Читать книгу Die entkoppelte Kommunikation - Kurt E. Becker - Страница 6
ОглавлениеEinleitung: Nichts ist älter
als die Zeitung von heute
Die Kommunikation, nicht nur in der persönlichen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen oder politischen Interaktion zwischen Individuen ein Phänomen mit immenser Tiefenwirkung, sondern auch in Kaffeekränzchen und am Stammtisch wesentlich Mittel zum Zweck der Selbstvergewisserung gegenüber dem eigenen Ich und gegenüber dem anderen, ist zum Selbstzweck mutiert, zu einem lukrativen, auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Geschäft im Zeitalter der PR-Profis, der systematischen Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche und der von multinationalen Großkonzernen beherrschten omnipräsenten sozialen Medien. Information, Meinungsbildung und Unterhaltung, die elementaren Komponenten von Kommunikation, amalgamieren täglich zu Informationstsunamis der Massenmedien einerseits und zu Selbstdarstellungsorgien in den individualisierten Jedermann-Medien andererseits – mit einer zunehmend überbordenden Gewichtung des Unterhaltungs-Faktors, der sich nolens volens auch die Information und die Meinungsbildung einverleibt, nicht selten begleitet von hysterisch anmutenden Erregungsschüben eines aufgeputschten Publikums. Nicht zu vergessen auch die oftmals verzerrende Wirklichkeitsdarstellung der interessengeleiteten Spin-Doctors, die jedwede professionelle und semi-professionelle Kommunikation in Medien jeglicher Art von der Realität des Essenziellen entkoppelt – hinein in ein virtuelles Kaleidoskop des Halbwissens, des Unwissens, der Halbwahrheiten, der Unwahrheiten, der Gerüchte, der Belanglosigkeiten und der Banalitäten. Scheinbar häufen wir in diesem Kaleidoskop immer mehr Wissen an, ohne überhaupt noch unterscheiden zu können, was wahr und was unwahr, was richtig und was falsch, was Fakt und was Fake ist, verlieren in diesem Irrgarten der Wahrnehmungen zunehmend den Überblick und verstehen deswegen notwendig immer weniger von den großen Zusammenhängen unserer Existenz auf diesem Planeten. Schon Sokrates musste in seiner Welt vor 2.500 Jahren konstatieren: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Eine Einsicht, die wir heute modifizieren müssen: „Je mehr ich zu wissen meine, desto weniger verstehe ich.“
Herstellung stetig neuer Wahrheiten
Zur Vermeidung jeglicher Hybris, zumindest in der Theorie, beanspruchte Sokrates noch, im Einklang mit dem Kreislauf der Natur zu leben und allen mit diesem Kreislauf einhergehenden Gewissheiten und Ungewissheiten. Sein Denken war deswegen auch in aller Demut durchdrungen von der Suche nach dem ewig Guten, Schönen und Wahren. Vor allem die Wahrheit hat in unseren Tagen allerdings viele Gesichter, tatsächliche, angenommene und bewusst oder unbewusst herbeigeredete. Wir leben und leiden unter dem Verlust der linearen Zeit und vegetieren stattdessen vierundzwanzig Stunden rund um die Uhr unter dem Joch des Allzeit-Jetzt einer Augenblicks-Ökonomie, die sich permanentes Wachstum und stete Herstellung von Neuem auf die Fahnen geschrieben hat. Denn das Herstellen, verbunden mit immer kürzeren Produktionszeiten und immer mehr Produkten bei gleichzeitiger Reduzierung der Kosten, mündend in der Forderung nach immer größeren Wachstumsschüben und sich stets vergrößernden Distributionsnetzwerken, ist das Ideal unserer die Welt dominierenden kapitalistischen Wirtschaftsweise in ihren unterschiedlichen Spielarten und Interessensgemengelagen.
Klar, dass auch die Herstellung stetig neuer Wahrheit, vulgo Information als essenziellem Bestandteil einer auf Gewinnmaximierung gepolten Unterhaltungsindustrie, zu der auch die Medien gerechnet werden müssen, diesem Wirtschaftsprozess inhärent ist. Und innerhalb der Unterhaltungsindustrie gilt nur die Information als gut, die auch neu ist und unentrinnbar Aufmerksamkeit auf sich zieht: Nichts ist nämlich älter und langweiliger als die Zeitung von heute. Manche Medien und Werbeingenieure schaffen das mit grenzverletzender Skandalisierung von einfachen Sachverhalten, denn der Skandal gehört zum „modernen“ Kommunikationsgeschäft mit dazu.
