Читать книгу Guste, Gretel und ich - Käthe van Beeker - Страница 3

I

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Wer kennt nicht das Märchen von der armen Prinzessin, die mit Schauder und Grauen den häßlichen, glotzäugigen Frosch zum Gefährten nehmen, mit ihm aus einem Schüsselchen essen und in einem Bettchen schlafen muß, und dadurch den allerschönsten und allerfreundlichsten Königssohn von seiner Verzauberung erlöst, der sie zu seiner Königin macht und ihr Leben in eitel Glück und Wonne kleidet?

Wenn ich aufs Leben zurückblicke, meine ich, daß fast jeder von uns Menschen einmal solch arme Märchenprinzeß ist, die mit Thränen und Widerstreben vor einem Froschungeheuer steht, und dann, wenn sie sich ins Unvermeidliche fand und es tapfer auf sich nahm, dahinter einen leuchtenden, köstlichen Königssohn des Glücks fand.

Wenigstens mir ging es damals so, damals als ich vierzehn Jahre zählte und ein so unausstehlicher, arroganter und anspruchsvoller Backfisch war, daß ich eigentlich gar nichts Besseres verdient hätte, als in Wirklichkeit einem Froschungeheuer vorgeworfen zu werden, damit es mich mit Haut und Haaren und mit all meinen Einbildungen, Zierereien und Affigkeiten schlankweg verschlänge.

Ja, das sage ich jetzt, nachdem manch wechselvolles Jahr über mich hingezogen ist, aber damals fand ich das durchaus nicht, damals hielt ich mich direkt für ein Muster – wenigstens meistenteils –, und es war mir einfach unbegreiflich, was Mama meinte, als sie mit solch tiefem Seufzer sagte: »Vor allen Dingen, Delia, brauchst du diese Veränderung der Verhältnisse, damit ein vernünftiges Mädchen aus dir wird!«

Das sollte erst aus mir werden, sollte – o Schauder und Graus – in einem ländlichen Pächterhause aus mir werden! In einem Pächterhause, dessen Bewohner in meinen Ideen nicht viel höher standen wie unsre Butterfrau und unser Kohlenmann. Bauern, Bauern, wie alles, was vom Lande stammte.

Mama machte ein sehr strenges Gesicht, als ich in flammender Empörung mit dieser Ansicht herausplatzte.

»Da fangen schon die verkehrten, überspannten Ideen an,« sagte sie kopfschüttelnd. »Es ist wirklich hohe Zeit, daß das alles anders wird. Da wächst einem solch ein Brennesselchen unter den Fingern empor und man merkt bei den zarten Blättchen nicht eher das Unkraut, bis es anfängt zu stechen. Papas Krankheit ist mir nur dazwischen gekommen, sonst hätte ich dich längst ernsthaft vorgenommen und dir all die thörichten Mucken aus dem dummen, kleinen Kopf verjagt. Früher warst du solch ein liebes, einfaches Kind, aber seitdem wir hieher versetzt sind und du durch die Schule in den neuen Umgang hereingekommen bist –«

Damit traf Mama meine empfindlichste Stelle. Mein Umgang beherrschte mich vollständig, auf ihn war ich grenzenlos stolz, und wenn er mich verändert hatte, so war das nur zum Besseren, Höheren – wenigstens nach meiner Ansicht.

Also unterbrach ich jetzt auch Mamas Standrede, die mir so wie so nach keiner Seite hin gefallen hatte.

»Aber, Mama, besseren Umgang kann ich doch nicht haben! Es sind die feinsten Mädchen aus der ganzen Stadt!«

»Siehst du, da steckt es! Allein das dumme Wort ›fein‹ charakterisiert alles. Wenn du gesagt hättest: die nettesten, tüchtigsten Mädchen –«

»Gott – das sind sie nebenbei –«

Aber das sagte ich kleinlaut, denn eigentlich so furchtbar nett und tüchtig fand ich sie selbst nicht. Aber ich muß auch gestehen, daß ich auf diese Eigenschaften damals weniger Wert legte, wie auf die von meiner Mama verachtete Feinheit.

»Sie denken nicht daran,« behauptete Mama denn auch kaltblütig. »Eingebildete, kleine Affen sind sie, und dich haben sie allmählich auch zu einem solchen gemacht.«

»Aber, Mama, wie kannst du das sagen! Marie Luise von Amstätten ist schon beinahe sechzehn Jahre.«

»Nun ja, sie ist dann eben ein großer Affe, die Eingebildetste und Großthuendste von euch!«

»Ja, ihr Papa ist auch Kammerherr, – das ist doch eine Stellung!«

»Gewiß, für ihren Vater, aber lange nicht für sie.«

»Ja, aber sie wird mal Hofdame, und da ich das auch werden soll –«

Mama schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

»Was sollst du werden? Hofdame? – Es scheint, als wenn du schon vollkommen übergeschnappt wärest! Wie kommst du denn auf diese unmögliche Idee?«

»Unmöglich?« Ich war ernsthaft beleidigt; Mama verstand mich auch gar nicht in meinen feinsten Gefühlen. »Großmama war doch auch Hofdame, und sie hat gesagt, ich könnte es werden –«

»Mein liebes Kind, deine Großmutter wuchs in ganz andern Verhältnissen auf wie du. Ihr Vater war hoher Beamter an einem kleinen Hof, da lag es fast auf der Hand, daß sie Hofdame wurde. Mittlerweile hat sich das alles sehr verändert, und wenn Großmama auch mal im Scherz so etwas geäußert hat, weil ihre Jugenderinnerungen ihr die Hofdamenlaufbahn reizender wiederspiegeln, wie sie eigentlich war, und sie ihrem einzigen Enkelkinde das Beste wünscht, so sind das doch nur die liebevollen Phantasien einer alten Dame, die aber mit dem wirklichen Leben gar nichts zu schaffen haben. Du bist vorläufig ein dummer, kleiner Backfisch und hast an nichts andres zu denken, als daß du aus diesem für dich und deine Umgebung wenig anmutigen Zustand herauswächst zu einem vernünftigen, tüchtigen Mädchen!«

»Na ja, Mama, meinetwegen. Wenn schon nichts Besseres aus mir werden soll, so laß mich wenigstens hier.«

»Adele, Adele!« Ich bekam meinen vollen Namen, was nie ein Zeichen besonderen Wohlgefallens war. »Was ist nur aus dir geworden! Es ist wirklich doppeltes Elend, Krankheit im Hause zu haben! Erstens der Krankheit halber, zweitens weil es jeden Überblick über die Umgebung raubt. – Da muß eben eine Änderung kommen, es ist die höchste Zeit.«

»Mamachen, ich will ja ganz vernünftig sein. Gott, ich weiß bloß nicht, was du eigentlich willst! Ich thue doch nichts Böses!«

Meine Thränen flossen. Wirklich, ich wußte nicht, was Mama an mir auszusetzen hatte. In meinen Augen war ich ein tadelloses Mädchen. Ich machte eben solch tiefe Knickse und verstand mich ebenso zierlich zu benehmen und zu bewegen wie Marie Luise, die eine Zierde jedes Salons war, wie sie selbst sagte. Ich war dabei fleißiger wie sie, die mit ihren fast zwei Jahren Altersvorsprung in betreff des Wissens mir ganz gleich stand.

Und wenn ich erst an die andern Mädchen dachte! Tilly Nottersen war eigentlich, wie wir in schwachen Stunden unter uns sagten, faul, dumm und gefräßig; bloß war sie schrecklich reich. Solche Kleider, wie sie, hatte keine von uns, und wenn es regnete, kam stets die Equipage sie abholen.

Marie Luise war auch immer sehr freundlich zu ihr, wenngleich sie über die Dicke, wie wir sie nannten, mehr spottete wie über alle andern.

Überhaupt Marie Luise spottete gern, sie that einem manchmal sehr weh, aber sie sagte, das wäre geistreich und gehöre zur guten Erziehung. Und schließlich ließ ich mir das noch lieber gefallen als Blanche Wrights Pomadigkeit, die zwar mit einer gewissen Gutmütigkeit gepaart, aber auf die Dauer sträflich langweilig und manchmal direkt grob war.

Aber Blanche war Ausländerin und deshalb sehr interessant. Ausländerinnen, besonders wenn sie aus England oder Amerika stammen, können thun und sein wie sie wollen, es ist immer schön und fein. Sie sagte dann stets, das wäre bei ihnen so Sitte, sie wären freier im Denken und bedachtsamer im Reden wie wir beschränkten Deutschen, die man bedauern müsse. Besonders die Frauen wären bei uns geknechtet und dürften nie eine eigene Meinung haben.


Da stimmte Marie Luise ganz mit ihr überein und sagte, Blanche wäre ein bedeutender, strebender Geist und man müsse ihr deshalb viel verzeihen, sie hätte es innerlich.

Na ja, äußerlich hatte sie es auch nicht, denn sie war ganz klein, schmal und häßlich, und die Pomadigkeit kam mir auch nie wie ein Zeichen von Bedeutung und Strebsamkeit vor, aber vielleicht verstand Marie Luise das so mehr im großen. Und darin hatte Blanche ja recht, eine eigene Meinung durfte eine deutsche Frau nicht haben. Ich sah es eben wieder, bei der Unterhandlung mit Mama, – ließ sie mich zu einer eigenen Meinung kommen?

Nein, sie unterbrach mich schon wieder.

