Читать книгу Märchenhaft - Elisabeth - Larissa Schwarz - Страница 2
ОглавлениеFreitag, 08.06.
»Was machen Sie denn hier?«
»Ich sitze. Außerdem trinke ich Kaffee. Und ich lese Zeitung. Benötigen Sie noch mehr Informationen oder genügt das Ihrer Neugier?«
»Kratzbürstig wie eh und je ...«, antwortete er mit gespieltem Genuss. Ungefragt nahm er sich einen Stuhl und setzte sich zu ihr an den Tisch. Abwertend sah sie ihn an und entgegnete affektiert: »Für Sie immer. Es soll jedoch Menschen geben, die das anders sehen ...«
»Deswegen warten Sie wohl auch? Weil es Menschen gibt, die auf Kratzbürsten stehen?« Amüsiert neigte er den Kopf.
»Wer sagt, dass ich warte?«
»Elisabeth, es ist Freitag, 17.15 Uhr. Für eine Verabredung eigentlich etwas früh, aber hier auf dem Land werden ja bekanntlich um 19 Uhr die Bordsteine hochgeklappt. Also entweder sind Sie für 17.30 Uhr verabredet und früh dran oder Sie warten, weil 17 Uhr Sie versetzt hat.«
»Sie sind ein Fuchs, Moritz. Ich warte tatsächlich.« Sie holte tief Luft. »Auf Ihren Abgang!«
»Oh, dann viel Freude dabei. Ich werde mich so lange an den Tisch hier setzen und auch warten.« Er sah sie immer noch charmant und höflich an. Zwinkerte. Grinste breit.
Elisabeth blickte demonstrativ auf ihr Tablet und fragte sich, was dieser Kerl sich eigentlich einbildete.
Moritz war für sie kein Unbekannter. Und genau darin lag der Grund, warum er der letzte Mensch war, auf den sie heute hätte treffen wollen. Sie waren gewissermaßen Arbeitskollegen gewesen, kannten sich von unzähligen Meetings und abteilungsübergreifenden Projekten, aber das letzte Mal, dass sie ihn gesehen hatte, war etwa ein halbes Jahr her. Die Saat für ihre gegenseitige Abneigung war jedoch viel eher gelegt worden, vor etwa zwei Jahren. Sie hatte ihm die Laune verhagelt, als sie seine Abteilung in der Jahrespräsentation als das schwarze Schaf der Consulting-Firma dargestellt hatte. Es war nicht ihre Idee gewesen, Moritz anzuprangern. Zwar hatte sie die Präsentation vorbereitet und moderiert, die Inhalte aber waren von der Geschäftsleitung gekommen. Moritz wusste das und sie wusste, dass er es wusste. Dennoch waren er und Elisabeth sich spinnefeind. In weiteren Meetings hatte er versucht, den Spieß umzudrehen und sie bloßzustellen, ihre Abteilung und ihre Arbeit schlechtzureden und ihren Chef auf sie anzusetzen. Dr. Bruckmann jedoch war loyal seiner Assistentin gegenüber, er wusste, was er an ihr hatte und ließ das keineswegs unerwähnt.
Auf dem Tablet hatte Elisabeth die Zeitung inzwischen zu Ende gelesen und starrte nun immer wieder auf den Nachrichteneingang. Sie hatte Sebastian vor ein paar Tagen auf der Party ihrer Freundin kennengelernt und ihn interessant gefunden. Er hatte diese warmen braunen Augen, ein mitreißendes Lächeln und war der Erste, der ihr nicht mit der Mitleidsnummer begegnet war. Elisabeth hasste es, sich zum Tod ihres Mannes äußern zu müssen; zwischen ihnen war es schon seit Monaten schwierig gewesen. Jan hatte dann den Auftrag in Indien angenommen, bei dem er auf einem Zubringerflug verunglückt war. Sie hatte die Nachricht mitten in der Nacht erhalten und war am nächsten Morgen zur Arbeit erschienen, als sei nichts passiert. Erst eine Woche später, als Jan eigentlich hätte zurückkommen sollen und ihr Chef ihr einen schönen Abend mit ihm gewünscht hatte, brach es aus ihr heraus. Im Nachhinein schämte sie sich für den Gefühlsausbruch, Dr. Bruckmann jedoch hielt das für ganz natürlich und hielt sie dazu an, sich ein paar Tage frei zu nehmen und abzuseilen.
Die von ihrem Chef verordnete Zwangsauszeit hatte sie dann damit verbracht, Unterlagen zu sichten, mit Jans Arbeitgeber und der Fluggesellschaft zu sprechen und die Bank zu informieren. Jan war Waise gewesen, er hatte einen Halbbruder, der jedoch bereits vor Jahren den Kontakt abgebrochen hatte. Sie hatten sich zu gegenseitigen Alleinerben in ihren Testamenten eingesetzt, nur für den Fall der Fälle. Dass dieser Fall tatsächlich eintreten würde, war damals für sie so weit weg, wie die Erde vom Mond. Es gab niemanden sonst zu informieren und da sie kinderlos geblieben waren, stand sie mit neunundzwanzig Jahren plötzlich vor den Trümmern ihres Lebens.
Was mache ich eigentlich hier?, fragte sich Elisabeth. Sie sah immer noch auf ihr Handy und hätte sich am liebsten geohrfeigt. Es war 17.32 Uhr und sie saß in diesem Café in Eschberg, eine halbe Autostunde von zu Hause entfernt. Sebastian wohnte eigentlich östlich von ihr, sie hatten sich auf seinen Vorschlag in der ländlich gelegenen Stadt treffen wollen. Elisabeth war schon ein paar Mal in Eschberg gewesen, hatte mit ihren Freundinnen Wellness-Wochenenden dort verbracht, sich die Ausstellungen im Schlossmuseum angesehen oder das jährliche Classic-Car-Treffen in der Altstadt besucht. Nun hatte Sebastian diesen Ort für ein Date vorgeschlagen; er wollte ihr dort etwas zeigen. Sie überlegte, was es sein könnte. Das Schloss vielleicht. Oder die alte Mühle? Wohl kaum das Shoppingcenter oder den Wald?
Eschberg hatte knapp siebzigtausend Einwohner, ein Kino, mehrere Cafés; ein nettes verträumtes Städtchen mit perfekter Autobahnanbindung. Genau diese würde sie gleich auch wieder nutzen, um nach Hause zu fahren. Gedanklich hing sie sich aber weiter an Sebastian auf. Ihre Freundin Marie kannte ihn von der Arbeit und hatte sich für ihn verbürgt, er sei zwar etwas kauzig, aber nett und zuverlässig. Zuverlässig, dass ich nicht lache, ging es ihr durch den Kopf. Was hatte sie sich dabei gedacht, sich auf ein Date einzulassen? Es schien ihr nicht verwerflich; auch wenn ihre Liebe zu Jan schon länger tot war als er, hatte sie einen gewissen Anstand gewahrt, war eine Weile wenig ausgegangen und trug dunkle Farben. Jetzt jedoch begann der Sommer und sie spürte, wie ihr einiges an Ballast von den Schultern gefallen war. Der Abend mit Sebastian hatte ein Anfang sein sollen. Von was auch immer. Es hatte sie zwar ein wenig Überwindung gekostet, zuzustimmen sich heute mit ihm zu treffen, aber Elisabeth hatte das Gefühl gehabt, dass sie den Weg hierher nicht bereuen würde. Sebastian war so locker, sprach so unverblümt mit ihr und scherte sich wenig um Pietät. Das gefiel ihr. Rein optisch war er eine Sieben von Zehn. Ein bisschen zu unsportlich für ihren Geschmack, seine Haare bräuchten dringend einen neuen Look und er war eigentlich auch etwas zu klein. Elisabeth liebte High Heels und bereits in Maries Küche hatte sie die Schuhe ausgezogen, um ihm nicht das Gefühl zu geben, vor einer Riesin zu stehen. Eigentlich war er nur eine Sechs von Zehn. Wenn überhaupt. Was hab ich mir nur dabei gedacht?
»17.35 Uhr. Elisabeth, ich behaupte jetzt mal ganz unverfroren, dass Sie versetzt worden sind.« Der Schuss kam unerwartet von links.
Moritz.
Und der Pfeil saß tief. Elisabeth schlug genervt die Augen auf und drehte sich unwirsch zu ihm hin. Dabei fiel das Tablet vom Tisch und stürzte zu Boden.
»Moritz, Sie sind und bleiben ein Arsch. Warum fahren Sie nicht einfach zur Hölle?«, keifte sie ihn an.
Unerwarteterweise stand Moritz auf, sah sie betrübt an und reichte ihr das Tablet. Es hatte einen hässlichen Kratzer auf dem Display und eine große Delle am Gehäuse abbekommen, funktionierte aber noch.
»Eigentlich wollte ich gerade etwas Nettes sagen, aber wissen Sie, Elisabeth, ich sage lieber nichts mehr, fahre jetzt tatsächlich zur Hölle, gehe mit dem Teufel ein Bier trinken und habe einen wesentlich entspannteren Abend als Sie.«
Elisabeth biss grummelnd die Zähne zusammen und legte das Tablet wieder auf den Tisch. Was bildet der sich eigentlich ein? Und was macht er überhaupt hier? Moritz hatte vor ein paar Monaten die Firma verlassen und galt quasi als verschollen. Die Einen erzählten etwas von Sabbatical, die Anderen von schwerer Krankheit. Von Dr. Bruckmann hatte sie erfahren, dass er wohl wegen einer privaten Angelegenheit gekündigt hatte, aber keinen Kontakt mehr wünschte. Ihr sollte es nur recht sein, auch wenn sie ihn dafür bedauerte, dass er offenbar familiäre Probleme hatte.
»Moritz, warten Sie bitte einen Moment!« Hab ich das jetzt gesagt? Oh, sh... Elisabeth hatte ihre Stimme gehört, ihr fehlte jedoch der Gedanke dazu.
Moritz drehte sich um, er stand bereits an der Tür und sah sie verdutzt an. Auf ihr leichtes Nicken hin ging er die wenigen Schritte in ihre Richtung zurück.
»Ja, bitte? Wollen Sie mir noch eine Gemeinheit an den Kopf werfen oder soll ich dem Teufel nur liebe Grüße von seiner besten Schülerin ausrichten?«
»Moritz, ich weiß nicht, was Ihre Kündigung veranlasst hat und es steht mir nicht zu, Sie danach zu fragen. Auch wenn wir beide nie miteinander warm geworden sind, tut es mir leid, wenn es Ihnen familiär nicht gut ergangen ist. Ich weiß, dass Sie Ihren Job geliebt haben, es wird Ihnen nicht leicht gefallen sein ... Ich ... wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und ... Leben Sie wohl!«
Von ihrer eigenen Direktheit überrascht wich Elisabeth etwas zurück und griff ihre Tasche. Moritz stand wie angewurzelt da und sah sie an. Ihm war bereits beim Betreten des Cafés aufgefallen, dass sie lockerer und unbeschwerter wirkte als noch vor einem halben Jahr. Die langen braunen Haare schmeichelten ihr offen getragen wesentlich mehr als die strengen Hochsteckfrisuren im Job und der blaue Paisleymuster-Rock mit dem weißen Top hatte beinahe etwas Romantisches. Aber das war immer noch Elisabeth. Elisabeth Schmidt, die ihm in einem Satz mehr Tiefschläge verpassen konnte als niemand sonst. Elisabeth Schmidt, die immer brillierte, nie Fehler machte und nicht nur Liebling ihres Chefs war. Alle liebten sie.
Ein Grund mehr, sie nicht zu mögen.
Er gewann seine Fassung zurück, nickte ihr zum Abschied zu und ging nach draußen, wo er vor der Tür stehen blieb und kurz überlegte, was er als Nächstes tun würde. Den Abend hatte er frei, Zeit und Lust die Seele baumeln zu lassen und das Leben zu genießen. Elisabeth. Hm ...
Elisabeth hatte gezahlt und ging ebenfalls ins Freie. Sie wunderte sich, warum Moritz noch vor der Tür stand.
»Na, hat der Teufel keine Zeit für ein Bier?«
»Er hat gerade geschrieben, dass er sich etwas verspätet.« Der Spruch saß, dachte sich Moritz. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, hatte sich Elisabeths Verabredung noch nicht einmal gemeldet. Ihm war aufgefallen, dass sie die ganze Zeit den Nachrichteneingang überprüft hatte. Er war neugierig geworden. »Mal unter uns, es geht mich ja eigentlich nichts an, aber auf wen zur Hölle haben Sie da drin gewartet?«
»Mag sein, dass in Sebastian, auf den ich gewartet habe, etwas Diabolisches schlummert, aber ich werde es nie erfahren. Für Versetzen ohne gute Erklärung gibt es keine zweite Chance.«
»So, so. Sebastian«, murmelte er. »Sagen Sie mal, das hier ist doch meilenweit außerhalb Ihres Reviers, oder!?«
»Ja? Ich wusste bis gerade nicht, dass ich ein Revier habe. Offenbar wildere ich in Ihrem?« Ihr Augenaufschlag hatte etwas eindeutig Flirtives. Wieder fragte sie sich, was sie da tat und ertappte sich, dass sie ihn musterte. Nun ja, Moritz ist eigentlich nicht zu verachten. Groß, sportlich, dunkles Haar und diese sehnsuchtsvollen, grau-blauen Augen. Wären da nicht sein übertrieben loses Mundwerk und diese Egomanie. Aber irgendwie ist er auch witzig und ... Stop. Das ist Moritz! Moritz Machoman Fürst. Beherrsch dich, Frau Schmidt!
»Na ja, so weit ab vom Schuss ... Sie wollen doch nur sichergehen, dass Ihr Mann nichts von Ihren Heimlichkeiten mitbekommt!«, hielt er fest.
»Moritz, ich habe keine Heimlichkeiten. Mein Mann ist vor fünf Monaten verstorben und ich hätte heute das erste Date seitdem gehabt.« Sie Arsch,
wollte sie noch angefügt haben, aber das wäre unfair gewesen. Woher sollte er es auch wissen?
»Oh.« Er wandte sich ihr zu und sah sie ernst an. »Es tut mir leid, das zu hören. Verzeihen Sie mir meine Gemeinheit von gerade, bitte.«
»Schon in Ordnung. Sie hatten keinen Grund, mich anders zu behandeln als sonst auch. Und ich bin offen gestanden froh, wenn ich nicht ständig bemitleidet werde.«
Moritz schmunzelte, was Elisabeth wiederum verblüffte.
»Ich weiß genau, was Sie meinen.«
»Wissen Sie?« Elisabeth war skeptisch. Familienprobleme hin oder her, in diesem Punkt wusste sie von Moritz zu wenig, als dass sie seine Aussage hätte einordnen können. »Sie sprechen in Rätseln. Was genau meinen Sie?«
»Ich weiß, dass es unhöflich ist, auf eine Frage mit einer Gegenfrage zu antworten, doch bevor ich Sie erhelle, wüsste ich gern noch etwas von Ihnen.«
»Bitte ... Fragen Sie.« Elisabeth war zu neugierig geworden, sie konnte Geheimnisse und Überraschungen auf den Tod nicht ausstehen und hätte ihm daher so ziemlich jede Frage beantwortet.
»Was hatten Sie und dieser geheimnisvolle treulose Sebastian hier vor?«
»Keine Ahnung, wenn ich ehrlich bin. Nach der Party bei meiner Freundin, wo wir uns kennengelernt haben, haben wir ein paar Mal geschrieben und zweimal telefoniert. Er hat dann gefragt, ob wir uns hier treffen wollen, er würde mir gern etwas zeigen. Ich werde wohl nie erfahren, was es hier zu sehen gibt.«
»Hm. Abgesehen von Schloss Eschberg und dem Museum, der Altstadt, dem Kino oder dem Wald gibt es hier hauptsächlich Ruhe und Beschaulichkeit. Und eine Shoppinggalerie. Weltstadt Eschberg ...«
Elisabeth lachte. »Das Schloss kenne ich ganz gut. Ich war mehrmals hier zu Ausstellungen und ich habe mit meiner Freundin ein paar Wellness-Wochenenden im Schlosshotel verbracht. Dabei habe ich auch die Umgebung ein bisschen kennengelernt, also was das Sightseeing angeht, werde ich heute Abend wohl nichts verpassen. Und was Sebastian betrifft ...«, seufzte sie, »da wohl auch nicht.«
Moritz sah sie an und lachte. »Ich scheine vergessen zu haben, wie pragmatisch Sie sind ...«
Elisabeth runzelte die Stirn. »Weichen Sie der Antwort aus, die Sie mir schulden?«
»Nein, das war keineswegs meine Absicht. Ich weiß leider zu genau was Sie meinen, wenn Sie sagen, dass Sie das Mitleid satthaben. Ich habe vor etwas mehr einem halben Jahr meine Frau verloren, sie hatte einen inoperablen Gehirntumor; von der Diagnose bis zum Tod blieben ihr vier Wochen.«
»Oh ... Das wusste ich nicht. Es tut mir leid für Ihren Verlust.«
Betreten sah sie ihn an. Sie standen immer noch vor dem Café. Die Sonne streifte zwar schon den Horizont, aber spendete an diesem frühen Juniabend ein märchenhaftes Licht und einen ersten Anflug der Wärme des nahenden Sommers. Moritz reagierte nicht direkt auf ihren letzten Satz, er sah sie nachdenklich an, keinesfalls böse oder abwertend. Eher abwartend.
