Читать книгу Perry Rhodan 1114: Der Fluch der Kosmokratin - Kurt Mahr - Страница 4

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1.

Nacht war, wenn sie die Lichter herunterdrehten.

Der Teufel mochte wissen, nach welchem Rhythmus sie das taten, an Bord dieses hyperkandidelten Ballons, aber jedenfalls nicht nach dem, an den sein Körper gewöhnt war. Er hatte Schwierigkeiten mit dem Schlafen, und diese Nacht war keine Ausnahme.

Es sei denn, in einer Hinsicht.

Rag Cornus fuhr steil von seiner Liege in die Höhe, als die Frau vor ihm auftauchte. Es war ihm nicht klar, ob er wachte oder träumte. Es spielte keine Rolle. Von Wichtigkeit war allein die Frau. Er hatte noch nie zuvor eine gesehen wie sie. Dabei war ohne Bedeutung, dass er zu den rund 250 Bestaubten gehörte, die vor etlichen Wochen aus der BASIS geflüchtet waren, um sich kopfüber in die geheimnisvolle Wolke Srakenduurn zu stürzen, und dass in ihrem Haufen keine halbwegs ansehnliche Frau war, außer vielleicht Lissa; aber selbst die war zu fett und ...

Nein, mit all dem hatte es nichts zu tun. Die Frau, die vor ihm stand, war ein Wesen, wie ein Mann es sich nur in seinen kühnsten Träumen zu erdichten vermochte. Natürlich träumte er. Ein solches Geschöpf gab es in Wirklichkeit nicht. Sie war von mittlerer Größe, dunkelhaarig, mit großen Augen ...

Voluptuös.

Das war das Wort, das ihm neulich bei der Suche nach einem technischen Spezialausdruck auf die Sichtscheibe gekommen war. Er hatte die Erklärung gelesen und sich vorzustellen versucht, wie ein voluptuöses Weib wohl aussehen möge.

Jetzt wusste er es!

Sie trug ein schimmerndes, enganliegendes Gewand aus einem Stoff, der ihm nie zuvor vor Augen gekommen war. Sie bewegte sich nicht; aber mit der Phantasie dessen, der seit einigen Wochen ein zölibates Leben führte, konnte Rag Cornus sich vorstellen, wie das glitzernde Material lebendig geworden wäre, wenn sie auch nur einen Muskel gespannt, den Arm erhoben oder ein Bein nach vorn gesetzt hätte.

Er seufzte – was sonst hätte er tun sollen?

»Keine Angst, Rag Cornus«, sagte die Fremde. »Ich tu dir nichts.«

Er hatte plötzlich nur noch Augen für ihren Mund – die faszinierenden Lippen, die sich auf seltsame Weise bewegten, als sprächen sie die Worte in einer ganz anderen Sprache.

»Oh, das ... das wäre meine geringste Sorge«, hörte er sich antworten.

Aber der Frau bedeuteten seine Worte nichts.

»Ich bin Belice«, sagte sie. »Ich bin hier, um dir einen Vorschlag zu machen.«

Er schöpfte Hoffnung. Mach sie auf dich aufmerksam, hatten sie ihm gesagt. Verwickle sie in ein Gespräch. Das ist die beste Methode, an eine Frau heranzukommen.

»Lass hören«, sagte er. Als sie die Gabe der Redegewandtheit verteilten, war sein Name als letzter aufgerufen worden.

»Du arbeitest an der Konstruktion des Viren-Imperiums«, sagte Belice.

»Eines armseligen Bruchstücks«, widersprach Rag, der allmählich Mut bekam.

Aber wiederum reagierte sie, als habe sie ihn überhaupt nicht gehört.

»Ich sage dir: Lass das Viren-Imperium sein. Ihr alle, die ihr an ihm arbeitet: Zieht euch zurück. Ich bin hier, um euer Werk zu übernehmen.«

Es fiel Rag Cornus nicht leicht, von den Gedanken, die er bisher gehegt hatte, auf solche umzuschalten, die sich mit seiner Arbeit befassten. Aber schließlich brachte er hervor: »Wir sind noch nicht fertig. Es sind immer noch eine Menge Handgriffe zu tun.«

Sie sah ihn an. Nein – das war nicht der richtige Ausdruck. Ihr Blick brannte sich in ihn, durch seinen Leib. In ihren Augen loderten finstere Flammen, eine schwarze Höllenglut. Er hatte niemals einen Blick wie diesen gesehen, und von einer Sekunde zur anderen vergingen ihm alle Ideen, die sich auf voluptuöse Frauen und sonstige inzölibate Dinge bezogen.