»Böses? Nein, mein Kind, davor möge dich der Himmel bewahren, aber Thörichtes, Verkehrtes, was dir die Fesseln alberner Vorurteile und Kleinlichkeiten um die junge Seele legt und dich daran hindert, ein fröhliches, unbefangenes, ausgelassenes Kind zu sein, wozu dich deine Jahre glücklicherweise noch berechtigen.«

Ich rümpfte die Nase. Das Wort »Kind« paßte mir gar nicht mehr. Man konnte nie zeitig genug anfangen, sich als junge Dame zu fühlen, sagte Marie Luise, und damit hatte sie mir in den anderthalb Jahren, die wir uns nun schon kannten, manches abgewöhnt, was mir sonst noch sehr in der Art lag und was ich nur mit einem schweren Seufzer aufgab.

Aber ich steckte gerade in dem Alter, in dem man sich an Vorbilder klammert, weil man selbst nicht recht weiß, wie man mit sich daran ist. Überall hat man Halbes und Unsicheres, und da folgt man nun blind dem anscheinend sicheren Führer, ob er zur Tiefe oder zur Höhe lenkt, man merkt und unterscheidet es nicht, man geht unentwegt mit ihm.

Das wäre wohl nie so weit gekommen, wenn Mama in dieser Zeit mehr auf mich hätte achten können. Aber im Anfange, als wir in die neue Garnison kamen, hatte Mama viel damit zu thun, sich in die veränderten Verhältnisse einzuleben, dann quälte sie sich monatelang mit einem bösen Magenleiden, und als sie dieses kaum überwunden hatte, fing Papa mit dem Rheumatismus an, schleppte sich lange Zeit mit Stöhnen und Zähneknirschen hin und brach dann endlich doch zusammen.

In den traurigen Monaten seiner Pflege fand Mama erst recht nicht Zeit und Sinn für Beobachtung ihres heranwachsenden Töchterleins, das mittlerweile seine eigenen Wege gegangen und nach eigenem Geschmack sich zu einer richtigen eitlen und oberflächlichen kleinen Närrin entwickelt hatte.

Die schöne Frühlingszeit brachte in Papas Befinden allmählich Besserung, Mama fing an aufzuatmen, sich wieder einmal mit frischerem Blick umzusehen und zu bemerken, daß ihre Einzigste ihr nicht gefiel, nach keiner Seite hin gefiel. Denn ich war in letzter Zeit zwar endlich etwas gewachsen, aber nebenbei noch schmächtiger wie vorher, blutarm, müde und verdrießlich geworden und zeigte zu all diesen körperlichen Annehmlichkeiten auch noch eine große Neigung, mich beleidigt zu fühlen und in Thränen zu zerfließen.

Das that ich denn auch jetzt redlich, und diesmal hatte ich wirkliche Berechtigung dazu, denn das wird keinem gefallen, einen ganzen Berg Tadel herunterschlucken zu müssen und nebenbei in die Verbannung geschickt zu werden, in ein Dorf, während die Eltern in große, vornehme Bäder, in das Hochgebirge und in Gott weiß was für sonstige Schönheiten gehen!

Von allem andren abgesehen, wie hätte das mein Renommee bei den Freundinnen gehoben, wenn ich solche Reisen gemacht hätte!

Tilly ging in jedem Jahr die Sommerferien über nach der Schweiz, Blanche zu den Eltern nach England, was hochfein, und Marie Luise auf das Stammgut der Familie, was das Hochfeinste war, und ich krankte infolgedessen schon seit Jahresfrist an glühenden Reisewünschen.

Nun konnten sie erfüllt werden. Es lag ganz nahe, daß meine Eltern ihre Einzigste mitnahmen, – nein, es war sogar selbstverständlich, und da kam Mama mit der haarsträubenden Idee, mich zu einer Jugendfreundin aufs Dorf zu schicken, aufs Dorf in ein Pächterhaus! –

»Da wirst du Leib und Seele auskurieren, ein rosiges, frisches, gesundes Mädchen werden und einfache, vernünftige Ansichten bekommen,« sagte Mama. »Widersprich mir nicht, Kind, es ist alles wohl überlegt und du änderst nichts daran. Dich mit uns auf die weiten Reisen zu nehmen ist erstens zu teuer und zweitens habe ich mit einem Leidenden gerade genug zu thun. Dazu auch noch auf eine zweite Person zu achten, die hier piepst und da piepst, geht über meine Kräfte. Dort, bei Tante Regine wirst du dir das schnell abgewöhnen. In der reinen, guten Landluft, beim einfachen, regelmäßigen Leben und gesunder Beschäftigung gehen die Stadtpflanzen Bleichsucht und Nervosität bald ein.«

Das klang nun wieder nicht nach meinem Geschmack. Bleichsüchtig und nervös waren alle meine Freundinnen, das gehörte zur Vornehmheit, nur die dicke Tilly nicht. Natürlich, die aß zu viel und dachte zu wenig, das war eben unvornehm.

Das meinte auch Marie Luise, wenn sie in ihrer Mokierlaune war, – und nun sollte ich auch so werden, dick und gefräßig!

Ich begriff Mama nicht, aber diesmal ließ ich meine Gedanken nicht laut werden, Mama hatte ja doch kein Verständnis dafür, sie würde nur noch mehr schelten.

Ach, und dabei war sie so gut! Mit ihren weichen, weißen Händen, die ich so liebte, strich sie mir liebevoll über das Haar, und nun küßte sie mein thränenfeuchtes Gesicht.

»Kleines Dummchen, quäl' dich und mich doch nicht, sondern bemühe dich, einzusehen, daß deine Eltern nur das Beste für dich wollen,« sagte sie zärtlich. »Du findest dort eine gütige Pflegemutter und eine liebe, verständige Freundin. Die Guste ist nur ein Jahr älter wie du – –«

Guste! Nun hieß die auch noch Guste, wie unser Milchmädchen, die ich ihres festen Schrittes und überkräftigen Körperbaues halber stets den Milchdragoner nannte!

So würde jene Guste gewiß auch sein, denn wenn man einen so plebejischen Namen hatte, mußte man schon wie ein Dragoner aussehen!

Aber als ich das mit der ganzen Geringschätzung, die ich dafür empfand, aussprach, wurde Mama ernstlich böse, verbat sich jedes fernere Wort des Widerspruchs und Unsinns, und ließ mich in meinem ganzen Jammer und Elend allein sitzen.

Ja, da hatte ich nun das Froschungeheuer vor mir und konnte es ebensowenig wie die Königstochter im Märchen in die abgrundtiefen Wasser meines Widerwillens werfen, sondern war der ekelhaften Zusammengehörigkeit mit ihm anscheinend unrettbar verfallen.

Vorläufig sorgte und ängstigte ich mich am meisten vor dem Augenblick, da meine Schulfreundinnen das mir drohende Unglück erfahren mußten, denn darüber war ich sicher, zu all meinem Leid und Kummer würden sie, besonders Marie Luise, noch Spott und Verachtung häufen. Natürlich, – wenn man aufs Land zu Pächtersleuten geht!

Mama hatte mir zwar gesagt, daß es durchaus nichts gesellschaftlich Erniedrigendes wäre, eine Pachtung zu haben, daß Herr und Frau Nord, beide aus sehr guter Familie stammten und nur nicht Vermögen genug besäßen, um sich ein eigenes Gut zu kaufen. Aber das kam gar nicht zur Geltung vor meinen verdrehten Ideen, nach denen Pächtersleute ein für allemal nur eine Kleinigkeit höher rangierten wie Bauern, und mit Wohnung, Sprache und Benehmen sich keinesfalls unter jene Menschen rechnen konnten, die ich als ebenbürtig, und deren Umgang ich für wünschenswert ansah.

Und so würden meine Freundinnen auch urteilen, ich wußte es, besonders Marie Luise. Die hatte schon immer so wegwerfend gesprochen von den Bauern, die das bewußte Stammgut verwalteten, ebenso wie meine künftigen Pflegeeltern auf einem Vorwerk desselben wohnten und von den Herrschaften, wenn diese zur Sommerszeit dort einkehrten, gar nicht beachtet wurden.

»Selbstverständlich, sie zählen nicht zur Gesellschaft!« sagte Marie Luise, kniff die Augen halb zu, rümpfte die etwas breite Nase, die ich eigentlich in lichten Momenten gar nicht aristokratisch, sondern ganz gewöhnlich fand, mit ganz eigener Hoheit und sah furchtbar vornehm und imponierend aus, wenigstens nach ihrer und auch nach meiner Ansicht.

Und da sollte ich nun gestehen, daß ich zu Leuten ging, die selbstverständlich nicht zur Gesellschaft zählten!

Wenn ich es nur hätte verschweigen können! Aber keine Idee daran, das Schicksal des Bekennens traf mich schon in den nächsten Tagen.

»Du, Delia,« sagte mein Vornehmheitsideal, »deine Mama hat meiner erzählt, daß ihr für Monate auf Reisen geht, erst nach Wiesbaden, dann ins bayrische Gebirge und vielleicht noch nach der Schweiz. Du hast doch mehr Glück wie Verstand,« – man sieht, Marie Luise verwöhnte mich nicht durch rücksichtsvolle Höflichkeiten – »die langweilige Schule so lange schwänzen und großartig auf Reisen leben, das könnte auch eine treffen, die das mehr zu würdigen verstände!« – Damit meinte sie sich – »Du bist doch noch ein halbes Kind! Freilich, ich würde ja immer vorziehen, auf unser Stammgut zu gehen, das ist doch feudaler!«

Unter andern Verhältnissen wäre ich ihr schon vorher in die Rede gefallen und zwar auch nicht höflich, denn trotz aller Hochachtung vor der Kammerherrntochter wuchs mir sonst doch niemals der Mund zu. Aber jetzt schwieg ich. Mein Verhängnis lastete zu drückend auf mir.

