Читать книгу Perry Rhodan 1464: Das Phantom von Phönix - Kurt Mahr - Страница 5
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Mit unverkennbarem Missfallen glitt Sato Ambushs Blick über den umfangreichen Versuchsaufbau. Thomas Alva Edison fiel ihm ein: Seine ersten Glühbirnen waren unförmige Gebilde gewesen, der Prototyp des Phonographen eine Monstermaschine. Der Mensch tat sich schwer, wenn er in neue Bereiche des Wissens vorstieß. Die Versuchsapparatur, mit der der Pararealist den Geheimnissen der superhochfrequenten Hyperstrahlung zu Leibe zu rücken gedachte, ließ jegliche Eleganz vermissen. Sie war plump, primitiv und aufgebläht. Sato Ambush war es gewöhnt, mit Mikrogeräten zu arbeiten. Was er hier vor sich hatte, waren Kisten, Kästen und Module, die den kleinen Laborraum an Bord der ODIN bis in den hintersten Winkel füllten.
Superhochfrequente Hyperstrahlung fiel in den Bereich oberhalb 1015 Heef (Hyperenergy Equivalent Frequency). Die galaktische Technik hatte für Strahlung derart kurzer Wellenlängen bisher keine Verwendung gefunden. Für die Erzeugung der Wellen wurden gigantische Apparaturen benötigt, und der Empfang war nur mit überaus komplexen Geräten möglich. Sato Ambush hatte mit SHF-Strahlung zu experimentieren begonnen, weil ihn grundsätzlich alles interessierte, was außerhalb der konventionellen Wissensbereiche lag. Der unförmige Versuchsapparat war das Ergebnis langer Monate mühevoller Bastelarbeit, in sich selbst ein Experiment in Frustration, weil der Pararealist allem abhold war, was sich nicht niedlich verpacken und auf einen Experimentiertisch herkömmlicher Abmessungen unterbringen ließ.
Die Mühe hatte sich gelohnt. Vor fünf Monaten, als die CIMARRON nach der Katastrophe am Perseus-Black-Hole halbwrack auf der düsteren Welt Sisyphos lag, hatte Sato Ambush zum ersten Mal hyperenergetische Signale registriert, die aus allen Richtungen mit gleicher Intensität zu kommen schienen und einer Trägerwelle von 1,82 x 1015 Heef aufmoduliert waren. Die Signale waren unentzifferbar. Sie unterschieden sich voneinander in Dauer und Impulsform und traten in unregelmäßigen Zeitabständen auf. Manchmal folgten sie in Sekundenschnelle aufeinander; dann wiederum vergingen Stunden, ohne dass ein einziger Impuls registriert wurde. Damals auf Sisyphos hatte Ambush gemeint, die SHF-Signale seien dafür verantwortlich, dass der Autopilot die ansonsten gänzlich unbekannten Koordinaten des Megaira-Systems plötzlich im Astrogationsspeicher so vorgefunden hatte, und auch dafür, dass die Daten kurze Zeit später auf unerklärliche Art und Weise wieder gelöscht worden waren. Inzwischen hatte er seine Ansicht geändert. Es gab keinerlei Anzeichen für eine wie auch immer geartete Wechselwirkung zwischen den Signalen und dem Syntron-Verbund der CIMARRON.
Seit dem Unglück am Schwarzen Loch Perseus war viel geschehen. Perry Rhodan war mit Galbraith Deighton zusammengetroffen und hatte nach dem Tod des alten Freundes dessen Raumschiff, die ODIN, übernommen. Sato Ambush war mitsamt seinem Versuchsaufbau an Bord des neuen Flaggschiffs übergewechselt und hatte seine Versuche fortgesetzt. Bis heute war er der Entschlüsselung der geheimnisvollen Signale keinen Schritt näher gekommen. Es gab Augenblicke, da fragte er sich allen Ernstes, ob es überhaupt sinnvoll sei, die Messungen fortzusetzen. Mehrmals war er drauf und dran gewesen, die plumpe Apparatur einfach abzureißen. Aber es ging von den unregelmäßig geformten Impulsfolgen eine Faszination aus, der er sich nicht entziehen konnte, und er begann zu glauben, dass ihm eines Tages die Erleuchtung kommen werde, deren er bedurfte, um die Bedeutung der rätselhaften SHF-Signale zu verstehen.
