Читать книгу Atlan 74: Das Imperium der Gauner - Kurt Mahr - Страница 5
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ОглавлениеUm 12:40 an diesem Tage befand sich Matur Penetschky auf dem Wege zu einem am Rande der Kuppel eins gelegenen Bildsprechzentrum. Er hatte einen dringenden Anruf zu führen und befürchtete, dass das Gespräch dort, wo er seit seiner Entlassung aus dem Hospital scheinbar seinem Beruf nachging, abgehört werden könne.
Matur Penetschky war der Mann, den Minart Kadebku und Phoras von Chatron dazu ausersehen hatten, die Rolle Ronald Tekeners zu spielen. Von Natur aus dem hochgewachsenen Terraner schon überaus ähnlich, hatte die Kunst einiger Ara-Spezialisten aus der Sekte der Ortanorer dafür gesorgt, dass Penetschky äußerlich nunmehr von Tekener überhaupt nicht mehr zu unterscheiden war.
Penetschky hatte seine Rolle zunächst recht erfolgreich gespielt. Niemand, nicht einmal Tekeners engster Freund Kennon, hatte Verdacht geschöpft. Vor rund einer Stunde allerdings war die Bombe geplatzt. Ohne dass er sich darauf hatte vorbereiten können, war ihm die Wahrheit über Ronald Tekeners Hintergrund und eigentliche Aufgabe wie ein Kübel eiskalten Wassers über den Kopf gegossen worden. Die Aufklärung verdankte er keinem geringeren als dem Lordadmiral Atlan, der den vermeintlichen Tekener von Quinto-Center per Hyperfunk anrief, um ihn erstens wegen seines eigenmächtigen Verhaltens im Falle Phoras von Chatron zu tadeln und sich zweitens nach seinem Befinden zu erkundigen.
Penetschky, der den Anruf in Tekeners Rolle empfing, war zunächst wie vom Donner gerührt. Er gab ein paar unzusammenhängende Antworten, an denen der Arkonide zu erkennen glaubte, dass sein Star-Spezialist noch weiterer Pflege bedurfte. Sobald die Verbindung jedoch unterbrochen war, hatte Penetschky sich auf den Weg gemacht, um seinen Auftraggeber von dem Ungeheuerlichen in Kenntnis zu setzen. Er hatte das Verwaltungsgebäude der UHB fast fluchtartig verlassen, weil er sich dort nicht mehr sicher fühlte.
Unterwegs hatte er Zeit, sich den Vorfall noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Er hatte voreilig und unklug gehandelt. Er hätte sich durch die Panik nicht verleiten lassen sollen, seinen Posten bei der UHB zu verlassen. Jedermann in der UHB wusste, dass er heute morgen aus dem Hospital entlassen worden war – als ein Mann, der den tödlichen Biss einer Paytra-Spinne eben noch überwunden hatte. Man erwartete von ihm, dass er sich in seinem Arbeitszimmer befand. Wurde bemerkt, dass er das Gebäude im Handumdrehen wieder verlassen hatte, dann war es möglich, dass man Verdacht schöpfte.
Jetzt jedoch war es zu spät. Er war auf dem Wege, die Unvorsichtigkeit war begangen. Er erreichte das Bildsprechzentrum, ohne dass ihm unterwegs jemand besondere Beachtung geschenkt hätte. Im Zentrum wählte er eine SD-Zelle, die es ihm ermöglichte, seinen Gesprächspartnern so zu begegnen, als säßen sie ihm gegenüber.
Er wählte Phoras' Anschluss und erhielt sofort Antwort. Die beeindruckende Gestalt des Akonen erschien auf dem dreidimensionalen Bildschirm. Er schien zu erschrecken, als er Penetschky erblickte.