»Gott,« sagte Tilly und rümpfte nun ihrerseits die auch nicht schmal geratene Nase – »du immer mit deinem ›Stammgut‹ und dem ›feudal‹. Meine Eltern haben auch in Sachsen ein großes Gut, aber wir finden es viel feiner, im Sommer in die großen Hotels zu gehen. So gut ißt man nämlich auf dem Lande doch nicht, denn unser Koch geht nicht mit aufs Land, dafür ist er zu fein.«

»Das nenne ich schon Protzentum,« ereiferte sich Marie Luise, die immer gereizt wurde, wenn jemand ihr Stammgut nicht genügend anerkannte. »Auf Reisen gehen des Essens halber, wie gewöhnlich!«

»Ach was, Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, das ist gar nicht gewöhnlich, du bist bloß neidisch!« Tilly zuckte die Achseln und holte als Beleg für ihre Lebensweisheit ein appetitliches Frühstücksbrötchen vor.

»Nein, du bist neidisch, weil unser Gut ein Stammgut ist, und ihr das nicht haben könnt!« höhnte Marie Luise zornrot, und es wäre zu einem regelrechten Zank gekommen, was mir damals in Bezug auf meine Enthüllungen, die dann noch etwas hinausgeschoben blieben, ganz recht gewesen wäre, wenn sich nicht unglücklicherweise Blanche ins Mittel gelegt hätte.

Sie war die Ruhigste von uns und zankte am wenigsten, vielleicht auch, weil ihr das Deutsche noch immer etwas schwer wurde und sie mit unsern flinken Zungen nicht gleichen Schritt halten konnte.

»Laßt doch euer langueiliges Streit,« sagte sie. »Ein Stammgut ist serr gut, aber gutes Essen auch. Das kennt man alles in England, oh yes! Man muß nich streiten um Sachen uo natürlich seind. Delia kann uns sagen besser, uann sie geht und uohin?«

So, nun mußte ich heran, mich rettete kein Engel, rein nichts mehr, denn jetzt wandten sich auch die andern beiden an mich mit ihren Fragen, und ich mußte Farbe bekennen.

Ach, erst das Erstaunen und dann der Sturm, der losbrach! Ganz wie ich es mir gedacht hatte! Ich mußte mich beinahe tot schämen!

Natürlich hatte ich zuerst nur zugestanden, daß ich aufs Land zu Bekannten von Mama ginge, aber dann wurden mir die Pächtersleute auch abgefragt. Sie waren ja alle neugierig wie die Nachtigallen.

»Pächter sind es? Was, Pächter? O Gott, du Arme! Wie ist das möglich? In so kleinbürgerliche, nein, in so bäuerliche Verhältnisse kommst du?« Marie Luise wich ordentlich wie vor einer Pestkranken zurück. »Den Leuten nicke ich so von oben herab zu und spreche mal ein paar freundliche Worte mit ihnen, weil Papa darauf hält, daß man human ist, auch gegen Untergebene; aber in Beziehung zu ihnen treten –«

»Ja, Leute, die nicht genug Geld haben, um sich was zu kaufen, die müssen was pachten,« bestätigte Tilly verächtlich. Leute, die kein Geld hatten, waren in ihren Augen überhaupt nur halbe Menschen. »Na, da wirst du aber gewiß nicht gut zu essen bekommen, da kannst du noch spindeldürrer werden wie du jetzt bist.«

Und dazu saß sie so breit und vollgegessen da, daß ich sie ganz greulich fand und ihr gern einen Klaps gegeben hätte, ebenso wie Marie Luise mit ihrem hochmütigen Gesicht. Nein, im Moment hatte ich meine Freundinnen gar nicht lieb!

»Uas ihr nur uollt? Pachtersleute können serr gute, feine Leut' sein. Bei uns in England haben manche jüngeren Söhne Landsitze gepachtet und sind serr in die gute Gesellschaft,« trat Blanche auf meine Seite.

Aber diesmal ließ sich Marie Luise von der Ausländerin nicht imponieren.

»Gott ja, in England!« fiel sie mitleidig ein. »Da ist alles so anders! Manchmal seid ihr schrecklich freidenkend, schon zu freidenkend! Bei uns geht das nicht. Nein, so auf einem Pachthof leben! – Na, weißt du, da kannst du ja nun die Hofdame spielen! Hahaha! Unter den Enten, Gänsen und den Vierfüßlern, die ich nicht nennen will!«

Sie schüttelte sich vor Lachen. Das kam ihr gelegen, mir die Hofdame vorzuhalten. Darüber ärgerte sie sich schon lange, daß sie nicht das Privilegium der Hofdame allein haben sollte, sondern ich auch immer darüber sprach.

»Aber, glaube nur nicht,« fuhr sie höhnisch fort, »daß du nach solchem Eclat jemals wirklich an den Hof kommen darfst. Da sieht man auf eine tadellose Vergangenheit!«

Das war dem Faß den Boden ausgeschlagen, ich brach in Thränen aus. Solcher Hohn, solche Schmach mußte mich treffen, solche Eltern hatte ich, die mich den schrecklichsten Kränkungen preisgaben! Nein, ich mußte noch einmal mit Mama sprechen, vielleicht auch Papa zu bearbeiten suchen! Sie mußten doch einsehen, daß ich für dergleichen nicht geboren und erzogen war.

Aber da kam ich schön an. Papa, reizbar wie die lange Krankheit ihn gemacht hatte, donnerte mich an, als wenn ich der schlimmste aller Rekruten wäre, und Mama, endlich auch am Ende ihrer Geduld, erklärte, daß sie nun von meinen Albernheiten vollkommen genug habe und mich so schnell wie möglich aus der verderblichen Umgebung meiner thörichten Freundinnen herausbringen wolle. Tante Regine sei jeden Augenblick bereit, mich aufzunehmen. Wenn auch noch einige Wochen bis zum Schulschluß fehlten, das mache nichts, ich würde mehr wie das versäumen und es dort mit Privatunterricht wohl auch wieder einholen, jetzt solle ich nur meine Sachen zusammensuchen und mich in stand setzen zur Reise.

Also es half nichts, die Augen zugedrückt und los auf das Froschungeheuer!

Mama redete mir so gut zu, sie that alles, was eine liebevolle, vernünftige Mutter einem ungebärdigen, thörichten Kinde gegenüber thun kann, und als ich sah, daß mein Schicksal unwiderruflich besiegelt war, fand ich mich ja auch äußerlich mit Anstand hinein, hatte sogar den Mut, meinen Freundinnen gegenüber zu behaupten, daß ich Mamas Idee mit dem Landaufenthalt eigentlich reizend fände, aber innerlich war ich verzweifelt und fest entschlossen, den Bauern dort mit so viel Hochmut, Verachtung und Unliebenswürdigkeit wie möglich entgegenzutreten. Sie sollten schon merken, daß ich in ihre Verhältnisse nicht paßte. Vielleicht machten sie das dann auch Mama klar, und die Eltern erlösten mich und ließen mich doch noch nachkommen.

In diesem Vornehmen und in dieser Hoffnung kam ich über den Abschied leichter hinfort, wie ich gedacht hatte. Außerdem belebte mich die Aussicht, zum erstenmal im Leben allein und selbständig auf Reisen zu gehen.

Mama schwebte gerade deshalb in größter Sorge, da sie aber Papa nicht allein lassen konnte und hier an dem immerhin noch fremden Ort keine Vertrauensperson hatte, die sie mir zum Schutz mitgeben konnte, mußte sie sich darein finden, mich für sechs Stunden Wegfahrt mir selbst und der Güte der Eisenbahn anzuvertrauen.

Im Damencoupé saß schon eine junge Frau mit zwei Kindern, eines noch im richtigen Schreialter, mit Tragkleidchen und Milchflasche.

Ich zupfte Mama am Kleide.

»Da gehe ich nicht hinein. Mit solchen Quäksbälgen kann ich nicht stundenlang zusammensitzen, da wird mir übel und ich bekomme Kopfweh!«

Aber Mama war taub für diese berechtigten Einwände. Sie hatte eben gehört, daß die Dame noch über meine Station hinausfuhr, und nun wendete sie sich mit Inbrunst an die freundlich Platz Machende und empfahl mich für die Reisedauer ihrem Schutz. Ich war empört, – auch dieser Spaß verdorben! Was hatte ich nun von meiner selbständigen Reise, die ich mir heimlich mit den wunderbarsten Reizen ausgemalt hatte. Allein im Coupé, die Füße auf die gegenüberstehenden Polster gelegt, was ich entzückend fesch und elegant fand, auf jeder Station Kuchen oder Limonade kaufend, oder mit der Wichtigkeit einer weitgereisten Weltdame etwas auf dem Bahnsteig promenieren. Zwischendurch vielleicht eine interessante Reise-Gefährtin oder -Gefährten finden, denen gegenüber ich mich ganz erwachsen benehmen und ahnen lassen konnte, daß ich eine sehr vornehme, bedeutende Person sei, – überhaupt immer selbständig, sicher, gewandt auftreten, – so hatte mir diese erste Soloreise vorgeschwebt, und nun saß ich hier als halbes Kindermädchen, unter dem Schutz einer lächerlich jung aussehenden Frau, die zwar »liebes Fräulein« zu mir sagte, mich aber dabei vollkommen wie eins ihrer Babys behandelte und auf jeder Station aufs unglaublichste bevormundete.

