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Mit dem Start des kugelförmigen Frachtschiffes TIGRIS, hundert Meter durchmessend, pünktlich um 12:45 vom Raumhafen Terranias abhebend, begann mit der Präzision einer Rechenmaschine ein Einsatz anzulaufen, der vom Solaren Imperium unbedingt erfolgreich zu Ende gebracht werden musste.

Kommandant des Schiffes war Major Clyde Ostal vom Solaren Sicherheitsdienst. Zweiunddreißig Mann Bordbesatzung rekrutierten sich auch aus Allan D. Mercants Abwehrdienst.

Sie wussten, worum es ging. Sie wussten auch, dass ihr Einsatz gefährlich war. Wenn das Naral-Sonnensystem auch nur 4536 Lichtjahre von der Erde entfernt war und Arkon I, II und III rund 34.000, so gehörte es doch zum Großen Imperium, denn die Menschen, die darauf lebten, waren arkonidische Abkömmlinge und hatten zu keiner Zeit vergessen, Arkoniden zu sein. Ihre Treue zum Imperium war sprichwörtlich; ihre Verbindung zu Arkon III so eng, wie sie nicht enger sein konnte.

Die TIGRIS schoss mit 0,85 Unterlicht aus dem solaren System heraus, passierte zum Schluss die Relaisstation auf Pluto und stürzte sich dann in den Abgrund zwischen den Sternen hinein.

Selten war ein Schiff mit so präzisen Ordern von der Erde aus unterwegs wie jetzt die einwandfrei als terranisches Handelsschiff zu erkennende TIGRIS.

Die großen Lagerhallen waren bis zum Rand mit Waren vollgepfropft, die schon im Tatlira-System ungeduldig erwartet wurden. Kreuz- und Quer-Hyperfunksprüche von irdischen Raumfrachtern mit terrestrischen Handelskontoren auf fremden Welten – Rückfragen und Durchrufe zwischen solaren Frachtern, die sich auf dem Flug befanden – das alles war schon vor drei Tagen unauffällig angelaufen, noch unauffälliger durchgeführt worden, und wer von der »anderen« Seite abhörte, sah in der letzten Meldung des Frachters EUGENIO, die besagte, dass die TIGRIS am 18. Juni 2042 Erdzeit eintreffen würde, nur eine übliche kommerzielle Mitteilung.

Funkspionage stand immer noch so hoch im Kurs wie eh und je. Die galaktischen Händler lauschten mit tausend Ohren auf allen Frequenzen; Arkon tat es aus dem Sternhaufen M 13 heraus oder von seinen vorgeschobenen planetarischen Stützpunkten her – und das Solare Imperium auch. Schließlich wollte man nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Major Clyde Ostal schmunzelte, als er den letzten Hyperspruch der EUGENIO abhörte.

Order 17 war damit erledigt. Er konnte diese Anweisung zu den Akten legen.

Order 18 lautete: Transition 1 und 2 nur mit Zusatzgerät durchführen.

Bordpositronik abschalten. Daten und Speicherbänke abschalten. Dreifache Kontrolle! Es kontrollieren in zehnminütigem Abstand:

Major Clyde Ostal

Leutnant S. Seegers

Leutnant Peter H. Hasting.

Das Zusatzgerät war speziell für die beiden ersten Transitionen der TIGRIS gebaut worden und in Wirklichkeit nichts anderes, als eine kleine Positronik mit der Aufgabe, von einem bestimmten Ort des Weltraumes aus das Handelsschiff sicher durch zwei Hypersprünge 1375 Lichtjahre weit im Raum wieder werden zu lassen.

Zweimal erlebte die kleine Besatzung des Kugelraumers den unangenehmen Transitionsschock. Als sich auch der letzte Mann in der Steuerzentrale der TIGRIS davon befreit hatte, blickte über den Rundsichtschirm ein fremder Sternenhimmel zu ihnen herein.

