«
»...«
»Wenn Sie möchten auch zu den ›Drei Husaren‹ – nein, die sind ja krachen gegangen ... oder auf ein Schnitzel ins ›Figlmüller‹?
»Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, Dr. Bertram, aber ...«
»Nennen Sie mich doch Julius.«
Eine unangenehme Hitze breitete sich in Joes Kopf aus. »Herr Doktor, wirklich ...«
»Julius, bitte!
»Wirklich, also ich weiß nicht ...«
»Es ist nur eine formlose Einladung zum Abendessen. Ein Dankeschön. Nichts weiter. Ohne Hintergedanken.«
Lügen kann er wie gedruckt, ohne dass man es ihm ansieht, dachte Joe. Gut, er war ausgebildeter Jurist.
»Es ist nur ... ich weiß doch, dass Sie an mir nichts verdienen, wenn ich zehnmal im Monat Blutdruck messen komme.«
Sogar wenn er nur zehnmal im Jahr Blutdruck messen käme, würd’ ich nichts verdienen.
»Also ... wirklich ... ich ... ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Einladung ... Julius. Gestatten Sie mir, wenn ich erst darüber nachdenke.«
»Ja, selbstverständlich, meine Verehrteste, selbstverständlich. Den Termin legen selbstredend Sie fest.«
Joe blickte auf ihre Swatch. »Also, wenn ich heute nichts mehr für Sie tun kann ...«
»Danke«, lächelte Dr. Bertram, »das wäre alles.«
Als Joe ihm die Hand reichte, glaubte sie die Andeutung eines Handkusses zu sehen, doch gleich darauf war sie sicher, sie wollte sich einfach sicher sein, sich getäuscht zu haben. »Herzlichen Dank und bis zum nächsten Mal«, flötete Joe wie immer, wenn sie nicht sie selbst war.
Bis auf den Zwischenfall – oder wie sollte sie es sonst nennen? – mit Dr. Bertram war ihr Arbeitstag ruhig und angenehm verlaufen. Dennoch fühlte sie sich müde. Wäre sie von einem gutaussehenden Vierziger zu einem Dinner eingeladen worden, hätte sich ihr Ego geschmeichelt gefühlt. Selbst der Einladung eines Zwanzigjährigen, der ja beinahe noch an der Grenze zur Minderjährigkeit kratzte, wäre sie bereitwilligst gefolgt. Durch Dr. Bertrams Einladung hingegen fühlte sie sich, sie konnte es nicht anders sagen, alt. Steinalt, uralt, wie die ältere Schwester Methusalems. Keine Frage, die Blumen waren eine nette Geste gewesen, für das, was sie tat. Ein Abendessen in einem der besten Lokale Wiens klang auch ausgesprochen verlockend. Die besten Lokale ... Doch warum ausgerechnet von einem Greis. Okay, mit seinen dreiundfünfzig Jahren hatte er zumindest als Nichtbeamter noch lang keinen Anspruch auf Ruhestand, aber das tat in Bezug auf sein biologisches Alter doch nichts zur Sache. Sie war noch keine dreiunddreißig und hatte keine Lust, ihre Lebensfreuden und Energien unter die Abgeklärtheit eines Großvaters zu stellen.
Joe ...
Yup.
Er hat Geld.
...
Joe?
Was bist denn du für eine? Nimmst du auf einmal Drogen?
Ihre innere Stimme war baff.
Und wenn er tausend Millionen hat ...
Das nennt man eine Milliarde, Joe.
... kann er mir gestohlen bleiben. Was mach ich mit einem geriatrischen, auf Inkontinenz zusteuernden alten Knacker, der keine Ahnung mehr hat von ... Liebe ... von Sex ... von Bondage ... von ...
Hab dich schon verstanden.
Hm ..., grummelte Joe.
Du könntest ja mit ihm essen gehen und ihm dann, ich meine nachher, ich meine, wenn er schon bezahlt hat, klarmachen, dass du nicht interessiert bist.
Sehr witzig.
Nein, das meine ich ernst.
Das wär ja wirklich ... also das kommt überhaupt nicht in die Tüte. Wie käme ich mir denn da vor? Wie eine Ärztin, die sich selbst kein Abendessen in einer Gaststätte der gehobenen Kategorie leisten kann.