»Trinken Sie keine Limonade! Sie bekommen die Cholera, liebes Fräulein. Ihre Mama hat Sie mir auf die Seele gebunden, ich kann es nicht zulassen, daß Sie sich den Magen verderben. Hier, wenn Sie Durst haben, etwas abgekochtes Wasser, wie Baby es trinkt, das schadet keinem Menschen etwas. Steigen Sie um Himmels willen nicht aus dem Coupé, der Zug geht gleich wieder ab. – Vorsichtig, vorsichtig, damit Sie sich nicht die Beine brechen! – O Gott, da kommt ein Gepäckwagen, lassen Sie sich nicht überfahren! Ihre Mama hat Sie mir anvertraut, ich muß über Sie wachen« – und so fort, – zum Rasendwerden!

Dazwischen, während der Fahrt, mußte ich Milchen, die Zweijährige, festhalten und bewachen, damit sie aus dem Fenster sehen konnte und beschäftigt war, sonst brüllte sie wie ein kleiner Löwe. Und Baby mußte ich auf und ab schaukeln und ihm etwas vorsingen, während die Mama das Milchfläschchen wärmte und Wäsche vorsuchte.

Das war meine erste selbständige Reise, von der ich mir einen halben Roman zusammengeträumt hatte! Na, ich danke, mein Landaufenthalt bei den Pächtersleuten fing mit einer hübschen Einleitung an!

Trotzdem, als meine Station nahte, wurde mir doch ganz angst und bange. Nun ging es erst wirklich in die Fremde. Die kleine Mama, Milchen und Baby waren noch Heimatsbeziehungen. Sie gefielen mir außerdem wirklich nicht so übel, nachdem ich erst einmal mit meinen Reiseillusionen abgeschlossen und mich entsagungsvoll als Kind und Kindermädchen etabliert hatte, und mir traten die Thränen in die Augen, als es nun ernsthaft an den Abschied ging.

Wie ich ausstieg, schrie Baby, als wenn es am Spieß stecke, Milchen purzelte beinahe aus dem Coupé; die kleine Mama winkte, nickte und erließ noch hinter mir, während der Schaffner schon die Wagenthür zuschlug, eine Flut guter Lehren und Verhaltungsmaßregeln, die sie alle meiner Mama schuldig zu sein behauptete, und ich kam bei dieser ganzen Abschiedsaufregung gar nicht dazu, mich auf dem kleinen Bahnsteig umzusehen.

Als ich endlich schweratmend so weit war, an meine neue Umgebung zu denken, standen neben mir eine stattliche, hübsche Dame und ein schlankes, hübsches, junges Mädchen, die mir von beiden Seiten lachend und herzlich die Hände entgegenstreckten.

»Du bist Adele Helmold, das sehe ich an der Ähnlichkeit mit deiner Mutter,« sagte die ältere Dame und drückte mich herzlich an sich, während das junge Mädchen mir flink und geschickt mein Handgepäck abnahm. »Willkommen, liebes Herz, hoffentlich wird es dir bei uns recht wohl sein und wir werden viel gute, frohe Stunden miteinander verleben!«

Das waren also die Pächtersleute, diese reizende Frau, die sich ganz neben allen Damen unsrer Bekanntschaft behaupten konnte, und dieses allerliebste, zierliche Mädchen, deren feines Näschen zehnmal aristokratischer in die Welt schaute wie Marie Luisens kräftig ausgebildete, breite Nase!

Nasen waren nämlich meine Schwäche. Ich hatte selbst leider eine richtige impertinente Stupsnase, und daher rangierten alle Leute, die nach dieser Seite hin von der Natur vollwertiger und hübscher bedacht waren wie ich, in meiner Achtung besonders hoch.

Und nun diese reizende Nase an einer Guste und Pächterstochter sitzend.

Ich war so verwirrt und benommen, daß ich auf all die Fragen und Reden der beiden mich Empfangenden nur mechanisch antwortete. Die Leute fielen ja aus meinem Programm! Denen gegenüber hatte ich weder Veranlassung noch Mut, geringschätzig und unliebenswürdig aufzutreten. Wie sollte ich mich nun benehmen?

Und dann geriet ich aus einem Erstaunen in das andre. Statt des Klapperwagens von uraltem Kaliber, den ich erwartet hatte, stand da ein reizender, eleganter Break mit einem Paar feuriger Pferde bespannt, die der livrierte Kutscher während der Aufladung meines Gepäcks und des Einsteigens nur mühsam ruhig und gefügig hielt.

Dann rollten wir auf schattiger Chaussee flott dahin und neben mir plauderte Tante Regine, wie ich sie gleich nennen mußte, liebevoll und herzlich von meiner Mama, die ihre beste Freundin gewesen, und Guste nickte mir lächelnd zu und sagte: »Wir freuen uns so auf dich! Nun sind wir ein Kleeblatt, das Gretel, du und ich, und nun wird's noch lustiger wie bisher! Du sollst mal sehen, Gretel wird dir furchtbar gefallen! Ein toller Strick, nicht, Muschchen? Aber gut und reizend, nicht, Muschchen?«

Ich saß immer wie ein Ölgötze dabei, denn ich konnte mich noch gar nicht in die überraschenden Verhältnisse finden, aber das Herz wurde mir mit jeder Minute leichter und froher. Der greuliche Frosch fing schon an, menschlich zu blicken, wenn er auch noch lange nicht so weit war, um mir als prächtiger Königssohn zu erscheinen.

Von der Chaussee waren wir auf sandigen Landweg gebogen. Rings um uns wogende Kornfelder, grüne Kartoffelebenen und duftige Wiesen, in der Ferne blauschimmernder Wald und herüberblitzendes Wasser.

»Da wo der Wald beginnt und der See herüberglitzert, liegt unser Haus,« plauderte Guste. »Bildschön, sage ich dir! Es wird dir schon gefallen. Es giebt auf der Welt nichts Schöneres, nicht Muschchen?«

»Ja, Mausi, das sagst du wohl, weil du nichts andres kennst,« lächelte die Mutter, »aber Delia, das feine, kleine Stadtfräulein, wird vielleicht andre Ansichten haben.«

»Nein, Muschchen, sie soll es nur erst mal sehen, dann wird sie die staubige, enge Stadt schnell vergessen. Da, sieh mal, hinter dem Wald, dort in der Lücke, wo die kleine Kirchturmspitze auftaucht, da liegt das Schloß und das Dorf. Nur eine Viertelstunde durch den Wald zu gehen, dann bin ich im Schloß und in der Pfarre. Das lernst du alles kennen, denn beim Onkel Pfarrer haben wir unsre Schulstunden. Bisher nur Gretel und ich, aber nun kommst du auch noch dazu. Das wird jetzt ein Spaß! Freust du dich auch, – ja?«

Ich nickte mit dem Kopfe. Vorläufig wußte ich zwar noch nicht recht, weshalb ich mich auf Schulstunden in einem Pfarrhaus und auf ein unbekanntes kleines Etwas, das Gretel hieß, freuen sollte; aber Guste sah mich so herzig und auffordernd an, daß ich gar nicht anders konnte, als gleichfalls freundlich und zuvorkommend sein.

Allmählich kamen wir dem Walde näher, und bei einer Biegung des Wegs lag auf einmal Wald, See und das einstöckige, langgestreckte und mit wildem Wein umrankte Wohnhaus vor uns.

»Ist das nicht entzückend?« fragte Guste mit leuchtenden Augen und schlug mit der kleinen Faust auf mein Knie. »Siehst du, dahinter liegen die Scheunen und Ställe, die sind ja furchtbar interessant, wenn sie auch nicht so groß und weitläufig sind, wie beim Schloß. Na, überhaupt, das Schloß ist ja viel großartiger wie unser Haus, aber ich mag unsres doch lieber, nicht, Muschchen?«

»Sei nur still, Plaudertasche, du verwirrst die arme Delia mit deinem Redeschwall, die kann doch nicht alles auf einmal sehen und verstehen. Nun, da sind wir daheim, Kind, Vater erwartet uns schon auf der Terrasse, und die Hunde sind alle aus Rand und Band. Ängstige dich nicht, sie thun dir nichts, es ist nur Spielerei.«

Ich wagte mich aber doch nicht aus dem Wagen. Vier kläffende Köter standen davor, groß und klein, und sprangen und bellten und fletschten die Zähne, als wenn sie mich alle vier verschlingen wollten.

An so etwas war ich Stadtkind doch nicht gewöhnt. Ich kam mir vor, wie den Wüstentieren preisgegeben. Nein, ich stieg nicht aus dem Wagen!

Da faßte mich der Hausherr mit kräftigen Armen, hob mich in die Höhe und trug mich an Frau und Tochter vorüber ins Haus. Vorsichtig setzte er mich in der Halle nieder.

»Solch leichtes Vögelchen kann man noch in den Käfig tragen,« sagte er lächelnd. »Na, Frauchen, da hast du ein reiches Feld der Fürsorge und Pflege. Die kleine Spitzmaus wird viel Futter brauchen, bis sie das Gewicht der Guste und des Gretel hat!«

Sie lachten alle, und ich sah beschämt zu Guste hinüber. Wirklich, sie war nicht nur ein gutes Stück größer, sondern auch viel breiter und kräftiger wie ich. Dabei sah sie doch zierlich aus, und selbst die frische Gesichtsfarbe, die wir Stadtmädchen unter uns »gewöhnlich« nannten, weil keine von uns sie hatte, stand ihr gut und machte sie durchaus nicht unfein.

»Sie ist auch ein ganzes Jahr älter wie ich,« sagte ich kleinlaut und anklagend.