Noch einmal trat das Zusatzgerät in Aktion. In wenigen Sekunden hatte es mit fünffacher Sicherung die Koordinaten des Handelsschiffes festgestellt, und bei Vergleich zwischen der Folie der kleinen Positronik und der Order 19 stellte Major Ostal hundertprozentige Übereinstimmung fest.

Order 20 war jetzt zu erledigen.

In der Kabine VIII summte der Wecker zweimal kurz, einmal lang. Vier Männer hatten darauf gewartet. Eilig verließen sie ihre Kabine in Richtung der Kommandozentrale. Wortlos machten sie sich dort an die Arbeit, das immerhin drei Zentner schwere Zusatzgerät von der bis jetzt stilliegenden Bordpositronik abzuschalten und jeden Hinweis zu beseitigen, dass jemals ein Aggregat dem großen Rechengehirn vorgeschaltet gewesen war.

Sie waren noch mit den letzten Arbeiten beschäftigt, als ein Arbeiterrobot hereinstampfte und auf die Anweisung wartete, das Zusatzgerät fortzuschaffen.

Seine stählernen Glieder knackten nicht einmal, als er das 3-Zentner-Aggregat anhob und damit die Zentrale verließ.

An der kleinen Schleuse B wurde er schon erwartet. Die innere Schleusentür öffnete sich, der Robot trat ein, und dann rollte die Tür hinter ihm wieder zu.

Major Clyde Ostal und drei Offiziere beobachteten den Rundsichtschirm. Plötzlich zeigte er einen eckigen Gegenstand, der draußen im Raum am Schiff vorbeischwebte: das Zusatzgerät, das vom Arbeiterrobot hinausgeworfen worden war.

Für wenige Minuten schaltete Ostal sämtliche Schutzschirme der TIGRIS ab. Mit konstanter Geschwindigkeit schwebte das Aggregat immer weiter davon.

Leutnant S. Seegers schaltete sein Rillenmikrophon ein und rief die Desintegrator-Feuerstellung an. »Feuer frei auf treibenden Körper!«

Drei Sekunden später schlossen alle Männer in der Zentrale kurzfristig vor der Blendung, die über den Schirm hereinstürzte, die Augen. Das Zusatzgerät war in einer Feuerkaskade eines blitzschnellen atomaren Zerfallprozesses untergegangen.

Nichts mehr verriet, dass die TIGRIS mit Hilfe eines technischen Tricks, der ziemlich kostspielig gewesen war, bis zu diesem Punkt im Weltraum gekommen war.

Order 21, die vorletzte, war zu befolgen.

Major Clyde Ostal stellte die Verbindung zur Funkzentrale seines Schiffes her. »Melden Sie unserer Niederlassung auf Goszuls Planet im Tatlira-System, dass Frachter TIGRIS, Heimathafen Terrania, Terra, in drei Stunden zehn Minuten zur Landung ansetzt. Spruch wie angeordnet, nur in Handelskode verschlüsselt und mit Normalraffer abgestrahlt. Ende.«

Es war dem Solaren Imperium seit einigen Wochen bekannt, dass die galaktischen Springer wieder einmal den terranischen Handelskode entschlüsseln konnten sowie auch in der Lage waren, Hyperfunksprüche über Normalraffer ohne Schwierigkeiten auf ihre natürliche Länge zu bringen.

»Leutnant Hasting?« Major Clyde Ostal drehte sich nach ihm um und übergab ihm den Ordner mit den Befehlen 1 bis 22. »Vernichtung der Unterlagen wie besprochen. Sie haften mir dafür, dass nicht einmal Asche übrigbleibt!«

Clyde Ostals Gesicht, das sonst etwas flach wirkte und alles verbarg, was dieser Mann an Qualitäten besaß, war jetzt scharf gezeichnet. Der fünfundvierzigjährige Chef dieses Kommandounternehmens ließ seine Männer nun sehen und fühlen, dass sie sich dem entscheidenden Punkt näherten.

