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The wound is the place where the light enters you. — Rumi

Wie ich dank Buddhameine größte Angstloslassen konnte

Kurz bevor ich Anfang des Jahres nach Südafrika geflogen bin, meldete ich mich für Vipassana an, einen zehntägigen Meditationskurs in der Nähe von Kapstadt. Ein Freund hatte mir vor einiger Zeit davon erzählt, und während er von dem Kurs sprach, war meine Intuition so stark, dass ich dort unbedingt auch hingehen sollte. Ich dachte mir, dass es vielleicht die perfekte Vorbereitung für das Buch sein könnte, um meine Gedanken zu sammeln und um Klarheit zu finden. Ich informierte mich nicht wirklich, worum es genau bei dem Kurs gehen würde, alles, was ich wusste, war, dass wir zehn Tage meditieren und schweigen würden und dass es höchstwahrscheinlich nur Reis zu essen geben würde.

Nach der ersten Woche in Kapstadt war es dann so weit. Mein Freund fuhr mich zum Meditationscenter, das ungefähr anderthalb Stunden entfernt von Kapstadt liegt. Ich stieg voller Elan und Vorfreude ins Auto und dachte, es würden mich zehn Tage voller innerer Ruhe, Frieden und Harmonie erwarten. Ich malte mir aus, wie ich glücklich auf meinem kleinen Meditationskissen sitzen und nach zehn Tagen erfrischt wieder nach Hause fahren würde.

Das Meditationszentrum liegt wunderschön von Bergen umgeben und ist völlig abgeschnitten von der Außenwelt. Als wir dort ankamen, verabschiedete ich mich von meinem Freund und spazierte in die Registrationshalle, um mich anzumelden.

Nach der Registrierung wurde ich in den Teil des Meditationszentrums geführt, den wir während der nächsten zehn Tage nicht mehr verlassen durften. Ich bekam ein kleines Zimmerchen mit der Nummer 16D zugewiesen und setzte mich aufs Bett. Mir gegenüber hing an der Wand ein Zettel, auf dem der Zeitplan stand sowie der »Code of Honor«.

Der »Code of Honor« von Vipassana besagt, dass jeder Teilnehmer während der zehn Tage die folgenden Regeln befolgen sollte:

1. »Noble Silence« bedeutet, man schweigt und hat auch keinen Körper- oder Blickkontakt mit den anderen Teilnehmern – während der gesamten Zeit.

2. Man gibt alles ab außer der Kleidung (alle Bücher, das Handy, den Laptop etc.).

3. Man bricht die zehn Tage nicht ab und meditiert zu den vorgegeben Zeiten.

Vielleicht war es gut, dass ich mich vorher nicht wirklich informiert hatte, was mich erwarten würde. Mein kleines Zimmerchen war ausgestattet mit einem Bett und einem kleinen Nachttisch. Jeder Tag lief gleich ab:

4:00 Uhr aufstehen, 4:30–6:00 Uhr meditieren, Frühstück, 8:00–9:00 Uhr meditieren, kurze Pause, 9:00–11:00 Uhr meditieren, Mittagessen, 13:00–14:30 Uhr meditieren, kurze Pause, 14:30–15:30 Uhr meditieren, kurze Pause, 16:00–17:00 Uhr meditieren, Abendessen, 16:00–19:00 Uhr meditieren, 19:00–20:00 Uhr Diskurs, 20:00–21:00 Uhr meditieren und ab 21:00 Uhr schlafen.

Langsam dämmerte es mir, dass das vielleicht doch ziemlich lange zehn Tage werden würden, aber ich war immer noch voller Vorfreude auf die Zeit und dachte mir, dass ich ja jetzt schon seit mehreren Jahren täglich meditierte und es mit Sicherheit eine wunderbar entspannte Zeit werden würde.

Der erste Tag lief super. Ich saß hoch motiviert morgens um 4:30 Uhr in der Meditationshalle und war bereit, das Beste aus den zehn Tagen herauszuholen. Es war anfangs merkwürdig, mit niemandem sprechen zu dürfen, und ich spürte, wie mein Geist im Laufe des Tages anfing, sich selbst mit den merkwürdigsten Gedanken zu beschäftigen. Wenn man plötzlich nur noch mit sich selbst zu tun hat, beginnt der Geist, sich zu verselbstständigen, und plötzlich scheint alles wesentlich dramatischer, als es in Wirklichkeit ist. Ein bisschen so, wie wenn einem nachts plötzlich einfällt, dass man am nächsten Tag noch eine wichtige E-Mail schreiben muss, und diese E-Mail auf einmal die Wichtigkeit einer Präsidentschaftswahl bekommt.