Elisabeth ergriff das Wort. »Bevor Sie fragen; ich werde das Gespräch hier für mich behalten. Auch wenn in der Firma die wildesten Gerüchte kursieren.«
»Danke dafür. Ich bin aber unterrichtet. Dr. Bruckmann ist quasi meine Verbindung zur Alten Welt. Ich habe ihn gebeten, nichts dazu zu sagen. Schon interessant, was die Leute so erzählen.«
»Dr. Bruckmann ist eingeweiht?«
»Ja. Er war der Einzige, dem ich mich anvertrauen konnte. Wir kennen uns besser, als es scheint, aber das ist nichts, was jetzt hierher gehört.«
»Verstehe. Moritz, ich will Sie nicht länger belästigen, ich werde jetzt nach Hause fahren und diesen Tag so schnell es geht vergessen.«
Elisabeth war ganz und gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass Moritz und ihr Chef unter einer Decke steckten. In der Firma waren sie wie Feuer und Wasser gewesen. Dr. Bruckmann hatte Elisabeth immer wieder darauf angesetzt, Moritz’ Arbeit streng zu kontrollieren und auch in der letzten gemeinsamen Jahrespräsentation hatte es wieder harsche Kritik gehagelt.
»Schade. Ich dachte, dass wir noch mal reingehen würden und unser Gespräch in Ruhe und etwas bequemer weiterführen könnten.«
Elisabeth sah Moritz verwirrt an, er war leicht errötet um die Wangen, blickte beinahe scheu zu ihr hinüber und trat von einem Bein auf das andere. »Bitte wie? Wer sind Sie und was haben Sie mit Moritz Fürst gemacht?«
»Elisabeth, ich weiß, dass das irgendwie seltsam ist, aber ich habe bisher mit niemandem über meinen Ausstieg gesprochen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern mein Schweigen brechen und den miesen Start, den wir heute … und … generell hatten, irgendwie noch ausbügeln.«
»Hm ...« Elisabeth grübelte. Sie sah Moritz von der Seite an. Ohne seine Maßanzüge, nur in Jeans und Shirt, wirkte er so normal und das Nachdenkliche in seiner Stimme ließ ihn beinahe verletzlich erscheinen. Hätte sie heute früh jemand nach einer treffenden Beschreibung für Moritz Fürst gefragt, hätten ihr zwei Worte gereicht: Patrick Bateman. »American Psycho«. In Bret Easton Ellis’ Roman und der gleichnamigen Verfilmung ein Psychopath mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, mutmaßlicher Killer. Niemand, mit dem man spaßte. Jetzt jedoch war sie gleichermaßen verunsichert wie neugierig. Die unbekannte Seite an Moritz hatte ihr Interesse geweckt.
»Wollen Sie oder nicht?«
»Sorry, ich hatte gerade eine etwas längere Leitung. Ja, gern sogar.«
Moritz blinzelte ihr zu und lächelte.
Oh, er kann ja lächeln ... und wie ... oh-oh ...
Er hielt ihr die Tür auf und berührte sie beim Hineingehen leicht an der Schulter. Diesmal steuerten sie auf einen Tisch am anderen Ende des Cafés zu, vor dem Kamin mit Blick Richtung Marktplatz. Elisabeth vermied es, ihm direkt in die Augen zu sehen, die Berührung an der Schulter war unerwartet gewesen. Zu lang, um zufällig geschehen zu sein, aber zu vorsichtig, um sie als übergriffig aufzufassen.
Im Stuhl zurückgelehnt sah Moritz Elisabeth an. Ihre braunen Augen strahlten eine Wärme aus, die er nie an ihr wahrgenommen hatte, sie wirkte dennoch ein wenig reserviert. Ob sie es ihm übelnahm, dass er sie gerade berührt hatte? Es gab für ihn eigentlich keine Veranlassung dazu, sie anzufassen. Außerdem hätte er sie gestern noch, wenn man ihn nach einem Vergleich zu ihr gefragt hätte, als Fräulein Rottenmeier bezeichnet. Das strenge Kindermädchen aus Heidi, welches größten Wert auf Etikette und Bildung legte. Moritz hatte instinktiv gehandelt; er konnte nicht erklären, warum er ihr nähergekommen war. Wenn es ihr unangenehm gewesen wäre, hätte sie mich zurechtgewiesen, oder? Er wurde noch nicht so recht schlau aus ihr.
Elisabeth nippte an ihrem Kaffee, Moritz hatte sich ein Ginger Ale geordert und beugte sich ein wenig zu ihr vor.
»Elisabeth ...«
»Hm?« Sie sah immer noch aus, als würde sich gleich die Chinesische Mauer um sie herum als Schutzwall auftun.
»Können wir uns vielleicht duzen? Ich meine, wir sind nicht mehr in der Firma, es ist Freitagabend und wir haben gerade angefangen, eine nette Ebene zur Kommunikation zu finden ...«
»So ... Haben wir das?« Natürlich fand Elisabeth es albern, sich zu siezen, Moritz war nur knapp vier Jahre älter als sie und schon in der Firma hätte nichts dagegen gesprochen. Nur wollte sie ihn noch ein wenig aus der Reserve locken. »Für wie lange denn?«
»Was für eine Frage ...« Moritz lachte. »Elisabeth, du bist niedlich. Eigentlich dachte ich, dass das dann für immer gilt. Wir können aber auch gern erst mal nur für heute Abend vereinbaren.« Er wunderte sich tatsächlich ob der Frage nach dem »wie lange«, konnte sich aber ausmalen, dass Elisabeth einmal mehr von ihrer misstrauischen Ader gepackt worden war und sie deshalb dem freundschaftlichen Ton zynisch begegnete.
»Niedlich? Du irrst dich, Moritz. Ich bin alles andere als niedlich. Aber lassen wir das. Ich frage mich die ganze Zeit schon, was dich heute hierhergeführt hat.« Nachdrückliches Lächeln. Auffordernde Handbewegung. Zwinkern.
Moritz schmunzelte. »Das ist ganz einfach. Ich habe der Dame an der Bar gesagt, sie möchte mich bitte immer dann informieren, wenn eine nette junge Frau das Lokal betritt, die offensichtlich nicht vergeben ist und mein Interesse wecken könnte.«
»Schon klar«, lachte sie. »Und jetzt bitte die Wahrheit.« Trotz eines Kopfschüttelns über seine misslungene Lüge blieb bei ihr ein gewisses warmes Gefühl zurück. Wollte er ernsthaft damit sagen, dass sie, losgelöst von allen bisherigen Erfahrungen miteinander, für ihn eine nette junge Frau war, die sein Interesse wecken könnte? Nein. Oder doch?
Das Bild von Moritz veränderte sich vor ihrem inneren Auge beständig und immer wieder drängelte sich seine warme, sanfte Berührung ihrer Schulter dazwischen. In diesem Moment fiel ihr zum ersten Mal auf, dass Moritz’ begehrenswerter Mund an diesem Abend bereits häufiger gelacht hatte, als in allen anderen Situationen zuvor zusammengenommen. Begehrenswert!? Seit wann ... heieiei ... ja, begehrenswert!
»Was soll ich sagen ... Ich wohne nur unweit von hier, hatte Langeweile und heute Abend frei. Ich wollte in Ruhe die Zeitung lesen und entspannt überlegen, was ich noch machen könnte. Aber dann kam mir quasi der Teufel in Prada dazwischen.«
»Erstens trage ich kein Prada; nicht an einem Freitag zu einem ersten Date. Zweitens kam ich dir nicht dazwischen, sondern höchstens in den Weg. Dazwischen hieße ja, dass du deinen ursprünglichen Plan wieder aufgenommen hast.«
»Hm. Bisher habe ich deine Klugscheißerei immer gehasst. Jetzt finde ich das irgendwie – ja, ich bleibe bei niedlich.« Er wusste, dass die Bezeichnung »niedlich« sie provozieren würde.
»Gut. Dann findest du mich halt niedlich. Du wirst schon sehen, was du davon hast.« Sie begann, den Spieß umzudrehen. Necken konnte sie auch. Mal sehen, wie weit Moritz mitging.
»Fein. Dann lass dir gesagt sein, dass du mit zweitens falsch lagst. Ich überlege tatsächlich wieder, wie dieser Abend weitergehen könnte.«
»Hmmm. Okay. Punkt für dich. Aber eigentlich hast du mir vor der Tür gerade suggeriert, dass du reden wolltest. Das klang nach einem fertigen Plan.«
»Markus kann froh sein, dass er dich hat. So muss er nicht alle Haare auf meinem Kopf alleine spalten.«
»Markus? Du meinst Dr. Bruckmann?« Elisabeth wurde hellhörig. Moritz hatte ja angedeutet, dass er und ihr Chef sich besser kannten – es wurde interessant.
»Ja. Komisch, dass ihr euch immer noch siezt. Ich wette, Markus mag dich, bewundert dich ...«
»Bitte? Wie meinst du das? Wenn dem so wäre, würde er mich ja wohl eher duzen als nicht. Oder?«
»Hmmm. Markus ist da etwas komplizierter gestrickt. Wenn ihn eine Frau wirklich fasziniert, hält er sie auf Distanz, bis er sich sicher ist, wie er damit umgehen soll.«
»Weiß er, dass du so von ihm redest?« Elisabeth fragte sich die ganze Zeit, ob und wie sie die Vertrautheit zwischen den beiden Männern übersehen haben konnte, wenn es sie denn gab. Eigentlich galt sie als sehr empathisch, ein derartiges Kulissenspiel hätte ihr auffallen müssen.
»Markus und ich haben zusammen studiert, wir waren eine Zeit lang die besten Freunde. Bis er auf die wahnwitzige Idee kam, ich wollte ihm seine damalige Freundin ausspannen. Völliger Blödsinn, ich fand sie furchtbar. Eigentlich war mein Plan, die beiden auseinanderzubringen. Als ich dann nach ihm in die Firma eintrat, hat er sich entschuldigt, er hätte überreagiert. Dass wir nach außen hin so abweisend zueinander waren, hing ursprünglich nur mit Potthoff von der Personalabteilung zusammen, der das gern so dargestellt hat, damit es nicht so aussah, als hätte Markus einen alten Freund in der Firma untergebracht.«
»Hattest du das nötig?« Elisabeth konnte kaum glauben, was sie da hörte. Mit professionellem Auge betrachtet, war Moritz brillant. Analytisch und umsichtig, ein Rationalist mit Weitsicht. Dass es in seiner Abteilung schlecht gelaufen war, lag weniger an ihm, als an den firmeninternen Umständen. Seit seinem Weggang waren die Zustände im Team fatal geworden. So gesehen hatte er eine Meisterleistung vollbracht, auch wenn die Ergebnisse nach außen hin anderes vermuten ließen.
»Nein. Nötig war das nicht. Ich habe mir zwar in der Uni nicht so viel Mühe gegeben wie Markus, aber den Job habe ich ohne sein Zutun erhalten. Wir haben uns erst nach dem Einstellungsgespräch mehr oder weniger zufällig auf dem Flur gesehen.«
»Sehr seltsam ...«, murmelte sie. Ihre Gedanken schwirrten zunehmend.
»Er hat mir aber wirklich nichts vom Tod deines Mannes erzählt. Ich hätte sonst sicherlich sensibler reagiert vorhin«, warf Moritz ein.
»Schon okay. Ich bin nur gerade etwas überwältigt und kann noch nicht einordnen, wie ich mich ihm gegenüber nächste Woche verhalten soll.«
»Mach dir keine Sorgen, ich kläre das. Versprochen.« Er sah sie aufmunternd an. Elisabeth zweifelte. Wenn das wieder eine von Moritz’ Intrigen war, dann hatte er es diesmal geschafft, sie richtig um den Finger zu wickeln und sie perfekt darin zu verstricken. Jetzt hör schon auf, mich so anzusehen!
Als ahnte er, was in ihrem Kopf vorging, sagte er dann: »Ich bin nicht mehr der alte Moritz, mach dir bitte wirklich keinen Kopf. Ich werde Markus erzählen, dass wir uns unterhalten haben und du brauchst nichts zu befürchten. Keine Spielchen.«
»Ich weiß nicht warum, aber ich vertraue dir da einfach mal«, antworte sie vorsichtig. Es waren weniger seine Worte als wieder sein Blick, der sie beruhigte.
»Weißt du, eigentlich habe ich gerade so überhaupt keine Lust mehr, Trübsal zu blasen ... Lass uns irgendwas unternehmen!« Moritz’ plötzlicher Tatendrang war unübersehbar, er zappelte in seinem Sessel und die Aufbruchstimmung spiegelte sich in seiner Mimik.
»Du bist ja Zucker ... Was schwebt dir denn so vor? Und vor allem: Wer sagt, dass ich mitmache?«
»Hmmm. Gute Frage. Ich wüsste leider nicht, dass heute eine Party für Witwen und Witwer unter fünfunddreißig stattfindet, im Kino war ich gestern mit Markus und gegessen habe ich schon. Wie steht es mit dir?«
»Schade, auf die Party hätte ich dich gern begleitet, Kino war ich auch erst letzte Woche und gegessen habe ich vorhin auf der Arbeit. Das Firmenrestaurant ist immer noch hervorragend.«
»Da war was ... Vor allem die lustigen Experimente mit dem Speiseplan.«
»Erinnerst du dich noch an die Star-Wars-Woche?«
»O ja ... Das war eine der seltsameren Aktionen. Echt lecker fand ich damals die britische Küche. Hätte ich nie gedacht«, nickte er. »Es war eigentlich keine schlechte Zeit bei ECG ... Ein bisschen vermisse ich es schon ...«
Und ich vermisse die Auseinandersetzungen mit dir, schoss es Elisabeth durch den Kopf. War es wirklich so? Bisher war sie davon ausgegangen, dass sie Moritz einfach nur hasste, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Irgendwie schwand aber ihre Sicherheit diesbezüglich sekündlich.
»Und nun. Was denkt dein kluger Kopf gerade?« Ihr war beinahe egal, was Moritz vorschlagen würde, allein um ein besseres Gefühl für ihre Emotionen ihm gegenüber zu bekommen, wollte sie den Abend mit ihm verbringen.
»Kannst du Skifahren?«, fragte Moritz sie ganz unvermittelt.
»Skifahren? Ja. Nur nicht besonders gut. Ich fahre eigentlich Snowboard. Wesentlich besser und lieber.«
»Snowboard? Hätte ich dir nicht zugetraut. Geht das auf High Heels?«
Elisabeth lachte. Es gefiel ihr, zu hören, dass Moritz sich in ihr verschätzt hatte. Und dass er offenbar um ihre Vorliebe für High Heels wusste; er musste es sich von damals gemerkt haben, denn heute trug sie, ursprünglich Sebastian zuliebe, Ballerinas. Sebastian. Tja, Pech gehabt. »Ja, Snowboard. Seit 14 Jahren, um genau zu sein. Und nein, das geht nicht besonders gut auf High Heels. Ich habe es zum Spaß mal versucht. Mit ganz viel Panzerband, in Etuikleid und mit Handtasche, aber der Halt war nicht der Beste. Ich bleibe klassisch bei Boots und Bindung.«
Moritz sah sie an, lachte laut und nahm ihre Hand. »Wenn du davon mal irgendwann ein Bild für mich hast, würde ich mich sehr darüber freuen.« Er küsste ihre Hand und sah ihr tief in die Augen. Sein Herz schlug schneller und er biss sich auf die Unterlippe. Vorsichtig legte er ihre Hand wieder ab.
Elisabeth wäre am liebsten in Ohnmacht gefallen. Was war das denn jetzt? Moritz hatte ihre Hand geküsst, sanft wie eine Feder, für einen bittersüßen Moment. Noch vor einer halben Stunde hätte sie an einen Scherz geglaubt, aber jetzt spürte sie ein seltsames Gefühl der Vertrautheit.