»Transition nach Tatlira-System!«, befahl er. Aber ein spöttisches Lachen spielte plötzlich um seinen Mund. Rechts von ihm, vor der Bordpositronik, schalteten zwei Offiziere das Gerät voll neuer Daten. Die Koordinaten des augenblicklichen Standortes, die inzwischen vom Rechenabschnitt der Positronik ausgeworfenen Energiewerte, die erforderlich waren, um in Nullzeit durch den nur mathematisch zu begreifenden Zwischenraum nach Tatlira zu gelangen – das alles war an Angaben notwendig, um eine einwandfreie Transition zu gewährleisten.

Obwohl das große Rechengehirn der TIGRIS in vielstündiger Teamarbeit irdischer Wissenschaftler völlig »verstellt« war, arbeitete es trotz der verfälschten, gespeicherten Werte und Daten jetzt so, wie es Marschall Allan D. Mercant einmal gefordert und die Wissenschaftler es anschließend erstellt hatten.

Mit vollkommen irrsinnigen Unterlagen und einem Zehntel richtiger Daten und Werte einen Hypersprung zu wagen und dabei überzeugt zu sein, an der »falschen Stelle im Weltraum« trotzdem »richtig« herauszukommen, war kein fahrlässiger Leichtsinn, sondern einfach die Überzeugung der Bordbesatzung der TIGRIS, dass Perry Rhodans wissenschaftlicher Stab die Aufgabe so gelöst hatte, wie die Planung die Lösung vorsah.

»Transition in zehn Minuten«, plärrte der Zeitzähler der Positronik und gab dann die neue X-Zeit durch.

Bei X minus fünf Minuten rief Clyde Ostal wieder die Funkzentrale an. »Alles klar ... Spruch ausstrahlbereit schon in der Automatik? Sind vor der Endstufe ... Zerhacker und Raffer vorgeschaltet?«

»Ja, Major, alles klar, Text aber unverschlüsselt, wie befohlen!« Der diensttuende Offizier am Sender wollte noch einmal ausdrücklich auf das Ungewöhnliche hinweisen. Unverschlüsselte Hyperfunksprüche waren eine Seltenheit.

Über die Bordverständigung hörte er Major Clyde Ostals Selbstgespräch mit: »Das gibt ja noch nicht mal einen Pieps.«

Der Major hat recht, dachte der Offizier am Sendetisch und überhörte dabei, was sein Nebenmann ihm sagte.

In der TIGRIS begannen die letzten Aggregate zu laufen. Alle Kraftstationen waren eingeschaltet, sämtliche Transformatoren. Vor Ostal am Schaltpult flackerte eine Kontrolle nach der anderen ihr grellgrünes »frei«. Der Major konzentrierte sich nicht einmal besonders scharf darauf. Was sich vor ihm tat, war ihm mittels arkonidischer Hypnoschulung derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass eine Fehlleistung von seiner Seite her kaum eintreten konnte.

X minus eins ...

Bei Null transitierte die TIGRIS durch den Hyperraum unter Aufwendung fast unvorstellbarer Energien.

Der Schirm mit seiner Schwärze und dem kalten Gleißen zehntausender naher und ferner Sonnen schien auseinanderzufliegen, und auch der Mensch an Bord des Kugelraumers hörte auf, wirklich zu sein. Der Hyperraum nahm ihm die Existenz in seiner gewohnten Form, aber er nahm ihm nicht das Leben.

Und dann war alles schon vorbei, in einer Zeit geschehen, die als Zeit nicht zu messen war, weil die TIGRIS während dieser »Zeit« sich nicht in dem Zeit-Raumgefüge aufgehalten hatte, wo der Maßstab »Zeit« Gültigkeit hatte.

Stöhnend krümmten sich dreiunddreißig Männer, die mit der TIGRIS den Sprung erlebt hatten, aber die Schockwirkung war bei keinem von langer Dauer, und die Wirklichkeit zwang sie, hart gegen sich selbst zu sein.