»Was fällt Ihnen ein?«, fuhr er den falschen Tekener an. »Welches Risiko gehen Sie ein! Welche Gefahr ...« Penetschky hob die Hand, woraufhin Phoras erstaunlicherweise verstummte. Es lag etwas in Penetschkys Blick, das den Akonen davon überzeugte, dass hier etwas Besonderes vorlag.
»Holen Sie Kadebku«, sagte Penetschky.
»Ist das nötig?«, erkundigte sich der Akone.
»Sie fallen hintenüber, wenn Sie erfahren, wie nötig das ist«, gab Penetschky zurück.
Augenblicke später war Kadebku zur Stelle. Penetschky nahm sich Zeit, den kleinen, grauhaarigen Terraner zu mustern. Kadebku wirkte unscheinbar, und dennoch hatte Tekeners Double den undeutlichen Eindruck, er spiele im Duumvirat der beiden Gauner die wichtigere Rolle.
»Halten Sie sich fest«, begann Penetschky die Unterhaltung. »Wir vermuteten richtig, als wir schlossen, dass sich hinter Tekener mehr verberge, als er nach außen hin sehen lässt.«
Phoras' Miene nahm den Ausdruck des Unbehagens an. Minart Kadebku zwinkerte nicht einmal.
»Also – was ist es?«, fragte er trocken.
»Tekener ist Oberst der United Stars Organisation.«
Er sah, wie das Blut aus dem Gesicht des Akonen wich. Aus der kräftigen, Stärke ausstrahlenden Physiognomie wurde eine bleiche Maske der Angst. Phoras öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber der Schreck hatte seine Stimmwerkzeuge lahmgelegt. Auf Penetschky machte das Bild einen unauslöschbaren Eindruck. So sah der Mann aus, der den Milliardenraubzug gegen die UHB geplant hatte?
Ganz anders Minart Kadebku. Jetzt, in diesem Augenblick, lernte Penetschky den kleinen Grauhaarigen kennen. Er blieb äußerlich kühl. Nur eine geringfügige Weitung der Augen besagte, dass Penetschkys Botschaft überhaupt angekommen war.
Schließlich fand der Akone seine Stimme wieder.
»Sie sind völlig verrückt!«, polterte er los. »Das ist unmöglich. So etwas Irrsinniges habe ich noch nie gehört. Mann ... was haben Sie eingenommen, dass Sie so einen Unsinn verzapfen?«
Penetschky ließ die Schmähungen ruhig über sich ergehen. Er wusste, dass er recht hatte.
Kadebku fragte ruhig:
»Woher haben Sie die Information?«
Penetschky lächelte knapp.
»Ich hatte mich kaum in Tekeners Büro häuslich niedergelassen, da erhielt ich einen Anruf von Quinto-Center. Der Anrufer war Lordadmiral Atlan höchstpersönlich.«
Phoras wollte ein zweites Mal hochfahren, aber Kadebku gebot ihm mit einer Handbewegung Schweigen.
»Sie machen uns auch nichts vor?«, erkundigte er sich bei Penetschky, und in seiner Stimme schwang ein gefährlicher Unterton.
»Nein«, antwortete Tekeners Double einfach.
Kadebku schien ihn zu mustern. Penetschky fühlte sich unbehaglich. Bei dem kleinen Terraner wusste man nie, woran man war.
»Das ändert die Sache«, äußerte sich Kadebku schließlich.
»Sie werden doch dieses alberne Märchen nicht für bare Münze nehmen?«, dröhnte Phoras von Chatron, der seine Selbstbeherrschung und damit seine hochfahrende, pompöse Art wiedergewonnen hatte. »Solch einen Unsinn hat mir noch nie jemand ...«
»Ereifern Sie sich nicht«, fiel ihm Kadebku ins Wort.
»Aber ...«
»Aber – nichts!«, beharrte der Grauhaarige, nun in schärferem Tonfall.
»Der Mann hat nichts davon, wenn er uns eine solche Geschichte nur vormacht. Außerdem ist sie leicht zu überprüfen.«
»Betrachten Sie sich dazu eingeladen«, sagte Penetschky spöttisch.