»Lass es sein«, wiederholte sie mit tiefer, kehliger Stimme. »Ich befehle es dir. Bring dich in Sicherheit, sonst ist dein Leben verwirkt.«

Rag Cornus' Muskeln versagten ihm den Dienst. Er glitt schlaff auf die Liege zurück. Aber noch glomm in seinem Bewusstsein der Funke der Auflehnung. Noch brannte in ihm unterbewusst die Überzeugung, dass es in diesem Universum keine einzige Frau gebe, von der ein Mann einen Befehl entgegennehmen müsse.

»Wir werden sehen«, sagte er matt.

Aber als er die Augen hob, war die Frau verschwunden. Er war nicht sicher, ob sie seine Antwort noch gehört hatte.

*

Eines war erstaunlich an diesen Montageballons: die Leichtigkeit, mit der ihre Inneneinrichtung auf die Bedürfnisse verschiedener Spezies getrimmt werden konnte. Wenn man Quiupu zuhörte, dann kamen die Ballons direkt von den Kosmokraten, und von denen hatte keiner damit rechnen können, dass im Innern von Srakenduurn 250 Terraner vorgefunden würden, die der Virenforscher entstauben und als Helfer verwenden konnte.

Aber der Tisch, an dem Rag Cornus mit seinen Freunden saß, hatte die richtige Höhe. Die Stühle waren bequem. Der Teller besaß die gewohnte Größe, das Essbesteck passte in eine menschliche Hand, und der Inhalt des Tellers sah nicht nur so aus, er schmeckte sogar nach Rührei mit Speck.

»Sie machen es alles mit Formenergie«, hatte Sapr Vistoy vor ein paar Tagen gesagt.

Sapr musste man zu nehmen wissen. Er war ein Klotz von einem Mann – an die zwei Meter groß, breitschultrig und mit Händen wie Schaufeln. Er hatte kurzes, schmutzigblondes Haar und ein Gesicht, das nicht viel Intelligenz verriet. Rag Cornus wusste seit einiger Zeit, dass man daraus keine voreiligen Schlüsse ziehen durfte. Sapr neigte zu simplistischem Denken, aber er war nicht dumm.

Das dritte Mitglied der kleinen Tafelrunde war Lissa Montelf. Kleiner noch als Rag, der nur 1,70 m maß, wie sehr er sich auch recken mochte. Achtzig Jahre alt – nicht mehr das, was man ein Küken nannte. Ein bisschen plump, ein wenig zu viele Falten unter den Augen. Noch an Bord der BASIS war Rag Cornus überzeugt gewesen, Lissa sei eine der schlampigsten und unattraktivsten Gestalten, die ihm je über den Weg gelaufen waren. Aber in letzter Zeit ertappte er sich immer öfter dabei, dass er seine Einstellung zu revidieren und Lissa anziehend zu finden begann.

Muss an der Einsamkeit liegen, dachte er mürrisch und stocherte lustlos in seinem synthetischen Ei-mit-Speck herum.

»Du bist heute morgen der faszinierendste aller Gesellschafter«, bemerkte Lissa, nachdem sie ihm eine Zeitlang zugesehen hatte.

Ihre Stimme war ein wenig schrill und viel zu laut. Rag sah sie an, und während er überlegte, ob er ihr von seinem nächtlichen Traum erzählen solle, sagte er: »Ich habe schlecht geschlafen, das ist alles.«

»Stimmt«, brummte Sapr mit vollem Mund. »Schlechter Schlaf schlägt sich auf den Magen. Ich kenne das.«

»Du kennst das?«, fragte Lissa erstaunt. »Sag nur, du leidest an Schlaflosigkeit!«

»Jetzt nicht mehr«, antwortete Sapr selbstgefällig. »Früher. Als Kind. Jedes Mal vor einer Prüfung, einem Test. Und zum Frühstück brachte ich keinen Bissen hinunter.«

Rag schob seinen Teller zurück und stand auf. Die seichte Unterhaltung ging ihm auf die Nerven. Er musste das, was ihm in der vergangenen Nacht widerfahren war, an den Mann bringen. Aber nicht hier, nicht in dieser Runde.