Auch der wissenschaftliche Diskurs, per se revolutionär in seinen sich stetig fortschreibenden experimentellen, mathematisch naturwissenschaftlichen oder philosophisch epistemologischen Erkenntnissen und damit verbundenen sich wandelnden Welt- und Menschenbildern, trägt sein Scherflein zu dieser Unterhaltung bei. Wissenschaftler jedweder Fakultät und Disziplin werden nolens volens zu Medienstars gehypt und damit Agenten der Unterhaltungsindustrie, die sie gelegentlich sogar mit Verve, aber vergeblich kritisieren. Auch die Kritik an der Unterhaltungsindustrie wurde nämlich problemlos dem Katalog eines umfassenden Unterhaltungsangebots einverleibt und zum informativen, meinungsbildnerischen „Must know“ des Konsumenten stilisiert. Wer Kritik übt, je pointierter, desto besser, passt gut ins Bild einer Empörungskultur, die sich letztlich nur und ausschließlich dem Ego ihrer Protagonisten verpflichtet weiß. Wusste Max Weber noch von einer Verantwortungsethik, die persönliche Verbindlichkeit einfordert, getreu dem Motto: Wer antwortet, verantwortet, so wird – nicht nur in der Kommunikation – Verantwortung heutzutage zur unverbindlichen Floskel, fernab jeglicher Verpflichtung, aus einem Irrtum oder gar einer Verfehlung auch Konsequenzen zu ziehen. „Erlaubt ist, was der Richter nicht ausdrücklich verbietet“, lautet das Credo der Unterhaltungs-Aktivisten, die der Augenblicks-Ökonomie ihr eigentliches Momentum verleihen.
Alltägliche Sensations-dynamiken
„Wir amüsieren uns zu Tode“, hatte Neil Postman in Anbetracht unseres massenmedialen Konsums dereinst postuliert. Heute ist das Amüsement schon längst in das bizarr skurrile Szenario einer selbstgeschaffenen Kommunikations-Geisterbahn verlagert worden, in der wir als Passagiere nicht mehr erkennen können, ob die uns im Sekundentakt begegnenden Gespenster real oder nur unserem Wahn, unserer Einbildung oder der Einredung anderer entsprungen sind. Real auf jeden Fall ist das immer wiederkehrende und sich selbst dynamisierende individuelle Erschrecken, reale Gespenster hin, eingebildete her.
Die Fähigkeit, unterscheiden zu können, und die Kraft, Einsicht zu nehmen in die tiefen Dimensionen unseres Lebens, sind uns im Dauerstress der Bilder- und Informationsfluten verloren gegangen. Schon längst sind wir nicht nur unserer Mitte, sondern auch unserer Tiefe verlustig gegangen, werden stattdessen wie im Zeitraffer hin- und hergebeutelt im Wirbel der Sensationen und Skandale. Und die Geister und deren Gespenster, die wir riefen und die Verursacher sind dieser alltäglichen Sensations- und Skandal-Dynamiken, werden wir auch nicht wieder los.
Wir sind gefangen im Käfig sich überschneidender und sich wechselseitig durchdringender Wahrheiten, Halbwahrheiten und Fakes. Verstehen? Fehlanzeige. Die sich mit einem inneren Automatismus selbst vorantreibende und immer gewaltiger dimensionierende Hyperkomplexität ist zu einem Alltagsphänomen mutiert, dem wir uns, dem Schicksal gleich, ergeben haben. Denn die Kommunikationsgesellschaft unserer Zeit lebt nicht zuletzt vom großen Geschäft mit Informationen, deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen selten die Zeit bleibt, weil der nächste Informant bereits mit einer neuen Wahrheit an die Tür klopft und Einlass begehrt. Zurückweisen können wir ihn selten, weil er die Medien als Verbündete auf seiner Seite weiß und wir als deren Konsumenten in der Regel erdulden müssen, was uns serviert wird.
Die Kommunikationsgesellschaft hat das Gros ihrer Gesellschafter entmündigt und zu passiven, aber elementar wichtigen, weil zahlenden Statisten degradiert. Nicht zu unterschätzen freilich auch der Anteil vieler Selbstdarsteller in den sozialen Medien, allen voran die sogenannten Influencer, die allerdings auch eher zur Unterhaltung und zur Kauf- und Konsumförderung, denn zur Wahrheitsfindung beitragen. Die selbstbestimmt genauso wie die fremdbestimmt Getriebenen in dieser Gesellschaft leben von und mit ihrem Kommunikationsaktivismus, dessen Zweck sich ausschließlich in sich selbst wiederfindet. Doch ganz gleich, ob aktiver oder passiver Teilhaber dieser Kommunikationsgesellschaft: Betroffen und in Mitleidenschaft gezogen von der banalen Mechanik der großen Kommunikationsmaschinerie sind wir alle. Jeder Einzelne ist Zielpunkt schwerster Kommunikationsgeschütze, die – auf Dauerfeuer gestellt – in jedem Augenblick unseres Lebens ihre Informationsgranaten auf uns abfeuern. Das Fernste wird zum Nächsten und das Nächste zum Fernsten, der Augenblick wird zur Ewigkeit, die Ewigkeit zum Augenblick. Resilienz, Resignation oder Selbstisolierung im selbstgewählten Abseits des Solipsismus sind die Folge. Je nach Perspektive und Mentalität. Im Übrigen nimmt der verantwortungslose Verbalgigantismus des Augenblicks selbstredend auch Fehlversuche, respektive „Rohrkrepierer“ in Kauf.