Der Figlmüller ist nicht so teuer, und die Schnitzel sind supergroß und total lecker!
Ich weiß, war ja schon dort.
Die innere Stimme schmunzelte.
Warum erzähl ich dir das eigentlich, wo du doch ohnehin ... dabei warst.
Das hab ich mich auch g’rad gefragt ... Ich wollte deinen Geisteszustand nicht ...
Passt schon. Okay?
In der Mühle angekommen, ging sie schnurstracks in die Küche und öffnete eine Flasche von Otmars ›Vino della Casa‹, dem hiesigen Grünen Veltliner. Weit mehr als ein Achtel schenkte sie sich ein und presste die kühle Flüssigkeit an die Schläfe. Sie nahm einen kräftigen Schluck, gleich darauf noch einen. Langsam krochen die Lebensgeister auch in die entlegeneren Winkel ihres Körpers. Sie ließ sich auf dem Küchensessel nieder, der den alten, von Michael Thonet entworfenen Stühlen der Wiener Kaffeehäuser nachempfunden war. Allerdings war ihrer aus Plastik. Original schwedisches Möbelhaus.
Vielleicht sollte sie sich noch eine Stunde hinlegen, bevor Michael kam.
Ein infernalisches Geklopfe riss Joe aus dem Schlaf. »Was ...« Sie sah auf die Uhr. »Verdammte Scheiße!« War sie doch tatsächlich eingenickt. »Einen Moment!«, rief sie, als sie ihr Haar, wirr und ausgefranst, als wäre es elektrostatisch aufgeladen, im Spiegel betrachtete. Sie rannte in die Küche, langte in ihre Handtasche, fand eine Packung Hofer-Taschentücher, das kleine Notizbüchlein, das sie ständig mit sich herumschleppte, für den Fall, dass es eine wichtige, private Telefonnummer zu notieren galt, das Fläschchen mit den Bachblüten, die angebrochene Packung mit den Baldrian-Hopfen-Tabletten. Es war zum Verzweifeln. Endlich ertasteten ihre Finger den Griff der Haarbürste. An der Tür hämmerte es ungeduldig.
»Joe!?, ich bin es, Michael. Willst du mich nicht reinlassen?«
»Ich ... gleich bin ich soweit«, sagte sie, damit beschäftigt ihr widerspenstiges Haar, das jeglichen Einflüssen der Schwerkraft trotzte, zu bändigen. Kaum zwei Minuten später, war sie mit dem Resultat – in Notfällen musste frau eben Zugeständnisse machen – einigermaßen zufrieden.
»Hallo Michael!«, öffnete sie freudestrahlend die Haustür.
»Hallo«, lächelte er verschmitzt. »Dachte schon, dir wär was passiert. Seit zehn Minuten steh ich draußen und klopf mir die Finger wund.«
Noch nie hatte Joe einen Mann gesehen, der so phlegmatisch, ja beinahe belustigt darauf reagierte, dass sie ihn warten hatte lassen. »Komm rein.«
Er hob sie hoch und gab ihr einen langen Kuss. Wie vermisst hatte sie seine warmen männlichen Lippen, das Schalkhafte in seinen Augen, den Duft seines Aftershaves, das er ganz offensichtlich nicht nur nach dem Rasieren benutzte.
»Tut mir leid, dass du warten musstest. Ich hab mich nur kurz hingelegt und ...«
»Schon klar. Bei dir dauert es immer, bis du wieder ansprechbar bist.«
»Eigentlich wollte ich uns heute Gnocchi mit Pinienkernen machen, aber ... Stört es dich, wenn wir später essen.«
Er schüttelte den Kopf. »Hab keinen großen Hunger«, sagte er knapp. »Wär schon mit einer Kleinigkeit zufrieden«, und dabei grinste er so breit, dass Joe fürchtete, er könnte sich in die Ohrläppchen beißen. Mit Augen gefährlich und funkelnd steuerte er auf sie zu.
»Michael, was hast du vor?« Joe versuchte überrascht und echauffiert zu klingen.
Was wird er schon groß vorhaben, Joe? Also wirklich. Das, weswegen du ihn eingeladen hast, hat er vor. Und halt bitte die Klappe. Die Rolle der schockierten, biederen Jungfer steht dir ganz und gar nicht.