Die Beschäftigung mit dem Experiment war zur Routine geworden. Mehrmals im Verlauf des vierundzwanzigstündigen Bordtags suchte er den kleinen Laborraum auf und ließ sich vom Syntron die Aufzeichnungen der vergangenen Stunden vorführen.
Der Versuchsaufbau war automatisiert. Die Sensoren, die die SHF-Signale auffingen, waren weitmaschig über die felsige, atmosphärelose Oberfläche des Asteroiden Campbell verstreut. Was die Sensoren maßen, wurde sofort an den Syntron-Verbund übertragen, von dem ein Sektor speziell für die Überwachung des Experiments reserviert war. Der Syntron nahm die üblichen Analysen vor: Impulsform, Fourier, Messung des zeitlichen Abstands, Isotropiedefizienz. Besonders am letzteren war Sato Ambush interessiert. Er vermutete nämlich, dass die geheimnisvolle SHF-Strahlung deswegen so frustrierend isotrop war, weil sie von zahlreichen, gleichmäßig verteilten Sendern emittiert wurde. Gelänge es ihm, auch nur eine winzige Abweichung von der Isotropie der Strahlung festzustellen, dann wäre es vielleicht möglich, einen der Sender anzupeilen. Bisher hatten alle derartigen Messversuche negative Resultate erzeugt. Die SHF-Signale kamen aus allen Richtungen mit gleicher Stärke. Die Daten würden auch heute keine Defizienz aufweisen, dachte Sato Ambush niedergeschlagen.
»Spiel mir vor, was du aufgezeichnet hast«, forderte er den Syntron auf.
Vor ihm, mitten im Raum, entstand eine Bildfläche. In leuchtendem Grün zog sich das straffe Band der Trägerwelle quer durchs Bildfeld. Der Trägerwelle aufgesetzt erschienen schmale, steile Impulsgruppen unterschiedlicher Form. Sie waren in ungleichmäßigen Abständen entlang des grünen Bandes verteilt.
»Analysedaten«, verlangte der Pararealist.
Der Syntron antwortete mit langen Symbol- und Ziffernketten, die er verbal kommentierte. Schon nach der ersten Minute wusste Sato Ambush: Es hatte auch während der vergangenen 24 Stunden keine neuen Erkenntnisse gegeben.
»Alles in allem muss man feststellen«, beendete der Syntron seinen Kommentar, »dass zwar versuchsweise eine Zuordnung der Signale zu gewissen Impulsformgruppen vorgenommen werden kann. Aber ...«
Ambush horchte auf. Es geschah selten, dass der Syntron sich mitten im Satz unterbrach.
»Was ist?«, fragte er ungeduldig.
»Eine neue Messung«, antwortete der Servo, der irgendwo unter der Decke des Laborraums schwebte und als Mittler zwischen dem Syntron-Verbund und der Umwelt fungierte. »Sieh selbst!«
Die Signale waren auf der Darstellung langsam von rechts nach links gewandert. Jetzt erschien vom rechten Bildrand her eine neue Impulsgruppe. Sato Ambush hielt unwillkürlich den Atem an. Die Gruppe bestand aus mehreren dicht nebeneinander angeordneten, steilen Zacken, deren Amplitude die der bisher beobachteten Signale mindestens um das Fünffache übertraf.
»Wo kommt das her?«, fragte der Pararealist aufgeregt.