KommunikationsSouveränität
des Wählers?
Der Einfluss dieser Entwicklungen, Rohrkrepierer inklusive, auf Gesellschaften und deren Politik ist immens. Überforderung ist die Folge – des Individuums gegenüber der Gesellschaft und vice versa. In punkto Kommunikation auf dem Prüfstand steht nichts Geringeres als der Prozess der Meinungsbildung in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen. Fragen wir nach dem Souverän in diesem Gemeinwesen, so wäre an Jean Bodin zu erinnern, der den Alleinherrscher als Souverän definiert hatte. Dieser Alleinherrscher wurde spätestens mit der Französischen Revolution de facto vom Volk abgelöst mit dem Ergebnis, dass der Einzelne seither als elementarer Teil des Souveräns gefordert ist. Der Staatsbürger soll seinerseits souverän in einer freien Wahl die Politik seines Staates mitbestimmen. Voraussetzung für die Erledigung dieser staatsbürgerlich relevanten Aufgabe ist nicht zuletzt die Kommunikationssouveränität des Wählers. Dass es mit dieser Kommunikationssouveränität allerdings nicht zum Besten steht, belegt ein Hinterfragen des Begriffs „Souveränität“, der letztlich nichts anderes meint als „Selbstbestimmtheit“.
Ein selbstbestimmtes Individuum in der Kommunikationsgesellschaft moderner Prägung? Einmal abgesehen, dass wir alle von Geburt an fremdbestimmt werden – zunächst von den Eltern, dann in der Schule, schließlich in der Gesellschaft –, ist Selbstbestimmtheit letztlich nichts anderes als ein erstrebenswertes Ideal als selbst zu erkämpfende und zu behauptende Nische, dessen Narrativ ausschließlich von der Abgrenzung gegenüber der absoluten Fremdbestimmung im Totalitarismus lebt. Hier gilt noch immer Winston Churchills Credo: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“
Zu hinterfragen wäre aber selbstverständlich auch und gerade in einer Demokratie, wie es denn konkret um unsere Kenntnis etwa bei den unsere Zukunft bestimmenden Themenkomplexen „Klimawandel“, „Migration“ oder „demografischer Wandel“ bestellt ist. Wissen wir denn wirklich, worüber wir bei diesen Themen konkret sprechen und was die erwartbaren Folgen dieser Phänomene sind? Verstehen wir tatsächlich, was die Begriffe zu begreifen vorgeben? Fremdbestimmt hin, selbstbestimmt her. Auch die Autoritäten unter den Experten stochern bei der Beantwortung dieser Fragen im Nebel.
„User“ zählen in Milliarden
Nehmen wir das große Ganze dieser gewaltigen Genese im Zusammenhang mit der Art und Weise unseres Kommunizierens in den Blick. Wer die Entwicklung der Kommunikation und ihrer Technologien speziell in unserem Kulturkreis in den letzten 500 Jahren analysiert, kommt an einigen Grundtatsachen nicht vorbei, die das heutige so und nicht anders Sein erklären. Zwei Komponenten sind wesentlich: die Entwicklung der Technologien und die Entwicklung der Weltbevölkerung.
Zu Zeiten Martin Luthers, des ersten Publizisten von „Massenprodukten“ im Druckbereich in unserer Hemisphäre, lebten rund 500 Millionen Menschen auf der Erde, davon circa 12 Millionen im deutschen Sprachraum. Dieses erste „Massenpublikum“ erreichte Luther dank Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern. Luther musste seine Texte allerdings noch mit der Hand schreiben, ein Verfahren, das erst im 19. Jahrhundert durch die Erfindung der mechanischen Schreibmaschine eine völlig neue Qualität erhielt. Eine weitere grundlegende Innovation folgte nach dem Zweiten Weltkrieg mit Einführung zunächst der elektrischen Schreibmaschine und dann der Kugelkopf-Technik. In den 1980er-Jahren folgten die ersten elektronischen Digitalrechner mit Textspeicherung, dann Personal Computer und mit ihnen verbundene Drucker.
Begleitet wurden die Technologieschübe seit den späten Achtzigerjahren im letzten Jahrhundert von der Kommerzialisierung des World Wide Web (WWW). Heute beherrschen digitale Techniken und das Internet die Publizistik nahezu monopolistisch. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang die parallel verlaufende Entwicklung der Bevölkerung. Lebten zum Beispiel zur Zeit von Johann Wolfgang von Goethes Geburt Mitte des 18. Jahrhunderts weltweit circa 780 Millionen Menschen auf unserem Planeten, so waren es 1950 schon 2,8 Milliarden und in der zweiten Dekade des dritten Jahrtausends nahezu 8 Milliarden. Was für eine Entwicklung. Was für ein Markt. Die „User“ des Internet auf diesem Planeten zählen in Milliarden. Tendenz täglich steigend. Innerhalb der Economy of Scale wird das Geschäft mit der Information dadurch zu einem, wie es scheinen will, unendlichen Wachstumsmarkt mit unstillbarem Appetit der Nachfrager nach Information, die seitens der Anbieter in angemessener Art und Weise bedient wird, verbunden unter anderem mit den bereits geschilderten Sensationsdynamiken und immer neuen Erfindungen wie etwa die Block-Chain-Technologie und ihr Mining mit Bitcoin, etc. Der Kommunikationsmarkt bietet exakt das, was seine Konsumenten nachfragen und ihm abnehmen, beeinflusst nicht zuletzt von Dimensionen der geheimen Verführung, von denen ein Vance Packard in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts noch nicht einmal albträumen konnte. Die totale Verführung schafft einen totalen Markt. „Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf“, hatte ein Sokrates noch für sein eigenes Leben reklamieren können. Heute gilt: Je zahlreicher das Angebot, desto besser für den Konsumenten. Auch im Blick auf den mehr oder weniger gebildeten Kommunikationskonsumenten, genannt „User“.