Keine Lichtstunde weit vor ihnen, genau im Kurs des Schiffes, strahlte eine kleine, gelblich getönte Sonne. Mit 0,9 Lichtgeschwindigkeit hielt der Frachtraumer der Erde darauf zu.

Jeder Offizier in der Zentrale fieberte vor Spannung. Jeder wusste, dass die TIGRIS nicht vor dem Tatlira-System aus dem Hyperraum herausgekommen war, sondern im System der Sonne Naral, 4536 Lichtjahre von der Erde entfernt.

Der dritte Planet, Ekhas, der einzige von insgesamt acht Planeten, der bewohnt war, stellte ihr Ziel dar.

Nacheinander stellten im Schiff die gewaltigen Kraftstationen, die Speicherbänke, die für den Sprung aufgebauten Kraftfelder und die Umformstationen ihre Tätigkeit ein. Zum Schluss lief der Strukturkompensator aus, unter dessen Schutz das Handelsschiff seinen Sprung über mehr als viereinhalbtausend Lichtjahre vollführt hatte.

In der Zentrale plärrte eine neue Zeitansage ununterbrochen.

Sie gab die Zeit an, die seit dem Eintritt in das normale Universum verlaufen war.

Hinter dem Ortungstaster saßen zwei Mann und konzentrierten sich nur auf ihr Gerät.

»Drei Minuten und eine Sekunde«, gab die positronische Zeitansage an.

Kein Mensch in der Zentrale sprach. Über keine Verbindung kam ein Anruf herein. Jeder der dreiunddreißig wusste, dass die ersten zehn Minuten nach Verlassen des Hyperraumes von entscheidender Bedeutung sein konnten.

»Vier Minuten dreißig Sekunden.« Stimme der Zeitansage.

Bei vier Minuten achtunddreißig Sekunden rief Leutnant Manteau vom Ortungstaster: »Schiff wird angepeilt, liegt jetzt hart im Ortungsstrahl!«

Der Mann in der Funkzentrale hatte befehlsgemäß mitgehört. In derselben Sekunde ging, durch Raffer und Zerhacker abgesichert, seine Hyperfunkmeldung ab.

Der Spruch war kurz; er bestand nur aus zwei Worten: »Schiff geortet.« Diese zwei Worte wurden vom Raffer noch auf ein Fünftausendstel zusammengepresst. Der Funker, der den Spruch abstrahlte, versuchte auf der klaren Bildscheibe des Oszillographen die typische Kurve zu sehen.

Er nahm nicht einmal ein Blitzen wahr, und er musste wieder daran denken, was der Major kurz vor der letzten Transition gesagt hatte: Das gibt ja noch nicht einmal einen Pieps!

Der Funker rieb sich befriedigt die Hände. Bei ihm war alles glatt verlaufen. Hoffentlich verlief das weitere auch so einwandfrei!

Drei gewaltige, in nächster Nähe erfolgte Strukturerschütterungen wurden in der TIGRIS angemessen. Wenige Minuten später tauchten auf dem Schirm, aus dem System herauskommend, drei winzige Punkte auf, die das Licht der Naral-Sonne schwach reflektierten.

Über sein Rillenmikrophon fragte Major Ostal zur Funkzentrale hinüber: »Noch immer kein Anruf?«

»Nein, Major.«

»Melden Sie sich auf Arkon-Handelswelle. Das übliche ...«

Der Funker handelte sofort. In Intergalaktisch gab er Name, Heimathafen, Typ des Schiffes, Ziel usw. bekannt. Er versprach sich nicht und nannte das Tatlira-System. Er gab auch nicht zu erkennen, dass die Schiffsleitung der TIGRIS bereits wusste, nicht im Tatlira-System angekommen zu sein.