Leise erklärte sie, was es mit der Geschichte auf sich hatte. »Es gibt tatsächlich Bilder davon. Eigentlich könntest du sie sogar kennen. Sie sind vor zwei Jahren auf der Weihnachtsfeier entstanden, es war Dr. Bruckmanns Idee!«
»Hm. Vor zwei Jahren war ich im Urlaub, als die Feier war, deswegen hab ich mir die Bilder nie angesehen. Aber umso besser, dann kannst du mir ja Montag direkt den Beweis liefern.«
»Glaubst du mir etwa nicht?«
»Doch, aber ich ...«
»Sprich ruhig weiter ...«
»Vergiss das mit dem Foto.« Er griff ihre Hand und hielt sie fest. Moritz war froh, dass Elisabeth sie nicht wegzog, im Gegenteil, sie hielt ihn fest und sah ihn mit diesem ihm unbekannten Blick an. Nett. Süß. Bezaubernd.
»Hast du Lust, heute noch Snowboard zu fahren?«, flüsterte er.
»Heute? Du meinst in der Halle?«, entgegnete sie leise.
Moritz nickte wortlos. Sag jetzt bitte nicht nein, bitte, bitte, bitte, bi-
»Hm. Da ist es freitags immer so voll ...«
»Bis wir da sind, ist ungefähr sieben Uhr, da ist es nicht mehr ganz so schlimm. Du musst ja nicht, wenn du nicht magst.« Das mit dem Nachsatz war jetzt dumm ...
Sie zwinkerte ihm zu. »Ich mag immer. Sonst hätte ich wohl kaum eine Dauerkarte.«
»Echt? Na, dann lass uns!«
»Fein ...« Elisabeth konnte kaum fassen, welche Wendungen dieser Abend nahm. Sie hielt aber aus einem anderen Grund kurz inne. »Hm. Rein logistisch stellt sich mir gerade die Frage, wie wir das am geschicktesten angehen. Ich komme auf dem Weg zur Skihalle an zu Hause vorbei und könnte meine Sachen holen. Du hast gerade angedeutet, dass du hier in der Nähe wohnst, ich könnte dich mitnehmen und nachher zurückbringen.«
»Ja, ich wohne hier um die Ecke. Ich schlage vor, dass du zu dir fährst, deine Sachen packst und ich sammle dich ein, später bringe dich auf meinem Heimweg wieder zurück. Wesentlich effizienter.«
»Wenn es dir keine Umstände macht ...« Ihre Hand lag immer noch in seiner und er blickte ihr tief in die Augen. Elisabeth begann, vorsichtig über seine Finger zu streichen. Hätte mir am Morgen jemand gesagt, dass ich heute Abend händchenhaltend mit Moritz aus dem Café spazieren würde, wäre ich in schallendes Gelächter ausgebrochen und hätte denjenigen zwangseinweisen lassen.
»Mein Auto steht direkt hier.« Sie hielt vor ihrem weißen Yeti und deutete darauf. »Soll ich dich irgendwo absetzen?«
»Nein, vielen Dank. Ich habe es wirklich nicht weit und werde den Weg gleich für ein Telefonat mit Markus nutzen. Wohnst du noch in dem Haus von damals?«
Elisabeth hatte die Kollegen aus der Abteilungsleiterrunde vor einem Jahr zum Grillen bei sich eingeladen und war erstaunt gewesen, dass auch Moritz trotz der Querelen gekommen war. Im Nachgang erklärte sich ihr Einiges.
»Ja, hast du die Adresse?«
»Nicht ganz, aber ich weiß den Weg noch. Für irgendwas muss ein nahezu fotografisches Gedächtnis ja gut sein.«
»Na dann ...«, zwinkerte sie ihm zu.
Dass er ein atemberaubendes Gedächtnis hatte, war in der Firma legendär. Moritz hatte damals mit seinem Kollegen die Büros getauscht, da er unbedingt Nummer 131 haben wollte. Er hatte zunächst ein Geheimnis darum gemacht, aber wie sich herausstellte, war diese Zahl das Ergebnis seines Intelligenz-Tests bei MENSA.
»Ich habe übrigens auch immer noch dieselbe Handynummer!«
»Gut. Falls ich mich verfahre, rufe ich dich an.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, vielmehr war es ein Hauch von einem Kuss, viel zu schnell vorbei und kaum da gewesen.
»Dann bis gleich.« Elisabeth fasste sich ein Herz und zog noch einmal kurz an Moritz’ Handgelenk, um ihn zurückzuholen.
»Ja?«, fragte er, als hätte sie ihn gerufen. Doch da spürte er bereits ihre sanften, warmen Lippen auf seinen, flüchtig und fragil.
Im nächsten Moment ließ sie seine Hand los und drehte sich zum Auto, winkte ihm zu. »Fahr vorsichtig!«, rief sie noch und schon war sie weg.
»Nicht zu fassen«, lachte Markus Bruckmann.
»Ich bin auch irgendwie ... völlig durch den Wind«, entgegnete Moritz und nahm das Handy ans andere Ohr, um mit der Hand nach seiner Schlüsselkarte zu fischen. »Aber ruf sie jetzt bloß nicht an. Und sei lieb zu ihr!«
»Das bin ich immer!«, antwortete Markus und verabschiedete seinen Freund. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Erinnerung an den Flugzeugabsturz von Elisabeths Mann ließ es ihm schwer ums Herz werden. Ihr Verhalten hatte ihn damals beinahe aus der Fassung gebracht. Zu Lebzeiten hatte er ihn für ihre Geißel gehalten. Zwar relativierte er nach Jans Tod seine Aussage, ließ Elisabeth aber wissen, dass sie ohne ihn besser gestellt sei; die vielen Male, als er unter ihrem Make-up noch die Spuren der Tränen erkannt hatte, so oft, wie sie in ihrem Büro die Tür geschlossen und er den Streit am Telefon trotzdem hatte mithören können. Und das seltsame Verhalten ihres Mannes, wenn er sie hin und wieder abgeholt hatte. Ein Paar, das weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick zusammengepasst hatte.
Auch wenn Trauer mitunter seltsame Kapriolen schlug; ihr pragmatischer Umgang damit hatte ihn hilflos werden lassen und hielt ihn nach wie vor davon ab, seine eigenen Gefühle für sie genauer zu erforschen. Es wunderte ihn indes, dass sie in der Arbeit immer noch ihre Erfüllung sah und weitermachte, als sei nie etwas gewesen. Er fragte sich und sie, warum sie nicht die Zahlungen der Versicherungen für ein sorgenfreies Leben nutzte, statt sich in der Firma aufzureiben. Außerdem erhielt sie beträchtliche Erlöse aus den Patenten, die ihr Mann angemeldet und ihr vererbt hatte. So oder so könnte sie also ihre Zeit den schönen Dingen des Lebens widmen. Eine Antwort war sie ihm immer noch schuldig. Er beließ es aber dabei; Frauen waren ihm ohnehin ein Mysterium und Elisabeth für ihn nicht erst seit dem Gespräch mit Moritz gerade unantastbar.
Als sie auf der Autobahn war, schauderte sie. Mit einem Mal war sie völlig fassungslos über sich selbst, die Situation und vor allem über ihre Gefühle. Moritz, von allen Männern dieser Welt, ausgerechnet Moritz Fürst. Den sie immer für einen arroganten Psychopathen gehalten hatte, einen egozentrischen Sturkopf und gefühllosen Macho. Moritz, den sie nun geküsst hatte. Flüchtig. Aber dessen Lippen sie sich gerade mehr herbeisehnte als alles andere. Und den sie in wenigen Minuten wiedersehen würde.
Das Radio wurde leiser und signalisierte einen Anruf.
»Hey ...« Es war Moritz.
»Hey ...«
»Glaub ja nicht, dass du mir so einfach davonkommst!«
»Womit?«, fragte sie gespielt unsicher, um ihre plötzlich entfachte wahnsinnige Vorfreude auf das Treffen zu überdecken.
»Mich einfach so stehen zu lassen, nachdem du das getan hast.«
»Was hab ich denn getan?«
»Etwas, was du gern öfter tun dürftest.«
»So? Na, gut, dass der Abend noch jung ist.«
»Ich freu mich auf gleich ...«, sagte Moritz. Autsch, das war direkt ...
»Ich mich auch ...«, antwortete sie. Na toll, jetzt hast du dich verraten. Wobei ... ist das so schlimm?
»Ich schätze, ich bin in neunzehn Minuten bei dir.«
»Oh, dann bist du aber geflogen. Ich biege gerade in die Einfahrt ein. Ich leg jetzt auf. Bis gleich.« Atmen. Atmen nicht vergessen!
Ihre Snowboardsachen lagen im Keller beisammen; im Handumdrehen hatte sie sich umgezogen, war in Turnschuhe geschlüpft und hatte die Boots in die Tasche gelegt. Sie stürzte ein Red Bull in sich hinein, band sich die Haare zusammen und hörte kurz Maries Nachricht auf der Mailbox ab. Sebastian hätte sich bei ihr gemeldet, er hätte es sich anders überlegt; ob sie Elisabeth ausrichten könnte, dass er nicht zum Date käme.
Immerhin ehrlich, dachte sich Elisabeth. Aber es war ihr ohnehin egal. Sie wunderte sich nur, warum Marie ihr die Nachricht auf dem Anrufbeantworter vom Festnetz hinterlassen hatte, nicht auf dem Handy. In diesem Moment konnte sie ein Paar Scheinwerfer durch die kleinen Glaselemente in der Haustür sehen. Als sie kurz hinausblickte, erkannte sie den Landrover, den Moritz auch damals schon gefahren hatte, und öffnete die Haustür.
Er stieg aus und nahm ihr das Board und die Tasche ab, um beides im Kofferraum zu verstauen, dann zupfte er am Ärmel ihrer Fleecejacke. »Da ist aber jemand warm angezogen. Es sind 21 Grad, werte Dame. Wo willst du hin?«
Sie zupfte am Ärmel seines Kapuzenpullovers und bemerkte ganz nebenbei, dass ihn der sportive Look ziemlich reizvoll aussehen ließ.
»Hm, ich dachte mir, dass man Anfang Juni einfach mal eine Runde Snowboard fahren könnte, freitagabends, wenn die Flirtwilligen von der Piste zum Aprés-Ski übergegangen sind und man die Halle für sich allein hat. Und du?«
»Ist ja irre, ich hatte gerade dieselbe Idee. Komm doch mit mir mit ...« Beide grinsten und sahen einander an, wie albern sie waren; es störte sie aber nicht im Geringsten.
An den Bändern seiner Kapuze zog sie ihn etwas näher zu sich, angelehnt an die Ladekante des Geländewagens und in Turnschuhen war er gute anderthalb Köpfe größer als sie. Sie warf einen Blick in den Kofferraum und entdeckte ein weiteres Snowboard mit Zubehör.
»Hast du mich nicht vorhin gefragt, ob ich Ski fahre?«
»Ja, hab ich. Aber das indizierte nicht, dass ich nicht Snowboard fahre.«
»Heißt also, dass du gedacht hast, dass ich, wenn ich überhaupt wintersportaffin bin, dann eher so ein Skihasi wäre?«
»Ja, ich muss gestehen, dass Snowboard jetzt nicht die erste Assoziation gewesen ist. Aber umso besser. Auf Skiern mache ich nämlich auch eine richtig schlechte Figur.«
»Können wir endlich los oder küsst du mich vielleicht vorher noch?« Elisabeth zog einen Schmollmund und zwinkerte ihm zu.
»Aber nur gaaaanz kurz, bevor ich auf den Geschmack komme und wir den Abend noch ein weiteres Mal umplanen ...« Er beugte sich zu ihr herunter, legte seine Arme um sie und gab ihr einen schüchternen Kuss. Seine Lippen waren so wunderbar süß und warm, dass Elisabeth weiche Knie bekam. Mit der Nase stupste sie ihn an und flüsterte ihm ins Ohr: »Moritz, schaff mich auf die Piste oder ich wechsel das Revier ...«
Verschmitzt grinsend sah er sie an. »Top Gun. Einer meiner Lieblingsfilme. Lass uns lieber fahren, sonst ändere ich die Abendplanung tatsächlich ...«
»Oh, oh ... dann aber schnell jetzt.«
Lachend stiegen sie ein. Während der kurzen Fahrt zur Skihalle nahm Moritz immer wieder Elisabeths Hand und küsste sie darauf. Ohne, dass sie ihn danach gefragt hatte, begann er zu erzählen. Dass er in der Firma gekündigt hatte, um für Danielle da zu sein. Niemand hatte geahnt, dass die Krankheit so tragisch verlaufen würde. Moritz sprach, ähnlich wie Elisabeth, wenn sie über Jans Tod redete, in kurzen, beinahe gelassenen Sätzen. Ein wenig melancholisch wurde er, als er jedoch erläuterte, was nach der Trauerfeier passiert war. Danielles Chef hatte ihn angerufen und um ein Gespräch gebeten. Dabei hatte sich herausgestellt, dass die beiden seit über einem Jahr ein Verhältnis gehabt hatten. Danielle war Amerikanerin und hatte Moritz ziemlich schnell nach ihrem Kennenlernen geheiratet, um ihre Aufenthaltsberechtigung nicht zu verlieren.
Mit Peter war sie schon zwei Jahre vor Moritz zusammen gewesen, eigentlich sollte ihr Aufenthalt in Deutschland eine Beziehungspause sein, offenbar hatte sie es aber nicht ohne ihn ausgehalten und versprochen, dafür zu sorgen, dass er nach Deutschland kommen könnte. Peter kam dann zunächst mit einem Arbeitsvisum nach, wurde in der Klinik sogar ihr Chef und damit begann ihr Doppelleben. Anderthalb Jahre waren Moritz und Danielle verheiratet gewesen. Als Krankenschwester hatte sie Schichtdienst gearbeitet, er war häufig lange in der Firma geblieben.
Zeitweise hatten sie sich wenig gesehen, ihm wäre jedoch nie in den Sinn gekommen, dass es Danielle gestört hatte. Warum, wurde ihm klar, als Peter seine Offenbarung geleistet hatte, ohne mit der Wimper zu zucken. Moritz hatte es kaum fassen können, bis Peter ihm schlussendlich als Beweis Bilder von sich und Danielle vorlegte und das Ganze auch noch toppte, indem er Moritz Dokumente zeigte, die belegten, dass Danielle bereits einen Anwalt mit der Scheidung beauftragt hatte.
Seine Frau hatte ihn also belogen und betrogen. Das im Nachhinein zu erfahren hatte ihn noch mehr erschüttert, als ihr Tod. Ihm wurde umso schmerzlicher bewusst, wie sehr er sich in ihr getäuscht hatte. Dass für ihn eine Welt zusammengebrochen war, konnte Elisabeth nur allzu gut nachvollziehen; zu dem plötzlichen Verlust gesellte sich bei Moritz noch der nachträgliche Tiefschlag. Sich danach neu zu orientieren war eine Herausforderung.
Moritz hatte dann einen neuen Job angefangen, kleines Unternehmen, Risikobewertung und -steuerung, ein bisschen Verantwortung, aber irgendwie nicht das, was ihn langfristig reizte. Dennoch war er für den Moment zufrieden, das Gehalt war okay, er konnte sich die Arbeit einigermaßen frei einteilen und hatte einen kurzen Weg ins Büro. Irgendwann würde er wieder etwas anderes machen, aber über das Wann und Wie wollte er sich noch keine Gedanken machen.
Die Skihalle war nahezu leer, es war kurz nach sieben, als sie auf dem Plateau die Boards anschnallten. Moritz stand ihr gegenüber und fuhr auf Elisabeth zu.
»Du fährst goofy?«
Ihm war nicht aufgefallen, dass ihre Bindung konträr zu seiner auf das Board geschraubt war. Jetzt wo sie stand, war aber zu erkennen, dass sie mit dem rechten Bein vorne stand. Ungewöhnlich.
»Ja. Schlimm? Kannst du nicht mit einer Frau den Abend verbringen, die zwar mit beiden Beinen fest auf dem Board steht, aber eben nicht ›regular‹ ist?« Sie kräuselte die Nase.
»Ich weiß nicht, ob ich das kann. Aber ich würde gerne.«
Er fuhr dicht an sie heran und neigte sich vor, um sie zu küssen, allerdings waren die Snowboardhelme im Weg und Moritz traf nur ihre Nasenspitze.