Kadebku nickte.
»Ich persönlich glaube Ihnen. Aber es gibt da immer ein gewisses Element des Zweifels, das beseitigt werden muss.«
»Ich verstehe.«
»Unsere Pläne sind damit natürlich, über den Haufen geworfen«, fuhr Kadebku fort. »Der Bankraub findet nicht statt.«
»Wieso nicht?!«, schäumte Phoras. »Ich sehe keinen Grund ...«
»O doch – Sie sähen einen, wenn Sie sich nur eine Sekunde lang Zeit nähmen, darüber nachzudenken. Die UHB dient der USO als Fassade. Wenn wir die UHB ausrauben, haben wir sofort die USO auf den Fersen. Und wie lange, glauben Sie, können wir der United Stars Organisation standhalten?«
Die Proposition schien dem Akonen nicht zu gefallen. Er schwieg. Kadebku wandte sich von neuem an Penetschky.
»Sie kehren auf Ihren Posten zurück, bis eine endgültige Entscheidung fällt.«
»Wieso?«, fragte Penetschky. »Unser Fischzug ist aufgegeben. Das hört sich so an, als bekäme ich meine zwölfeinhalb Millionen nicht. Und für nichts soll ich in die Höhle des Löwen zurückkehren und noch einmal den Kopf hinhalten?« Er lachte bitter. »Da sollten Sie sich einen Dümmeren suchen.«
Bitterkeit erschien in Kadebkus Miene.
»Sie sind ein hässlicher Krämer. Ihr Horizont ist beim Geld zu Ende. Ich biete Ihnen dasselbe, was man Ihnen bisher geboten hat, wenn Sie bis heute um Mitternacht auf Ihrem Posten bleiben. Danach werden wir weitersehen.«
Penetschky zwinkerte. »Gleichgültig, ob die Ausleerung der UHB-Konten zustande kommt oder nicht?«, erkundigte sich Penetschky ein wenig ungläubig.
»Unabhängig davon«, bestätigte Kadebku.
Penetschky nickte.
»Da mache ich weiter mit«, entschied er. »Wie erfahre ich über Ihre weiteren Entschlüsse?«
»Machen Sie sich heute Abend unter irgendeinem Vorwand frei. Denken Sie sich eine Geschichte aus, die Sie zwingt, zur BAGAF zurückzukehren. Seien Sie um dreiundzwanzig Uhr zur Stelle.«
»Ich bin da!«, versprach Penetschky.
*
Harpy Sonnef war es unterdessen nicht ganz so ergangen, wie er es sich vorgestellt hatte. Zunächst hatte man ihn in der Anmeldestelle festgehalten, weil der Melderobot anhand seiner Identifikation feststellte, dass er in wenigstens einem halben Dutzend Gesetzesbereichen wegen verschiedener Delikte gesucht wurde. Seine Vergehen rangierten vom einfachen Diebstahl über Betrug bis zu Devisenschiebungen. Sonnef tat entrüstet und antwortete dem Robot:
»Natürlich, ganz klar! Deswegen eben komme ich ja nach Satisfy.«
»Welcher Zweck führt Sie nach Satisfy?«, erkundigte sich der Robot.
»Ich suche Hilfe«, antwortete Sonnef und erinnerte sich rasch: »Ich möchte die Hilfe der UHB in Anspruch nehmen.«
»Haben Sie einen entsprechenden Antrag gestellt?«
Das hatte Sonnef nicht. Er wurde daraufhin an einen organischen Angestellten der Anmeldestelle verwiesen, einen Terraner, der dem Wiesel klarmachte, dass die UHB eine äußerst hilfsbereite Organisation war, die ihre Hilfsbereitschaft jedoch auf zahlungskräftige Kunden beschränkte. Sonnef sah, worauf die Sache hinauslief, und da ihm der Boden der restlichen Galaxis tatsächlich unter den Füßen brannte, entrichtete er eine »Einbürgerungsgebühr« von zehntausend Solar. Diese Zahlung berechtigte ihn, sich einen Monat lang als Staatsangehöriger des Freistaats Satisfy zu bezeichnen. Nach Ablauf des Monats musste er Satisfy entweder verlassen oder die Zahlung wiederholen.