Lissa rief ihm etwas nach, als er ging. Er verstand es nicht und machte sich nicht die Mühe zu antworten. Er brachte heute keine Pluspunkte bei Lissa zusammen. Aber das störte ihn nicht. Er dachte an die Frau, die ihm im Traum begegnet war.

Belice ...

*

Quiupu galt nach xenobiologischer Klassifizierung als humanoid. Aber damals, als Rag Cornus ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war er ihm alles andere als menschenähnlich erschienen. Das musste mit der Lage zusammenhängen, in der er sich zusammen mit 250 anderen befunden hatte: von goldenem Staub bedeckt und einer Idee besessen, die sich allmählich als tödlich zu erweisen begann.

Der Virenforscher war von annähernd derselben Größe wie Rag: 1,70 Meter. Er besaß einen überlang ausgebildeten Oberkörper und bewegte sich auf einem Paar kurzer, stämmiger Stempelbeine. Unverhältnismäßig kurz für menschliche Begriffe waren ebenso seine Arme. Der Kopf saß auf einem kurzen, dicken Hals und wirkte abgeplattet, als sei er unter einer schweren Last zerquetscht worden. »Der Mann mit dem Pfannkuchengesicht«, hatte Sapr Vistoy gesagt und damit in seiner kurz angebundenen Art den Nagel auf den Kopf getroffen. Das schwarze Haar wirkte unordentlich, von zahlreichen Wirbeln in vielerlei Richtungen gedreht. Quiupus Nase war klein und spitz. Zu klein für terranischen Geschmack war ebenfalls sein Mund, der, wenn die Lippen sich teilten, zwei Reihen von Zähnen zum Vorschein brachte, die wie Streichholzköpfe aussahen.

Nicht dass Streichhölzer im Jahr 426 NGZ noch aktuell gewesen wären. Aber das Bild und der Vergleich hatten sich gehalten.

Quiupu nahm Rag Cornus' Bericht durchaus ernst.

»Es gibt eine Menge von Dingen, die berücksichtigt werden müssen«, sagte der Virenforscher. »Zum Beispiel der Umstand, dass du seit geraumer Zeit keine Gleichartigen mehr um dich hast. Ich meine – abgesehen von der kleinen Gruppe, mit der du nach Srakenduurn kamst.«

»Du meinst, ich wäre einem Wunschtraum aufgesessen?«, fragte Rag.

»Ist das nicht eine Möglichkeit?«, erwiderte Quiupu.

»Sicher. Aber was sollte in diesem Zusammenhang die Warnung? Dass wir uns alle zurückziehen sollen? Dass sie das Viren-Imperium übernehmen wird?«

Quiupu strich sich über das unordentliche Haar.

»Das ist das, worüber ich mir Sorgen mache«, bekannte er. »Du sagst, ihr Blick war finster?«

»Finster ist nicht der richtige Ausdruck. Ich hatte das Gefühl, mir schlügen Flammen entgegen. Dunkle Flammen – wenn du verstehst, was ich damit ausdrücken will.«

Quiupu machte eine vage Geste.

»Besser, als du denkst«, sagte er. Er schwieg eine Zeitlang und starrte vor sich hin. Als er wieder zu sprechen begann, klang seine Stimme ruhiger und weniger schrill, als man von ihm gewöhnt war. »Bist du Gesil jemals begegnet?«

Rag sah überrascht auf.

»Perry Rhodans Begleiterin? Nein. Ich habe ihr Bild in den Nachrichten gesehen ...«

»Hatte sie irgendwelche Ähnlichkeit mit der Frau, die dir in der vergangenen Nacht erschien?«

Rag dachte nach. Schließlich schüttelte er den Kopf.

»Nein, das könnte ich nicht sagen. Ich meine, Gesil und ... Belice sind beide Frauen, die einem Mann ohne Schwierigkeit den Kopf verdrehen können. Aber Ähnlichkeit ... nein, ich glaube nicht.«

Er sah Quiupu an, als wolle er ihn um Verzeihung bitten. Aber der Virenforscher machte eine abwehrende Geste.