»Na, das üben wir aber noch mal, Herr Fürst«, lachte Elisabeth und knuffte ihn in die Seite.
Moritz hob die Augenbraue und schmunzelte. »Frau Schmidt, ich muss mich dringend noch mal mit Ihrem Chef unterhalten, Sie sind ziemlich aufmüpfig in der letzten Zeit ...«
»Wer als Letzter unten ist, ist ein Verlierer und bekommt das L für Loser auf den Helm geklebt!«, rief Elisabeth, machte einen Sprung mit dem Board und fuhr los. Die Piste war frei und sie konnte in kurzen Schwüngen nahezu direkt hinunterfahren. Aber Moritz war schnell und beherrschte sein Board ziemlich gut, ihr Vorsprung schmolz dahin. Nahezu gleichzeitig schossen sie über die Ziellinie und schnallten die Boards für den Rücktransport nach oben wieder ab.
»Wenn mich nicht alles täuscht, waren wir zeitgleich unten!?«, fragte Moritz. Sein Gesicht war leicht gerötet von der Kälte und er grinste sie an.
»Hm, deine Nose war eher über der Ziellinie, dein Board ist zwar länger als meins, aber soweit ich weiß, ist das kein Kriterium. Das L bekomme dann heute wohl ich.« Die Resignation in ihrem Ausdruck war mehr gespielt als von wahrer Natur. Dennoch ärgerte es Elisabeth, dass Moritz ihr offenbar so minimal überlegen war. Auf dem Transportband nahm er den Helm ab, befestigte ihn an seinem Board und legte beides auf das Band, um dann die wenigen Schritte zu Elisabeth aufzusteigen. »Wir haben jetzt knapp fünf Minuten Zeit ...«
Sie hielt ihr Board im Arm, sah ihn an und wackelte tadelnd mit dem Zeigefinger. »Du weißt schon, dass du dein Board nicht allein lassen solltest?«
»Ja. Ich weiß aber auch, dass ich dich nicht allein lassen sollte ...«
Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und legte auch ihr Board ab.
»So, so. Woher weißt du das?«
»Na ja, wissen wäre zu viel gesagt, ich habe da so eine Vermutung ... Du warst verdammt schnell gerade, ich hatte Mühe, dich einzuholen.«
»Hör auf, mir zu schmeicheln! Ich fahre zwar seit einer Ewigkeit Snowboard, aber nicht besonders gut ... Mein letzter Snowboardlehrer meinte, ich hätte einen verdammt miesen Fahrstil und sollte froh sein, dass es in Flensburg keine Punkte für schlechtes Boarden gibt.«
In diesem Moment hielt, wie so häufig, das Transportband an.
Für gewöhnlich war bei laufendem Band die Geräuschkulisse so laut, dass man die Musik aus den Boxen darüber kaum wahrnahm. Jetzt war es still, Elisabeth horchte auf, es lief »Right here waiting« von Richard Marx.
»Steinalt, aber wunderschön«, schmunzelte Moritz. »Aber gut. Dann keine Schmeichelei ...« Er blickte ihr tief in die Augen, in der Klarheit seiner grau-blauen Iris war Elisabeth innerhalb eines Sekundenbruchteils versunken. Als er sie zu sich heranzog, schlug ihr Herz schneller. Wieder berührten sich ihre Lippen, diesmal jedoch durften sie endlich ungehindert miteinander spielen und sich necken. Elisabeth verspürte plötzlich einen Anflug von Erregung und ließ sich von Moritz’ liebevoller Hingabe mitreißen. Sie erwiderte die Leidenschaft und die Zuneigung, die sie überkam und vergaß die Welt um sich herum.
»Achtung, das Förderband startet jetzt.«
Geweckt von der Durchsage ließen sie kurz voneinander ab, das Band ruckelte auf und zog sie dann wieder gemächlich den Anstieg hoch.
»Seltsamer Ort für einen so schönen ersten Kuss ...« Moritz klang fast entschuldigend.
»Hm ... Besser als ein schöner Ort für einen seltsamen ersten Kuss ...« Elisabeth fragte sich, ob sie noch ganz bei Verstand war. »Was rede ich da? Du machst mich ganz wirr.«
»Immer wieder gern ...«, grinste Moritz frech und küsste sie dafür umso sanfter.
Der Ausstieg war stark vereist und sie rutschten auf den ausgelegten Gummimatten weg. Moritz konnte sich gerade noch fangen, aber Elisabeth schlug es mitsamt Board zu Boden. Sie fiel auf das linke Knie, ihr Brett schlug ihr gegen den Helm und den Unterarm. Moritz warf sein Board in den Schnee und half ihr auf.
»Hast du dir sehr wehgetan?«
»Mein Knie schmerzt höllisch, um bei unserem Leitmotiv zu bleiben ...« Sie stapfte durch den Schnee an den Rand der Piste, um den Ausstieg nicht zu blockieren. Den Helm legte sie beiseite und zog die Handschuhe aus.
Moritz hatte ihr Board getragen und es nun sicher abgelegt, ein Skifahrer fragte, ob er helfen könne, Elisabeth lehnte dankend ab.
»Eigentlich halte ich ja nicht viel von Stockträgern«, schmunzelte sie, »aber hier in der Halle ist das irgendwie anders als in den Skigebieten. Kollegialer ...«
»Na, wenn du gerade keine anderen Sorgen hast ... Oder redest du immer noch wirr?« Er sah besorgt auf ihr Knie. »Willst du nicht nachschauen?«
»Was soll ich mir da ansehen? Ich tippe auf Schürfwunde und Bluterguss. Nichts, was nicht innerhalb von zwei Wochen verheilt wäre.«
»Klingt, als wäre das nicht dein erster Sturz hier gewesen?«
»Ich glaube, der Dritte. Diesen dämlichen Matten sieht man nie an, ob sie gerade rutschig sind oder fest ...«
Elisabeth hatte entgegen ihrer Ansage das Hosenbein hochgeschoben und besah ihr Knie. »Was für ein wunderbares Farbenspiel ... Morgen sieht es aus wie abstrakte Kunst.«
Moritz zog seine Handschuhe aus und öffnete seine Jacke. Er warf einen Blick auf die Verletzung und erschrak.
»Du blutest übrigens.«
»Halb so wild.« Elisabeth tupfte kurz mit einem Taschentuch darüber und schob das Hosenbein wieder runter. »So. Weiter geht’s!«
Moritz lief die wenigen Schritte zu den Boards, um sie zu holen. »Okay. Ich ändere meine Aussage von vorhin. Du bist nicht niedlich, du bist krass.«
»Krass? Ich hätte nicht gedacht, dass das Wort in deinem Wortschatz existiert ...«
»Entschuldige bitte, ich lebe in Eschberg, nicht hinter dem Mond. Nur, weil wir in der Firma nicht so geredet haben ...«
Er legte die Bretter zwischen sich und Elisabeth ab, damit sie nicht wegrutschen konnten.
»Schon okay.« Elisabeth grinste. Immer deutlicher erkannte sie nicht nur die Konturen, sondern den ganzen echten Moritz. »Komm her und gib mir einen Heilungskuss!«
»Aber natürlich, Eure Krassheit!«, entgegnete er, grinste und kniete sich vor ihr in den Schnee.
»Grrrr ... Nenn mich bitte nicht so ... Sooo krass bin ich gar nicht ...«
»Na gut, Eure Nicht-Sooooo-Krassheit!« Moritz hatte eine diebische Freude daran, sie zu aufzuziehen.
»Pfffft ... Dann halt kein Kuss. Wer so frech ist wie du, wird nicht auch noch belohnt!« Sie streckte ihm die Zunge raus, lachte und warf ihm einen Schneeball ins Gesicht.
»Fragt sich, wer hier frech ist ...«, rief er zurück und warf ihr ebenfalls eine Handvoll Pulverschnee entgegen.
»Gut. Wenn ich Eure Krassheit bin, bist du Eure Frechheit. Punkt.«
Moritz schmunzelte und stand auf. Er streckte Elisabeth die Hand entgegen, half ihr auf und schlang seine Arme um sie.
»Du hast irgendwie Schnee im Gesicht ... Wo kommt der denn her?« Zärtlich strich er ihr über die Wange und schob die Schneeflocken über ihrer Augenbraue weg. Elisabeth schloss die Augen, und vergrub ihr Gesicht zwischen seiner Brust und der geöffneten Jacke. Er roch so unwahrscheinlich gut. Sie schmiegte sich eng an ihn und sah zu ihm auf. Moritz neigte ihr den Kopf entgegen und wieder fanden sich ihre Lippen zu einem schüchternen Kuss, der nach und nach leidenschaftlicher und verheißungsvoller wurde. Als Elisabeth sich mit ihren Händen unter Moritz Pullover vorwagte, stellte sie zu ihrer Freude fest, dass sie sich nicht verschätzt hatte, als sie ihn im Café gemustert hatte, er war trainiert. Hell, yes ...
Moritz ließ sie gewähren, ihre Hände waren trotz der Kälte um sie herum warm und weich, ihre Streicheleinheiten gefielen ihm und er genoss es, sie zu küssen. Lass sie jetzt bitte nicht aufhören ... lass einfach nichts heute Abend aufhören.
Bevor Elisabeth jedoch der Versuchung erlag, weitere unbekannte Seiten zu erkunden, zog sie seine Kleidung wieder an Ort und Stelle, schloss den Reißverschluss der Jacke und sah ihn auffordernd an.
»Jetzt aber los! Sonst stellen wir noch einen Negativrekord auf: nur eine einzige Abfahrt an einem Abend ...«
Moritz zog einen Schmollmund. »Ich könnte mir zwar Schlimmeres vorstellen, aber vielleicht habe ich ja gleich noch mal Glück und das Transportband fällt wieder aus.«
»Dann, mein Lieber, wirst du hochlaufen!« Elisabeth zog die Nase kraus und schnallte das Board wieder an. Moritz war schon abfahrbereit und schloss den Kinnriemen seines Helms, als sein Handy klingelte. Genervt verdrehte er die Augen und ging dran.
»Ja, bitte? ... Wenden Sie sich bitte an Herrn Schumacher, ich habe heute Abend eigentlich frei ... Wieso nicht erreicht? ... Hm. Gut. Dann lösen Sie das im Rahmen Ihrer Kompetenz bitte selbst!«
Er klang ein wenig angesäuert. Als hätte er der Person am anderen Ende schon hundertmal das Gleiche gesagt. Elisabeth wiederum wunderte sich, dass man ihn freitagabends anrief, es irgendwie wichtig klang und er es delegierte. Moritz hatte zwar nur wenig über seinen neuen Job erzählt, sie hatte nicht gefragt, aber irgendwie deckte sich das nicht mit dem Eindruck, den er damit hinterlassen hatte.
»Schön. Kann das bis etwa 22 Uhr warten? ... Gut. Ich zeichne das später ab. Auf Wiederhören.«
Nachdem er das Handy eingesteckt hatte, wandte er sich Elisabeth zu.
»Entschuldige bitte die Störung.«
»Kein Problem, musst du los?«
Der Groll in seiner Stimme war verschwunden und er schien das Telefonat schon fast vergessen zu haben. »Nein, ich konnte es so klären. Hopp, ab nach unten mit uns ...«
Die folgenden Abfahrten waren, wie immer, viel zu schnell vorbei und auch das Transportband hatte offenbar einen guten Tag; um sich näher zu kommen blieb ihnen wenig Zeit. Als es auf neun Uhr zuging, wirkte Moritz plötzlich weit weg. Sie standen auf dem Plateau Richtung Ausgang und er lehnte sich an das Geländer.
»Hey ... Wäre es schlimm, wenn wir gleich gehen?«
»Nein, völlig okay. Irgendwie hat mein Knie auch genug für heute. Was ist denn los? Du schaust so grimmig.«
»Hat nichts mit dir zu tun. Eigentlich hatte ich mir heute freigenommen, wie du weißt. Inzwischen habe ich noch zwei weitere Angelegenheiten geklärt und miese Laune. Also so, wie du mich von früher kennst.« Er grinste, Elisabeth schüttelte lachend den Kopf.
»Okay. Blenden wir das mal aus. Wenn du losmusst oder willst, dann fahren wir. Kein Problem.«
»Ich will nicht, ich sollte. Bevor einer der Angestellten noch dafür sorgt, dass ich Amok laufe.«
»So schlimm?«, fragte Elisabeth. Moritz nickte stumm. Für sie Anlass, vorsichtig nachzuhaken. »Ich merke, dass du mir keine weiteren Details von deiner Arbeit erzählen möchtest. Das ist völlig okay. Offenbar liegt dir was schwer im Magen, also lass uns fahren und du kümmerst dich in Ruhe darum ...«
Sie hatte ihr Snowboard bereits vom Schnee befreit und lief auf den Ausgang zu. Wortlos folgte Moritz ihr. Elisabeth ahnte, dass er sich zu gegebener Zeit schon noch äußern würde.
Als sie die Boards verstaut hatten und wieder im Auto saßen, steckte er den Schlüssel ins Zündschloss, ließ aber den Motor nicht an. Sie blickten von der Halde auf die Industriekulisse, die Lichter der Stadt erhellten den Nachthimmel und Moritz starrte gedankenverloren auf die Gichtgasflamme der gegenüberliegenden Kokerei. Blau angestrahlt erhoben sich die Schornsteine in die Höhe und tauchten den Ausblick in ein unwirkliches Licht. Das Glitzern der Skyline bewegte Moritz zu einem Resümee.
»Weißt du, das war ein merkwürdiger Tag. Heute Morgen habe ich die letzten Sachen von Danielle abgegeben und war froh, dieses Kapitel endlich abzuschließen. Ich hab mir heute Abend ausdrücklich freigenommen und mich doch wieder von der Arbeit einholen lassen, statt loszulassen und zu genießen, was gerade passiert.«
»Das kann vorkommen. Warum zieht dich das so runter?«
»Es sollte nicht so sein.« Moritz wandte sich ihr zu und nahm ihre Hand. »Ich vermisse hin und wieder das Stadtleben und die Firma. Insbesondere, wenn mich der Job nervt und ich dann durch mein Verhalten einen Abend wie diesen ruiniere.«
»Du sprichst wieder in Rätseln, Moritz. Wenn du Sehnsucht nach der Stadt hast, komm zurück. Victoria wird dich sicherlich mit Kusshand wieder einstellen. Außerdem ist bei uns Feierabend, wenn Feierabend ist. Keine Anrufe nach Dienstende. Aber offenbar ist es komplizierter, als es auf den ersten Blick aussieht.«
»Ja. Ist es. Ich verrate dir was: Ich hatte bisher drei Dates. Zwei sind noch am selben Abend im Nirwana geendet. Die Dritte hat es noch ein zweites Mal mit mir ausgehalten. Ich weiß, dass ich was ändern muss. Allein: Mir fehlt der Mut zum Absprung. Ich kann nicht zurück in die Firma. Warum, werde ich dir irgendwann gerne erklären. Nur nicht jetzt. Kannst du mir vertrauen?«
Elisabeth war verunsichert. Es fiel ihr nicht leicht, zu antworten.
»Du wirst deine Gründe haben ... Moritz, versteh das bitte nicht falsch, aber ich weiß gern, woran ich bin. Heute Morgen noch hätte dein Name in mir einen Brechreiz ausgelöst und innerhalb weniger Stunden sind Dinge passiert, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte.« Ihre Miene war ernst, besorgt. »Ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich dich wiedersehen werde!?«
Sie schloss die Augen und wartete auf eine Antwort. Moritz schwieg. Als Elisabeth gerade etwas sagen wollte, beugte er sich zu ihr hinüber und küsste sie. Erneut lagen darin eine Wärme und Leidenschaft, die ihre Knie weich werden ließen und den Puls angenehm beschleunigten.
Nach einer Weile löste Moritz sich zögerlich von ihr und streichelte ihre Wange. »Wenn du willst, wirst du mich immer wiedersehen. Du hast mich heute sehr glücklich gemacht und ich schäme mich dafür, dass ich dir das gerade nicht so zeigen kann. Es gibt ein paar Dinge, die ich regeln muss und werde.« Mit brüchiger Stimme fuhr er fort. »Mach dir keine Sorgen, es ist nichts Schlimmes, nur nervtötend und kompliziert. Ich weiß, dass du Geheimnisse hasst und daher verspreche ich dir, dass ich dir alles erklären werde. Gib mir nur ein paar Tage Zeit. Bitte.«
Elisabeth traute weder ihren Ohren noch ihren Augen. Moritz klang so verletzt und völlig fertig; in der Dunkelheit konnte sie es schlecht erkennen, aber sie war sich fast sicher, dass er mit den Tränen kämpfte.