Was ist Kommunikation?
Der erste Beitrag dieses Buches fragt ganz grundsätzlich nach dem Wesen der Kommunikation: „Was ist Kommunikation?“ nimmt wesentlich Bezug auf Theorien aus psychoanalytischem Blickwinkel und erläutert deren Relevanz in unserem alltäglichen Kommunikationsverhalten. Mehr noch: Es wird deutlich, wie komplex in unserer Psyche die zwischenmenschliche Kommunikation an sich schon angelegt ist und wie oft es schon durch scheinbar kleine Missverständnisse zu großen Komplikationen im täglichen Miteinander von Mensch zu Mensch kommen kann, ja, wie schnell sich aus einem Miteinander ein Gegeneinander entwickelt. Denn generell zeigt sich Kommunikation in jeder sozialen Konstellation immer auch in zweifacher Hinsicht als Funktion der miteinander kommunizierenden menschlichen Selbsts. Beiden geht es um die Befriedigung der Bedürfnisse Sicherheit und Macht. Vergewisserung des eigenen Selbst und Einflussnahme auf das andere Selbst sind insofern nur zwei Seiten derselben Kommunikationsmedaille. Davon wussten auch die alten griechischen Philosophen schon ein Lied zu singen. Die Topik als Mittel der Rhetorik war nichts anderes als ein Kampf um das bessere Argument zum rechten Zeitpunkt. Auch damals blieb das, was als Wahrheit gelten konnte, nicht selten auf der Strecke. Denn jeweils herrschender Zeitgeist und Ideologiegebundenheit trugen und tragen ihr Scherflein zur Relativierung von Wahrheit bei.
Das Ressentiment –
Initial von Verschwörungstheorien
Der „Kunst der charismatischen Kommunikation in einer offenen Gesellschaft“ widmet sich der zweite Essay, wesentlich den sokratischen Dialog mit dem eigenen Selbst thematisierend, dabei stets die Communio im Blick – mit mir selbst und mit anderen. Die Tatsache, dass es in einer offenen Gesellschaft quasi unbegrenzte Möglichkeiten zur Verlebendigung des persönlichen Charisma-Faktors gibt, birgt Chancen und Risiken in gleichen Maßen. Die Chance kann begriffen werden als Einladung an jede Frau und jeden Mann zur Selbstverwirklichung im individuellen Charisma. Das Risiko besteht in der Etablierung einer geschlossenen Gesellschaft durch selbsternannte, herbeigeredete oder angenommene „charismatische“ Heilande, die jedwede Kommunikation durch „alternativlose“, finale Antworten beenden. Dauerhafte Kommunikation: unerwünscht. Die arrogante Unvernunft siegt über den respektvollen Kommunikationsanspruch auf Augenhöhe, der in Rechnung stellt, dass es Wahrheit nur zu zweit geben kann (Hannah Arendt). Das erfüllt auch die diskursive Kommunikationserwartung der Vernünftigen.
Das Ressentiment kann sich äußerstenfalls zum Initial gefährlicher Verschwörungstheorien verhärten, die jede offene Gesellschaft in ihren Fundamenten bedroht. In der Regel basiert diese Destabilisierung der Vernunft allerdings auf einem Versagen der etablierten Institutionen in einer offenen Gesellschaft, wie es sich leider in vielen Teilen der demokratisch verfassten Gesellschaften in unserer Welt andeutet oder schon Realität geworden ist.
Visibilitätsverantwortung
Das psychoanalytische Besteck findet wiederum Anwendung in dem Vortragsmitschnitt „Corporate Visibility“, in dem er zum Beispiel verdeutlicht, dass niemand gefragt wird, ob er geboren werden und damit sichtbar werden möchte. Der Text adressiert auch die visuelle Wirkung von Unternehmen und deren Auftritte. Letztlich aber geht es nicht zuletzt um die Frage: Wer bin ich, der ich so und nicht anders wahrgenommen werden will? „Wahr“ steckt dabei in „Wahr-Nehmung“ genauso wie in „Wahrheit“, verbunden wiederum mit der Frage nach unserer Perzeptionskapazität und einer daraus resultierenden Visibilitätsverantwortung, die immer auch eine Antwort gibt auf die Frage, wie viel Wahrheit in unserem konkreten Auftritt geliefert wird, respektive geliefert werden kann und darf. Und unser Auftritt wiederum ist Teil einer Visibilitätskultur, zu der der Einzelne genauso einen Beitrag leistet wie zum Beispiel ein Wirtschaftsunternehmen. Ich verantworte vor mir selbst und vor anderen, wie ich mich optisch präsentiere – als der, der ich bin, oder als einer, der sich hinter einer Maskerade versteckt.