Er war jetzt nichts anderes als das Bordmitglied eines harmlosen terrestrischen Frachters und beileibe kein geschulter Mann der Solaren Abwehr. Es fiel ihm nicht einmal schwer, diese Rolle zu spielen, und als donnernd von einem der drei anfliegenden Kampfraumer die Aufforderung kam, mit der Fahrt sofort herunterzugehen, fing er über den Schiffssender vorzüglich zu stottern an und wählte seine Worte derartig devot, dass sein Kollege ihm mit stummer Geste drohte, nun aber mit dieser Rolle Schluss zu machen.

Der Lautsprecher in der Zentrale der TIGRIS übertrug Rede und Gegenrede. Major Clyde Ostals Augen funkelten. Es war gut, dass kein Mann der drei Arkon-Schlachtraumer ihn in diesem Moment sehen konnte.

»Jawohl, Kommandant ... Funkstille, völlige Funkstille. Aber darf ich fragen ...?«

Der Funker der TIGRIS durfte nicht fragen.

Dieser Kommandant des arkonidischen Kampfschiffes war ein rabiater Bursche, der mit Angriff aus allen Waffen und mit dem Abschluss des Handelsschiffes der Erde drohte.

Da befahl Major Ostal: »Funker, umschalten auf mich!«

Vor ihm flackerte der Schirm, zeigte kurz wirre Zeichen, um dann das Gesicht eines grimmig dreinschauenden arkonidischen Kommandanten zu zeigen.

»Clyde Ostal, Kapitän des Handelsschiffes TIGRIS ...«

Der hochmütig aufblickende Arkonide machte eine herrische Geste. »Schalten Sie Ihre Schutzschirme ab. Ich komme mit meinem Schiff längsseits. Sobald Sie beobachten, dass ein Prisenkommando Ihr Schiff betreten will, haben Sie die große Schleuse zu öffnen! Ende!«

Damit war die erste Unterhaltung zwischen drei arkonidischen Kugelraumern von dreihundert Metern Durchmesser und der kleinen TIGRIS zu Ende.

»Okay«, sagte Ostal gelassen, »diese Herren sollen ihren Willen haben!« Aber ein leicht drohender Unterton versprach nichts Gutes. Dann fragte der Major über die Verständigung die Funkzentrale: »Hören Sie mit? Wenn ja, dann machen Sie aber keine Speicheraufnahmen. Man soll uns für ausgewachsene Tölpel halten!«

»Eins der drei Schiffe funkt auf der Frequenz des Robotgehirns, Major. Text verschlüsselt, gerafft und zerhackt. Diese Verbindung besteht seit dem Moment, an dem ich als unser Ziel das Tatlira-System angab.«

Ostal lächelte dünn. Diesen Köder hatten die Arkoniden sofort aufgenommen, aber es irritierte ihn, dass sie gegen ein irdisches Raumschiff derartig scharf vorgingen.

Offiziell waren das Robotgehirn und Perry Rhodan immer noch Verbündete.

Leutnant Peter H. Hasting meldete ruhig: »Prisenkommando schwebt an. Man bringt Kampfroboter mit!«

»Bei der augenblicklichen Situation ist das nicht überraschend.« Ostal war nicht aus der Ruhe zu bringen. Wenn auch diese Entwicklung nicht vorauszusehen war, so war sie aber auch kein Hemmschuh für die Aufgabe, die Perry Rhodan ihnen zur Lösung aufgetragen hatte.

Von der großen Schleuse meldete ein unerschrockener Abwehrmann: »Zehn Arkoniden an Bord und fünfzehn Kampfroboter!«

Im gleichen Moment kam die Durchsage aus der Funkzentrale: »Gespräch auf der Robotregentenwelle ist beendet. Dauer des Gespräches vierzehn Minuten!« Clyde Ostal warf Hasting einen vielsagenden Blick zu. Der junge Leutnant, der sich schon in einer Reihe von harten Einsätzen bewährt hatte, nickte leicht von der Positronik her. Ruhig lag seine Hand auf dem Löschkontakt, der für den Speichersektor des Abschnittes »Sprungkoordinaten« zuständig war. Dass damit aber kein vollständiges Vernichten dieser bedeutungsvollen Daten innerhalb der Gesamtpositronik erfolgte, war den Offizieren in der Zentrale klar. Über andere Erinnerungszentren der Bordrechenmaschine konnte man dann trotz Vernichtung dieser einen Zentralstelle alle Werte herausholen, wenngleich auch unter zeitraubender Arbeit.