»Moritz ...«, flüsterte sie in einen Kuss auf seine Wange, »ich halte nicht viel von Vertrauensvorschüssen –«
Er schloss die Augen und kaute auf seiner Unterlippe. Ihre Hand hatte er plötzlich losgelassen.
»Hey ...«, flüsterte sie und griff sie seine Hand zurück. Er lehnte den Kopf an den Sitz und drehte ihn zu ihr. »Moritz, ich wollte das nicht so ausdrücken. Ich bin immer noch durcheinander. Aber es geht dir wohl ähnlich. Lass es uns langsam angehen. Du musst dich nicht rechtfertigen, sag mir nur, was du willst.«
Das Verbissene in seinem Ausdruck war einem Lächeln gewichen, er atmete tief ein.
»Was ich will, weiß ich glücklicherweise seit heute. Ich weiß nur noch nicht, ob und wie ich es bekomme.«
»Ah ja. Das ist eine vollumfassende und befriedigende Antwort ...« Der Zynismus war kaum zu überhören.
»Weißt du … ich will, dass wir uns richtig kennenlernen können und es keine Geheimnisse zwischen uns gibt. Und ich wünsche mir, dass du bei mir bist.«
Einen kurzen, denkwürdigen Kuss später waren sie bereits auf dem Heimweg. Um vom bisherigen Thema abzulenken, philosophierten sie über ihre Lieblingsfilme und waren über die vielen Übereinstimmungen überrascht. Es mochte an Elisabeths Vorliebe für Thriller und Actionfilme liegen, vielleicht auch an Moritz’ romantischer Ader, aber letztlich lief es darauf hinaus, dass sie sich ähnlicher waren, als sie je gedacht hätten.
»Duuuu ...« Elisabeth sah Moritz fragend an.
»Jaaaaa ...«, grinste er.
»Auch wenn du ein paar Tage Zeit brauchst, um deine Angelegenheiten zu klären, würde ich dich gern am Wochenende sehen, sofern du Zeit hast. Ich bohre auch nicht und halte mir bei Telefonaten die Ohren zu.«
»Du bist süß ...« Moritz lächelte.
»Das ist aber keine Antwort.« Elisabeth schmollte gespielt. Unter Moritz’ Shirt malten sich seine Muskeln ab, sie kam nicht umhin, ihn immer wieder anzusehen, sich auszumalen, was sie mit ihm anstellen würde. Dazu das warme Gefühl von Geborgenheit, das sie seit diesem Abend in seiner Nähe hatte, die intuitive Vertrautheit. Warum hatte sie ihn nie vorher so gesehen?
»Wir können uns gern morgen Abend treffen. Und Sonntag habe ich richtig frei. Wenn du magst, gehöre ich ganz dir.«
»Ganz mir … Das ist schön ... Ich habe nur morgen früh etwas vor. Ansonsten ist das Wochenende unverplant. Magst du morgen Abend zu mir kommen?« Um Moritz weitere Ausweichmanöver zu ersparen, lud sie ihn lieber zu sich ein.
»Gern, wenn es dir nichts ausmacht?« Moritz ahnte, dass Elisabeth ihn nur zu sich bat, weil sie ihn einerseits bereits kannte und er andererseits sonst noch tiefer in seine Geheimniskrämerei verstrickt würde. Er wusste, dass sie ein sehr vorsichtiger und risikobewusster Mensch war, auf der Arbeit hatte sich das immer deutlich gezeigt. Das Snowboarden wollte dazu nicht recht passen, aber jeder brauchte irgendwo einen Ausgleich, dachte er sich. Wer hätte schon von ihm erwartet, dass er zweimal in der Woche ein hartes Boxtraining absolvierte?
Als sie gegen halb zehn vor Elisabeths Haus ankamen, bat sie Moritz noch kurz mit hinein. Er trug ihr Board in den Keller und ließ sich noch einmal ihr Knie zeigen. »Hast du Eis da?«
»Ja. Ich werde nachher eine Kühlmanschette drauflegen.« Sie hatte sich auf die Couch gesetzt, Moritz zog es vor, stehen zu bleiben.
»Sei mir nicht böse, aber ich sollte jetzt los. Auch wenn ich dich so oder so nur ungern allein lasse.«
»Schon okay. Dann verschieben wir die Doktorspiele halt auf morgen Abend.« Ihr schelmisches Grinsen ließ Moritz’ Herz schneller schlagen und zum wiederholten Male spürte er eine gewisse Regung. Er wagte kaum, darüber nachzudenken, was sich sonst noch hinter Elisabeths bisheriger Fassade verbarg. Sie stand auf und sah ihn herausfordernd an.
»Sehr schön. Ich war mir bis gerade nicht sicher, wie ich den Tag morgen überstehen soll, jetzt scheint es mir quasi unmöglich ...« Seufzend nahm er sie in den Arm, küsste sie sehnsüchtig und spielte mit ihren Haaren, aus denen sich zwischenzeitlich das Band gelöst hatte.
»Na los, verschwinde. Sonst bist du in Nullkommanichts hier festgekettet und ich lass dich nicht mehr gehen.«
»Okay ... Dann komm gut ins Bett.«
»Ich bring dich zur Tür ...«
Zum Abschied hielten sie sich noch einen Moment im Arm und Moritz küsste sie auf die Stirn. Elisabeth legte ihren Kopf auf seine Brust und hörte sein Herz schlagen. Mit ihrer Hand fuhr sie kurz unter sein Shirt und strich zaghaft über seinen Bauch.
»Ich höre jetzt besser auf ...«, flüsterte sie in sein Ohr, als ihm ein leises Raunen entwichen war.
In diesem Moment klingelte sein Handy. Moritz verdrehte die Augen und brummte, küsste sie auf die Wange und beantwortete im Hinausgehen den Anruf. Winkte ihr aus dem Auto. Fuhr rückwärts aus der Einfahrt.
Für diesen Moment fühlte Elisabeth sich einsamer als in den Wochen zuvor.
Nach einem leisen Seufzer ging sie zum Eisschrank und nahm das Kühlpad heraus, um es auf ihr Knie zu legen. Wie in Trance setzte sie sich auf die Couch, schaltete vom Tablet aus die kleine Stehlampe im Fenster und die indirekte Deckenbeleuchtung an und versank in Gedanken.
Sie musste eingeschlafen sein, die Rollläden waren bereits unten, ihr Handy zeigte 22.30 Uhr. Und eine Nachricht von Moritz.
👤 Hey Liebes, ich hoffe, du verzeihst mir meinen Abgang gerade. Ich werde dir morgen nicht viel schreiben können, habe aber von 16 Uhr bis Montag früh um 6 Zeit ... Freue mich auf dich! Gute Nacht und süße Träume ... Moritz 💞
Sie las die wenigen Zeilen immer und immer wieder. Ihr Herz machte Sprünge und bebte wie wild. Für einen Moment nach dem Aufwachen war sie sich unsicher gewesen, ob sie die letzten Stunden erträumt hatte – aber es war tatsächlich passiert. Elisabeth überlegte, ob sie ihm antworten sollte. Moritz hatte ihr vor einer halben Stunde geschrieben. Sie wollte ihn nicht wecken, falls er bereits schlief. Als ausgewiesener Workaholic tat er das wohl kaum schon. Hatte er sein Handy nachts lautlos? Sie wagte es.
👠 Hey Sugar, entspann dich, alles gut. Wenn du magst, sei um 17 Uhr bei mir, ich koche gern was für uns. Hoffe, ich habe dich nicht geweckt. Dir auch eine gute Nacht. Träum schön!
Offenbar war Moritz noch wach. Oder wieder.
👤 Sugar? So süß bin ich doch nicht. Oder? Klären wir morgen in Ruhe 😉 17 Uhr hört sich prima an. Bin noch auf der Arbeit 😔 Fand deine Lasagne immer extrem lecker ...
👠 Du hast immer einen großen Bogen darum gemacht, wenn ich Essen mit ins Büro gebracht habe ... Flunkerst du mich an?
Es irritierte sie, dass Moritz auf die Lasagne zu sprechen kam. Wenn Elisabeth hin und wieder für die Kollegen gekocht hatte, war er einer der wenigen, der ihr Essen gemieden hatte.
👤 Hm. Ich hab dich im Büro immer angeflunkert. Sobald die Reste im Kühlschrank waren, habe ich mich darüber hergemacht 😁
👠 Elender Schwindler! Und ich habe mich immer gewundert, wo das Essen hin ist 😏
👤 Nicht schimpfen, Fräulein Rottenmeier ... Ich bringe als Wiedergutmachung den Wein mit ...
👠 Das wird ja immer besser. Fräulein Rottenmeier? Na, schön, dass die Fronten geklärt sind, Patrick Bateman.
👤 Ich, American Psycho? Boah! Der Typ ist bei weitem nicht so schlimm, wie ich 😈
Nee Spaß. Der Film ist spitze.
👠 Danke für die Warnung. Ich bitte meine Nachbarn, die Mülltonne anständig auf Leichen hin zu kontrollieren und spätestens Montag mal zu schellen ... 😎
👤 Ha-ha ... Das mit Fräulein Rottenmeier war vielleicht früher so ... Jetzt nicht mehr ... Und meine Visitenkarten sind ecru, nicht knochenfarben 😊
👠 Da bin ich aber beruhigt. Btw: ich liebe diese Szene im Film 😉 Was hältst du von Lasagne und American Psycho?
👤 Klingt nach einem spannenden Abend. Freue mich sehr darauf. 😚
In Elisabeths Bauch tanzten die Schmetterlinge Salsa. So verliebt war sie ewig nicht gewesen. Verliebt. O mein Gott. Plötzlich schoss ihr blitzartig ein Gedanke durch den Kopf.
👠 Wein + Zeit bis Montag um 6 = du kommst mit Koffer?
👤 Hab ich eigentlich noch nicht drüber nachgedacht. Aber wenn du so fragst ... 😇
👠 😁 klar, schieb es ruhig auf mich 😉 Sagen wir so; wenn du vom Wein mittrinkst, werde ich dich nicht mehr ans Steuer lassen. Wenn ich die Flasche allein getrunken habe, wirst du nicht mehr fahren wollen!
👤 😂😂😂 Du bist niedlich. Immer noch. Also gut. Ich werde vorbereitet sein 😉 Muss jetzt leider noch ein bisschen was tun 😞 Schlaf gut 😚
👠 Tu, was du nicht lassen kannst. Gute Nacht. 💋
Moritz legte sein Handy beiseite und rieb sich das Kinn. Was war passiert an diesem Freitag? Er konnte es zwar beschreiben, aber dennoch nicht erfassen. Nach einem fürchterlichen Tag auf der Arbeit war er wutentbrannt zur Tür hinaus, hatte Daniel Schumacher per SMS instruiert, seine Rufbereitschaft für den Abend zu übernehmen, und war übelst gelaunt im Wald spazieren gegangen. Die Natur hatte für ihn zu Sommeranfang etwas besonders Klärendes, Warmes und Beruhigendes. Er nahm einen Schluck Whisky und sah auf den Bildschirm. Haufenweise Mails, Rückrufwünsche für die kommende Woche und das eingeforderte Konzept seines Assistenten zur Mitarbeiterplanung. Moritz lehnte sich zurück und sann nach einer Erklärung, die er Elisabeth servieren könnte, ohne sie zu verschrecken. Es würde nicht einfach werden, schon gar nicht bei ihrer gemeinsamen Vorgeschichte.
Die zurückliegenden Dates mit den anderen Frauen hatte er vermasselt, keine Frage. Es war ihm aber ziemlich egal. Sie genügten ohnehin allesamt nicht seinen Ansprüchen. Zu dumm, zu faul, zu naiv, zu uninteressant. Aber Elisabeth? Sie reizte ihn. Maßlos. Dieser Kontrast von bissiger, tougher Businessfrau und der warmherzigen, charmanten Person, die er heute kennengelernt hatte, triggerte ihn nicht nur, er machte ihn willenlos. Moritz gestand sich ein, verliebt zu sein, auch wenn er es in der Retrospektive kaum fassen konnte. Für Elisabeth würde er die Karten auf den Tisch legen. Legen müssen. Legen wollen. Wenn es nicht so verflucht heikel wäre. Sie wird mich wieder hassen. Ignorieren. Und mich mit gebrochenem Herzen zurücklassen. Oder auch nicht. Wer wusste das schon? Er würde morgen beim Lunch mit seinem Vater darüber sprechen. Widerwillig. Aber hin und wieder wusste der alte Herr guten Rat.
Also fasste Moritz sich ein Herz, beantwortete die Mails, delegierte die Rückrufwünsche weitestgehend, machte sich Termine und Notizen ins Handy und ging kurz danach ins Bett. Seine Gedanken kreisten um Elisabeth.
Der letzte Kuss war fast noch auf seinen Lippen zu spüren, eine nie da gewesene Sehnsucht breitete sich in ihm aus. Sollte er sie anrufen? Es war fast Mitternacht. Sie hätte ihr Handy sicherlich lautlos, wenn sie schon schlief. Er riskierte es.
»Schmidt ...« Elisabeth hatte nicht auf das Display gesehen und murmelte ins Mikrofon.
»Hier ist Moritz. Verzeih, dass ich dich geweckt habe.« Er hätte sich ohrfeigen können. Für sie musste der Tag mindestens genauso erschöpfend gewesen sein wie für ihn. Was hatte er sich bloß gedacht?
»Moritz ...« Sie klang bereits wesentlich wacher. »Ich habe nicht mehr mit dir gerechnet vor morgen Abend. Ich bin auf der Couch eingeschlafen ...«
»Oh. Sorry. Es tut mir echt leid.«
»Kein Ding. Alles gut. Was verschafft mir die Ehre?«
»Ich lag im Bett und hab an dich gedacht, konnte nicht schlafen.«
Sie schmunzelte. »O je ... Soll ich dir heiße Milch mit Honig bringen?« Es schmeichelte ihr, dass er offenbar Sehnsucht nach ihr hatte.
»Hm ... Bis du hier bist, ist das Zeug kalt. Aber du könntest zu mir unter die Decke kommen ...«
»Du bist ja goldig ... Wenn ich nicht so k. o. wäre und dich damit nicht frühzeitig aus der Reserve locken würde, würde ich es tatsächlich darauf anlegen ...«
»Weißt du, im Moment wäre mir Letzteres schon fast egal. Sei es halt drum. Der Wunsch, dich bei mir zu haben, ist gerade größer als alle Unwägbarkeiten.«
Elisabeth schluckte schwer. Auch wenn sie Moritz ihre Geduld versichert hatte; er machte es ihr gerade schwer, nicht auf eigene Faust hinter sein Geheimnis kommen zu wollen.
»Hey, ähm ... Lass uns irgendwie die nächsten sechzehn Komma irgendwas Stunden rumkriegen und dann erfüllt die gute Fee dir deinen Wunsch.«
»Ich wusste nicht, dass Feen Allgemeine Geschäftsbedingungen haben, und Fristen für die Wunscherfüllung setzen können ...« Moritz lachte.
»Na ja, streng genommen müssen sie Wünsche ad hoc erfüllen. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel.«
»Ich sag ja, du bist süß! Liebes ...« Moritz ließ sich Zeit, den Satz zu vollenden.
»Ja?«
»Es wird kompliziert, wenn du dich auf mich einlässt. Anfangs zumindest. Ich verspreche dir, so gut es geht, für dich da zu sein. Aber ich kann dir keine Garantie geben, dass du glücklich wirst.« Bereits bei den letzten Worten stockte Moritz und biss sich auf die Zunge. Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn und verfluchte sich stillschweigend. Warum hatte er das gesagt? Warum am Telefon? Mitten in der Nacht? Du bist so dämlich, Moritz.
»Moritz ... Was auch immer es ist, ich denke, dass wir darüber reden können. Nicht unbedingt jetzt. Vielleicht auch nicht morgen. Denk nicht so viel und schlaf lieber. Wir werden das gemeinsam meistern.«
Woher sie diese Zuversicht nahm, konnte Elisabeth sich selbst nicht beantworten. Es musste etwas in Moritz’ Stimme gewesen sein. Diese tiefgründige Traurigkeit, der Ernst und seine Aufrichtigkeit.