Sonnef hatte damit gerechnet. Sein gesamtes Barvermögen bestand zwar nur aus vierzehntausend Solar, aber er war so überzeugt, auf Satisfy eine Anstellung zu finden, die seinen »Fähigkeiten« entsprach und auch genügend Geld abwarf, dass er sich vom Großteil seiner Barschaft trennte, ohne darüber sonderlich traurig zu sein.
Als nächstes brauchte er eine Unterkunft. Er fand sie in der Kuppel zwei, in einem obskuren, am Kuppelrand gelegenen Hotel, in dem die Übernachtung vierundzwanzig Solar kostete.
Über diesen Verrichtungen waren mehrere Stunden vergangen, so dass es bereits gegen 15 Uhr war, als Harpy Sonnef, das Wiesel, sich dem imposanten Verwaltungsturm der Bank für Galaktische Freundschaftsgewinnung näherte, um Phoras von Chatron seine Aufwartung zu machen.
Im Foyer des Bankgebäudes, in dem ein ausgesprochen dünner Kundenverkehr herrschte, wurde Sonnef von einem Uniformierten angehalten, der ihn nach seinem Anliegen fragte.
»Ich suche Phoras von Chatron. Er erwartet mich«, log Sonnef frech.
Der Wächter verzog das Gesicht zu einem gehässigen Grinsen.
»Gut. Ich erkundige mich. Aber bei uns kommt man nicht so leicht damit durch, wenn man dumme Tricks versucht. Sie verstehen, was ich meine?«
Sonnef verstand. Er zog die Hand aus der Tasche, und zwar so auffällig langsam, dass der Wärter unwillkürlich hinsehen musste. Zwischen zwei Fingern erschien das leuchtende Blau einer Fünfzig-Solar-Note.
»Vielleicht ließe sich die Sache etwas gütlicher regeln?«, meinte das Wiesel.
Das bullige Gesicht des Wächters blieb ungerührt. Lediglich die Augen leuchteten ein wenig.
»Legen Sie noch einen zu, und ich habe Sie nicht gesehen«, erklärte er.
Seufzend ließ Sonnef die blaue Note verschwinden und brachte einen roten Hunderter zum Vorschein. Der Wächter schmunzelte.
»Sie haben das so im Griff, wie?«
Das Wiesel nickte ernst.
»Gehört zu meinen beruflichen Fähigkeiten«, gestand er.
Der Wächter schien beeindruckt. Als er den Geldschein zwischen den Fingern fühlte, meinte er:
»Mein Name ist Karrel Mottang. Wenn Sie hier was brauchen, wenden Sie sich nur immer an mich.«
Sonnef lächelte.
»Danke, Karrel. Ich werde mir das merken.«
Mottang wies ihn ein. Das Wiesel fuhr zur vierundsechzigsten Etage hinauf, auf der Phoras von Chatrons Privatgemächer lagen. Auch hier standen uniformierte Wächter. Ein zweites Mal wechselte ein Geldschein den Besitzer. Diesmal war es ein Fünfziger. Schließlich jedoch befand sich Sonnef in einem der Vorzimmer, die das Allerheiligste des Akonen wie ein Wallgraben umgaben. Anscheinend entsprach es nicht Phoras' Geschmack, sich mit seelenlosen Robotern zu umgeben. Das Vorzimmer wurde beherrscht von einer sanftäugigen, samthäutigen Akonin, deren Anblick dem Wiesel einen langgezogenen, allerdings verhaltenen Pfiff entlockte. Sie dankte ihm dafür mit einem koketten Augenaufschlag und erkundigte sich sodann nach seinem Begehr.