»Aus der Nähe«, antwortete der Syntron mit entnervender Gelassenheit. »Von Isotropie ist keine Rede. Ich bin dabei, die Peilergebnisse auszuwerten. Fest steht jedenfalls, dass dieses Signal aus gänzlich anderer Quelle kommt als die übrigen Impulsgruppen. Die ersten Resultate liegen vor. Die Quelle befindet sich ... an Bord dieses Schiffes.«
*
Norman Glass, der 1. Pilot der ODIN, war im Grunde genommen ein verständnisvoller Mensch. Aber diesmal hatte Sato Ambush Schwierigkeiten, ihm die Wichtigkeit seines Anliegens klarzumachen.
Glass war Terraner, geboren im Jahr 386. Was einem an ihm zuerst auffiel, waren die tief in den Höhlen sitzenden, von dunklen Ringen untermalten Augen und die eingefallenen Wangen. Das Gesicht wirkte zugleich streng und kränklich, und der Eindruck wurde dadurch nicht verbessert, dass Glass das blonde Haar straff nach hinten gekämmt trug.
In Wirklichkeit war Norman Glass alles andere als krank. Er erfreute sich bester geistiger wie körperlicher Gesundheit. Sein Aussehen reflektierte die asketische Lebensweise, deren er sich befleißigte. Er war, was man in früheren Tagen einen Karrieremenschen genannt hätte, ging voll in seinem Beruf auf und hatte eine tiefverwurzelte Abneigung gegen alles, was spleenig oder irrational war.
»Ich weiß nicht, ob ich das darf«, antwortete er auf Sato Ambushs Drängen, und sein Gesicht brachte deutlich zum Ausdruck, dass ihm der Wunsch des Pararealisten Unbehagen verursachte.
»Ich kann es verantworten«, erklärte Ambush im Brustton der Überzeugung. »Perry wird verstehen, dass es um Wichtiges ging. Ich brauche nur deine Zustimmung.«
»Worum geht es eigentlich?«, fragte Norman Glass.
»Ich hab' es dir schon dreimal erklärt ...«, begann der Pararealist, dem allmählich die Geduld ausging.
»Ja, und ich hab's immer noch nicht richtig verstanden«, konterte Norman Glass.
»An Bord unseres Schiffes gibt es eine Quelle superhochfrequenter Hyperstrahlung«, begann Ambush und zog dabei die Worte in die Länge, als spräche er zu einem Begriffsstutzigen. »Die Strahlung stammt von keinem der in der ODIN installierten Geräte. Sie muss von einem Fremdkörper ausgehen. Der Syntronsektor, den du mir für meine SHF-Experimente zur Verfügung gestellt hast, weiß, wo sich der Ausgangsort der Strahlung befindet. Er liegt in einem der Räume, die zu Perry Rhodans Unterkunft gehören.«
Glass zögerte eine Sekunde. Dann gab er einen schicksalsergebenen Seufzer von sich und sagte:
»Also meinetwegen. Ich löse die syntronische Verriegelung. Du kannst dich in Perrys Quartier umsehen. Aber die Verantwortung für diese Sache übernimmst du selbst!«
»Wie ich schon sagte«, murmelte Sato Ambush und setzte sich in Richtung des Ausgangs in Bewegung.
Es wäre alles viel leichter, dachte er ärgerlich, wenn ich nicht mit Dritten zu verhandeln brauchte. Die Angelegenheit war delikat. Er hatte einen bestimmten Verdacht. Mit Perry Rhodan hätte er frei darüber sprechen können. Aber Norman Glass zum Beispiel ging die Sache nichts an. Rhodan indes war weit von Campbell entfernt, in einem gefährlichen Einsatz auf der cantarischen Brutwelt Sampson, auf der er eines Generalfähnrichs habhaft zu werden gedachte, der seine Bereitschaft, den Herren der Straßen die Loyalität aufzusagen, kundgetan hatte. Sato Ambush wusste nicht, was er sich unter einem Generalfähnrich vorzustellen hatte. Es handelte sich ohne Zweifel um einen Cantaro, und darüber hinaus um einen solchen, der auf der Brutwelt für eine hohe Position ausgebildet wurde und daher über umfangreiche Kenntnisse verfügte.