»Ich hoffe es ... Träum süß, Liebes.«
»Du auch ...«
Als sie aufgelegt hatte, kamen Elisabeth die Tränen. Aus Nervosität, Wut über die Situation, weil es sich so kompliziert anließ und Angst vor dem, was Moritz verbarg. Vielleicht sollte sie ihn einfach vergessen. Mit Sebastian hatte es schließlich auch prima funktioniert. Doch die Ereignisse des Abends ließen sie nicht kalt. Wie auch? Erst die Berührung im Café an der Tür, nach der sie eine wohlige Wärme durchströmt hatte, dann die zauberhaften Küsse beim Snowboarden und immer wieder seine Blicke, die direkt in ihr Herz trafen.
Samstag, 09.06.
Erschöpft und müde von der Grübelei fiel sie von der warmen Badewanne direkt ins Bett und in einen unruhigen Schlaf. Stündlich wachte sie auf und hoffte, dass es Zeit sei, aufzustehen. Um fünf Uhr morgens hielt es sie nicht mehr in den Federn. Sie zog ihre Laufhose und einen Kapuzenpullover an und drehte ihre Runde durch den angrenzenden Wald. Der Frühnebel und die aufgehende Sonne boten ein wunderschönes Bild, sie genoss die frische Luft und die Stille.
Nach den neun Kilometern sprang sie unter die Dusche und frühstückte anschließend. Der Supermarkt würde erst in anderthalb Stunden öffnen, das Haus war von oben bis unten vorzeigbar, dank ihrer Putzfrau und Elisabeths Ordnungsliebe.
Nichts zu tun.
Horror vacui.
Wenn es außer Geheimnissen und Überraschungen etwas gab, das Elisabeth hasste, war es Warten. Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen war für sie furchtbar. Außerdem hatte sie das dringende Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen. Ihre Freundin Marie war, abgesehen von Isabelle, der Dritten in ihrem Bunde, ihre größte Stütze in der Zeit nach Jans Tod gewesen. Und sie war es auch, die Elisabeth und Sebastian zunächst in die Küche gelockt und dann allein gelassen hatte. Marie hatte immer um den Zustand von Elisabeths und Jans Beziehung gewusst, jeden Abend gebetet, dass Elisabeth niemals ein Kind von ihm bekäme und sich scheiden lassen würde. Obwohl Jan Astrophysik studiert hatte, war er in Maries Augen ein Idiot gewesen, wie sie Elisabeth immer mal direkter, mal subtiler zu verstehen gegeben hatte. Ein Punkt, über den die Freundinnen heftig gestritten hatten. Aber ihre Freundschaft hielt auch solche klaren Ansagen aus und für Elisabeth fühlte es sich wie eine Wahlfamilie an. Ihre Eltern waren schon vor Jahren nach Spanien gezogen und sie hatte nur sporadisch Kontakt, das Verhältnis zu ihrer Mutter war seit jeher von Unverständnis geprägt und ihr Vater stand zwischen den Stühlen. Sie neidete ihren Freundinnen auf gewisse Weise deren Familienleben. Marie war zwar Single, bewohnte aber mit ihren beiden Schwestern und den Eltern einen riesigen Bauernhof, auf dem jeder genügend Raum für sich hatte, sich aber trotzdem einer gewissen Nestwärme nicht entziehen konnte. Isabelle hatte mit Marc vor sieben Monaten die kleine Leonie bekommen und sie waren die klassische Bilderbuchfamilie, samt Hund und Hamster. Elisabeths Familie bestand quasi aus Marie, Isabelle, deren Familien und Freunden. Insgeheim jedoch sehnte sie sich nach einer eigenen, so wie sie sie mit Jan hatte gründen wollen. Für die sie das Haus gebaut hatten, das nun ihr allein gehörte. Einen Augenblick lang wurde ihr schwer ums Herz. Marie ...
Marie könnte schon wach sein. Einen Versuch war es wert.
»Hrmpfna wa hä?« Marie war offenbar nicht wach.
»Süße, hier ist Elisabeth. Ich wollte dich nicht wecken. Sorry.«
»Schon gut«, murmelte Marie. »Ist ja nicht so, als wenn mir das bei dir nicht auch hin und wieder passieren würde. Was’n los?« Es war mehr ein Nuscheln, aber Elisabeth verstand.
»Ich bin verliebt. Tierisch. Und komm gerade so gar nicht klar.«
»Mäuschen, geh joggen. Ist schönes Wetter.«
»War ich schon. Hab auch schon geduscht. Und gefrühstückt.«
»Autsch. Also richtig verliebt? Ich dachte, Sebastian hat abgesagt?«
»Ja. Er kam auch nicht. Dafür habe ich Moritz getroffen.«
»Moritz? Du meinst den Psycho aus deiner Firma?«
»Äh, ja. Ich muss dir da einiges erklären ...«
Elisabeth erzählte vom vorangegangenen Abend und ließ kein Detail aus. Marie stellte keine Zwischenfragen, murmelte nur hin und wieder etwas in den Hörer. Als Elisabeth fertig war, bat sie Marie um Rat.
»Du bist ja lustig. Wie soll ich dir da helfen? Nur, weil ich Verhaltensforscherin bin ... Solange er keine Maus oder ein Affe ist, kann ich nur genauso vermuten wie du.«
»Ha-ha. Es ging mir auch nicht um eine wissenschaftliche Expertise, sondern um die Meinung von jemandem, der das nicht durch die rosarote Brille sieht.«
»Na gut. Entweder hat dein Märchenprinz gewaltig Dreck am Stecken und ist die fieseste Kröte, die du seit Menschengedenken geküsst hast, oder es entpuppt sich als harmlose Beziehungsphobie eines Mittdreißigers. Du findest es jedoch nur heraus, wenn du es ausprobierst.«
»Na toll. Klingt, als wäre in Tor eins, zwei und drei der Zonk.«
»So war das nicht gemeint. Warte erst mal ab und beobachte die Situation. Ich meine, so fremd seid ihr euch nicht und du vertraust ihm ja in gewisser Weise, sonst würdest du ihn nicht zu dir einladen.«
»Stimmt. Eigentlich spricht ja auch nichts dagegen. Er ist schon so ein bisschen Prince Charming. Das kenne ich halt nicht. Weder von ihm, noch von sonst einem Mann, mit dem ich zusammen war.«
»Jaaaa, das waren auch nur Arschlöcher. Oder Idioten. Oder beides in Personalunion.«
»Ha-ha. Danke für die Blumen ... Na ja, egal. Ich werd mir jetzt die Fußnägel lackieren und mich noch mal eine Stunde hinlegen. Irgendwie fehlt mir Schlaf.«
»Mach das, du Irre. Ich leg mich wieder hin.«
»Marie ... Danke, dass du für mich da bist.«
»Kein Thema. Hab dich lieb.«
»Ich dich auch. Schlaf schön.«
»Du auch. Bis bald.«
Elisabeth war beruhigt. Marie hatte recht. Es gab nichts zu verlieren. Wenn Moritz sich als Frosch entpuppte, wäre er nicht der Erste, den sie geküsst und gegen die Wand geschleudert hatte. Irgendetwas jedoch sagte ihr, dass das diesmal nicht notwendig sein würde.
Um neun Uhr wurde sie wieder wach. Ihr Handy signalisierte eine SMS. Moritz.
👤 Guten Morgen, Liebes. Es war eine sehr einsame Nacht ohne dich, du fehlst mir ... 😔
👠 Guten Morgen ... Ich habe auch miserabel geschlafen. War um fünf joggen und habe gerade noch etwas Schlaf nachgeholt. Fühl dich gekuschelt ...
👤 Würde dich jetzt gern in den Armen halten und küssen ... Noch acht Stunden 😒
👠 😩 Wie soll ich das aushalten bis dahin? 😩 Werde mich mit einkaufen ablenken müssen ...
👤 Und ich mit Arbeit 😩 Aber mal was Anderes: Ist es wirklich okay, wenn ich bleibe? Ich wollte das nicht implizieren ...
👠 Wenn du frech bist, kette ich dich einfach im Keller an die Heizung!
👤 Und wenn ich lieb bin?
👠 ... kette ich dich ans Bett.
Elisabeth ohrfeigte sich im Geiste. Gestern noch wollte sie es langsam angehen und heute verschickte sie bereits solche SMS. Die Antwort von Moritz verunsicherte sie noch mehr.
👤 Whaaaaat? 😱
👠 Vergiss die letzte SMS lieber wieder. Finger waren schneller als Hirn. Wenn du lieb bist, sammle ich die Einzelteile deines gebrochenen Herzens wieder zusammen und heile es.
👤 😢 Ich habe gegen beides keine Einwände 😚 Bin jetzt leider offline 📴 Vielleicht kann ich mich gleich noch mal melden. Ansonsten bin ich um fünf bei dir. 😘
Elisabeth atmete auf und schmunzelte. Moritz hatte es offenbar faustdick hinter den Ohren. Es wurde Zeit, einzukaufen und das Ragù für die Lasagne vorzubereiten. Träumen konnte sie später noch.
Um kurz vor fünf läutete es an der Tür. Durch die kleinen Glasscheiben sah Elisabeth Moritz’ Umrisse und ein Lächeln huschte ihr über die Lippen. Die Sonne schien ihm seitlich ins Gesicht, die Tasche hing ihm lässig über die Schulter und auch sonst wirkte er in Jeans und Poloshirt ziemlich entspannt.
»Hey ... Schön, dass du da bist ...« Elisabeth ließ ihn in den Flur und stellte seine Tasche ab.
Statt ihr zu antworten, schlang er seine Arme um ihre Taille und küsste sie so hingebungsvoll und sehnsüchtig, dass es Elisabeth heiß und kalt wurde.
»Hi ...« Moritz klang müde, aber erleichtert. »Weißt du eigentlich, wie froh ich bin, hier zu sein?«
»Hmmmm. Wissen nicht. Aber ich kann es mir denken. Es geht mir wenig anders ...« Sie küsste ihn zwei, drei Mal. »Du darfst aber auch gern reinkommen. Ich hab die Ketten noch nicht ausgepackt.«
Moritz lachte. »Na gut. Dann trau ich mich mal.«
»Hunger?«
»Und wie ...«
»Setz dich, sieh dich um, wie du magst. Ich brauche nur ein paar Minuten.«
»Kann ich dir nicht helfen?«
»Danke, nein ... Männer in der Küche richten eher Chaos an als hilfreich zu sein.«
»Sehr freundlich ...«, entgegnete er lachend, weil er gemerkt hatte, dass auch sie es nur halb so ernst gemeint hatte.
Moritz besah ihr Wohnzimmer. Es war völlig verändert. Beim letzten Besuch, den er ihr mit den Kollegen abgestattet hatte, war es in schwarz-weißen Hochglanzmöbeln ausgestattet, weiße Wände und eine Seite in schwarzer Samttapete mit Lilienmuster, schwarze Vorhänge und eine anthrazitfarbene Couch.
Er erkannte es kaum wieder, hellgraue Wände, viele Naturfarben, schwere, aber zeitlose Wildeichenmöbel, Bücher, Platten und DVDs in der Bibliothekswand. Moritz empfand es als wärmer und angenehmer und fühlte sich animiert, in ihren Büchern zu stöbern und zu sondieren, welche Musik sie hörte. Aus der Küche hörte er leises Tellerklappern und die Lüftung des Backofens. Auf dem Tisch standen bereits frisches Brot, Gläser, ein entzündeter Kerzenleuchter.
Viele der Bücher hatte er ebenfalls gelesen, einen Großteil der DVDs in seinem Schrank und auch ihr Musikgeschmack war nahezu vollständig kongruent. Er schmunzelte.
»Bin schon fertig ...« Elisabeth erschien im selben Moment am Tisch, als Moritz auf ihren Platz eine Rose gelegt hatte. Er nahm ihr die Teller ab und küsste sie auf die Wange.
»Oh ... Danke sehr. Ich stell sie schnell ins Wasser!«
»Kein Thema. Solange du sofort wiederkommst ... Seeeeehnsucht!«
Elisabeth schmunzelte, nahm eine Vase aus dem Sideboard und füllte sie in der Küche mit Wasser. Die Rose stellte sie darin auf den Tisch und beugte sich dann zu Moritz. »Solange das mit den Rosen und allgemein nicht endet wie beim Bachelor, komme ich gern immer wieder sofort zurück.«
»O nein, niemals. Alles, nur nicht so ein gescripteter Schwachsinn.«
»Dann ist ja gut ...« Sie setzte sich und legte die entfaltete Serviette in den Schoß. »Ich hoffe, du bist nicht böse, dass ich vorab schon Chianti dekantiert habe ...«, fragte sie mit Blick auf den Wein, den Moritz wie angekündigt mitgebracht hatte.
»Alles gut. Kein Stress. Der Abend ist ja noch jung.«
»Duuu, was ist los? Irgendwie ist deine Leichtigkeit von gestern weg ...« Sie biss sich auf die Zunge. Das Gespräch beim Essen war eher schleppend verlaufen, gequält und uninspiriert. Elisabeth wollte es nicht so direkt ansprechen, aber Moritz war immer ein Freund offener Worte gewesen. Trotz der Wiedersehensfreude wirkte er reserviert, zurückhaltend. Er saß kerzengerade, aber entfernt von der Tischkante, machte nur kleine Bewegungen und sprach leiser als zuvor.
»Entschuldige bitte. Ich hatte ein sehr langes, zermürbendes Gespräch mit meinem Vater. Der Auftakt der Dinge, die ich klären will.«
»Oh. Verstehe.« Sie räumte die Teller vom Tisch und füllte Wein nach. Moritz sah mit einem Mal richtig niedergeschlagen aus.
»Weißt du, eigentlich hätte das Gespräch mit ihm nicht besser laufen können.«
»Warum bedrückt es dich dann so?« Sie deutete, er solle sich auf die Couch setzen, stellte die Gläser auf den kleinen Tisch und setzte sich zu ihm.
»Mein Vater und ich hatten die letzten zehn Jahre ein mieses Verhältnis. Erst war ich ihm zu wenig ambitioniert im Studium, dann habe ich zu viel Zeit mit Jobs verbracht, die mich gelangweilt haben und obendrein habe ich es gewagt, die falsche Frau zu heiraten. Seine Sicht der Dinge. Heute kam das alles beim Lunch wieder auf die Agenda. Er hat zwar bedauert, dass Danielle so früh und unter diesen Umständen gestorben ist, aber meinte, es sei eine Fügung des Schicksals, dass ich im Allgemeinen und mit ihm im Speziellen einen Neuanfang machen könnte.«
»Klingt jetzt nicht unbedingt verführerisch, aber im Zusammenhang auch nicht nach Weltuntergang. Wo ist der Haken?«
»Ich arbeite seit meinem Ausstieg in unserem Familienunternehmen. Mein Vater ist quasi mein Chef, überlässt mir aber seit einem Monat die Geschäfte und die Verantwortung. Was ich gestern zu dem Thema gesagt habe, entspricht also leider nicht der Wahrheit.«
»Hm. Mich hatte zwar gewundert, wie das zusammenpassen sollte, keine Verantwortung, aber dauernd wichtige Anrufe, aber nun gut. Mit der Lüge kann ich leben.«
»Ernsthaft? Ich dachte, du reißt mir gleich den Kopf ab ...«
Elisabeth zog ihn am Kinn zu sich heran und küsste ihn.
»Nein. Im Job hätte ich das vielleicht getan. Ich habe dir versprochen, dir zu vertrauen. Solltest du die Wahrheit dehnen, wirst du deine Gründe haben. Solange es nur um so etwas geht, kann ich damit umgehen. Du wirst wissen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, reinen Tisch zu machen.«
»Ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll. Ich hab mit allem gerechnet, nur nicht mit noch mehr Verständnis. Ist das irgendwie Feen-AGB?«
»Vielleicht ...« Elisabeth hatte keine Ahnung, warum sie so nachsichtig mit ihm war. Jeden anderen Mann hätte sie mit Missachtung gestraft. »Vielleicht auch Schmetterlinge im Bauch und Chianti im Blut. Komm her ...« Sie hatte ihre Schuhe ausgezogen und es sich in der Ecke bequem gemacht. Moritz saß mit den Ellbogen auf die Knie gestützt neben ihr und sah sie fragend an.
»Lehn dich an, ich kraul dir den Nacken ...«
Moritz entspannte sich zusehends. Elisabeth gewann ihre eigene innere Ruhe zurück; sie hatte bereits befürchtet, dass es so krampfhaft weitergehen könnte wie beim Essen.
»Duuu ... Es tut mir leid, dass ich so ein Arsch bin.«
»Wie meinen?«
»Dass ich so undurchsichtig bin und dich so behandle. Du hast das nicht verdient, du bist viel zu märchenhaft und süß, für jemanden wie mich.«
»Moritz, was soll das?«
Er drehte sich zu ihr um, sein bitterer Blick traf direkt in ihr Herz.