»Es war nur eine Idee«, sagte er. »Weit hergeholt und ohne jede Grundlage. Wir werden aufpassen müssen.«

»Du hast nicht vor, ihre Warnung zu befolgen?«, fragte Rag.

Quiupu schüttelte den Kopf.

»Undenkbar.« Er wies auf den großen Bildschirm, der die Bestandteile des Viren-Imperiums zeigte. Sie standen unmittelbar vor dem endgültigen Zusammenschluss – ein riesiges Gebilde von der Größe eines Sonnensystems. »Hunderte von Forschern wie ich haben sehr lange an diesem Projekt gearbeitet. In wenigen Tagen ist es vollendet. Wie könnten wir es jetzt im Stich lassen?«

»Ist es wahr, dass du mit deinem Teil des Vorhabens auf der Erde angefangen hast?«, erkundigte sich Rag Cornus.

Ein mattes Lächeln spielte über die exotischen Gesichtszüge des Virenforschers.

»Ja, es ist wahr«, antwortete er. »Zumindest im Grundsätzlichen. In einem Erholungsgebiet namens Shonaar, unweit Terrania, machte ich meine ersten Versuche. Sie waren nicht sonderlich erfolgreich. Manche bezeichneten die Ergebnisse sogar als katastrophal. Damals tauchte Srimavo auf ...«

Er ließ den Satz unvollendet und hing seinen Erinnerungen nach.

»Srimavo?«, echote Rag.

»Ein Mädchen. Zwölf oder dreizehn Jahre alt, voll magischer Kräfte. Sie hatte dunkles Haar, und in ihren Augen brannten schwarze Flammen.«

»Wie die Frau in der vergangenen Nacht! Ist sie ... ich meine, kann es sein, dass Srimavo hier erscheint ...«

»Es ist seltsam, wie das schwarze Feuer uns verfolgt, nicht wahr?«, sagte Quiupu. »Nach allem, was wir wissen, kann es nicht Srimavo sein, die dich in der vergangenen Nacht aufgesucht hat. Meine Experimente in Shonaar liegen kaum zwei Jahre zurück, und das Mädchen war damals, wie gesagt, nicht mehr als dreizehn. Sie tauchte auf Lokvorth auf, wo ich meine Versuche fortsetzte und schließlich ein Virenfragment schuf, das von den Kosmokraten als verwendbar anerkannt wurde. Srimavo bedeutete Gefahr. Sie betrachtete mein Erzeugnis als ihr Eigentum. Ich fürchtete, es zu verlieren, und war erleichtert, als die Beauftragten der Kosmokraten auftauchten, um es abzutransportieren.« Zum zweiten Mal machte er eine Geste in Richtung des Bildschirms. »Jetzt ist es eines unter vielen, und in ein paar Tagen wird es fester Bestandteil des Informationsmechanismus sein, mit dessen Hilfe die Kosmokraten Antworten auf die Fragen zu finden hoffen, die das Universum bewegen.«

Rag Cornus fühlte sich eigentümlich berührt. Er hatte das Empfinden, ein Geheimnis enthülle sich vor ihm. Es bestand eine Verbindung zwischen Quiupus Erlebnissen und der Begegnung, die er in der vergangenen Nacht gehabt hatte. Aber der Zusammenhang war unklar. Er hatte eine Ahnung, als drohe ihm und allen, die sich in seiner Nähe befanden, tödliche Gefahr. Aber es gab nichts, was er zu seinem Schutz hätte unternehmen können. Wie wehrte man sich gegen eine Frau, die einem im Traum erschien?

»Wir werden aufpassen müssen«, hatte Quiupu gesagt.

Es klang wie ein Eingeständnis der Hilflosigkeit.

*

»Montageballons« hatten die Terraner die riesigen Gebilde genannt, die sich im Innern der Staubwolke Srakenduurn bewegten und von den Virenforschern dazu benützt wurden, die Bestandteile des Viren-Imperiums zusammenzuführen. Sie waren kugelförmig, von unterschiedlicher Größe, oft jedoch mehrere Kilometer im Durchmesser und besaßen eine teilweise transparente Außenhaut, die sie wie schillernde Gebilde aus weicher Plastiksubstanz wirken ließ.