Das starke Schott zur Zentrale öffnete sich automatisch.

Leutnant Peter H. Hasting von der Solaren Abwehr, auf der TIGRIS ein Handelsschiffer im Leutnantsrang, drückte gelassen den Löschkontakt. Das Gelblicht flackerte unübersehbar hell.

»Halt! Loslassen!«, brüllte der erste Arkonide, der die Zentrale betrat und sah, was Hasting machte.

»Bitte«, sagte Hasting und lachte ironisch. »Wir haben vorgesorgt, Sie gaben uns dazu leider Anlass!«

Eine Minute später waren sämtliche Offiziere der Zentrale und der Funkabteilung arbeitslos. Von Kampfrobotern bewacht, standen sie eng zusammengedrängt in einer Ecke, während Arkoniden die TIGRIS übernahmen.

Plötzlich fragte der arkonidische Offizier, dessen Gesicht vorhin auf dem Bildschirm zu sehen gewesen war: »Wer ist der Kapitän?«

»Hier! Ich!«, meldete sich Clyde Ostal und trat vor.

»Sie haben den Befehl gegeben, die Sprungkoordinaten zu löschen?«

»Natürlich«, brauste Ostal auf, und es fiel ihm nicht einmal schwer. »Sie treten doch nicht wie Arkoniden auf, sondern wie Piraten!«

»Wir sind Ekhoniden, Terraner, und ich bin Kommandant der arkonidischen Schlachtflotte, die auf Ekhas stationiert ist!« Wenn der Ekhonide, ein hochgewachsener, stolzer Mann, nach irdischen Verhältnissen wie ein Vierzigjähriger wirkend, damit gerechnet hatte, Eindruck zu machen, dann hatte er sich getäuscht.

»Wir sind Terraner, Ekhonide, und ich bin ein Kapitän Perry Rhodans! Perry Rhodan wird beim Robotregenten auf Arkon III vorstellig werden, und Sie werden sich dann dafür zu verantworten haben, dass Sie ein terranisches Schiff mit Triebwerksschaden in dieser Form enterten.«

Ein anderer Ekhonide kam aus der Funkzentrale und flüsterte seinem Kommandanten einige Worte zu. Der grinste beifällig und sah dann Clyde Ostal noch hochmütiger an.

»Wollten Sie mit Ihrem Schiff nicht zum Tatlira-System, Terraner?«, fragte er höhnisch.

Ostal spielte den Ahnungslosen. »Ich verstehe gar nicht, wie Sie die Frechheit aufbringen, mit Ihren Schlachtschiffen vor Goszuls Planet zu operieren! Ekhonide sind Sie? Ekhonide ...? Die Ekhoniden bewohnen doch im Naral-System den dritten Planeten Ekhas und ...«

»Stimmt«, unterbrach ihn der überhebliche Kommandeur, »und darum interessiert uns Ihr Perry Rhodan nicht! Sie sind nämlich nicht im Tatlira-System angekommen, sondern Ihre Fehltransition hat Sie etwas weiter, und zwar bis ins Naral-System springen lassen. Glauben Sie, dass Ihr Rhodan Sie hier suchen wird? Wir Ekhoniden glauben es nicht. Treten Sie wieder zurück!«

Wortlos folgte Clyde Ostal dem Befehl. Um die verbissenen Gesichter seiner Männer kümmerte er sich nicht. Sie spielten die Rolle so gut wie er.

Dann sahen sie gelassen zu, wie fünf Ekhoniden die TIGRIS wieder auf Kurs schickten und machten dabei die Feststellung, dass es einen unter diesen fünf Männern gab, der das Englische in Wort und Schrift beherrschte und mit sämtlichen technischen Ausdrücken auf dem Gebiet der Raumfahrt vertraut war.