»Ich möchte den Herrn und Meister sprechen«, erklärte er.
»In welcher Angelegenheit?«
»Ich suche eine Anstellung. Nach allem, was ich von ihm gehört habe, kann er mich brauchen.«
»Kennt er Sie?«
»Nein. Und hat wohl auch noch nie von mir gehört.«
»Das wird schwierig werden«, flötete die Akonin. »Besonders heute. Soweit ich es beurteilen kann, befindet er sich in miserabler Stimmung.«
Sonnef zuckte mit den Schultern.
»Was gilt's? Probieren wir es trotzdem.«
Sie aktivierte den Interkom. Der kleine Bildschirm war ihr zugewandt, so dass Sonnef das Bild nicht sehen konnte. Er hörte jedoch die dröhnende, unwillige Stimme des Antwortenden:
»Was gibt's schon wieder?«
»Ein Herr, der Sie sprechen möchte.«
»Was will er?«
»Er sucht eine Anstellung und glaubt, dass Sie ihn brauchen könnten.«
»So, glaubt er! Dieser lächerliche Zwerg?«
Sonnef zuckte zusammen. Anscheinend stand er so, dass sein Bild auf Phoras' Empfänger zu sehen war.
»Harpy Sonnef«, stellte er sich vor, obwohl ihm der Grimm fast den Mund verschloss.
»Kann ich nicht brauchen.«
Sonnef nahm allen Mut zusammen.
»Doch, Sie können!«, behauptete er. »Probieren Sie's nur mal aus.«
Eine Sekunde lang herrschte Schweigen. Dann kam von neuem Phoras' Stimme, gefährlich ruhig:
»Wollen Sie mir Vorschriften machen?«
Sonnef entschloss sich, seinen einzigen Trumpf auszuspielen. Bevor er sich auf die Reise nach Satisfy machte, hatte er sich über Phoras von Chatron und seinen Hintergrund eingehend erkundigt. Dabei hatte er ein paar Gerüchte gehört, die auf Wahrheit beruhen mochten oder nicht – jedenfalls befand sich dabei eine Episode, in der Phoras erheblich belastet wurde. Er hatte einen Geschäftspartner, Salisak Throon, betrogen und dann ausgebootet. Throon war seitdem verschwunden, und man munkelte, dass Phoras vor dem Augenblick zitterte, in dem er wieder auftauchte und mit dem auspackte, was er über den Akonen wusste.
»Ich will Ihnen keine Vorschriften machen«, antwortete Sonnef mit fester Stimme. »Ebenso wenig wie ich Ihnen vorschreiben will, wie Sie die Affäre Salisak Throon handhaben sollen.«
Abermals trat eine kurze Stille ein. Dann kam Phoras' Befehl:
»Kommen Sie rein!«
Das Wiesel lächelte der hübschen Akonin triumphierend zu, dann trat er durch eine Tür, die sich unversehens zu seiner Rechten geöffnet hatte. Er kam in einen verschwenderisch ausgestatteten, großen Raum, der von einem riesigen Tisch beherrscht wurde, der in der Mitte des Zimmers auf sechs kunstvoll geschnitzten, säulenartigen Beinen ruhte und von zwölf leger arrangierten Sesseln umgeben war. In einem der Sessel ruhte Phoras von Chatron, eine imposante Gestalt mit der Figur eines olympischen Ringers und einem scharf und kühn geschnittenen Gesicht, das Härte ausdrückte. Aus den Augenwinkeln bemerkte Sonnef, dass sich noch ein zweiter Mann im Raum befand. Er saß im Hintergrund, und Sonnef erinnerte sich später an nicht mehr, als dass er klein und unscheinbar gewesen sei und langes, strähniges graues Haar bis auf die Schultern hinab trug.