Visibilitätskultur meint das ganz offensichtlich Wahrzunehmende genauso wie das verschwommen Durchscheinende in einer optischen Präsentation und nicht zuletzt das bewusst oder unbewusst Versteckte. „Kleider machen Leute“ ist sicherlich die trivialste, aber gleichzeitig auch markanteste Maxime unserer Visibilität.
Und der geläufige Watzlawick-Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ gilt in entsprechender Abwandlung auch in der Visibilitätskultur: „Man kann nicht nicht wahrgenommen werden“. Unser visueller Auftritt ist Teil unserer individuellen Kommunikation. Ob uns das gefällt oder nicht.
Die Anfälligkeit zum Selbstbetrug
Explizit von der Wahrheit handelt der dritte Essay. Schon vor mehr als 100 Jahren hatte Friedrich Nietzsche schonungslos analysiert, was wir Wahrheit nennen: „Die Wahrheit sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind ...“. Vergessen dürfen wir in diesem Zusammenhang auch nicht die gesellschaftliche Disposition in der Demokratie zu Mehrheitsentscheidungen einerseits, zur Bereitschaft und Aufgeschlossenheit für Moden und Zeitgeist andererseits. Es gilt halt auch, dass wir uns gerne in Illusionen wiegen oder wiegen lassen, denn die menschliche Anfälligkeit zum Selbstbetrug gehört zur Wahrheitssuche wie das Salz zur Suppe. Der Frage der Kommunikation in der Politik und deren oft behaupteter Alternativlosigkeit, vulgo nichts anderes als der kollektive Selbstbetrug in einem Parteiprogramm oder der individuelle bei einer konkreten Entscheidung zur Lebensgestaltung genauso wie im Business, nimmt sich der nächste Text an und kommt zu dem Ergebnis: Sage mir, wie du kommunizierst, und ich sage dir, wie du regierst.
Authentisch sein
Politische Kommunikation aus dem Blickwinkel des Individuums und dessen Verantwortung in Allzeit-Jetzt und Augenblicks-Ökonomie und einer daraus resultierenden Simultan-Kultur der wahrnehmenden Gleichzeitigkeit und Parallelität von Ereignissen, verbunden mit einer Jederzeit-Verfügbarkeit von Informationen ist Thema des folgenden Aufsatzes. Die erkenntnisleitende Frage des Aufsatzes lautet: „Wie gelingt es, unter dem Joch der Medien und des Augenblicks authentisch zu sein, ein wahrhaft menschliches Leben zu leben, eine ‚natürliche’ Kommunikation von Mensch zu Mensch zu pflegen, eine Kultur der Verantwortung unter ethischen Maximen zu entwickeln und urteilssicher im Sinne eines großen Ganzen Entscheidungen zu treffen?“ Vielleicht die essenzielle Frage par excellence in der zwischenmenschlichen Kommunikation, ja, im Miteinander generell in unserer so und nichts anders gewordenen Wirklichkeit unserer Zeit.
Medienkompetenz
„Der Geist des Internet“ greift die Frage in anderem Kontext auf und knüpft an Friedrich A. Kittlers Analyse der Entwicklung der Aufschreibsysteme und deren Transformation ins digitale Zeitalter an. Mit dieser Transformation verbunden ist die jederzeitige Abrufbarkeit von Wissen durch einschlägige Suchdienste im Internet. Die daraus resultierende „Endlosschleife des absoluten Wissens“ (F. A. Kittler) birgt Gefahren auch im Blick auf die Entwicklung unseres Denkvermögens. Wurde im Recherchieren und in der damit verbundenen Lektüre von ganzen Bibliotheken im vordigitalen Zeitalter nämlich das systematische Denken durch die disziplinierte und disziplinierende Methodologie des Forschens geschult, braucht es heute keiner tiefschürfenden Systematik des Bibliographierens und der Recherche mehr. Das digitale Allzeit-Jetzt findet sein Komplement im jederzeit verfügbaren, scheinbaren All-Wissen, gelenkt und geleitet freilich von Algorithmen, die den User manipulieren und seinen Intellekt in Oberflächlichkeiten eindimensionieren. Die digitale Wissensgesellschaft verblödet ihre Mitglieder und reduziert deren Kommunikationsfähigkeit in systematischer Art und Weise zu systemstützender Funktionalität, Suchtgefahr inklusive, wie das Buch in verschiedenen Texten deutlich macht. Der Wissenskonsument wird zum gefügigen „User“ digitaler Errungenschaften. Denken unerwünscht und überflüssig. Dieser Verblödung Einhalt gebieten kann nur ein Mehr an Bildung und – damit einhergehend – die Fähigkeit, mit Medien kritisch umgehen zu lernen. „Medienkompetenz“ steht denn auch immer wieder auf der Agenda meiner Vorträge und Publikationen, unter anderem bei einer Veranstaltung vom Bund Deutscher Kunsterzieher. Der Vortragstext gibt noch einmal einen generellen Überblick über die Genese der Kommunikation, ihrer technologischen Entwicklung und der daraus resultierenden Konsequenzen. Last not least wird die Frage der Medienkompetenz in der Pädagogik unserer heutigen Zeit thematisiert.