Wie dem auch immer sein mochte: Perry Rhodan war weit weg, und Sato Ambush musste seinem Verdacht auf eigene Rechnung nachgehen. Der Eingang zu Rhodans Unterkunft lag auf dem Zentraldeck, nur wenige Schritte vom Hauptschott des Kontrollraums entfernt. Norman Glass hatte Wort gehalten und die Verriegelung gelöst. Die Tür öffnete sich selbsttätig, als der Pararealist sich ihr nun bis auf zwei Schritt genähert hatte.
Er zog das kleine Stück Druckfolie hervor, auf dem die Koordinaten des Punktes, an dem das geheimnisvolle Signal seinen Ausgang genommen hatte, angegeben waren. Der Syntron hatte ein übriges getan und den Punkt auf einer schematischen Darstellung des Zentraldecks eingezeichnet. Sato Ambush sah sich um. Er war schon mehrmals hier gewesen; aber die Schematik empfand er als verwirrend. Er befand sich in einem Vorraum. Das Zimmer, in dem der Syntron den Zielpunkt als roten Klecks markiert hatte, lag zur Linken.
Zögernd trat er durch den offenen Durchgang. Der Raum, in den er gelangte, war zu Wohnzwecken eingerichtet: eine Couch an der Wand, zwei Beistelltische, eine Sitzgruppe, die sich um einen Cocktailtisch reihte. In der Mitte des Raumes stand ein weiterer Tisch. Er diente einem glockenförmigen Gebilde aus schimmerndem Polymermetall als Unterlage. Die Glocke war einen halben Meter hoch und besaß an der Basis einen Durchmesser von 40 Zentimetern.
Sato Ambush brauchte nicht weiter zu suchen. Sein Verdacht hatte sich bewahrheitet. Lange Zeit war daran herumgerätselt worden, mit welchen Methoden Perry Rhodans unheimlicher Gegner jedem Schritt des Terraners zu folgen vermochte. Man hatte vermutet, dass Monos die Möglichkeit besaß, entweder die hyperenergetische Komponente der Rhodanschen Zellkernstrahlung oder die Streuemission des Zellschwingungsaktivators über große Entfernungen hinweg anzumessen. Aber alle Versuche, Rhodan durch energetische Schutzfelder abzuschirmen, waren fehlgeschlagen. Mehrere Zwischenfälle der jüngsten Vergangenheit bewiesen, dass Monos immer noch zu jeder Sekunde über den Aufenthalt des Mannes informiert war, zu dessen persönlichem Feind er sich erklärt hatte.
Wir hätten früher darauf kommen müssen, dachte der Pararealist. Die Lösung des Problems lag die ganze Zeit über genau vor unserer Nasenspitze. Langsam wandte er sich ab und kehrte bedächtigen Schrittes zum Kontrollraum zurück. Dort war Norman Glass noch immer mit der Sichtung astrogatorischer Daten beschäftigt. Er sah auf, als er Sato Ambush eintreten hörte.
»Schon fertig?«, fragte er überrascht.
Ambush nickte lächelnd.
»Fertig«, bestätigte er. »Und für dich ergeben sich daraus einige Folgen.«
»Wie bitte?«
»Ich siedle an Bord der CASSIOPEIA über. Die CASSIOPEIA und die ODIN setzen sich sofort in Marsch. Die CASSIOPEIA kehrt nach Heleios zurück. Die ODIN nimmt einen Kurs, den ich ihr vorschreiben werde.«
Norman Glass war seiner Überraschung bald Herr geworden. Er wirkte grimmig.
»Du bist entweder übergeschnappt«, sagte er, »oder es ist etwas ...«
»Lass es mich dir erklären«, fiel ihm der Pararealist ins Wort. »Ich bin einer merkwürdigen Sache auf die Spur gekommen ...«