Am Abend des ersten Tages, während des Diskurses, bei dem die Teilnehmer die Theorie von Vipassana erklärt bekamen, erfuhr ich, dass Vipassana die von Buddha entwickelte Technik ist, durch die er erleuchtet wurde. Das Wissen über Vipassana war fast 2500 Jahre in Birma von buddhistischen Mönchen in seiner ursprünglichen Form erhalten worden, während es überall sonst auf der Welt verloren gegangen war. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts fing die Lehre von Vipassana an, sich durch den Lehrer S. N. Goenka wieder in der westlichen Welt zu verbreiten.

Buddha gelang es damals, durch Vipassana all sein Leid aufzulösen und frei zu sein von menschlichen Ängsten und Sorgen. Erleuchtung klingt super, dachte ich mir. Frei zu sein von allem Leid wäre auch fein. Natürlich hatte die Sache einen klitzekleinen Haken. Wäre Erleuchtung so einfach zu erlangen, hätten wir sie wahrscheinlich alle bereits. Denn um erleuchtet zu werden, muss erst mal alles an die Oberfläche kommen, was den Menschen von seiner Erleuchtung abhält. Der Weg zur Erleuchtung läuft quasi einmal quer durch die Dunkelheit.

Vipassana lehrt, mit einem ausgeglichenen, ruhigen Geist achtsam die aufkommenden Empfindungen im Körper zu beobachten und wahrzunehmen, wie diese im Körper entstehen, aufkommen und wieder gehen. Buddha hatte erkannt, dass unser Körper uns dazu dient, die Vielzahl aller Gefühle empfinden zu können, und dass unser Unterbewusstsein rund um die Uhr damit beschäftigt ist, alle Reize, die von außen kommen, in Form von körperlichen Empfindungen zu verarbeiten. Die Grundlage von Vipassana ist das universelle Gesetz der Unbeständigkeit. Alles im Universum unterliegt diesem Gesetz. Alles verändert sich ununterbrochen. Während du gerade diese Worte liest, bist du älter geworden, dein Körper hat sich verändert, deine Gedanken haben sich verändert, die Erde hat sich weitergedreht, und nichts ist mehr so, wie es noch vor einem Moment gewesen ist.

Durch das bewusste und objektive Beobachten der eigenen körperlichen Empfindungen erfahren wir dieses universelle Gesetz an uns selbst. Gefühle kommen, drücken sich auf die ein oder andere Art aus und vergehen wieder. Diese Erkenntnis führte Buddha zu der Feststellung, dass der Schlüssel zur Erleuchtung darin liegt, die aufkommenden Emotionen wahrzunehmen, sich aber nicht von ihnen beeinflussen zu lassen.

In der Theorie eigentlich ganz easy. Wenn da nicht dieser Zwischenteil wäre, dass der Geist alles nach oben schwemmt, was bis dahin unterdrückt wurde, wenn er plötzlich nicht mehr von außen abgelenkt ist. Am zweiten Tag fing mein Verstand während der Meditationen plötzlich an, die dramatischsten Szenarien vor meinem inneren Auge abzuspielen. Ich stellte mir vor, wie ich nach den zehn Tagen zurückkommen und mein Freund mich verlassen würde oder er sich gerade in eine wunderschöne Surferin verlieben würde, während ich im Exil war. Oder dass Menschen, die ich liebe, einen Unfall haben würden, dass meinen Geschwistern etwas zustoßen könnte oder dass meine Oma vielleicht plötzlich krank werden würde. Für jede einzelne dieser Szenarien wurde mein Verstand plötzlich unfassbar kreativ, warum es nur so sein könnte und nicht anders. Er fand dafür die absolut logischen Argumente, und plötzlich saß ich da, spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen, wie mein Hals ganz eng wurde und die Angst in jede Zelle meines Körpers strömte. Ich fühlte mich unendlich einsam. Ich fühlte mich verlassen. Ich hatte plötzlich panische Angst, allein gelassen zu werden. Irgendwo in mir war noch ein kleiner Anteil an gesundem Verstand, der versuchte, gegen die Angst anzukämpfen, aber es war so vergebens wie bei Don Quijote, der gegen die Windmühlen antreten wollte.

Ich versuchte, mir zu sagen, dass das alles absoluter Quatsch sei, den ich mir erzähle, dass alles in Ordnung sei, dass es keinen Grund gäbe, so beunruhigt zu sein. Aber die Angst hatte längst auf die richtigen Knöpfe in mir gedrückt, sodass alles gute Zureden ins Leere lief. Vor lauter Verzweiflung und weil die Angst irgendwann so unerträglich war, fing ich an, sie in meinem Kopf anzuschreien. So laut, dass ich dachte, es müssten bestimmt alle um mich herum hören. Ich schrie die Angst an, sie solle aufhören, mir diese schrecklichen Bilder in den Kopf zu legen. Ich schrie sie an, dass ich sie nicht fühlen wolle. Dass mir das wehtäte. Dass ich diesen Schmerz nicht fühlen wolle. Ich flehte sie an zu gehen. Aber sie ging nicht. Sie blieb sogar recht unbeeindruckt von meinem Bitten. Es bestärkte sie nur. Sie saß neben mir auf meinem Meditationskissen und rührte sich keine Millimeter von mir weg.