»Du weißt nicht, auf was du dich da einlässt. Ich weiß es ja selbst kaum. Ich habe meine Familie und das Unternehmen vor zehn Jahren verlassen, als ich mich mit meinem Vater überworfen habe. Meine Mutter starb, als ich noch klein war, meine Frau ist, wie du weißt, ebenfalls tot und mein älterer Bruder, der eigentlich die Nachfolge in der Firma antreten sollte, hatte vor einem Jahr einen Segelunfall, von dem er nicht mehr genesen ist und es auch nie wird. Er wird zeit seines Lebens ein Pflegefall bleiben. Momentan ist er zu einer Therapie in den USA, die seine Schmerzen lindern soll, aber es gibt keine Chance auf Heilung.«
Er machte eine Pause.
»Nun ja. Mein Vater war nicht besonders glücklich, als ich also vor einem halben Jahr zurückgekehrt bin. Aber er sah die Notwendigkeit und die Chance, also arbeitete er mich ein, ließ mich in vielen Dingen schnell allein gewähren und zog sich immer mehr zurück. Zum Jahresende wird er in den Ruhestand gehen, soweit man das so nennen kann, und ich stehe allein auf weiter Flur. Mein Bruder kann, will und wird nicht zurückkehren und da er zum Leidwesen meines Vaters bisher unverheiratet und kinderlos ist, sieht er mich da in der Pflicht. Kurzum: herzlich willkommen in meinem Leben.«
»Autsch.«
»Autsch? Auch eine schöne Antwort.«
»Autsch, mein Knie. Du bist gerade dagegen gekommen. Aber ›Autsch‹ auch als Antwort.«
»O je, das tut mir leid. Tut es sehr weh?«
»Nein. Schon gut ... Tut es dir sehr weh?«
»Du bist süß ...«, antwortete Moritz und schloss für einen Moment die Augen. Dann fügte er hinzu: »Das Pensum ist immens. Ich habe mich zwar daran gewöhnt, das macht es erträglicher. Viel schlimmer ist aber die Erwartungshaltung ...«
Elisabeth verstand, was Moritz meinte, auch ohne, dass er den Satz beendete. In ihrem Job hatte sie oft mit Familienunternehmen zu tun gehabt. Die Nachfolgeregelung war selten simpel und gerade in einem Fall wie Moritz’ alles andere als ein Zuckerschlecken. Insbesondere, wenn der Erbe unverheiratet blieb und mit ihm die Firmengeschichte einen ungeplanten und ungewollten Verlauf nehmen könnte.
Moritz sah sie zweifelnd und fragend an. »Ich sehe, dass du verstehst, worum es mir geht. Und das ist der Grund, warum ich dich, na ja, quasi warnen will. Vor mir, beziehungsweise davor, etwas mit mir anzufangen. Ich kann das niemandem aufbürden und eigentlich schon gar nicht dir. Der Job ist 24/7, wenig Privatsphäre und im Prinzip untrennbar mit der Gründung einer Familie verknüpft.«
Elisabeth küsste ihn zärtlich und hielt seine Hand. »Weißt du, ich erkenne dein Problem. Dass du unter Zeit-Druck stehst. Job und Privat kaum trennen kannst und dir Sorgen machst, ob und wie das mit uns vereinbar ist. Aber wenn du eines bei uns in der Firma gelernt hast, dann doch, dass man nicht für den Kunden denken soll. Oder?«
Verblüfft sah Moritz sie an. »Was genau meinst du?«
»Ich meine das im übertragenen Sinn. Dass du, statt einer Frau zu sagen, wie mies dein Leben ist, sie vielleicht lieber selber entscheiden lässt. Und wenn du einwilligst, es langsam mit ihr angehen zu lassen, ihr auch die Chance dazu gibst. Zeitdruck hin oder her. Und so wie ich das bisher verstanden habe, haben wir uns schon aufeinander eingelassen, oder?«
Er nickte betroffen. »Ich wollte das auch eigentlich gar nicht in Frage stellen beziehungsweise so formulieren ... Ich wollte nur ... na ja, dass du weißt, dass ich verstehen würde, wenn du ... na ja, wenn du einen Rückzieher machen würdest.«
»Herrje, hör auf so viel zu denken«, seufzte sie und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze, angelte nach ihrem Weinglas. Moritz jedoch stoppte sie und zog sie auf seinen Schoß. Völlig enthemmt und sehnsüchtig küsste er sie, hielt sie fest im Arm und gab sich ganz dem Moment hin. Berauscht vom Wein, Elisabeths Leidenschaft und der plötzlichen Klarheit seiner Gefühle vermochte er nicht mehr zu sagen, ob es Minuten oder Stunden waren, die sie in dieser Umarmung Zärtlichkeiten austauschten. Wann hatte er zuletzt so ein tiefes Verlangen gespürt? Moritz wusste keine Antwort. Als er in Elisabeths Augen blickte, mit denen sie ihn so liebevoll und gleichzeitig verlangend ansah, dämmerte es ihm.
Nie.
Sie spürte, dass etwas Gravierendes in ihm vorging. Ohne den Blick von ihm abzuwenden setzte sich wieder neben ihn, legte den Kopf zur Seite und ein verschwörerisches Grinsen umspielte ihre Mundwinkel. »Ich schätze, das fällt jetzt doch nicht mehr unter ›langsam angehen lassen‹.«
»Schlimm?« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und streichelte ihren Nacken.
»Nein. Nicht schlimm. Schön.«
»Also machen wir langsam weiter?«
»Unbedingt ...«, antwortete sie und belegte ihre Aussage mit einem verlockenden Kuss.
»Es gibt auch eigentlich nur noch Kleinigkeiten, die ich dir aber in den nächsten Tagen erzählen werde. Dann weißt du, woran du bist ...«
»Shhhh ... Ich will davon heute nichts mehr hören. Ich vertraue dir und wenn ich eins in den letzten Monaten gelernt habe, dann, dass ich zwar gern über Eventualitäten nachdenken kann, aber ich mir erst dann den Kopf zerbrechen sollte, wenn ich vor einem echten Problem stehe ...«
»Das sollte ich mir vielleicht auch zu eigen machen ...«
»Vielleicht färbt es ja von mir auf dich ab ...« Beide mussten lachen.
»Wäre jedenfalls schön ...«
Elisabeth schmiegte sich eng an ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust. Moritz lehnte seinen Kopf an ihren und nahm ihre Hand. Eine Weile schwiegen sie sich an, bis plötzlich Moritz’ Handy klingelte.
»Oh Shit, ich habe vergessen, es auf lautlos zu stellen. Es tut mir leid.«
»Schon okay. Geh ruhig ran. Ich kümmere mich um den Film und den Wein, den du mitgebracht hast.«
»Ja bitte!? ... Das kann nicht warten? ... Wofür bezahle ich Sie eigentlich?« Moritz war sichtlich sauer. »Gut. Folgendes, gehen Sie in mein Büro und nehmen aus dem Aktenschrank den Ordner ›Protokolle‹. Im Monatsprotokoll von Mai müsste unter TOP 5 das Prozedere beschrieben sein ... Ja, ich warte auf Ihren Rückruf.«
Elisabeth hatte inzwischen den Fernseher eingeschaltet und die DVD gestartet.
»Englisch oder Deutsch?«
»Wann immer möglich gern Originalton.« Moritz betrachtete sie aus ein paar Schritten Entfernung und wunderte sich. Wieso hatte er in der Firma nie bemerkt, wie hübsch er sie fand, anziehend und bezaubernd? Er war treu, keine Frage. Abgesehen von gelegentlichen Gedankenspielen interessierten ihn andere Frauen nicht, wenn er in einer Beziehung war; aber es hätte ihm auffallen können, müssen.
»Sehr gern. Wobei gerade American Psycho relativ gut übersetzt und synchronisiert ist. Prinzipiell sehe ich mir Filme aber auch lieber im Original an ...«
»Ich weiß genau, was du meinst ...« Wieder klingelte das Handy und Moritz schüttelte entschuldigend den Kopf und verdrehte die Augen. Elisabeth hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und machte es sich auf der Couch bequem, während er seine Runden um den Esstisch drehte.
»Ich sagte TOP 5, Sie müssen mir nicht das ganze Protokoll vorlesen ... Gut. ... Nein ... Ja. Ich zeichne Ihnen das Montag ab. ... Mhm. Schicken Sie mir das bitte als Mail. Ja ... Es wäre nett, wenn Sie von weiteren Störungen absehen würden, es sei denn, es ist wirklich wichtig ... Ja. Danke. Ihnen auch.« Er legte das Handy auf den Couchtisch und ließ sich in Elisabeths Arme sinken. »Ich muss mich wohl hemmungslos betrinken und dann nur noch lallen und Müll von mir geben, wenn noch mal jemand anruft.«
»Oder einfach Augen zu und durch ...«
»Wenn es nicht zu Hause schon immer so wäre. Ich kann mich schlecht zerteilen und überall gleichzeitig sein, aber wenn der Baum brennt ...«
»Lehn dich zurück, ich kraul dir weiter den Nacken ...«
»Ich hoffe, dass das der letzte Anruf für heute war.« Er ließ den Film starten.
»Hm ... Komm ruhig näher ...« In der Ecke der Couch lehnte er sich an sie und zog sanft ihren Kopf zu sich herunter, nachdem sie ihn eine Weile gekrault und ihm den verspannten Nacken massiert hatte.
»Offensichtlich kannst du es gerade nicht genießen ...«, stellte Elisabeth fest.
»Doch. Schon. Irgendwie.« Er gab ihr einen Kuss und ließ ihren Kopf wieder los. »Ich bin momentan nicht so entspannt, wie ich gern wäre und wie du es verdient hast. Das liegt aber nicht an dir. Wirklich.«
»Mach es ruhig noch komplizierter ... Was hältst du davon, wenn wir den Film ein anderes Mal zu Ende sehen, so richtig konzentrieren kann ich mich jetzt sowieso nicht. Und der Rotwein hat gerade sein Übriges getan.«
»Gute Idee. Hoffentlich schellt das ... Handy nicht. Wenn man vom Teufel spricht ...«
»O je ...«
»Ja bitte!? ... Jetzt reicht es ... Nein. Das hat bis Montag Zeit ... Wirklich ...« Er legte auf, atmete tief durch und schaltete das Handy demonstrativ aus. »So. Das war’s. Heute Nacht gehöre ich dir ...«
Spontan stand sie auf und lockte ihn zu sich. »Fein. Dann komm mit ...«
Moritz folgte ihr die Treppe hinauf.
»War das Schlafzimmer nicht –«, begann Moritz und Elisabeth unterbrach ihn grinsend.
»Ja, es lag auf der anderen Seite des Hauses, als du zum letzten Mal hier warst. Aber woher weißt du ...?«
»Ich ... hab mich heimlich umgesehen, als du einen Moment unaufmerksam warst ... Damals wollte ich deine Schwachstelle herausfinden ...«
»Bitte wie?«
»Sei mir nicht böse. Mir ging damals echt auf den Keks, dass du so beliebt warst und mich so getriezt hast.«
»So, so ...« Ihre Augen funkelten zornig, verheißungsvoll. »Pass nur auf, dass ich nicht anfange, nach deinem Kryptonit zu suchen ...« Sie stand in der Tür zum Schlafzimmer und hatte sich zu ihm umgedreht. Moritz sah sie mitleidheischend an.
»Du hast es schon gefunden ...«, flüsterte er in ihr Ohr, als sie begann, sein Polohemd hochzuschieben, sich vor ihn kniete und mit ihren Lippen seinen Bauchnabel und die Gürtellinie umkreiste.
Er half ihr auf, öffnete den Reißverschluss am Rücken ihres Kleides und strich es ihr vorsichtig über die Schultern.
Elisabeth zog Moritz näher an sich heran und ließ sich mit ihm auf das Bett fallen. Er war ihr plötzlich so nah wie nie zuvor und in ihr wuchs das Verlangen, ihn mit jeder Zelle ihres Körpers zu spüren. Moritz küsste ihren Hals entlang, umfuhr mit seinen Lippen die Konturen ihrer Wäsche und biss ihr neckisch in die Seite. Sie streifte sein Shirt über den Kopf, grub ihre Hände in seinem Rücken ein und zog ihn noch näher an sich. Mit seinen Fingern glitt er über ihre Schultern, schob den Träger beiseite und sah sie an. »Ich kann nicht aufhören ...«, flüsterte er und ließ seine Lippen über ihre Brüste wandern, küsste sie scheu und knabberte vorsichtig an ihnen.
»Ich will gar nicht, dass du aufhörst ...«, hauchte sie in sein Ohr, zog ihn am Kinn zu sich hoch und ließ ihre Lippen in einem sehnsüchtigen und innigen Kuss verschmelzen.
»Du weißt, wo das hinführt, wenn du so weitermachst?«, fragte er sie schmunzelnd.
»Ich hoffe, es führt dazu, dass du mit mir schläfst ...«, antwortete sie lächelnd und küsste ihn erneut. Moritz raunte leise und zog sie enger an sich heran.
»Dein Wunsch sei mir Befehl.« Er klang entspannt, frei und ungehemmt. Elisabeth ließ ihre Hände über seinen Po wandern, schloss die Augen und genoss den Moment, als Moritz sie von ihren Dessous befreit hatte.
Langsam schob sie seine Shorts nach unten und ließ sich von dem Gefühl überwältigen, Haut an Haut mit ihm dazuliegen, ihn zu streicheln, von ihm liebkost zu werden und seine Nähe zu spüren.
Was sie fühlte, als sie ihre Hände wandern ließ, trieb ihr ein sanftes Schmunzeln ins Gesicht. Moritz widmete sich ausgiebig ihrem Körper und ließ sie spüren, dass er sie ebenso begehrte wie sie ihn.
»Es war unbeschreiblich schön ...«
»War?«
»Ist.« Elisabeth schmiegte sich an ihn. »Hör nicht auf damit.«
»Warum sollte ich ...? Warum sollten wir?«
»Weil es zu schön ist, um wahr zu sein ...«
»Du bist süß. Bezaubernd. Und mein ... Ich geb’ dich nicht mehr her.«
»Moritz ...«
»Ja!?«
»Ich hab mich in dich verliebt. Sehr ...«
»Das trifft sich ... Ich hab mich nämlich auch in dich verliebt ...«
»Darf ich dich was fragen?«
»Immer ... Bitte.«
»Mit wie vielen Frauen warst du vor mir zusammen?«
»Oh.«
»Warte! Sag es nicht ...«
»Doch. Schon gut. Ich hab nur gerade überlegt, warum du das wissen wollen würdest ...«
»Der Wein ... Vergiss, dass ich dich gefragt habe. Bitte.«
»Schon in Ordnung. Wirklich. Oder hast du Angst vor der Gegenfrage?«
»Ja. Habe ich.«
»Oh ... Okay.«
»Ich bin nicht gerade stolz drauf ...«
»Bereust du es?«
»Nein. Oder besser: nur wenige.«
»Elisabeth!?« Moritz nahm sie fest in den Arm und gab ihr einen Kuss.
»Ja?«
»Es waren acht.«
»Dreiundzwanzig«, antwortete sie, ohne dass er gefragt hatte.
»Und? Wo ist das Problem?«
»Eigentlich gibt es keins.«
»Eigentlich.«
»Ich fühle mich jetzt erst angekommen. Das klingt bescheuert. Ich weiß.«
»Nein. Ganz und gar nicht. Es klingt so wundervoll, wie es sich anfühlt.« Er küsste sie sanft. »Ich habe genau dasselbe gedacht. Und nur weil mein Weg ›kürzer‹ war als deiner ... ist das noch lange kein Grund, dass du dich selbst verurteilst.«
»Hm ... Ich mag das eigentlich nicht anführen, aber ...«
»Hm?«
»Als Jan und ich damals geheiratet haben, war das ein ziemlich großes Thema. Er hat das irgendwie auf ein Podest gehoben ...«
»Inwiefern?«
»Er war der Meinung, dass man diese Zweisamkeit nicht aus Spaß teilen sollte, sondern nur in einer exklusiven und ernstgemeinten Beziehung. Ich fand das irgendwie ... Hm. Keine Ahnung. Ich weiß eigentlich erst jetzt, was ich will. Insbesondere, was ich nicht will ...«
»Und? Sollte mich das stören?«, kicherte Moritz. »Solange du dein Wissen mit mir teilst ...«
»Du bist doch irre ...«, entgegnete sie verlegen, aber froh, über dieses Gefühl gesprochen zu haben.