»Siehst du, deshalb hast du mich auch als Respektsperson zu betrachten, Baby!« lachte Guste und faßte mich zärtlich um die Taille. »Ich habe die Vernunft mit Aufschöpflöffeln gegessen, – nicht, Muschchen?«

»Jawohl, du Nichtsnutz! Du und Gretel, ihr seid ein paar Leuchten der Vernunft. Ich hoffe, unsre Kleine hier wird euch ein bißchen mehr Manieren und mädchenhafte Zurückhaltung beibringen, damit ihr aus einem Paar unbehobelter Bauerngören sittsame junge Damen werdet.«

»Ach, Muschchen, das glaubst du ja selbst nicht! Landpomeranzen sind und bleiben wir, und Delia wird sich auch einpomeranzen, das haben Gretel und ich schon unter uns ausgemacht!«

Guste warf mir einen triumphierenden Blick zu, und ich stand da und wußte nicht, was ich sagen und was ich denken sollte.

Sie sagten es doch selbst, daß sie Bauernmädchen und Landpomeranzen waren, aber anmerken that man es Guste nicht. Sie gefiel mir eigentlich furchtbar gut. So lustig und freundlich und gar nicht ungeschickt im Benehmen, wie eigentlich solch ein Mädchen sein mußte. Auch niedlich angezogen, – und alles um mich herum wie in einem Herrschaftshause.

Natürlich, nicht wie bei Tillys Eltern, wo alles von Vergoldung und Sammet strotzte, oder wie in der Amstättenschen Wohnung, die mit Ahnenbildern und schwergeschnitzten alten Ahnenmöbeln vollgepfropft war, aber doch jedes Stück hübsch, bequem und anständig, wie man es in einem guten, soliden Hausstande findet.

Mama hatte doch recht gehabt, es waren Menschen wie wir, wenn sie auch nur Pächtersleute waren. Der Kopf war mir ganz wirr, und ich vertrat wohl im Augenblick die Rolle der eleganten und gewandten jungen Dame, die ich mir für diese erste Begegnung so besonders ausdrucksvoll zurechtgelegt hatte, recht schlecht, indem ich stumm wie ein Fisch und steif wie ein Besenstiel dastand.

»Laßt nur erst das arme Kind zur Besinnung kommen!« sagte die Hausfrau und nahm mich bei der Hand. »Wir führen dich jetzt in euer Zimmerchen, damit du dir den Reisestaub abwaschen und etwas ausruhen kannst, und wenn du dann zum Abendbrot kommst, bist du ein frischer, kleiner Fisch und fühlst dich im richtigen Fahrwasser.«

»Ja, und dann zeige ich ihr gleich den Garten und die Ställe,« beeilte sich Guste zu sagen.

Aber die Mama winkte energisch mit der Hand.

»Nichts da, heute läßt du Delia ganz in Ruhe. Da wird nichts mehr gezeigt, sondern nach dem Abendbrot stecken wir unser Bleichschnäbelchen gleich ins Bett und lassen sie ausschlafen. Du mußt nur bedenken, daß Delia kein robustes Landkind ist wie du, sondern ein zartes Stadtpflänzchen.«

Ich war mit Tante Regine sehr zufrieden, sie würdigte mich in meiner ganzen Feinheit und das erfüllte mich mit gerechtem Stolz. Denn natürlich hatte ich keine Ahnung davon, daß in der Art, mit der die herzenswarme, liebenswürdige Frau mich behandelte, eigentlich nichts wie Mitleid mit meiner körperlichen Schwächlichkeit und anscheinenden stummen Verlegenheit lag. Sie wollte mir über jedes Gefühl der Fremdheit und Befangenheit forthelfen, und als ich jetzt, gerührt von ihrem Verständnis für meine Zartheit, in meiner gewöhnlichen, nervösen Thränenseligkeit mit feuchtschimmernden Augen zu ihr aufblickte, bog sie sich liebevoll zu mir herab, küßte mich und führte mich dann sanft zur Thüre hinaus.

Guste hat mir späterhin gestanden, daß diese, meiner Empfindung ungemein zusagende Scene auf sie einen sehr verächtlichen und mein Ansehen untergrabenden Eindruck gemacht hätte, und sie damals hinter mir her in die ungebührlichen Worte ausgebrochen wäre: »O je, ist das eine Piepsliese und Thränensuse! Väterchen, wenn wir uns man nicht mit der reingesetzt haben!« –

Aber der brave Onkel hatte schon damals gutes Zutrauen zu mir, er schmunzelte vor sich hin.

»Das Gezirpe wird sie schon ablegen, wenn sie erst ein bißchen mehr Mark in und Fleisch auf den Knochen hat. Nach einer Duckmäuserin sieht sie nicht aus. Nehmt ihr beiden sie nur ordentlich in die Lehre, dann wird sie schon mit der Zeit ebensolch ein lustiger Vogel werden wie ihr!«

Vorläufig war zu dieser angenehmen Veränderung aber noch wenig Aussicht vorhanden. Als ich am folgenden Morgen ausgeschlafen hatte, standen all meine Stadtgedanken und Vorurteile mit mir zusammen auf.

Meine Nachtruhe war zwar tadellos gewesen, aber nun rümpfte ich doch die Nase über die ungewohnte Lagerstatt. Alles Federbetten, unter und über mir! – Das las man immer in den Bauerngeschichten, da schliefen die Leute auch überall auf Federbetten, während ich zu Hause nur eine Daunendecke und Matratzen hatte. Ach, und diese Einfachheit! Zwei Betten, zwei Waschtische, ein kleiner Spiegel und ein Kleiderschrank! Nackter konnte es schon nicht sein!

Gestern abend hatte Guste mir eine lange Auseinandersetzung gehalten. Wenn ich es vorzöge, mein eigenes Schlafzimmer zu haben, dann ginge das auch, aber es wäre doch viel hübscher, wenn wir zusammenschliefen, Gretel und sie bäten sich das oft als besonderes Vergnügen aus; und dann hätten wir nebenan einen Salon für uns, ganz wie ein paar Damen. Was ich nur dazu sagte? Nicht wahr, ich wollte auch lieber ein gemeinsames Schlafzimmer und einen Salon, als zwei Schlafzimmer haben?

Ich hatte zu allem »ja« gesagt, denn ich war gestern abend gräßlich müde gewesen, hatte also weder etwas richtig gesehen, noch richtig gehört.

Nun fiel mir das wieder ein, und ich war neugierig auf den Salon, der nebenan liegen sollte.

Guste mußte wohl schon lange vor mir aufgestanden sein. Ihr Bett stand zierlich geordnet und bedeckt, und das ganze Zimmer glänzte in tadelloser Ordnung und Sauberkeit.

Ich stand also hastig auf, und nachdem ich mit meiner Morgentoilette fertig war, öffnete ich leise die Thür zu dem besprochenen Salon.

Ach, du lieber Himmel, – wenn ich an Tillys Salon dachte! Natürlich, genau so hatte ich ihn mir ja nicht vorgestellt, aber immerhin doch etwas dem Wort entsprechend, und nun gähnten mich auch da sozusagen wieder nur vier kahle Wände an.

In der Mitte stand ein eckiger Tisch, mit einer altmodischen, verwaschenen Decke belegt und von zwei einfachen Rohrstühlen begleitet, und an der Langseite des Zimmers dehnte sich ein gleichfalls altmodisches, unglaublich riesiges Sofa, in dessen Tiefen sechs Personen von meinem Kaliber reichlich versinken konnten und auf das ich mit herber Verachtung herabblickte.

Ach, ich ahnte damals nicht, wieviel köstliche Plauderstunden wir drei lustigen Mädel, zusammengekauert in seine weichen Kissen, dem alten Sofa verdanken; wie oft, in späteren Jahren, ich noch mit Sehnsucht und Entzücken an seine behagliche Weite und verschwiegene, zuverlässige Tiefe zurückdenken würde!

Damals eben schaute ich mit Verachtung auf das hie und da schon gestopfte und geflickte Ungeheuer herab, über dem eine Etagere mit Porzellanfigürchen, Büchern, Gesteinen und derartigen Kleinodien, den Anspruch eines bezaubernden Wandschmuckes erhob.

Und als ich mich wandte, da grüßte mich aus der Fensterecke ein Spielwinkel, ein richtiger Spielwinkel mit Puppenstube, Kochherd, Puppen und weißhölzernen Waschgeräten, wie ich ihn nun schon seit Jahren nicht mehr kannte. O Gott, in welch eine Umgebung war ich geraten! Was würde Marie Luise sagen, wenn sie sähe, daß meine jetzige Gefährtin, mein täglicher Umgang, noch einen Spielwinkel hatte! –

Indem öffnete sich hinter mir die Thür und mit einem Schritt stand Guste neben mir.

»Langschläferin, bist du endlich aus den Federn? Na, entschuldige dich nur nicht. Muschchen sagt, nach solcher Reise müsse man fest ausschlafen. Ich war schon drüben beim Onkel Pfarrer zur Stunde und hab' der Gretel von dir erzählt. Erst wollte sie gleich mitkommen, dich sehen, aber dann besann sie sich, machte ihr baronliches Gesicht und sagte, du solltest ihr nur erst deinen Antrittsbesuch machen, wir hier auf dem Lande wüßten auch, was sich schickte.«

Ich glaube, vor Erstaunen riß ich den Mund weit auf.

»Baronlich,« – und eine, die auf Antrittsbesuche hielt und auf Formen! Das war ja ordentlich zum Aufatmen! O, Marie Luise, wer weiß, was ich hier noch alles erlebe! – Ich packte Guste hastig am Arm.