Joe wandte sich um. Ihr Mund war versiegelt. Spielerisch floh sie vor ihm die Treppe hinauf, strampelte sich den Slip von den Beinen und ließ sich dabei genügend Zeit, dass sie selbst ein Achtzigjähriger nach einer missglückten Hüft-OP spielend eingeholt hätte.
»Haha!«, lachte sie laut auf, als Michael sie an den Hüften packte, herumwirbelte, hochhob und gegen die Wand drängte.
»Ich hab’s noch nie auf ’ner Treppe getan«, lachte er, »schon gar nicht auf so einer schön renovierten.«
Joe schlang ihre Beine um seine Taille, ihre Arme um seinen Hals, keuchte ekstatisch, als er ihren Rock nach oben schob. Ehe sie sich’s versah, war er in ihr und stieß mit tiefen, elastischen Stößen auf sie ein. Sie spürte sein Becken an ihren Schenkeln, seinen flachen Bauch an ihrem Venushügel und ein unbändiges Verlangen in ihrer Mitte. Sie brodelte, kochte, krallte ihre kurz geschnittenen Nägel in seinen Rücken, doch er schien es nicht zu bemerken. Mit jedem Stoß wurde er heftiger, ungestümer, fordernder. Bald würde er ihren Körper an jenen Punkt bringen, an dem sie sich nicht mehr wehren konnte, wo sie ihm ausgeliefert war, wo es keine Ratio und keine Logik mehr gab, kein Heute und kein Morgen, wo nur noch willenlose Ekstase triumphierte. Sie spürte seinen prallen Schwanz, spürte, wie er sich tief in ihre Mitte bohrte, fühlte ihn an ihrer glatten Muskulatur, an ihrer ... Wie wild begann ihr Beckenboden bei diesem Gedanken zu zucken und sie kam heftig und ohne Vorwarnung. Ihre Beine zitterten, als sie sich auf die Stufen setzte. Gerne hätte sie jetzt eine Zigarette geraucht, nur um diese beängstigende Stille nicht ertragen zu müssen, um ihm nicht in die Augen sehen, ihn anlächeln zu müssen, um nicht irgendeinen Schwachsinn zu verzapfen, wie »es war wunderschön«. Doch sie rauchte nicht.
Nachdem sie den Rock glatt gestrichen, den Slip aufgesammelt und er alles, inklusive T-Shirt wieder ordentlich in seiner Hose verstaut hatte, gingen sie zurück in die Küche.
»Wein?«, fragte sie mit einem Blick, als wäre sie noch nicht wieder ganz im Hier und Jetzt angekommen. »Veltliner, Otmar-Spezial, aus der Gegend. Den gleichen den’s auch beim Dorfwirten gibt.«
»Gern.«
Joe schenkte zwei Gläser ein. Dann ließ sie eine Unmenge Butter in der Pfanne zerfließen, um die Pinienkerne anzurösten und stellte Wasser für die Gnocchi auf.
»Ich ... vielleicht täusche ich mich«, begann Michael, »aber ich hatte das Gefühl, du warst heute irgendwie nicht bei der Sache.«
»Hm.« Joe zuckte die Schultern. »Ich ... es ist mir irgendwie peinlich ...« Ihre Lippen schienen Worte artikulieren zu wollen, doch aus ihrem Mund drang kein Laut. »Ich hab noch nie drüber gesprochen. Seit neuestem ...«, sie räusperte sich, »... hab ich – wie soll ich sagen – ganz spezielle Bedürfnisse bei erotischen Zuwendungen ... beim Sex.« Joe schlug ihre Augen verlegen nieder.
Michael hielt den Atem an und schien sich zu fragen, ob das nun gut oder schlecht für ihn war.
»Es macht mich an ... ich meine ... ich steh auf härtere Praktiken«, sagte Joe und fühlte Hitze in ihre Wangen steigen. »Irgendwie«, setzte sie noch hinzu, als könnte dieses nichtssagende Umstandswort alles erklären.
»Härter?«, fragte Michael verwundert. »Ist dir meine Art nicht hart genug?« Er holte Luft. »Ich dachte Frauen lieben es zärtlich und gefühlvoll.«
Joe streckte demonstrativ ihr Brust heraus, als sie getrocknete Tomaten und Salbei zu den goldbraunen Pinienkernen gab. »Jein«, sagte sie verlegen.