Etliche Ballons waren bereits vorhanden gewesen, als die »Staubmenschen« an Bord der Beiboote, die sie von der BASIS entwendet hatten, in die Wolke Srakenduurn eindrangen – verwirrt von der Besessenheit, mit der der goldene Staub sie beseelte, und konfrontiert mit einer Umgebung, in der ein Überleben auf Dauer nicht möglich war. Srakenduurn hatte nach ihnen gegriffen. Der Staub hatte mühelos Schirmfelder und Hülle der BASIS durchdrungen und sich auf ihren Körpern abgesetzt – den Körpern der 250 Unglücklichen, die alsbald den hypnotischen Einfluss zu spüren begannen, der von der seltsamen Substanz ausging und ihnen einredete, dass das wahre Glück des menschlichen Daseins nur immer im Innern von Srakenduurn zu finden sei.

Sie hatten die Stammmannschaft der BASIS überrumpelt und das mächtige Schiff in ihren Besitz gebracht. Waylon Javier und seine rund zwölftausend Männer und Frauen waren geflohen. Aber die Hamiller-Tube, das zentrale Kontroll- und Steuergerät der BASIS, war nicht willens gewesen, das Schiff nach Srakenduurn zu fliegen. Da die Tube weder umgestimmt noch mit Gewalt dazu veranlasst werden konnte, im Sinne der Bestaubten zu handeln, hatten sie sich – damals noch unter der Führung von Henry Horth – der wenigen Beiboote bemächtigt, die nach Javiers Flucht übriggeblieben waren und sich auf eigene Faust auf den Weg gemacht.

Ihr Leben wäre verwirkt gewesen, hätten sie nicht die Ballons mit den Virenforschern gefunden. Quiupu, den jeder unter ihnen zumindest dem Namen nach kannte, hatte sich ihrer angenommen, sie von dem goldenen Staub befreit und ihnen klargemacht, in welcher Gefahr sie sich befunden hatten. Während des Eindringens in die Staubwolke waren die Triebwerke der Beiboote beschädigt worden, so dass sie nur noch eine begrenzte Reichweite hatten.

Srakenduurn – »Sammelplatz« lautete die tentative Übersetzung des Begriffs aus der Sprache der Mächtigen – schwebte nahe dem Zentrum der Galaxis Norgan-Tur und war von den Beauftragten der Kosmokraten dort materialisiert worden, um später als Fokus für die Wiedererstehung des Viren-Imperiums zu dienen. Niemand wusste – auch nicht Quiupu –, wie lange die bunt schillernde Staubwolke bereits existierte. Es mussten Jahrtausende sein, nach den Legenden zu urteilen, die unter den sternfahrenden Zivilisationen der Umgebung entstanden waren. Srakenduurn bestand aus dünn verteilter Pseudomaterie, die mit psionischer Energie »beschichtet« war. So drückte es Quiupu aus, der sich im Übrigen darüber ausließ, dass die Pseudomaterie gebraucht werde, um die Bestandteile des Viren-Imperiums aneinanderzubinden. Seine Erklärung war reichlich kompliziert und nahezu unverständlich gewesen. Sapr Vistoy hatte in seiner knappen und prägnanten Art zum Ausdruck gebracht, was er von Quiupus umständlichem Diskurs verstanden zu haben glaubte: »Sie brauchen den Staub als Kitt für ihre Fragmente.«

Die Virenforscher – es gab ihrer Hunderte, und sie waren in den verschiedensten Abschnitten des Universums tätig gewesen – erklärten sich außerstande, die vom Staub befreiten Terraner zurück in ihre Heimat oder wenigstens nach Khrat zu bringen, wo sie durch Lethos-Terakdschans Vermittlung womöglich Kontakt mit Terra hätten aufnehmen können. Sie waren ganz und gar auf die Integration des Viren-Imperiums konzentriert, und ihre Fahrzeuge, die Montageballons, von denen jeder in seinem Zentrum einen Drugun-Umsetzer zur Beförderung der Fragmente besaß, durften für keinen anderen Zweck abgezweigt werden. Aber sie waren bereit, die ehemaligen Staubmenschen als Hilfskräfte zu beschäftigen. Die Zusammenführung des Viren-Imperiums war ein technisches Unterfangen höchsten Kalibers. Die Terraner, als ehemalige Besatzungsmitglieder der BASIS ohnehin mit technischem Wissen versehen, erwiesen sich als bereitwillige und aufnahmefähige Schüler, die rasch lernten, was sie zur Ausübung ihrer neuen Funktion wissen mussten.

