Читать книгу Kronprinz Rudolf: Erinnerungen an Sisis einzigen Sohn - Lars Friedrich - Страница 3
Vorwort
ОглавлениеAm 30. Januar 1889 starb in dem kleinen niederösterreichischen Dorf Mayerling der Thronfolger des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn, Kronprinz Erzherzog Rudolf von Habsburg, im Alter von 31 Jahren. Im Tod an seiner Seite: Marie Alexandrine Freiin von Vetsera (1871-1889), seine minderjährige Geliebte. Beide starben nach aktuellem Wissensstand durch Kugeln – Rudolf im Bett sitzend und die Baroness liegend, wahrscheinlich im Schlaf. Freiwillig?
Bis heute ranken sich um den Tot des Liebespaares im Jagdschloss des Kronprinzen viele Legenden: War es ein, im westlichen Ausland geplanter, politisch motivierter Mord? Ein Doppelselbstmord? Ein tragischer Unfall? Wurde der politisch liberale Kronprinz im Auftrag von vier ultrakonservativen österreichisch-ungarischen Adelsfamilien hingerichtet? Warum war die Baroness Vetsera in Mayerling? Hatte der Kronprinz sie als vermeintlichen Schutz mitgenommen? Oder wollten sie tatsächlich ihre scheinbar ausweglose Liebe mit dem Tod besiegeln, denn der Erzherzog war seit acht Jahren mit der Tochter des belgischen Königs, Prinzessin Stephanie (1864-1945), verheiratet und Vater einer Tochter, der Erzherzogin Elisabeth Marie (1883-1963)? Weder die damalige Regierung unter Ministerpräsident Eduard Graf Taaffe (1833-1895), noch das Erzhaus Habsburg zeigten sonderliches Interesse, der Öffentlichkeit die Wahrheit kund zu tun. Schon bald spekulierten die Menschen und die Medien im In- und Ausland, was in Rudolfs Refugium unweit des Zisterzienserklosters von Heiligenkreuz im Wienerwald geschehen war...
Halten wir uns an die wenigen Fakten, so wurden in den Morgenstunden des 30. Januars 1889 im Jagdschloss des Kronprinzen in Mayerling zwei Personen tot aufgefunden: der Erzherzog und die Baroness. Während Rudolf in der Grablege der Habsburger in Wien, der Kaisergruft unter der Kapuzinerkirche, die letzte Ruhe fand, wurde seine Geliebte heimlich auf dem Friedhof des benachbarten Dorfes Heiligenkreuz beigesetzt. Aus dem Jagdschloss wurde noch im Laufe des Trauerjahres auf Wunsch des Kaiserhauses ein Frauenkloster, die dem Anwesen benachbarte historische Wallfahrtskirche von Mayerling wurde abgerissen.
Eine bereits kurz nach dem so genannten „Drama von Mayerling“ einsetzende Publikationswelle, die bisher hunderte Bücher und Artikel über den Tod der Liebenden hervor gebracht hat, kolportierte schon früh das Gerücht, nach der Beisetzung Rudolfs sei sein Name am Hof von Kaiser Franz Joseph I. (1830-1916) und Kaiserin Elisabeth (1837-1898) tabu gewesen. Schließlich sei der Erzherzog erbärmlich „wie ein Schneider“ gestorben und es nicht Wert, ein Mitglied des Hauses Habsburg zu sein.
Doch so war es nicht: Rudolfs Name war keineswegs tabu und die Erinnerung an ihn wurde – auch, oder gerade – im Innenkreis des Erzhauses Habsburg sehr wohl wach gehalten. Von einem angeblich vom Kaiser angeordneten und staatlich gewollten Verschwinden des Namens „Rudolf“ aus der Öffentlichkeit kann keine Rede sein. Selbst der kaiserliche Vater bezeichnete nach den Vorfällen vom Jänner 1889 seinen Sohn in Briefen sogar als „den besten Sohn und treuesten Unterthanen“. Dass der Kronprinz durch die Umstände seines Todes am Hofe zu einer „persona non grata“ wurde, widerlegen auch die Telegramme des österreichisch-ungarischen Gesandten am Hof des deutschen Kaisers in Berlin, des Botschafters Ladislaus Graf von Szögyeny-Marich (1841-1916). Am 30. Jänner jeden Jahres besuchte ihn Kaiser Wilhelm II. (1859-1941), und der Gesandte meldete telegrafisch an den Kaiser nach Wien, dass man dem toten Kronprinzen gedacht habe. Und auch auf dem anlässlich der Silberhochzeit von Franz Joseph und Elisabeth 1879 von ihren Kindern gestifteten dreiteiligen Altarbild von Hans Canon (1829-1885) in der Josephskapelle der Hofburg wurde nach 1889 das Bild des Kronprinzen auf dem linken Seitenflügel weder abgehängt, noch übermalt.