»Baronlich? Wieso? Ist das Gretel denn eine Baronesse?« fragte ich mit vor Aufregung stockender Stimme.

»Ach, Unsinn, das ist ja nur ein dummer Witz, – auf so was giebt mein Gretel doch nicht ernsthaft was! Na ja, der Vater ist Baron und Kammerherr und Reichstagsabgeordneter und ich weiß nicht, was sonst noch alles, aber natürlich, daran denkt Gretel nicht. Baronlich sag' ich nur manchmal, wenn ich sie ärgern und necken will,« lachte Guste.

Ich war ganz erstarrt. Von all dem hörte ich nur den Vater Baron, Kammerherrn, Reichstagsabgeordneten heraus! Waren das feine Leute! – Marie Luise, was sagst du nun? –

»Und das ist deine Freundin, und – und – da verkehren deine Eltern auch?« fragte ich neugierig und atemlos weiter.

»Aber natürlich, das sind doch nebst Pfarrers unsre besten Freunde, – das ist doch selbstverständlich. Was machst du nur für ein Gesicht? Nimm's mir nicht übel, aber wie die Katze, wenn sie niesen will! Du, sag mal, du wunderst dich wohl über meine Spielecke, nicht? Ach, das mußt du man nicht denken, nein, ich spiele nicht mehr mit Puppen! Das heißt, so manchmal sehe ich sie mir noch an, und Gretel und ich schneidern auch noch ab und zu hier für die große Blonde. Die war immer mein Liebling, die hieß erst Rosaura, weil ich das so schön fand, und dann nacheinander Freia, Chlothilde, Hermagunde, und ganz zuletzt, als wir jetzt die Jungfrau von Orleans lasen, Johanna. Du, kennst du die Jungfrau von Orleans? Himmlisch, nicht?«

Sie preßte mich, ohne auf meine Antwort zu warten, heftig an sich. Ach, und mir war die Jungfrau von Orleans, so sehr ich auch sonst für sie schwärmte, im Augenblick nicht halb so interessant, wie das Gretel vom Schloß, das einen Vater Baron hatte und einen Antrittsbesuch von mir erwartete.

Aber wenn Guste ins Reden kam, dann schien sie ihren Weg zu gehen wie ein junger, ungestümer Waldbach, der sich auch keine Bahnen vorzeichnen läßt. Der schüchterne Versuch, den ich noch einmal zu Gunsten Gretels machte, schlug vollkommen fehl, wenigstens in meinem Sinn, denn auf meine dringende Frage: »Sie ist wohl sehr fein?« riß Guste verwundert die Augen auf.

»Wer? Die Jungfrau von Orleans? Aber du, die ist doch nicht fein – was überhaupt ein dummes Wort ist! Erhaben, groß, wunderbar – –«

»Nein, ich meine doch das Gretel,« unterbrach ich sie, halb ärgerlich, halb verlegen.

»Ach, Unsinn, ein Kind ist sie, anderthalb Jahre jünger wie ich!« Guste streckte sich, in ihren Augen schien an diesem Altersunterschied jeder Gedanke der Feinheit zu scheitern. »Nicht eine Spur fein ist sie. Aber natürlich, ich habe doch Respekt vor ihr, sie fuchtelt mich manchmal ordentlich. Das heißt, so lange ich's mir gefallen lasse. Manchmal, wenn es mir zu toll wird, dann knuffen und boxen wir uns, aber lieber thue ich es schon nicht. Na, das wirst du ja alles lernen, du wirst schon allmählich bei uns Vernunft annehmen!«

Ich war total niedergeschmettert – Knuffen und Boxen nannte die Vernunft annehmen! Aber wie nur das Gretel sein mußte, vor dem Guste doch Respekt hatte, wenn es auch anderthalb Jahre jünger war wie sie. Sicher, das machte die Feinheit, wenn Guste die auch leugnete. Das war gewiß ein zartes, vornehmes, kleines Ding, so ungefähr wie ich. – –

Guste ließ mich aber nicht zu langen Überlegungen kommen, jetzt mußte ich erst Kaffee trinken. Sie aß dabei ihr zweites Frühstück und hielt mir immer wieder vor, daß es schon zehn Uhr sei und ich künftig um diese Zeit auch mein zweites Frühstück einnehmen müsse. Und dann schleppte sie mich zu dem Garten, um mir jedes Beet und jeden Baum und Strauch zu zeigen.

Und ich ging immer in Beben und Todesangst neben ihr her, denn um uns herum, auf Schritt und Tritt, jagten und tollten die vier Hunde, beschnupperten und kläfften mich an, sprangen an mir empor, rannten mich beinahe um, kurz, erhielten mich in einem Zustande ewiger Aufregung.

»Du, die wollen mit dir Freundschaft schließen,« belehrte mich Guste vergnügt. »Sieh bloß, wie lieb und zärtlich sie sind, besonders der Mentor!«

Das war nämlich ein Bernhardiner, der, aufgerichtet, mich um zwei Haupteslängen überragte und vor dessen ungestümen Freundschaftsbezeigungen ich zitterte wie ein Blatt im Winde.

»Du mußt ihm nur einen ordentlichen Puff geben, wenn er zudringlich wird,« ermahnte sie mich freundlich. – Ich, und diesem Ungeheuer einen ordentlichen Puff geben! Ich war glücklich, wenn er mir keinen gab!

»Und ab und zu mußt du ihm das Maul wischen, sonst macht er dich schmutzig. Du, das will ich dir nur gleich sagen, so ausputzen wie heute, darfst du dich künftig nicht. Das lohnt nicht fürs Land, es stört nur. Sieh mal solchen Leinenkittel, wie ich ihn trage, das ist das Wahre!«

Wirklich, sie hatte heute nur ein einfaches, dunkelblaues Leinenkleid an, aber sie sah auch darin hübsch aus. So sauber und frisch, mit dem rosigen Gesicht, aus dem die nußbraunen Augen mich lustig anlachten im heimlichen Amüsement über meine Hundeangst.

»Na, thu nur nicht so jämmerlich, Stadtmäuschen, hier frißt dich keiner, nicht mal die Hunde,« lachte sie und küßte mich. »Wollt ihr weg, ihr Ungeheuer!«

Wie eine Löwin ging sie auf die Hunde los, jagte sie aus dem Garten und schloß hinter ihnen die Thüre.

»So, Muschchen hat mir befohlen, dich sanft zu behandeln, bis du dich eingewöhnt hast.« – Ich seufzte. – »Nachher schlag' ich dich auch nicht tot, Kleine, du brauchst nicht gleich Testament zu machen; ich hab' dich schon sehr lieb und werde dich ganz unter meinen Schutz nehmen, denn sieh mal, ich bin doch die Älteste und Vernünftigste von uns. Und nun führe ich dich zu den Erdbeeren, da wird es dir schon behaglich werden.«

Ja, das wurde es auch. Wir schnabulierten wie die Spatzen und dazwischen pries mir Guste immer wieder von neuem die Vorzüge ihrer Heimat, und im Augenblick, unter dem Eindruck der roten, köstlich mundenden Früchte, war ich wirklich nicht ganz abgeneigt, einzelne derselben anzuerkennen.

Also verging uns der Vormittag in schönster Harmonie und erst bei Tisch kam wieder das Entsetzen über mich, als ich die Portionen sah, die alle Leute um mich her sich auflegten und vertilgten. Ich selbst erregte allgemeines Mißfallen und mußte nacheinander hören, daß ich wie ein Spatz, wie eine Maus, wie ein Wickelkind und wie ein Engel, auf keinen Fall aber wie ein normaler Mensch äße. Tante Regine war wieder die einzig Einsichtsvolle.

»Laßt doch die Kleine! Wenn sie eine Zeitlang hier sein wird, stellt sich schon der Landappetit ein und sie langt dann besser zu, jetzt soll sie sich nicht quälen und den Magen verderben. Aber nebenbei bemerkt, meine Jüngferchen, künftig wird vor dem Essen nicht in die Erdbeeren gegangen. Wo soll denn der Appetit herkommen, wenn der ganze Magen voll Erdbeeren sitzt?«

»Ach, Muschchen, das thut doch nichts! Merkst du an mir eine Appetitverminderung?« fragte Guste und wies strahlend auf die Fleisch- und Gemüseberge, die ihren Teller zierten. »Ich habe noch riesigen Hunger.«

Entsetzlich, die aß noch mehr wie Tilly, aber es stand ihr gar nicht mal schlecht. Es lag etwas so Frisches, Kräftiges darin, daß ich mich zu dem nichtachtenden Ausdruck »gefräßig« für sie nicht entschließen konnte.

Aber ich war doch froh, als ich das Essen hinter mir hatte. Da es in der Stadt nachmittags keine Schule gab, war ich daran gewöhnt, gleich nach Tisch mein Schläfchen zu machen; und in Gedanken hatte ich mir hier schon das alte, behagliche Sofa für die stille Ruhepause ausgesucht. Als ich meine Schritte zu unsrem sogenannten Salon hinauflenken wollte, packte mich Guste beim Kleid.

»Was, du willst doch nicht jetzt im Zimmer bleiben, bei dem himmlischen Wetter? Was willst du überhaupt da oben?«

»Mittagsschläfchen halten,« erwiderte ich mit vornehmer Sicherheit.

Guste behielt den Mund offen vor Entsetzen und riß die Augen so weit auf, daß man dachte, sie müßten herausfallen.