»Ja-ein?, das ist doch eine typische Frauenantwort.«
Joe fühlte sich in die Enge getrieben. »Ich weiß nicht, ob es bloß eine Antwort oder eine typische Frauenantwort ist, Michael. Ich meine, ich kann doch auch nichts dafür, wenn mein Körper mit einem Mal komplett verrückt spielt«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Was kann ich denn dafür, dass ich auf einmal auf ...«, sie schluckte, »Handschellen, Fesselspiele, Auspeitschen ...«, sie hielt inne, »... voll abfahre.«
»Handschellen? – Fesselspiele? – Auspeitschen? Um Himmels willen, Joe, was ist denn in dich gefahren?« Michaels Stimme überschlug sich. Dabei sah er aus wie ein Theaterschauspieler, der auf der Bühne stand und feststellte, dass er den Text für das falsche Stück einstudiert hatte.
»Plötzlich? Eigentlich kam es nicht plötzlich. Es fing vor Monaten an. Und nun kann ... will ich nicht mehr ohne diese Dinge sein.«
Michael biss auf die Innenseite seiner Wange.
»Es gibt mir so ein Gefühl ... Hast du nie solche Dinge getan, ausprobiert?«
»Nein«, sagte er zögerlich.
»Nie davon geträumt?« Sie sah ihn aus warmen braunen Augen an. »Hast du nie daran gedacht, dich zu unterwerfen, die Verantwortung für dich und deinen Körper abzugeben, in die Hände einer Frau zu legen?«
»Ich ... äh ... nein. Ich verabscheue Gewalt, nicht nur bei Frauen. Ich könnte nie ... ich könnte dich nie fesseln, dir Handschellen anlegen, dass du dich nicht mehr rühren kannst.«
»Auch nicht, wenn es mir Lust bereitet? Auch nicht, wenn ich dich ganz lieb darum bitte?« Sie lächelte kokett.
»Ich glaub’, dabei käme ich nicht einmal in die Nähe eines Orgasmus.« Ein schmales Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen.
»Niemand ist perfekt«, lachte Joe. »Wir haben alle unsere Schwächen«, und es klang, als versuchte sie, die globale politische Situation auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Sie stellte die Teller mit den Gnocchi auf den Tisch und öffnete noch eine Flasche Wein. »Aus Italien«, sagte sie und hielt ihm den Rotwein unter die Nase. »Ach, wie dumm.« Sie holte zwei passende Gläser aus der Vitrine und goss ihm einen Schluck ein. »Was meinst du?«, forderte sie ihn auf zu kosten.
Er trank den Wein in einem Zug aus. Dann nickte er. »Ausgezeichnet«, murmelte er, »das hast du ja spitzenmäßig hingekriegt, Joe.«
Sie lächelte. »Michael, könnten wir nach dem Essen noch auf den Dachboden?«
Er grinste.
»Nein, nicht was du denkst. Ich meine, damit du mir sagst, ob und wie man ihn am besten ausbauen könnte.«
Er nahm einen Schluck. »Sicher. Aber warum hast du uns denn nicht damals schon den Auftrag gegeben, dass wir ihn gleich mitmachen sollen bei der Sanierung?«
Sie schürzte die Lippen. »Damals? Damals war das irgendwie noch nicht aktuell. Bin erst später draufgekommen, dass man da was Nettes draus machen könnte.«
Bei dem Gedanken an eine Umgestaltung des Dachbodens verspürte Joe ein unstetes Ziehen in ihren Eingeweiden. Sie konnte es kaum noch erwarten, bis Michael mit dem Essen fertig war, dann nahmen sie ihre Gläser, stiegen die Stufen ins Obergeschoß, weiter die schmale Treppe in den Boden hinauf. Ein wohliger Schauer überlief sie, als sie die Tür in die Mansarde aufstieß.
Er sah sich um. »Die Isolierung ist ja schon im Zuge der Renovierung gemacht worden. Man braucht das ganze eigentlich nur noch, je nach Geschmack, mit Holz oder Gipskartonplatten zu verkleiden und in der Farbe deiner Wahl anzupinseln. Bodendämmung ist auch schon vorhanden. Brauchst dir nur noch einen hübschen Parkett oder Laminat aussuchen. Ich kann dir gerne eine Zimmerei und eine Tischlerei empfehlen, Joe. Was hast du eigentlich damit vor?«
Grinsend stellte sie sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Seine Augen weiteten sich, seine Mund stand offen.