Das Problem ist nie das Problem

Nach einer schlaflosen Nacht saß ich am dritten Tag völlig zerknittert auf meinem Meditationskissen und fragte mich, wie lange ich das wohl aushalten würde. Falls die nächsten sieben Tage genau so weitergehen würden, würde ich meinen Verstand verlieren. Ich begann, mich über mich selbst zu ärgern. Ich war Coach, verdammt noch mal. Ich hatte doch eine Million Techniken, um mit Ängsten umzugehen. Wie konnte es sein, dass ich mich gerade so hilflos fühlte?

In einem der wenigen Augenblicke während der Meditation, wo es mir gelang, mich ganz auf meinen Atem zu konzentrieren und mein Nervensystem wieder ein wenig zu beruhigen, sammelte ich mich und überlegte, was meine Möglichkeiten wären. Mein Ego und mein innerer Schweinehund plädierten dafür, so schnell wie möglich meine Sachen zu packen und zu gehen. Abbrechen war für mich aber keine Sekunde eine Option. Das heißt, es blieb nur eine Möglichkeit: Ich musste einen Weg finden, aus meinem Schmerz und aus meiner Angst herauszukommen. Ich wünschte mir so sehr, die zehn Tage wirklich für mich nutzen zu können, aber ich spürte auch, dass ich gerade mit allem rationalem Menschenverstand nicht wirklich weiterkam.

Also tat ich das Einzige, was mir in diesem Moment möglich schien: Ich bat um ein Wunder. Ich bat darum, eine neue Perspektive auf meine Angst zu bekommen. Ich bat darum, mir ein Zeichen zu schicken, irgendetwas Unwahrscheinliches, damit ich wusste, dass die Angst nur eine Illusion war und ich vertrauen konnte.

Vertrauen lernen wir genau in den Momenten, wenn wir eigentlich weglaufen wollen. Wenn alles in uns danach schreit, das Weite zu suchen. Wenn uns panische Angst überkommt. Genau in diesen Momenten zu vertrauen, ist die Kunst des erfüllten Lebens. Sich nicht dem Misstrauen hinzugeben, sondern der Liebe zu folgen. Der Stimme in uns, die sagt, es ist alles gut. Du bist beschützt. Auch wenn es sich gerade anders anfühlt, aber vertraue, und du wirst sehen, alles wendet sich zum Guten.

Als ich um ein Wunder bat, hörte ich auf zu kämpfen. Ich hörte auf, die Angst anzuschreien und sie weghaben zu wollen. Ich hörte auf zu glauben, immer alles wissen zu müssen, für alles eine Lösung haben zu müssen und nie Angst haben zu dürfen. Ich erlaubte mir, die Erfahrung machen zu dürfen und es nicht besser zu wissen. Ich gab mich der Situation hin und öffnete damit das Tor für eine Lösung, die außerhalb meines Verstandes lag. Ich öffnete mich der Möglichkeit, nicht alles allein lösen zu müssen, sondern um Hilfe zu bitten und diese zu empfangen.

Das Universum lässt nicht lange auf sich warten, wenn wir es um Wunder bitten. In dem Moment, in dem ich losließ, entspannte ich mich und war bereit, meine Angst neu zu betrachten. Mir wurde plötzlich klar, dass die Angstgeschichten, die sich in meinem Kopf abgespielt hatten, nur die Symptome von einer Angst waren, die wesentlich tiefer lag. Ich spürte, wie mein Körper mich durch die Symptome daran erinnerte, woher die Angst eigentlich kam, um sie endlich zu lösen. Mir wurde klar, dass die Angst tief in mir verwurzelt war, so tief, dass ich es gar nicht mehr wahrgenommen hatte. Dadurch dass ich das erste Mal in meinem Leben mit wirklicher Stille konfrontiert war und plötzlich nicht mehr von außen abgelenkt wurde oder mich durch übermäßiges Arbeiten, Konsumieren oder ständiges Checken von Social Media selbst ablenkte, spürte ich sie das erste Mal seit über 20 Jahren wieder ganz klar. Ich begann, mich an den Ursprung der Angst zu erinnern. All die Bilder, die ich in den letzten Tagen in meinem Kopf produziert hatte, hatten dieselbe Wurzel: die tiefe Angst davor, allein gelassen zu werden. Ich hatte dieses Gefühl über so viele Jahre vollkommen unterdrückt, weil es so schmerzhaft war. Angst ist jedoch wie Wasser bei einem sinkenden Schiff, es findet immer den Weg nach oben und zieht irgendwann das ganze Schiff nach unten. Der einzige Weg, um Ängste zu lösen und gehen zu lassen, ist, Licht auf sie zu werfen. Wir müssen den Mut haben, hinzusehen und das Gefühl in seiner Tiefe zuzulassen, um es zu heilen.