Blogs aus CFO-World
Die folgenden Beiträge aus „CFO-World“, einem mittlerweile eingestellten Online-Dienst, greifen als Blog-Texte im journalistischen Duktus zeitbezogene Themen kommentierend auf und stellen sie in den großen Rahmen unserer zivilisierten Welt, in der wir leben.
Unter dem Titel „Gefühle sind Fakten“ etwa wird die Befindlichkeit der Schotten beim Brexit-Referendum thematisiert und kommt zu dem Ergebnis, dass Good Communication immer auch einhergeht mit einem identitäts- und heimatstiftenden Impetus. Folgerichtig beschäftigt sich ein nächster Blog mit „Investments in Good Communications“ und der „Demokratisierung“ von Kommunikation. Ein wesentliches Element des Textes ist die kritische Auseinandersetzung mit der Segmentierung der Öffentlichkeit in „Teilöffentlichkeiten“. Eine Teilöffentlichkeit zum Beispiel ist die Bundeswehr und die Art und Weise wie zeitweise deren Nachwuchs angeworben wurde – zum Beispiel über Stellenanzeigen für eine Art von Abenteuerurlaub in „Bravo“.
Der „Empörung der Profis“ widmet sich ein Kommentar zur Manipulation von Befragungen unter rein unterhaltungsrelevanten Gesichtspunkten.
Der Beitrag „Konsens oder Kompromiss“ greift diese Manipulationsproblematik unter dem grundsätzlichen Gesichtspunkt einer Kommunikationsverantwortung in einer offenen Gesellschaft auf.
Der Blog „Der Fakt des Augenblicks“ fordert eine Selbstverpflichtung zu transparenter Unternehmenskommunikation unter verantwortungsethischen Gesichtspunkten, befördert durch die Kommunikationskompetenz des Einzelnen, der sich seiner Verantwortung im kommunikativen Spektrum von Allzeit-Jetzt und sozialen Medien jederzeit bewusst ist.
Mit der Kommunikation als Führungsaufgabe setzt sich der Beitrag „Anonyme Antworten gibt es nicht“ auseinander, festgemacht an der Aufforderung, nur wahrhaftige Botschaften mit essenziellem Inhalt auf effizientem Weg zum angemessenen Zeitpunkt an relevante Empfänger zu senden. Ein relevanter Empfänger zum Beispiel ist der Mitarbeiter in einem jeden Unternehmen – als Kommunikations-Kunde des Unternehmensmanagements. Diesen „Kunden“ angemessen in der Kommunikation zu berücksichtigen, ist ein Ausdruck von Respekt und Wertschätzung gegenüber wichtigen Botschaftern des Unternehmens.
Der letzte Blog der Reihe befasst sich mit dem Thema „Verwahrloste Kommunikation“ und thematisiert die Forderung nach Transparenz als kategorischem Gebot.
Kommunikation in der Immobilienbranche
Zu meinen Kompetenzen gehört seit mehr als vier Jahrzehnten das Thema Kommunikation im Bau- und Immobiliensektor. Der erste Beitrag in diesem Kapitel zeichnet denn auch die Entwicklung der systematischen Pressearbeit in der Immobilienbranche nach und kommt zu dem Ergebnis, dass in einer offenen Gesellschaft nur ein Unternehmen Seriosität für sich beanspruchen darf, das die Kommunikation zum Prinzip der Unternehmensraison erhoben hat.
Dieser generellen Einführung in das Thema folgen journalistisch aufbereitete Kolumnen aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, beginnend mit einem Text zu „Immobilien und Ethik“, der die Bedeutung von Transparenz als Gebot auch immobilen Handelns in einer offenen Gesellschaft betont.
„Öffentlichkeitsarbeit“, der nächste Text, erläutert die Wirkmechanismen von „Public Relations“ und ihrer Wechselwirkung mit der Arbeit der Medien und deren Repräsentanten, den Journalisten. In den Blick genommen werden müssen dabei freilich auch die diversen Zielgruppen, vulgo das Publikum. Dass Public Relations im Sinne des großen Ganzen einer Gesellschaft einem unternehmerischen Zweck dienen, speziell bei hochgradig komplexen Produkten wie der Immobilienbranche, erläutert die folgende Kolumne, gefolgt wiederum von grundsätzlichen Ausführungen zu einem speziellen Segment der Public Relations, den Investor Relations, die häufig vernachlässigt werden.