Die Tür schloss sich hinter Sonnef.
»So!«, sagte Phoras von Chatron, und die Art, wie er es sagte, erweckte in Sonnef den Verdacht, dass es nicht klug gewesen sei, seinen vermeintlichen Trumpf auszuspielen.
»So!«, wiederholte der Akone. »Sie haben also Ideen, wie ich den Fall Salisak Throon besser hätte handhaben können.«
»Das habe ich nicht gesagt«, antwortete Sonnef. »Im Gegenteil: Ich betonte ...«
Er unterbrach sich, als der Akone aufstand und ihm näher kam. Phoras von Chatron war an die zwei Meter groß und damit äußerst muskulös. Gegen ihn war Sonnef ein hilfloser Zwerg.
»Ich will Ihnen was sagen«, grinste der Akone gehässig. »Damit erfahren Sie was, was außer mir und ein paar Vertrauten noch niemand weiß. Ich habe die Affäre Throon mit allerhöchstem Wirkungsgrad gehandhabt. Salisak Throon ist tot!«
Sonnef schluckte.
»Und jetzt kommen wir zu Ihnen«, dröhnte Phoras von Chatron, »einem kleinen Gauner, der glaubt, er könne mich mit halbverdauten Informationen über Salisak Throon erpressen.«
Er stand jetzt unmittelbar vor dem Wiesel und streckte den rechten Arm aus. »Wissen Sie, was ich von solchen Leuten halte und wie ich mit Ihnen verfahre?«, grinste er. »Nein? Sie wissen es nicht? Passen Sie auf.«
Ehe Sonnef sich's versah, hatte der Akone ihn am Kragen gepackt. Wie von Zauberhand bewegt, öffnete sich die Tür, durch die er vor wenigen Augenblicken hereingekommen war, und das Wiesel flog, wie von der Gewalt einer nuklearen Treibladung angetrieben, durch die Öffnung ins Vorzimmer, prallte gegen die Wand und blieb benommen liegen. Hinter sich hörte er das dröhnende Gelächter des Akonen, bis sich die Tür wieder schloss.
Die hübsche Akonin bedachte das hilflose Häufchen Mensch, das ihr fast zu Füßen lag, mit einer Mischung aus Mitleid und Spott. Sonnef, nachdem er die Benommenheit von sich abgeschüttelt hatte, raffte sich auf und verließ ohne ein weiteres Wort die ungastlichen Gefilde.
Unten im Foyer begegnete er Karrel Mottang zum zweiten Mal. Der Wächter schien ihm anzusehen, dass sein Unternehmen nicht erfolgreich gewesen war. Er winkte das Wiesel beiseite.
»Den Herrn und Meister kennen gelernt?«, fragte er halblaut.
Sonnef nickte nur. Die Wut presste ihm die Zähne aufeinander. »Ja – das ist so eine ganz besondere Klasse Mensch. Ich könnte Ihnen da Sachen erzählen ...«
Sonnef wurde hellhörig.
»Über Ihren eigenen Chef?«, fragte er ungläubig.
Mottang zuckte mit den Schultern.
»Was heißt das schon! Loyalität zieht's dorthin, wo das Geld und die Anerkennung sind. Und von beiden ist hier herum wenig zu spüren.«
Sonnefs größte Begabung war, eine verbündete Seele rasch zu erkennen.
»Mir können Sie sich ruhig anvertrauen«, meinte er im Tonfall eines Mannes, dem der jüngere Bruder soeben gestanden hat, dass er sich in Schwierigkeiten befand. »Vielleicht lässt sich sogar was daraus machen.« Seine Augen begannen zu leuchten. »Ich bin Spezialist in solchen Dingen!«
Mottang musterte ihn eine Sekunde lang, dann traf er seinen Entschluss. »Also gut«, sagte er im verhaltenen Tonfall des Verschwörers. »Wir wollen's mal miteinander versuchen?«