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Die Vertrauten der roten Schlange

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Es war die Zeit, da sonst die Drachen die Kühle des Abends scheuten, sich verbargen und einschlummerten. Darum hatten die Zierschnäbel den Abend gewählt; wenn die Nacht hereinbrach, merkten die Echsen am meisten, was ihnen fehle, und bekamen offne Ohren für bedrohliche Mahnung.

Und nun hüpfte der wohl durchwärmte und gesättigte Zierschnabel auf den Rücken der Großechse und sprach von da zum versammelten Drachenmoor:

»Da noch nichts war, keine Fische und keine Echsen, keine Kerbtiere und keine Beutler, da war die rote Schlange. Und die rote Schlange streckte sich aus, da reichte sie von einem Ende der Welt bis zum andern. Sie hatte aber zwei Augen, auf jeder Seite eins, das eine war weiß und das andere war schwarz. Dort, wo das weiße Auge lag, da war der Tag, wo aber das schwarze Auge lag, da war die Nacht; und in der Mite, wo die rote Schlange geruht hatte, da war die rote Dämmerung.

Und die Schlange legte zwei Eier. Das eine legte sie in den Tag und nannte es Sonne. Aus der Sonne kam das Geschlecht der Echsen, und aus der Schale des Ei‘s wurde das Meer und das Moor und der Schlamm und das helle Ufer. Das andre Ei legte sie in die Nacht und nannte es Mond. Aus dem Monde kam das Geschlecht der Beutler, und aus der Schale des Ei‘s wurden der Wald und die Felsen und die Berge.

Die rote Schlange aber sprach zu den Echsen:

Ihr seid die Kinder der Sonne. Ihr sollt in der Wärme wohnen des Meeres und des Moores und hinwandeln am hellen Ufer. Alle Tiere des Waldes und der Felsen und der Berge werden euch gehorchen. Ich will euch meine Stärke und meinen Panzer geben, damit ihr eure Macht zu bewahren vermögt. Und wer mir am nächsten kommt an Stärke und an Panzer, der soll Herr sein über alle, ausgenommen über meine Boten, die ich euch nennen werde.

Und nun vernehmt die Gesetze der Schlange.

Ihr sollt fressen, so viel ihr könnt, Pflanzen und Tiere, und ihr sollt auch fressen euch untereinander, daß nur übrig bleiben, die ich auserwählt habe zum Ruhme meiner Stärke und meines Panzers.

Ihr sollt herrschen über das Meer und das Moor und das Ufer am Tage, und ihr sollt achten, daß die Tiere des Waldes nicht an die Sonne kommen. In der Nacht aber sollt ihr schlafen, denn es ist euch verboten zu sehen, was die Nacht an den Himmel gesetzt hat. Aus der Sonne seid ihr gekommen; wenn aber die Sonne verschwunden ist, so glitzern am Himmel die bösen Geister, die euch töten, die Geister der Kälte.

Eure Haut kann nackt sein und sie kann gepanzert sein. Wer sie aber bedecken wollte mit Fell oder Haar, der soll verderben. Denn es geziemt den Echsen nicht, zu gehen wie die Nachttiere des Waldes.

In euren Körper habe ich das Mark des Rückens gelegt, daß es vereinige die Bewegung aller eurer Glieder und die Kraft aller eurer Sinne. Da soll es sich immer stärker zusammenziehen an dem einen Ende und soll dort wachsen und dick werden, damit ihr gewaltig wollt und tut alles, wozu euch die Lust ankommt!

Als meine Boten habe ich eingesetzt das Geschlecht der Zierschnäbel. Sie allein sollen euch mein Gesetz auslegen. Und was sie euch sagen, das ist mein Wille, daran sollt ihr nicht zweifeln und sollt nichts ändern an allem, was sie gebieten im Namen der roten Schlange.

Den Zierschnäbeln sollt ihr gehorchen und sie ehren; und es soll Friede sein zwischen euch, wo sie zu euch reden. Denn aus ihnen spreche ich, die rote Schlange.

So sprach die rote Schlange und verschwand. Und niemand mehr weiß, wo sie ist, außer uns, den Zierschnäbeln. Und nun dürft ihr und könnt ihr nicht mehr mit ihr reden als durch den Mund der Zierschnäbel, und ihr könnt sie nicht schauen als durch das Auge der Zierschnäbel, und ihr könnt nicht zu ihr gelangen als durch die Füße der Zierschnäbel.

Ihr aber müßt nun sorgen, daß auch die Tiere des Waldes dem Gesetze der roten Schlange gehorchen; und die ihm nicht gehorchen, sollt ihr fangen und töten und fressen und vernichten alle ihre Geschlechter. So will es die rote Schlange.«

Ehrfürchtig lauschten rings die Echsen.

Und immer dunkler ward‘s über dem Moor, die klare Nacht stieg herauf. Die Echsen im Wasser tauchten unter bis an den Kopf, und die am Lande drückten sich frierend an den Boden.