„Die vergessene Kommunikation“ hat den Arbeitnehmer im Fokus, der oft aus der Zeitung von relevanten Entwicklungen in „seinem“ Unternehmen erfahren muss. Des Corporate Governement Codex nimmt sich die nächste Kolumne an mit besonderem Bezug auf die Verantwortung der Politiker und fragt folglich auch nach einem „Political Governance Codex“, eine Frage, die speziell in einer demokratisch verfassten Gesellschaft jederzeit Allgemeingültigkeit beanspruchen muss und innerhalb der politischen Klasse eigentlich eine selbstverpflichtende Antwort zur Konsequenz haben müsste.
Um öffentliches Vertrauen geht es im nächsten Beitrag, gebunden an die Bedingung, dass Führungskräfte auch bereit sind, die Verantwortung für ihre Handlungen speziell auch in der Immobilienbranche zu übernehmen.
„Gefährliche Geheimniskrämerei“ betreibt, wer sich auf Schönwetter-Öffentlichkeitsarbeit beschränkt.
Eine „Allwetter-Kommunikation“, die auch unliebsame Dinge offenlegt, ist das Gebot jeder seriösen Kommunikationsstrategie in einem Unternehmen. Speziell in einer Krise ist eine Salamitaktik der Information oder eine Verschleierung von Fakten eher kontraproduktiv.
Zu eben diesem Ergebnis kommt auch die Kolumne „Strategische Öffentlichkeitsarbeit“, die sich wesentlich mit börsennotierten Immobilienaktien nach amerikanischem Vorbild befasst.
„Im Kampf um Kapital und Märkte“, so die folgende Kolumne, wird Kommunikation zum wesentlichen Erfolgskriterium des Managements, nicht zuletzt bei der Suche nach Investoren auf den Kapitalmärkten dieser Welt.
Last not least geht es um „Wege aus der Krise“ und damit verbunden der Forderung nach unabdingbarer Ehrlichkeit als Voraussetzung für jede Kommunikation – auch mit sich selbst.
Der Corporate Communication Codex
Um eine Leitlinie der Kommunikation in Unternehmen geht es beim von mir für die Initiative Corporate Communicative Responsibility (ICCR) entwickelten Corporate Communication Codex (CCC). „Kommunikation 4.0“ adressiert die Führungsverantwortlichen in den Unternehmen genauso wie den Mitarbeiter, auf den als Kommunikationssouverän und Repräsentanten „seines“ Unternehmens im Zeitalter der digitalen, internetbasierten Medien weit mehr Verantwortung zukommt als im herkömmlichen Sinn üblich.
Im Vordergrund des CCC steht der an Good Governance-Kriterien orientierte Praxisbezug. Insofern versteht sich der CCC auch als Ergänzung des Corporate Governance Codex unter kommunikativen Gesichtspunkten. Denn Governance und Führung sind ohne Kommunikation undenkbar. Mehr noch: Kommunikation geht Governance und Führung logisch und faktisch voraus und begleitet diese de facto in allen damit in Zusammenhang stehenden Prozessen. Good Governance ist immer auch Good Communication und vice versa.
Nicht zuletzt in Anbetracht der Sprachverwirrung der Politik in unserer Zeit wäre auch ein Political Communication Codex wünschenswert, für den der CCC schon eindeutig Maßstäbe setzt und als Vorbild herangezogen werden könnte. Denn vieles, was schiefläuft in Politik und Gesellschaft, speziell in Demokratien, ist auf einen Mangel an Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationsverantwortung der politisch Handelnden zurückzuführen.
Defizite der Kommunikation in den politischen Institutionen unserer offenen Gesellschaft ebnen Verschwörungstheoretikern jedweder Couleurs den Weg. Kommunikativ hilft dagegen nur der institutionalisierte Diskurs in Permanenz – trotz aller damit verbundenen Mühsal der Überzeugungsarbeit.
Der Konsens ist die Ausnahme,
der Konflikt die Regel
Ohne diese Überzeugungsarbeit und ohne eine mit der Überzeugungsarbeit einhergehende Einsicht in die großen Zusammenhänge unseres Lebens in dieser so und nicht anders gewordenen Wirklichkeit unserer Hemisphäre im dritten Jahrtausend christlicher Zeitrechnung werden wir zum Spielball kommunikativer Großmächte. Im digitalen Kommunikationszeitalter, vorübergehend attribuiert als 4.0, damit bezeichnenderweise auf die vierte industrielle Revolution Bezug nehmend, verdichtet sich das individuelle Verantwortungsprinzip in einer quasi grenzenlosen Kommunikationsverantwortung. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist die Einsicht in den Sachverhalt an sich und eine daraus notwendig resultierende Kommunikationsethik, die dem Einzelnen als schicksalsergebenem Kommunikationssouverän seine ihm spezifisch eigene Verantwortung bewusst macht. Auch in der Kommunikationswirklichkeit 4.0 kennzeichnet nämlich persönliche Verantwortung das Wesen jedweder Kommunikation. Wer kommuniziert, antwortet und verantwortet in gleichen Maßen. Und gebietet der grenzenlosen Kommunikationsverantwortung gleichzeitig Einhalt. Denn eine jede Antwort definiert Grenzen in den klar umrissenen Maßen des jeweiligen Fragens, verengt die Hyperkomplexität der Wirklichkeit auf ein überschaubares Segment individueller menschlicher Kompetenz im Verifizieren und Falsifizieren hinterfragter Phänomene. Eine Antwort gilt nämlich so lange als richtig und wahr, solange sie nicht widerlegt ist. Karl Poppers wissenschaftliche Erkenntnis-Methodologie hält damit sinnvoll Einzug in die menschliche Kommunikation des Fragens und Antwortens.