Sie nickte, wie um das Gesagte noch zu unterstreichen.
»Ist nicht dein Ernst.«
Sie verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken, als gelte es ein äußeres Zeichen ihres kindlichen Übermuts zu zeigen und drehte ihren Oberkörper in weichen, schwingenden Bewegungen mal links, mal rechts.
»Ich fürchte doch.« Dann begann sie hemmungslos zu lachen.
Wäre Joe an diesem Tag ehrlich zu Michael und zu sich selbst gewesen, hätte sie eingestehen müssen, dass ihre zweifelhafte Stimmung nichts mit ihrer Vorliebe für BDSM zu tun hatte. Vielmehr lag es daran, dass sie weder jenem weitverbreiteten Missverständnis noch Michaels wunderbarem straffen Schwanz aufsitzen, und die Lust, die er ihr bereitete, mit Liebe verwechseln wollte. Eine kleine Barriere und eine winzige Notlüge schienen ihr ein probates Mittel zu sein, dies zu verhindern.
*
Sie konnte es nicht abstreiten, doch sie war enttäuscht. Nicht gerade bitter, aber doch enttäuscht. Bei Hippokrates, durfte es denn sein? Traumhaft und einzigartig wäre es gewesen, hätte er ihre Vorlieben für Bondage, für Unterwerfung, für Spanking geteilt. Aber offensichtlich stieß das Schicksal damit an die Grenze des Machbaren. Es wäre perfekt gewesen, ein Mann, der sie fesselt, knebelt, sie unterwirft und ihr jede Menge Lust und multiple Orgasmen in einer bisher ungeahnten Intensität beschert. Aber Perfektion schien, so die Meinung der Vorsehung, des Schicksals oder wer sich immer dafür zuständig fühlen mochte, nicht in diese Welt zu passen. Wo käme man da hin, wenn das Dasein auf der Erde schon die Stufe der Vollkommenheit erreichte? Was könnten die Pfaffen den Menschen dann noch versprechen, für ein nächstes Leben, eine bessere Welt? Die Zukunft konnte in diesem Fall doch nur schlechter aussehen. Und das waren selbst für so ein abgebrühtes Geschwisterpaar wie Schicksal und Vorsehung keine rosigen Aussichten.
Joe, hör auf Trübsal zu blasen. Du kennst so viele nette Menschen.
Viele?
Okay, aber die paar, die du kennst, sind doch nett, wie Sandra zum Beispiel. Michael ist nett. Und Sex mit ihm hat dir doch auch, zumindest die ersten Male, immer Spaß gemacht.
Schon.
Dann häng jetzt nicht den ganzen Menschen bzw. die ganze Beziehung daran auf, dass er nichts mit BDSM anfangen kann. Alle sind nicht so verrückt wie wir beide.
Joe musste schmunzeln. Bezieh das verrückt ruhig auf dich.
Gut, bezieh ich es auf mich. Hab kein Problem damit.
In diesem Augenblick begann das Smartphone den Klingelton des Baumeisters zu intonieren. »Sie hab’n a Haus baut« von Arik Brauer.
»Binder.«
»Ja, ich grüße Sie, Frau Doktoa Binda«, kam die feste Stimme von Baumeister Kaefer aus dem Lautsprecher. »Haben Sie mein Mail schon gelesen?«
Uh, das klang gar nicht gut. Eine Mail vom Baumeister, jetzt wo die Arbeiten so gut wie abgeschlossen waren. Das konnte nur bedeuten, dass er seinen Kostenvoranschlag nicht eingehalten hatte, dass er, wie in Österreich quasi schon Standard, wenn schon nicht die Bauzeit, so zumindest die präliminierten Kosten überzogen hatte. »Nein«, sagte sie brüsk ins Telefon.