Die irdischen Raumschiffe, im Prinzip Nachbauten der Arkonraumer, hatten auch nicht auf die praktische Kugelform verzichtet, und als nach zwei Anflugstunden die TIGRIS zusammen mit drei Schiffen der arkonidischen Flotte auf Ent-Thans Raumhafen landete, sah es so aus, als ob ein gemischter Verband von der Patrouille zurückgekehrt wäre.

Über den Rundsichtschirm hatten Major Clyde Ostal und seine Offiziere gesehen, welch eine große Stadt Ent-Than war und dass auf dem Raumhafen, der die Stadt halbkreisförmig einschloss, ein ununterbrochenes Starten und Landen vor sich ging.

Dann wurden dreiunddreißig Erdmenschen nach der Landung unter der Bewachung von zehn Kampfmaschinen über den riesigen Platz getrieben. Die Sonne Naral, vom Weltraum her als kleiner gelber Stern bekannt, wirkte auf dem Planeten Ekhas so groß wie unsere Sonne auf der Erde.

Ein wolkenlos blauer Himmel spannte sich über diese Welt, die vor mehr als zehntausend Jahren von Arkoniden besiedelt worden war. Wenn sie sich auch im Laufe der Zeit Ekhoniden nannten, so waren sie ihrem Charakter nach Arkoniden geblieben – aber gesunde und wagemutige Arkoniden.

Fünf Kilometer weit wurden die Terraner getrieben. Über eine Stunde lang hatten sie abfällige Blicke, spöttische Zurufe und Verachtung zu ertragen.

Als sie vor dem großen Empfangs- und Verwaltungsgebäude des Hafens ankamen, pferchte man sie in ein Fahrzeug, in dem normalerweise knapp fünfzehn Menschen Platz fanden.

Clyde Ostal protestierte. Ein Ekhonide mit unbekanntem Rangabzeichen vor der Brust hörte sich mit hochmütigem Gesichtsausdruck Ostals Protest an, um dann voller Verachtung zu sagen: »Was willst du schon? Du bist nur ein Terraner!«

Major Clyde Ostal fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss; aber er beherrschte sich. Er warf den Kopf in den Nacken. Lässig, aber im gepflegtesten Arkonidisch erwiderte er: »Wie recht du hast, Ekhonide: ich bin ein Terraner und kein degenerierter Arkonide oder hochmütiger Ekhonide, und dafür bin ich allen Sternen dankbar!«

Abrupt drehte er sich um, ließ den verwirrten Ekhoniden stehen, ohne zu ahnen, ihm am nächsten Tag wieder zu begegnen, und drückte sich zu seinen zweiunddreißig Männern auf das Fahrzeug.

Beiderseitig schlossen Bewachungsfahrzeuge, mit Kampfmaschinen bestückt, auf. Eine Flucht war unmöglich. Immer tiefer schaffte man sie in das Häusermeer von Ent-Than. Die Kolonne hielt vor einem riesigen Hochhaus-Hotel. »Stern von Arkon« lautete sein Name in der Übersetzung.

Aber das Hotel war ein Hotel mit Schattenseiten. Das in achthundert Metern Höhe gelegene Fünftel des Riesengebäudes war ein Gefängnis.

Ein Separat-Antigravschacht brachte sie ohne umzusteigen bis auf drei Meter vor das aus Strahlschirmen bestehende durchsichtige Tor. Leutnant Hasting, der den Zuruf eines Kampfroboters nicht verstanden hatte, prallte gegen den Schutzschirm und brach sich den rechten Arm.

Er wurde sofort abgesondert. Dann bestand die Sperre nicht mehr, und zweiunddreißig Mann der TIGRIS marschierten ins Gefängnis von Ent-Than.

Perry Rhodan 71: Fehlsprung der Tigris

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