Grappignapp sprang herunter vom Kopfe der Großechse, aber ehe die Tiere ringsum sich zu rühren wagten, schwang sich ein anderer Zierschnabel an seine Stelle. Das war Kaplawutt mit dem großen Schnabel, der schlenkerte seine Vorderfüße hin und her und rief gellend über das Drachenmoor:

»Und wißt ihr, was die rote Schlange tut, wenn ihr die Gesetze nicht befolgt? Dann wird sie die Sonne belecken mit ihrer Zunge, daß sie immer kleiner und kühler wird. Und der Tag wird kalt werden wie die Nacht, und die Nacht wird so kalt werden, daß alles Wasser erstarrt wie der Reif des Morgens. Die Bäume werden ihre Blätter verlieren, und das Gras wird sie zudecken mit weißem Staub, daß ihr nirgens mehr findet, was euch Nahrung gibt. Und die Echsen, die noch nicht verhungert sind, werden beben vor Frost und werden zittern und klappern in Ängsten, bis sie starr werden und sich nicht mehr rühren können. Dann werden die Nachttiere des Waldes herauskommen in ihren warmen Pelzen und werden ihnen allen die Augen auskratzen, wie es der kleine Kala dem großen Hohlschwanz getan hat. Und die Säuger werden das Mark der Echsen verzehren, und mit euern Knochen werden sie nach der Sonne werfen, bis sie herabstürzt vom Himmel. Und es wird eine ewige Nacht sein.«

Kaplawutt sprang auf den Boden, denn selbst die Großechse begann vor Furcht und Kälte zu zittern. Nichts hörte man durch die stille Nacht als das schauerliche Rasseln der Knochenschilde, das die Angst der frierenden Drachen verriet. Keines der Ungetüme wagte aufzublicken; es hätte den Nachtgeistern ins blitzende Auge schauen können, deren Anblick verboten war.

Die Zierschnäbel versammelten sich um Grappignapp, der leise zu ihnen sprach in der Redeweise der Schnäbel, welche die Echsen nicht verstanden. Dann zerstreuten sich die Zierschnäbel nach allen Richtungen und flüsterten mit den Echsen, die sich furchtsam im Schlamm oder im Grase duckten und ehrfürchtig ihren Worten lauschten.

Inzwischen hob ein Bronto den langen Hals, um den zerrissene Ranken von Wasserpflanzen sich schlangen, aus dem Wasser empor und fragte demütig:

»O weiser Zierschnabel, warum zürnt denn die rote Schlange auch uns im warmen Wasser? Wir können doch nicht dafür, daß der Kala aus dem Walde gekommen ist und den Hohlschwanz getötet hat?«

Grappignapp sah den Bronto verächtlich an, denn er mußte sich erst auf seine Antwort besinnen. Der Bronto war doch wirklich zu dumm, daß er hier mit Zweifeln hervortrat, wo alles so schön vorbereitet war für die Absicht der Zierschnäbel. Dann sagte Grappignapp: »Mein lieber Bronto, glaubst du denn, wenn die rote Schlange die Sonne ableckt, daß alle Länder erfrieren müssen, sie könne das Wasser allein warm erhalten? Wie sollte sie das machen? Darum müßt ihr eben auch mitleiden mit den andern, wenn ihr nicht die Gefahr abzuwenden versteht.«

Da streckte ein andrer Bronto den Hals hervor. Denn er hatte gemerkt, daß das Wasser noch warm war, während die Landechsen froren; und so fragte er mutiger:

»Was können wir denn tun, damit die rote Schlange den Echsen nicht zürnt und die Sonne nicht ableckt?«

»Das will ich euch sagen«, rief Grappignapp und gab Kaplawutt einen Wink, daß er wieder auf den Kopf der Großechse springe, um zum Drachenmoor zu reden. Und Kaplawutt begann:

»Wollt ihr erfrieren, ihr starken Echsen? Wollt ihr von den Säugern gefressen werden? Wollt ihr, daß eure Gebeine gegen die Sonne fliegen?« Ein Schauer ging durch die Zuhörer. Nein, nein, nein schien es zu rasseln. »Nun, so frage ich euch, woher kommt die Gefahr? Wer hat zuerst die Gebote der Schlange übertreten? Der freche Kala war‘s, Homchen, aus dem Geschlechte der Beutler. Aus dem Walde ist er gegangen am hellen Tag, mit der roten Schlange hat er, sprechen wollen ohne Erlaubnis der Zierschnäbel, gerühmt hat er sich zu wissen was niemand wissen kann als wir, die Boten, denen die rote Schlange es sagt. Darum hat die Schlange erlaubt, daß er den Hohlschwanz töte, der auch seine Pflicht versäumte, damit die Echsen erwachen aus ihrem Schlummer.

Homchen

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