»Was? Mittagsschläfchen? – Muschchen, hör bloß, ich werde ohnmächtig! Die will Mittagsschlaf halten! – Hahaha! – Du, Delia, der einzige Mensch, den ich Mittagsschläfchen haltend kenne, ist Großmama. Junge Mädchen halten doch nicht Mittagsschlaf!«

Beschämt und beleidigt sah ich zu Tante hinüber.

»Aber bei uns thun das alle Leute. All meine Freundinnen – –«

Tante schüttelte lächelnd den Kopf.

»Hat der Arzt es dir verordnet, Delia?«

»Nein, das nicht –«

»Nun, weißt du, Kind, dann wollen wir es nur gleich ein für allemal aufstecken. Guste hat ganz recht, junge Mädchen dürfen sich nicht Bequemlichkeiten gestatten, die nur dem ruhebedürftigen Alter erlaubt sind. Du kannst abends so zeitig schlafen gehen, wie du willst, aber der Tag ist zum Wachen da. Lauft in den Garten –«

»Nein, Muschchen, ich wollte jetzt mit Delia zu Gretel hinübergehen, sie erwartet uns schon.«

»Jetzt, in der Mittagshitze?« fragte ich kläglich. Mein Mittagsschläfchen aufgeben und statt dessen in der Sonnenglut den Landweg laufen, das ging mir doch über die Gemütlichkeit. Ich war ja kein robustes Bauernmädchen, wie Guste; Tante hatte es selbst gesagt, ich war eine feine Stadtpflanze!

Aber Tante schien das im Augenblick nicht in Betracht zu ziehen.

»Ach, im Wald geht immer ein frisches Lüftchen,« sagte sie freundlich mitleidlos, »und ihr seid auch gleich da. So weichlich sind wir hier überhaupt nicht; ob warm, ob kalt, das geniert keinen, und daran wirst du dich schnell gewöhnen, liebes Kind. Das giebt nachher die runden, roten Bäckchen und die kräftigen Nerven, die du dir hier holen sollst. Also lauft nur. Ich kann mir schon denken, daß Gretel darauf brennt, unser Stadtprinzeßchen kennen zu lernen, und Delia wird Augen machen, wenn sie Gretel sieht!«

Dazu lächelte die Tante so ganz besonders befriedigt, und als ich nun sah, daß mein Mittagsschläfchen rettungslos verloren war, stieg auch in mir die Neugier auf das kleine Schloßfräulein wieder mächtig empor. Da würde ich doch jemand finden, der Verständnis für meine feineren Empfindungen und Wünsche hatte. Hier diese Leute, wenn sie auch sonst ganz nett aussahen, und im ersten Anlauf wirklich über ihre Pächterstellung forttäuschen konnten, blieben eigentlich doch Bauern, man merkte es eben an ihrem Unverstand für feine Naturen.

Ich war im Augenblick ganz böse. Das Froschungeheuer, das schon hie und da menschliche Seiten gezeigt hatte, blähte sich jetzt wieder in seiner vollen Häßlichkeit, und wenn nicht der Hoffnungsstrahl der vornehmen kleinen Schloßbewohnerin gewesen wäre, so hätte ich vielleicht jetzt in meiner beliebten Manier eine verzweifelte, thränenreiche Scene arrangiert.

Aber nun nahm ich mich zusammen und sagte so wenig unhöflich und beleidigt wie möglich: »Wie du meinst, Tante. Bei uns in der Stadt macht man zwar nicht um diese Zeit Besuche, aber ich will mich dann doch dafür umziehen gehen –«

»Umziehen? Weshalb denn?« fragte Guste erstaunt. – »Es ist doch heute nicht Sonntag. Du siehst überhaupt schon so ausgeputzt aus und nun willst du dich noch feiner machen?«

»Aber wenn man einen ersten Besuch macht, zieht man sich doch anständig an,« antwortete ich kurz und hoheitsvoll.

Guste lachte, daß sie sich schüttelte. »Aber du, so ist es doch nicht hier zwischen uns. Muschchen, sag du es ihr doch – Gretel lacht uns ja aus!«

Die Tante lächelte auch. »Nein, meine Delia, umzuziehen brauchst du dich wirklich nicht. Hier auf dem Lande macht man keine Umstände, daran mußt du dich gewöhnen. Wirf nur all den thörichten Ballast der vornehmen Stadtideen hinter dich, Kind. Wir sind hier einfache Leute, und besonders Kinder, wie ihr drei, habt noch nicht nötig, die Manieren der Erwachsenen nachzuahmen. Lauft jetzt nur fort, wie ihr gebacken seid, Gretel wartet sicher schon.«

Auf allen Seiten mit meinen Anstandsideen geschlagen und innerlich tief gekränkt, schritt ich neben Guste in den Wald hinein. Zu heiß war es wirklich nicht. Vom See her wehte, wie Tante es prophezeit hatte, ein frisches Lüftchen, dem die zarten Buchen und dunklen Tannenzweige grüßend entgegenrauschten. Überall am Wegrain blühte und duftete es von lieblichen, kleinen Sommerblumen, goldene Sonnenstrahlen blitzten und flimmerten auf Moos und Laub, und uns zur Linken dehnte sich in köstlicher Weite der blau und golden funkelnde See. Es war wirklich wunderschön, aber ich wollte das nicht empfinden, ich war so verdrießlich und beleidigt, daß ich nicht den Mund aufthat und die Füße hinter mir herschleppte wie Holzklötze.


Alles sollte ich thun, wie diese Leute es wollten! – Ich verstand doch von dem, was sich schickt, mehr wie sie, die hier auf dem Lande verbauert waren!

Was würde nur die kleine Baronesse denken, wenn ich so im Alltagskleide, ohne Handschuhe und ohne irgendwelchen Schmuck den ersten Besuch machte? Das quälte mich am meisten. In Gedanken hatte ich mir für diese Staatsaktion schon mein weißes, elegantes Wollkleid zurecht gelegt, mit der himmelblauen, breiten Schärpe, und dazu den großen Hut mit der weißen Feder, – Tilly hatte kaum eine längere!

Aus all diesen empörten und traurig zornigen Gedanken riß mich Guste, indem sie ihren Arm energisch in den meinen schob.

»Du, sag mal, bist du schläfrig, daß du gar nicht den Mund aufmachst?«

»Nein, es paßt mir nur nicht,« sagte ich, recht mit Bedacht ungezogen und hochfahrend.

Sie sollte nur sehen, daß ich nicht so ohne weiteres mit mir herumfahren und über mich bestimmen ließ, wie es diesen Leuten paßte.

Aber wie ich es gesagt hatte, schämte ich mich doch schon. Guste zog ihren Arm hastig aus dem meinen und sah mich erschreckt an.

»Du, das ist aber nicht hübsch von dir – für so habe ich dich nicht gehalten! Das nennt Muschchen ›maulen‹, und die strengsten Strafen, die ich je bekommen habe, sind mir dafür diktiert. Muttchen sagt, Maulen wäre eine Hinterlistigkeit, ein heimlicher, versteckter Groll, und ein ehrlicher, liebenswürdiger Mensch würde lieber mal heftig und sagte seinen Zorn gerade heraus, als daß er ihn still nergelnd nachhaltend mit sich herumtrüge. Nein, das will ich dir nur sagen, dann wird es mit unsrer Freundschaft nichts, wenn du maulen willst.«

Jedes ihrer Worte traf mich wie ein Schlag. Sie hatte ganz recht, genau dasselbe sagte Mama auch. Ich hatte mich eben scheußlich benommen, und ich schämte mich bis in den tiefsten Winkel meiner Seele. Und da ich nichts Besseres zu thun wußte, brach ich in heftiges Schluchzen aus, dazwischen verzweifelt stammelnd:

»Ach, ich habe es ja nicht so gemeint!«

Guste besaß ein Herz von Gold, damals erfuhr ich es zum erstenmal, böse sein konnte sie nie. Sie sagte ihre Meinung gerade heraus und dann war sie mit jedem Groll fertig. So drückte sie mich jetzt auch zärtlich an sich und versuchte mich zu beruhigen.

»Aber dann weine doch nicht, dann ist ja alles gut! Du bist mal grob gewesen und nun bereust du es, damit ist ja alles abgemacht. Gott, wie oft sind Gretel und ich grob miteinander, und dann fallen wir uns wieder um den Hals und versöhnen uns. Nein, das macht gar nichts. – Sei nur nicht bös, daß ich dir gleich so kurz meine Meinung gesagt hab', aber, siehst du, ehrlich müssen wir zu einander sein, sonst werden wir nie Freundinnen. Und nun schnaub' dir die Nase und weine nicht mehr, denn wenn Gretel das sieht, hast du es gleich mit ihr verdorben, die kann Thränensusen nicht leiden. Komm, jetzt sind wir erst richtig miteinander befreundet. Vor dem ersten Streit ist es nicht das Wahre. Wart mal, wir legen ein Wegblatt auf deine Augen, dann sieht dir nach einer Minute kein Mensch mehr an, daß du eine Wassermüllerin warst. So, nun gieb mir einen Kuß und dann haben wir uns wieder furchtbar lieb!«

Ja, ich hatte sie jetzt auch furchtbar lieb, und ich will nur gleich sagen, daß mein Gefühl für sie nie wieder rückwärts gegangen ist, sondern seit jener Stunde, in der sie mir erst so kräftig ihre Meinung sagte und dann mich so liebevoll tröstete, unsre Freundschaft wirklich in Kraft trat und eine feste und treue geblieben ist bis zum heutigen Tage.