Wir antworten besten Wissens und Gewissens, im Gewissen unseren Verständnis- und Verstehens-Horizont bis an dessen Grenzen ausreizend, eine Antwort nicht selten aber auch verweigernd, wenn wir uns unserer Inkompetenz im konkreten Einzelfall bewusst sind. Auch die Verweigerung einer Antwort gehört ins Spektrum unserer Kommunikationsverantwortung. Besser gar nicht antworten, als falsch antworten.
Dieses individuelle Verantwortungsprinzip gilt im persönlichen Bereich genauso wie in Wirtschaftsunternehmen oder in gesellschaftlichen und politischen Institutionen. Mit diesem Verantwortungsprinzip verbunden ist allerdings auch die Erkenntnis, dass es einfache Antworten in unserer Welt nicht mehr geben kann. Kommunikation ist insofern Mittel zum Zweck, damit den Apologeten der Unterhaltungsindustrie in die Suppe spuckend, die Kommunikation zum Selbstzweck stilisieren und von allen relevanten Realitäten deswegen entkoppeln, weil auch die Desinformation als Information daherkommt, mit der sich Geld verdienen lässt. Je mehr, desto besser. Das gilt für das Geldverdienen genauso wie für die verkaufte Ware, jenes virtuelle Produkt aus faktischer Information und gezielt herbeigeführter Desinformation.
Sich diese Zusammenhänge immer wieder vor Augen zu führen, ist insofern von besonderer Relevanz, weil dadurch der Rahmen auch und gerade der persönlichen Verantwortung immer wieder aufs Neue abgesteckt wird und die Grenzen sinnhafter Kommunikation definiert werden. Speziell in einer fortgeschrittenen, den Einzelnen bis an die Grenzen der Belastbarkeit und darüber hinaus strapazierenden Kommunikationsgesellschaft tut die Erinnerung not, dass der Konsens im Kommunikationsprozess keine Selbstverständlichkeit ist, sondern speziell in einer Demokratie errungen werden will und in der alltäglichen Praxis der politischen Entscheidungsfindung eher als Kompromiss daherkommt.
Auf der Suche nach Selbstvergewisserung in persönlichen Antworten auf alle Fragen des Lebens und im Ringen um die Durchsetzung eigener Meinung gegenüber anderen, oft zu Recht als „Streit-Kultur“ apostrophiert, ist und bleibt der Konsens eben die Ausnahme, der Konflikt die Regel. Im Diskurs um Antworten und Werte in einer pluralistischen Gesellschaft ist damit nichts anderes beschrieben als die Normalität von steten Irrungen und Wirrungen im kommunikativen Mit- und Gegeneinander der Menschen in unserer Zeit und in unserer Welt.
Die Kunst, relevante Fragen zu stellen
Über diese praktischen Kommunikations-„Formalitäten“ hinaus geht es in einer zukunftsorientierten, problembewussten Kommunikationskultur heute wesentlich und mehr denn je um die Kunst, relevante Fragen zu stellen, um essentielle Inhalte also. Die relevanteste Frage von allen?
Ist unsere Kultur des Lebens und Hausens auf diesem Planeten in einen Einklang mit der Natur zu bringen? Ist die anthropogene Notwendigkeit des Behaust-Seins nicht per se immer gegen die Natur gerichtet? Müssen wir unsere Kultur nicht selbst auf den Prüfstand stellen, einen Blick von außerhalb auf das große Ganze unseres Lebens und Hausens in einer zivilisierten Wirklichkeit wagen? Ist die Konzentration auf die Klimakrise als der vermeintlichen Zukunftsherausforderung schlechthin nicht eine gefährliche Verengung des Blickwinkels? Müssen wir nicht statt dessen die Natur als Ganzes und deren elementare Gefährdung durch den Menschen in den Blick nehmen?
Diese Fragen im kommunikativen Diskurs aufzugreifen, ist das Gebot nachhaltiger Verantwortung für das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten – dem derzeit noch vorherrschenden Unterhaltungsklamauk in der Kommunikation eine definitive Absage erteilend. Kommunikation wird durch diese Fragen wieder rückgekoppelt an die Realität unseres menschlichen Seins und damit zurückgeführt auf ihren eigentlichen Zweck, Mittel zu sein.