In den mehr als acht Monaten, seit sie vom goldenen Staub der Wolke befreit worden waren, hatten sich die Terraner als brauchbare Helfer erwiesen. Sie waren auf mehr als zwei Dutzend Montageballons verteilt: fünfzehn hier, acht dort. Henry Horth hatte den Anspruch, der Führer der Gruppe zu sein, längst aufgegeben. In jedem Ballon hielten sich mehrere Virenforscher auf. Wie Quiupu waren sie Einzelgänger und äußerten sich niemals darüber, welchem Volk sie angehörten. Aber in ihren Erscheinungsformen waren sie so vielfältig wie in ihrer Zahl, und Rag Cornus empfand es als freundliche Laune des Schicksals, dass er Quiupu zugeteilt worden war, den er aus den Nachrichten kannte und der Interkosmo sprach, ohne dass er sich dazu eines Translators zu bedienen brauchte.

Trotzdem sehnte er sich von hier fort – und er wusste, dass Lissa, Sapr und alle die anderen, die an Bord dieses Ballons untergekommen waren, ebenso empfanden. Die Mitarbeit am Werk der Kosmokraten war nicht ihre Sache. Ein erbärmlicher Zufall hatte sie nach Srakenduurn verschlagen – oder sollte es vielleicht ihre Schuld sein, dass sich der goldene Staub ausgerechnet auf ihnen abgesetzt hatte?

Aber jedes Mal wenn er, wie in diesem Augenblick, einen Korridor entlangschritt, der dicht unter der Außenhaut des großen Ballons entlangführte, und einen Blick hinaus in die milchigen Weiten der großen Staubwolke Srakenduurn warf, fragte er sich, wie vernünftig sein Heimweh wohl sein mochte. Ob es hier nicht etwas viel Wichtigeres für ihn zu tun gäbe – etwas, worum sich andere Menschen raufen würden, wenn sich ihnen die Möglichkeit böte, daran teilzunehmen. Er sah die mächtige Kontur des Viren-Imperiums, die sich inmitten der dünner werdenden Staubmassen zu formen begann, den Umriss einer gewaltigen Kugel, der hier und da noch von Spalten und Klüften durchzogen war, wo die Vereinigung noch nicht hatte vollzogen werden können. Er sah die winzigen Lichtpunkte anderer Montageballons und empfand Stolz bei dem Gedanken, dass er an diesem gigantischen Werk beteiligt war.

Was hier geschah, war nicht mehr und nicht weniger, als dass eine Informationsstruktur von neuem entstand, die kosmischen Mächten dazu verhelfen sollte, Ordnung wiederherzustellen, wo bisher Unordnung geherrscht hatte, Konstruktivität zu schaffen, wo die Wut der Zerstörung herrschte. Was konnte begehrenswerter sein, als an der Verwirklichung eines universellen Plans mitzuarbeiten? Wie kam er dazu, sich nach Terra zu sehnen, wenn ihm eine solche Chance geboten wurde?

Rag Cornus blieb stehen und starrte hinaus durch die transparente Hülle des Ballons. Er sah, dass die Dichte der Materiewolke in den vergangenen Tagen weiterhin abgenommen hatte – um einen ausreichend großen Betrag, dass man es mit dem bloßen Auge erkennen konnte. Der Bau des Viren-Imperiums verzehrte den »Kitt«, mit dem seine Bestandteile zusammengehalten wurden.

Die widerstrebenden Gedanken in seinem Bewusstsein verwirrten ihn, und verwirrt kehrte er zurück in sein Quartier, um sich auf den beginnenden Arbeitseinsatz an der Kontrolle des Drugun-Umsetzers vorzubereiten.

Perry Rhodan 1114: Der Fluch der Kosmokratin

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