»Macht nichts. Herr Jevtic hat mit mir gesprochen, dass Sie die Mansarde auch noch ausgebaut haben wollen, Sie aber nicht persönlich als Auftraggeberin in Erscheinung treten wollen, sondern dass wir, die Baumeister Kaefer GmbH, diese Rolle übernehmen sollen.«
Sie hörte einen langgezogenen Seufzer. »Das machen wir natürlich gerne für Sie, Frau Doktoa, da wir auch in der glücklichen Lage sind einige Firmen zu kennen, die erstklassige Innenausbauten, inklusive ansprechendem Design durchführen.«
»Sehr schön, es freut mich, das zu hören.«
»Ich schick Ihnen also demnächst jemanden vorbei, wahrscheinlich noch diese Woche, der sich den Dachboden einmal anschaut und dem Sie Ihre Wünsche und Vorstellungen schildern können und der Ihnen einen Plan und eine damit verbundene erste Kostenschätzung liefert.«
»Danke! Das ist ausgesprochen zuvorkommend.« Sie hörte das dezente Lächeln des Baumeisters am anderen Ende des Äthers.
»Was die Mail betrifft ...«
Joe krampfte sich der Magen zusammen.
»... so hoffe ich, Sie freuen sich, dass wir acht Prozent unter dem Kostenvoranschlag geblieben sind.«
Stille. Hatte er das wirklich gesagt, was sie dachte gehört zu haben? »Acht Prozent?«, sagte sie, eine Oktave höher als gewöhnlich.
»Äh, ja. Exakt herausgerechnet sind es acht Komma drei oder vier.«
»Das ... also das ...« Joe rang nach Worten. »Danke, vielen herzlichen Dank.«
»Gern geschehen«, meinte Kaefer, dem es offensichtlich ausgesprochen gut tat, ab und an ein wenig Dank von seinen Kunden zu bekommen.
*
»Wie läuft’s denn in deiner Design-Bude?«
»Du meinst im Büro?«
Sandra grinste überheblich, als gäbe es gar keine Möglichkeit, ihre Frage falsch zu verstehen.
Anika zuckte mit den schmalen Schultern. »Tut sich nicht viel. Branding für ein mittelgroßes Unternehmen, dessen Namen ich dir nicht verraten darf, sonst nur Kleinkram, Privatkunden, Websites und Visitenkarten.«
»Das find ich wirklich interessant, dass in einer papierlosen Zeit wie der heutigen, die Visitenkarten noch nicht von der Bildfläche verschwunden sind.«
»Hast du vor, die gesamte Zeit mit mir über den Job zu reden? Ich dachte, du wolltest mich erziehen?«
»Vielleicht tu ich das ja grade.« Sandra lachte, als sie Anikas entgeisterten Gesichtsausdruck bemerkte.
»Hey, das geht aber nicht!«
»So?«
»Ähm, zumindest nicht ohne begleitende disziplinäre Maßnahmen.«
»Du wirst das Geschirr abwaschen, meine Dessous bügeln, das Haus aufräumen ...«
»Aber...«
»Hm ... ich glaub, ich werd alt. Hab schon ’nen Tinitus. Dachte grad, du hättest ›aber‹ gesagt.«
»Aber ...«
»Da ist es schon wieder.«
»Aber ich hab ›aber‹ gesagt.«
Sandras Augen waren kreisrund. »Aber, aber ... Nix aber. Bei Erziehungsmaßnahmen gibt es kein ›aber‹, verstanden?«
»Ja, ja, hören tu ich noch ganz gut, aber ...«
»Was hab ich grad gesagt?«
»Aber ...«
»Anika, das führt zu nichts. Du hörst dich an wie eine CD, die ewig an der gleichen Stelle hängt.«
»Aber ...«
»Genau das hab ich gemeint.«
Anika schwieg.
»Schon besser.– Eine Erziehungsmaßnahme ist kein Lustgewinn, klar?«
»A...«
Sandra rollte die Augen.
»Bin schon still. Es ist so, wie du befiehlst, Herrin.«
»So ist es.«
»A... gibt es denn nicht einmal Handschellen ...?«
Sandra sah gelangweilt in den Raum, als ginge sie die ganze Sache nichts an.