Mitten in die Rührung dieses ersten großen Freundschafts- und Versöhnungsfestes klang auf einmal Hundegebell, Stampfen und Laufen, Knistern und Brechen von Zweigen und Gestrüpp und indem Guste mich hastig losließ und ausrief: »Das ist Gretel!« brach auch schon ein mächtiger Bernhardiner, anscheinend der Zwillingsbruder von Mentor, aus dem Gebüsch, und hinter ihm erschien die Gestalt einer jungen Walküre, mit rötlich schimmerndem Goldhaar, das ihr in krauser, mächtiger Fülle über den Rücken fiel und dessen widerspenstige, flimmernde Löckchen ein Gesicht voll blühender Farbenpracht und kraftvoller Frische umrahmten.

Sie war mindestens einen Kopf größer wie ich und fast noch einmal so breit; trotz des stark fußfreien Kleides vollkommen erwachsen aussehend und nur die runden, welchen Kinderwangen und die lachenden, blauen Kinderaugen, mit denen sie mich von oben bis unten musterte, verrieten ihre noch so sehr jugendlichen Jahre.

Und das sollte Gretel sein, das kleine, zierliche Etwas, das ich mir unter diesem Namen, unter ihrem Alter und Stande vorgestellt hatte? Diese junge Riesin, an der alles vor Kraft, Gesundheit und Urwüchsigkeit strotzte? Nein, enttäuschter war noch nie ein Mensch wie ich in diesem Augenblick!

Ich hätte es auch nicht geglaubt, wenn Guste nicht mit dem Jubelruf: »Gretel!« auf sie zugeflogen wäre.

Mit kurzer Handbewegung schob die Walküre sie zurück. »Laß man, ich muß mir mal erst die Kleine ansehen. Heiliger Strohsack, die ist ja noch winziger und zerbrechlicher wie ich sie mir gedacht habe, die reine Puppe! Niedlich – aber ob sie zu uns passen wird? Solch Porzellanfigürchen!«

Ich stand brennendrot und tödlich verlegen da. Es war wirklich kein Vergnügen, so wie in der Jahrmarktsschaubude zu stehen und sich kritisieren zu lassen. Natürlich, so ein Riesengeschöpf konnte nicht jeder sein! Ich fand es auch nicht einmal schön, dafür war mein Geschmack doch zu städtisch gebildet, und imponieren ließ ich mir lange nicht davon, bloß, ich fand keine Worte, um mir diese rücksichtslose Kritik meiner Person zu verbitten. Ich war viel zu verblüfft und überrascht, um etwas zu sagen.

»Ach, sie wird schon anders werden, wenn sie erst eine Weile bei uns ist, sagt Väterchen,« verteidigte mich Guste. »Laß dich nur nicht von Gretel einschüchtern, sie ist kein solcher Eisenfresser, wie sie thut.«

»Oho,« rief Gretel, »untergrabe nicht meine Stellung! Die kleine Puppe macht solch sanften, stillen Eindruck, mit der mache ich, was ich will. Hoppla, da kann man den Toby gerade als Reitpferd benutzen!«

Und damit faßte sie mich um die Taille, schwenkte mich lustig in die Luft wie einen Hampelmann und setzte mich dann laut lachend auf dem Rücken des großen Bernhardiners nieder.

Nun war aber meine Geduld erschöpft und meine Befangenheit verflogen. Dieses Mädchen, das fast ein halbes Jahr jünger war wie ich, also eigentlich geistig tief unter mir stand, wagte es, mich wie ein Wickelkind, wie eine dumme, wehrlose, kleine Puppe zu behandeln! O nein, so etwas ließ ich mir nicht gefallen, davor brach alles, was sonst vielleicht in diesem Augenblick mein Herz bewegt und meine Kräfte gelähmt hätte, die Hochachtung vor der Kammerherrntochter, die Seelenangst vor dem Riesenhunde, die Fremdheit der Verhältnisse.

Mit einem Satz war ich von meinem unfreiwilligen Reitsitz herabgesprungen und stand nun mit geballten Fäusten, brennenden Wangen und funkelnden Augen vor der noch immer laut und unbändig Lachenden. Auch meine sonstige Thränenseligkeit hatte mich verlassen, für dergleichen blieb mir gar keine Zeit, ich mußte sprechen, ich mußte diesem rotblonden Ungeheuer meine Meinung sagen, gründlich sagen, ohne Einschränkung, ohne Zögern und Stocken.

Ich dachte auch in diesem Augenblick nicht an das förmliche, vornehme »Sie«, das ich mir für den Anfang unsrer Bekanntschaft vorgenommen und mit dem ich zeigen wollte, wie vollkommen ich mich auf Höflichkeit und Formen verstünde. Höflichkeit und Formen waren mir total abhanden gekommen, ich war nur eins: wütend, wütend wie ein gereizter Tiger.

Und wie ein solcher brüllte ich denn nun auch los. »Ein ganz unverschämtes, robustes, ekliges Ding bist du – weißt du das? Kräfte wie ein Bär und eine Gestalt wie eine Riesin kann nicht jeder haben – das ist für ein Mädchen auch gar nicht schön – verstehst du? Und wenn du denkst, mit mir thun zu können, was du willst, dann irrst du dich sehr! Ich lasse mich nicht wie eine Puppe behandeln, nein, absolut nicht! Und sanft und still bin ich auch nicht – nein, nein, nein!«

»Aber Delia!« fiel mir hier Guste entsetzt in die sprudelnde Rede und faßte meinen Arm, während Gretel mit ganz großen, staunenden Augen stumm zu mir herabsah.

»Du, laß sie,« sagte sie jetzt hastig zu Guste, »das ist gar nicht übel. Sie hat ganz recht und nun sie so gar kein Blatt vor den Mund nimmt, gefällt sie mir sehr gut. I, du, nicht Sanfte und nicht Stille« – sie lachte lustig auf – »mit dir werde ich mich ganz famos befreunden, denn natürlich wirst du nicht mehr böse sein, wenn ich dir sage, daß du verstanden hast, dich bei mir in Respekt zu setzen. Zieh nur nicht den Mund so weinerlich, das steht dir lange nicht so gut wie der Zorn. Guste, die kann es noch besser wie wir, die hat es mir ordentlich gesagt!«

»Ja,« stammelte ich beschämt, denn mein Zorn kämpfte jetzt schon wieder mit der Verlegenheit und mit einer unheimlichen Neigung zu Thränen, »ich glaube, ganz höflich war ich nicht – aber du hattest mich auch zu sehr gereizt.«

»Ja, weißt du, ein Komplimentierbuch können wir beide nicht herausgeben,« lachte Gretel, »aber das schadet auch nichts, wir haben gleich das Schlimmste aneinander durchgemacht, nun springen wir flott mit beiden Füßen in die Freundschaft hinein. Ein Knirps bleibst du zwar trotzdem, aber dein Mundwerk ist total ausgewachsen und hält mit meiner körperlichen Riesenhaftigkeit vollkommen Schritt. Bist du mit der Anerkennung zufrieden?«

Ich mußte auch lachen. Sie machte so ein drolliges Gesicht, halb zerknirscht, halb schelmisch. Trotz der übernatürlichen Größe gefiel mir das Gretel doch. Sie hatte ein Leuchten und Lachen in den Augen, so sonnig und so herzenswarm, daß man ihr schlecht widerstehen konnte, wenn sie es darauf absah, ein Herz zu gewinnen. Meins hatte sie schon gewonnen, wenn es auch noch vor wenigen Minuten durchaus nicht danach aussah, als wenn ich mich jemals für sie begeistern würde.

Aber nun that ich es doch. In der Jugend sind die Übergänge der Gefühle oft sehr plötzlich. Wir hatten uns beide im Handumdrehen von gegenseitiger Mißachtung zur Bewunderung emporgeschwungen und es bedurfte gar nicht mehr Gustens eifrigen Zuredens, um uns zu der Überzeugung zu bringen, daß wir die besten Freundinnen der Welt wären.

»Erst kommt ihr natürlich zu uns,« sagte Gretel. »Delia muß zunächst das Schloß, mit allem was drum und dran hängt, kennen lernen, ehe sie in die Pfarre geht. So schickt sich's und für die Schicklichkeit, das hast du hoffentlich schon bemerkt, sind wir hier sehr. Willst du nun erst in die Ställe oder erst ins Haus? Ich meinesteils würde die Ställe vorziehen –«

»Ich aber nicht!« beeilte ich mich schnell zu versichern. Bis jetzt war es mir noch gelungen, mich vor jedem Stallbesuch zu drücken, wenngleich Guste mich auch schon den ganzen Tag lang damit gequält und geschreckt hatte. Ich ängstigte mich bodenlos vor all dem Tierzeug, das nach meiner Idee nur darauf wartete, um auf mich loszustürzen, mich zu stoßen, zu treten, zu zermalmen. Mir waren schon die Hunde zu viel, die mich in stetem Beben und in qualvoller Aufregung erhielten, und nun sollte ich auch noch freiwillig die viel gefährlicheren, feindlicheren Vierfüßler aufsuchen – nein, solange ich es vermeiden konnte, mich als Feigling und Hasenherz zu zeigen, wollte ich es doch thun. Ich hatte die dunkle Ahnung, daß sowohl Gustens wie besonders Gretels Hochachtung, die ich eben mit meinem stolzen Auftreten mühsam errungen hatte, sehr bedeutend sinken würde, wenn ich mit schlotternden Knieen und klappernden Zähnen durch die Ställe schliche. Und daß es so kommen würde, wußte ich tödlich genau. Daher setzte ich auf Gretels prüfendenBlick hastig hinzu: »Es schickt sich doch, daß das Schloß vor den Stall geht!«

Guste, Gretel und ich

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