»Irre verliebt ... Irre süchtig nach dir ... Irre vor Sehnsucht nach dir, obwohl ich dich in den Armen halte ... Irre besorgt, dass ich morgen allein aufwachen könnte, weil alles nur ein Traum war ...«
»Komm her, du Irrer ...« Elisabeth lachte, schüttelte den Kopf und zog ihn wieder ganz nah an sich heran.
Sonntag, 10.06.
»Guten Morgen, Liebes ...« Moritz stupste mit seiner Nase in ihren Nacken.
»Guten Morgen, Liebling ... Konntest du schlafen oder hast du ›gearbeitet‹?«
»Ha-ha. Ich habe zum ersten Mal seit Wochen durchgeschlafen. Deinetwegen.«
»Oh. Das klingt so, als sollten wir das häufiger tun ...« Elisabeth lag mit dem Rücken zu ihm und drehte sich langsam um.
»Auf jeden Fall! Hey, ich hab gerade eine Idee ...« Moritz spielte mit einer ihrer Haarsträhnen.
»Die da wäre?«
»Lass uns im Roadhouse frühstücken gehen. Hab ich ewig lange nicht gemacht ... und im Anschluss gehen wir im Wald spazieren ...«
»Nur spazieren?«
»Hmmmm ... Ich genieße mal kurz das Kopfkino ... und formuliere es anders: Wir gehen in den Wald.«
»Sehr schön. Dann aber raus aus den Federn ...«
»Yes, Ma’am ...«
»Oh, hör auf. Das sagt Dr. Bruckmann auch immer ...«
»Ich behaupte, dass er das von mir hat.«
Lachend schüttelte sie den Kopf. »Ich gehe jetzt lieber duschen ...«
»Was dagegen, wenn ich mitkomme?« Moritz klammerte sich an sie und grinste.
»Hm ... Nein ... Im Gegenteil ... Pass aber bloß auf, dass meine Haare nicht nass werden ... sonst verzögern sich die nachfolgenden Aktivitäten um mindestens 30 Minuten ...«
»Ich werde mir Mühe geben ...«
Moritz lachte und ließ die Regendusche an, zog Elisabeth darunter und scherte sich überhaupt nicht darum, dass sie von Kopf bis Fuß nass wurde. Ihrem finsteren Blick nach zu urteilen, hatte sie es wohl ernst gemeint, aber da es jetzt ohnehin zu spät war, konnte er die Versöhnung direkt unter der Dusche beginnen.
»Du bist soooo frech ...«, warf sie ihm entgegen und biss ihm in die Schulter. Eigentlich hatte sie es auf sein Ohr abgesehen, aber da Moritz wesentlich größer war als sie und ihr wohlweislich nicht entgegen kam, nahm sie mit dem nächstbesten Körperteil vorlieb.
»Und du bist sooo niedlich, wenn du dich ärgerst ...«, flüsterte er in ihr Ohr und begann, sie mit Duschgel einzuschäumen. Als er seine Hände über ihren nassen Körper gleiten ließ, wich ihre Verärgerung allmählich der provozierten Erregung und sie ließ sich auf sein verführerisches Spiel ein.
Erheblich später als geplant verließ Elisabeth das Bad, Moritz war bereits angezogen und saß mit Dackelblick auf dem Bett. »Sorry, ich konnte dir gerade nicht widerstehen unter der Dusche ...«
»So, so. Dann ist das späte Frühstück wohl die gerechte Strafe ...«, antwortete sie lächelnd und ließ das Badetuch fallen, das sie umgeschlungen hatte.
»Okayyyy ... Ich fürchte, dass ich dir auch jetzt nicht widerstehen kann!« Mit einem Satz war Moritz vom Bett aufgesprungen und stellte sich nun zwischen sie und den Kleiderschrank.
»Solltest du aber vielleicht langsam lernen, Liebling ...« Um ihn küssen zu können, stellte sie sich auf Zehenspitzen und zog ihn zu sich herunter. »Sonst verhungern wir irgendwann ...«
Moritz überlegte einen Moment und schlug dann vor: »Lass uns einen Kompromiss schließen. Da es ohnehin regnet, macht es im Wald heute sicherlich herzlich wenig Spaß.«
»Was hast du als Alternative im Kopf?« Elisabeth hatte sich inzwischen den Weg zum Kleiderschrank freigekämpft und zog sich an.
»Hmmmm ... Wir gehen frühstücken ... Ich werde die ganze Zeit an die Unterwäsche denken müssen, die du gerade anziehst und die ich dir am liebsten sofort wieder ausziehen würde ... Ähm, wo war ich? Ja. Nach dem Frühstück fahren wir zurück und ich entschädige dich mit einer Massage dafür, dass ich deine Bitte missachtet habe ...«
Elisabeth warf sich ihm um den Hals. »Du hast mich doch gerade schon mehr als entschädigt ...«, sagte sie in einen Kuss und schmunzelte, »aber massieren darfst du mich trotzdem ...«
»Na dann, nichts wie los ...«
»Gut, aber ich fahre«, entgegnete sie.
»Wenn du magst ...« Moritz zuckte mit den Schultern. Warum auch immer sie das jetzt so haben will. Sie verließen das Haus, Elisabeth schloss ab und Moritz griff ihre Hand. Wider Erwarten ging sie am Yeti vorbei und auf Knopfdruck öffnete sich das Tor der Doppelgarage. Moritz traute seinen Augen nicht.
»Weißt du jetzt, warum ich fahren will?«, lachte sie.
»Ja, jetzt wird mir einiges klar ...« Moritz schluckte. Elisabeth hatte ihn gebeten, den Landrover in der Parkbucht vor dem Haus abzustellen. Er hatte sich bereits gewundert, warum der Yeti draußen stand, eng am Zaun, die Garage wäre groß genug für zwei Autos und jede Menge Hausrat.
Auf der rechten Seite, deren Ausfahrt der Yeti blockierte, standen mehrere Reifenstapel, ein Mountainbike, Gartengeräte und Kleinkram. Was ihn aber sprachlos werden ließ, war die linke Seite. Ein brandneues Jaguar-F-Type R Cabrio.
»Eure Krassheit, ich bin beeindruckt.«
»Moritz, mach den Mund zu, die Nachbarn gucken schon.« Elisabeth winkte lächelnd Frau Voigt zu, einer älteren Dame, die mit ihrem Hund vorbeilief. Moritz stand in der Garage vor dem Wagen und rieb sich das Kinn. »Das ist die 5-Liter-Maschine, V8, oder?«
»Jap. 550 PS, schnurrt wie ein Kätzchen. Miau ...« Mit dem Schlüssel wedelnd grinste sie ihn an. »Hör auf zu sabbern ... Wenn du magst, darfst du fahren.«
»Ich weiß nicht, ob ich mich traue ...«
»Wenn du ihn zu Schrott fährst, nehme ich den Landrover. Kein Ding.« Übermütig knuffte sie ihn in die Seite.
»Ganz ehrlich? Ich weiß echt nicht, ob ich ihn heil aus der Garage bekäme.«
»Moritz, es ist nur ein Auto. Und wenn du genauer hinschaust, wirst du erkennen, dass es mit den ganzen Assistenzsystemen fast wie von allein fährt ...«
»Okay ... Auf deine Verantwortung.«
»Keine Sorge ... ich bin sehr gut versichert ...«, antwortete sie, als sie auf der Beifahrerseite einstieg. Moritz setzte sich auf die Fahrerseite, strahlte über beide Ohren, orientierte sich kurz und ließ dann den Motor an. »Der Sound ist ja Wahnsinn ...« Langsam rollte er aus der Garage.
»Ich weiß ... dafür hab ich den Wagen ja gekauft. Unter anderem.«
»Viel gefahren bist du damit aber noch nicht ... 1.900 km ...«
»Nö. Ich besitze ihn aber auch erst seit sechs Wochen. Und wenn ich ganz offen bin; ein wenig peinlich ist es mir hin und wieder schon. Irgendwie ein bisschen dekadent, aber er macht sooooo viel Spaß. Auf der Arbeit weiß außer Dr. Bruckmann keiner von dem Auto ... Es durfte auch noch niemand anderes damit fahren.«
»Oh ... Ich fühle mich wahrhaftig geehrt ...« Moritz sah sie liebevoll an und steuerte den Wagen Richtung Landstraße. »Aber wann fährst du ihn dann? Dein Snowboard wirst du ja wohl kaum hier drin unterbringen!?«
»Auf keinen Fall ... Die Schneeflecken sind tödlich auf den Ledersitzen. Ich fahre eigentlich nur am Wochenende damit oder wenn ich spontan noch etwas unternehme. Vor zwei Wochen bin ich freitagabends aufs Geratewohl damit nach Sylt gefahren. Da fiel der Wagen wenigstens nicht auf.« Sie kicherte. »Sonntagmittag dann wieder zurück. Ein Traum. Irgendwie verleitet er mich zu solchen Spontaneitäten ...«
»Kann ich mir gut vorstellen. Dabei ist das ja eigentlich kein Frauenauto. Hm ... Ich finde, er steht mir wesentlich besser. Meinst du nicht auch?« Moritz grinste frech.
»Natürlich ... Und worin transportierst du dann dein Snowboard? Eine Anhängerkupplung ist hier definitiv nicht vorgesehen.« Beide prusteten vor Lachen. »Apropos Frauenauto: Meine Freundin Marie ist ebenfalls total vernarrt in das Kätzchen, wir waren auf Schloss Eschberg zum Wellness-Wochenende als ich das Auto abgeholt habe und sie meinte: Süße, wir brauchen keine Massagen und kein Spa, wir bleiben einfach hier drin sitzen und fahren die Autobahn rauf und runter.«
Kopfschüttelnd sah Moritz sie an: »Dann kann ich meine Massage nachher wohl auch abhaken?«
Elisabeth beugte sich zu ihm hinüber, gab ihm einen Kuss auf die Wange und antwortete: »Niemals ...«
Beim Frühstück im Roadhouse alberten sie herum, fotografierten sich mit Marmeladenresten im Gesicht, verzierten gegenseitig ihre Pancakes mit Herzen aus Marshmallow-Fluff und fütterten sich mit Erdbeeren. Der Vormittag verging wie im Flug und als die Sonne sich auch bei ihrem Aufbruch nur als ungefähre Ahnung am Himmel blicken ließ, kam Elisabeth eine Idee. »Sag mal, wollen wir zurück zu mir oder hast du zufällig Lust auf eine Spritztour?«
»Du meinst, eine Spritztour, bei der ich fahren darf?«
»Halbe, halbe, du fährst hin, ich fahre zurück.«
»Hm ... Und wohin möchtest du?«
»Ich kenne ein ganz entzückendes indisches Restaurant, mit wirklich hervorragenden traditionellen Speisen ...«
»Schon wieder essen?«
»Jap. Im Vijaya.«
»Und das wäre wo?«
»Geldersekade 23 ... Gib mal ins Navi ein.« Schon beim Buchstabieren kicherte Elisabeth wie ein Schulmädchen.
»Hey, das ist in Amsterdam ... Das sind knapp zwei Stunden Fahrt.« Moritz war völlig geplättet.
»Too much?«
»Niemals ...«
Als sie gegen kurz vor sieben am Abend wieder vor Elisabeths Haus ankamen, hatte der Regen aufgehört und die klare Frühsommerluft lud zu einem späten Spaziergang ein.
»Duuu, hast du noch Lust, dass wir uns ein bisschen die Beine vertreten? Nach gut vier Stunden im Auto brauche ich irgendwie noch Bewegung.«
»Sehr gern ... Ich wüsste aber auch eine andere Form von körperlicher Betätigung ...« Moritz schlang seine Arme um sie und küsste Elisabeth liebevoll.
»Mhmh ... Die Massage werde ich definitiv heute noch einfordern, Liebling ...«
»Na gut, dann kann ich eine kleine Runde sicherlich verschmerzen. Wo möchtest du hin?«
»Um den kleinen See da vorne im Wald, wirklich nicht weit ...« Sie griff seine Hand und gemeinsam schlenderten sie bis ans Ende der Straße, den Schotterweg hoch und keine fünf Minuten später fanden sie sich mitten im Wald wieder. Moritz dachte an den Spaziergang, den er am Freitag gemacht hatte, bevor er Elisabeth im Café in Eschberg begegnet war. »Liebes, sag mal, kann es sein, dass das hier der Forst ist, der sich bis Eschberg erstreckt?«
»Ja, ist er. Ich hab mal versucht, die Grenze mit dem Mountainbike abzufahren, ich war zwei Tage unterwegs ... Soweit ich weiß ist ein Großteil des Naturschutzgebietes in Privatbesitz der Fürstenfamilie von Eschberg, aber bis auf wenige Stellen ist der Wald zur öffentlichen Nutzung freigegeben. Wenn du jetzt losläufst, bist du morgen Mittag in Eschberg.« Elisabeth sah Moritz an, er wirkte etwas irritiert. »Ich find es süß, dass wir quasi beide neben demselben Wald wohnen ...«
Moritz schmunzelte. »Ja, irgendwie hat das was ... Nur andererseits sind dazwischen zig Kilometer, die uns trennen, und die finde ich nicht so süß ...«
»Gut, dass es diese komischen Dinger mit den vier Rädern und dem Lenkrad gibt ...« Das Grinsen konnte sich Elisabeth nicht verkneifen und auch Moritz machte wieder ein fröhlicheres Gesicht.
Am See angekommen, führte sie ihn an die verwaiste Uferböschung, fand eine trockene Stelle im Gras und forderte ihn auf, sich zu setzen. Sie rutschte von hinten ganz nah an ihn heran und begann, ihm die Schultern zu massieren. Er drehte den Kopf so gut es ging nach hinten und fragte sie: »Hey, sollte das nicht eigentlich andersrum funktionieren? Ich erinnere mich, dass du heute noch massiert werden solltest ...«
Elisabeth gab ihm einen Kuss und antwortete dann mit einer gewissen Sehnsucht in der Stimme: »Keine Sorge ich habe es nicht vergessen. Aber ich dachte mir gerade, dass du, nachdem du ja doch beide Strecken gefahren bist, etwas Lockerung brauchst, wenn du mich nachher ganz ausgiebig massieren wirst ... Ich bin, was das betrifft nämlich leider unersättlich ...«
»Hmmm ... Und ich bin unersättlich, was andere Dinge betrifft ...«, antwortete Moritz, drehte sich zu ihr um und küsste sie. Elisabeth blickte sich kurz um, auf der einen Seite waren sie durch das Dickicht geschützt, auf der anderen Seite hatte man nur vom See Einblick auf die Stelle, an der sie saßen.
»Weißt du eigentlich, dass wir hier quasi ›unsichtbar‹ sind?«, raunte sie Moritz ins Ohr.
»Du meinst ...?« Sein Blick sprach Bände, sein Kuss wurde leidenschaftlicher und nur wenige Augenblicke später tauschten sie die Plätze. Moritz saß mit dem Gesicht zum Ufer, erlöste sich von seiner Hose und widmete sich Elisabeth, küsste ihren Hals und schlüpfte unter ihren Rock, befreite sie von dem kleinen Nichts aus Spitze, das ihn morgens schon getriggert hatte. Langsam ließ sich Elisabeth an ihm heruntergleiten und genoss den Moment in dem Moritz und sie einfach nur eins waren. In inniger Umarmung ließen sie ihrer Lust freien Lauf und schenkten sich gegenseitig Erfüllung.
Verträumt und selig lächelnd schlenderten sie wieder zurück zum Haus. »Meinst du, wir schaffen es, American Psycho zu Ende zu sehen?«, fragte Moritz.
»Ich denke schon ... Wobei, der Film hat auch sehr ›explizite‹ Szenen. Eventuell könnte das dazu führen ...« Elisabeth ließ den Satz unvollendet.
»Hmmmm ... also gut, dass ich bis morgen früh bleiben kann, meinst du?« Moritz hatte seine Stirn gegen ihre gelehnt und schenkte ihr einen vielversprechenden Blick.
»O ja ... Außerdem ist noch Wein offen, den möchte ich ungern allein trinken ...« Ihre Lippen schnappten nach seinen, fanden sie, verloren sich wieder. Moritz fing sie wieder ein, biss Elisabeth zärtlich in die Unterlippe, ließ sie wieder los und bedeckte ihren Hals mit Küssen, vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und wisperte: »Erinnere mich gleich daran, wo wir stehen geblieben sind ...«
»Nur zu gern ...« Beseelt holte Elisabeth Wein und Gläser, während Moritz zum zweiten Mal an diesem Wochenende den Film startete.