»... Fußeisen, einen Knebel, ein Seil um die Arme, das die Hausarbeit erschwert?«
»Muss dich leider enttäuschen, meine Liebe. Das ist kein Wunschkonzert. Falls du Dinge dieser Art wieder von mir haben möchtest, wirst du sie dir erst verdienen müssen.«
»Verdienen?«
»Ja, mit Arbeit, harter Arbeit. Arschkriechen auf working level, so to speak.«
Anika nickte. »Ich hab wohl eine Menge gut zu machen, bevor ich wieder in den Kreis deiner Vertrauten vorgelassen werde.«
»Eine ganze Menge«, nickte Sandra zustimmend.
*
Pünktlich auf die Sekunde pochte es an der Tür.
»Komm schon«, rief Joe, die das zarte Geklopfe beinah überhört hatte. Warum hatte Baumeister Kaefer, der die Gesamtleitung der Renovierung inne hatte, dem Elektriker nicht schon lange gesagt, dass er eine Türklingel montieren und anschließen soll?
»Guten Tag, ich komme vom Architekturbüro.«
Joe spürte die kühle Luft um ihre Beine schmeicheln. Sie musterte die mittelgroße Frau. Attraktiv und hübsch sah sie aus. Schweres blondes Haar, breite Hüften, spitze Brüste, deren Nippel sich kess durch das unifarbene Top abzeichneten.
»Mein Name ist Carissa Werner«, sagte die Frau, die Joe auf etwa dreißig schätzte. »Ich komm wegen dem Dachboden.«
»Natürlich«, setzte Joe ihr Lächeln auf, das sie auch in der Ordination benutzte, um ihre Klienten zu begrüßen. »Ich bin Joe Binder.«
»Sehr erfreut«, sagte Frau Werner, streckte Joe die Hand entgegen und ging nach einem kurzen »Darf ich?« die Treppe ins Obergeschoß und von dort die Hühnerleiter hinauf in den Dachboden.
Joe folgte ihr stumm.
»Hier soll also die Mansarde hin.«
»Mansarde?«
»Na, der Ausbau.«
»Ganz recht.« Sie sah in die blauen Augen der Architektin. Eigentlich ist sie gar nicht hübsch, nicht einmal attraktiv, dachte Joe. Eine durchschnittliche Frau um die dreißig, nicht besonders schön, nicht besonders sexy, und doch gab es da etwas, was sie an ihr faszinierte.
War es gerade dieses Durchschnittliche, dieses Nichtperfekte verbunden mit einer aufdringlichen Ausstrahlung von Zufriedenheit, die stets aus ihrem Allerweltsgesicht lächelte? Joe gefiel die Art, wie sie redete, sich bewegte, sich die schweren Haare aus der Stirn strich und nicht zuletzt die Art, wie sie sich kleidete. Sie war ein bisschen, was die Klamotten betraf, wie sie selbst, bevor Sandra ihr eingebläut hatte, wie frau sich zu kleiden hatte, wenn sie auch als solche wahrgenommen werden wollte. Vermutlich war das das Geheimnis dieser magischen Anziehungskraft, derer sich Joe kaum erwehren konnte. Sie war so, wie Joe in früheren Jahren, eine Zwillingsschwester aus der Vergangenheit, die plötzlich vor ihr in der Gegenwart auftauchte.
In hüftkurzen Jeans krabbelte sie auf allen vieren, das Maßband in den Händen, über den Boden, was Joe großzügige Blicke auf den hautfarbenen Slip und den halben Hintern gewährte.
»Sie wollen den Raum unterteilt haben?«
Joes Augen waren plötzlich gezwungen, statt der Pofalte ihrer Architektin einen neuen Fixpunkt zu suchen. »Nein, ich möchte den Dachboden als einen großen Raum nutzen.«
»Alles klar«, sagte Frau Werner, warf Joe einen amikalen Blick zu und machte unter der Skizze die sie angefertigt hatte, noch ein paar Notizen. »Ich schicke Ihnen«, sie sah auf ihre Armbanduhr, »die Computerpläne mit einer Kostenschätzung bis Mitte nächster Woche. Das sollte sich ausgehen.«
»Sehr schön.«
»Wollen Sie den Ausbau in Holz oder mit Gipskartonplatten?«
»Ich denke ohne Holz. Und in einer freundlichen, hellen Farbe gestrichen, damit es nicht zu düster wirkt.«
»Verstehe«, sagte Carissa Werner und verabschiedete sich. »Ich find alleine raus«, lächelte sie und tapste in ihren Waldviertlern die Treppe hinunter.