»Deine Aufgabe ist es nicht, nach Liebe zu suchen, sondern einfach alle Schranken in dir selbst zu suchen und zu finden, die du gegen sie erbaut hast.« — Ein Kurs in Wundern

Während meiner Meditation kamen die Erinnerungen an eine Zeit, die ich komplett aus meinem Bewusstsein gelöscht hatte, die aber dennoch durchweg unbewusst in mir wirkten und der Grund für viele weitere schmerzhafte Erfahrungen waren. Es waren die Erinnerungen an das erste Jahr nach der Scheidung meiner Eltern, die damals so schmerzhaft für mich waren, dass ich sie tief in mir verdrängt hatte. Ich hatte bis zu meinem zehnten Lebensjahr eine perfekte Kindheit gehabt. Ich wuchs zusammen mit meinen beiden Brüdern in einem Internat mit einem wunderschönen Park auf, das mein Vater damals leitete. Mit vier Jahren schenkten mir meine Eltern ein kleines, dickes Pony, das in den nächsten Jahren zu meinem besten Freund wurde. Ich war jeden Tag im Wald, galoppierte über die Felder und ritt sogar mit meinem Pony zum Unterricht. Ich war eine Mischung aus Ronja Räubertochter und Pippi Langstrumpf, ich machte mir um nichts Sorgen. Das Dramatischste, woran ich mich aus diesen Tagen erinnern kann, ist, dass mein älterer Bruder einmal einer meiner Puppen die Haare anzündete, woraufhin ich sein Holzhaus, das er mühevoll zusammen mit seinem besten Freund gebaut hatte, von oben bis unten in pinker Lackfarbe anmalte. Als ich zehn Jahre alt wurde, veränderte sich alles. Es war ein schöner Tag im Sommer, als mein Vater mit mir und meinen Brüdern einen Ausflug ins Schwimmbad machte. Wir waren den ganzen Tag draußen, haben gespielt, gelacht, und als wir abends erschöpft nach Hause kamen, wollte ich meiner Mutter sofort von dem Tag erzählen und von all den tollen Dingen, die wir im Schwimmbad erlebt hatten. Aber in dem Moment, als ich die Tür zu unserem Haus öffnete und im Flur stand, wusste ich, dass irgendwas nicht stimmte. Irgendetwas war anders, etwas fehlte. Der große goldene Spiegel meiner Mutter, der mitten im Flur hing, war nicht mehr da. Ich rief nach ihr, aber auch sie war nicht mehr da. An dem Tag, als wir schwimmen waren, ist meine Mutter ausgezogen, um ein neues Leben anzufangen – und an dem Tag hat sich mein Leben für immer verändert.

Ich verstand die Welt nicht mehr. Es war, als wäre meine kleine Welt auseinandergebrochen, und ich verlor an diesem Tag das Urvertrauen in die Welt. Ich suchte verzweifelt nach etwas, woran ich mich festhalten konnte oder wodurch ich Sicherheit finden würde, aber da war nur der Schmerz, allein gelassen worden zu sein. Kurze Zeit später zogen wir mit meinem Vater in eine neue Stadt um, ich kam auf eine andere Schule und fühlte mich so fremd in dieser neuen Welt.

Während der Meditation begann ich, mich plötzlich an diese Zeit zu erinnern. Ich dachte an die ersten Wochen im neuen Haus, an die Umzugskartons in meinem Zimmer und die Leere in mir. Ich spürte, wie die Traurigkeit wieder in mir hochkam und die Angst davor, von einem Tag auf den anderen alles zu verlieren, was ich liebte, und allein gelassen zu werden.

Durch die Meditation schaute ich das erste Mal seit fast 20 Jahren hinter die Mauer, die ich damals aufgebaut hatte, und ich konnte mit jeder Zelle meines Körpers wieder den Schmerz spüren, den ich damals weggeschlossen hatte. Ich sah mich selbst als kleines Mädchen in meinem Bett liegen und beten, dass alles wieder gut werden würde, dass der Schmerz weggehen möge und ich mich nicht mehr so verloren und wieder zu Hause fühlen würde.

So saß ich da in den Bergen Südafrikas auf meinem Meditationskissen – mit meiner Angst neben mir und der Erkenntnis, dass sie die letzten 20 Jahre immer da gewesen war, ohne dass ich mir darüber bewusst war. Ich erkannte, wie mich die Angst in meinen Beziehungen blockiert hatte, wie ich Dinge überdramatisiert hatte, weil tief in mir schon bei dem kleinsten Anzeichen von Konflikt die tiefe Angst wild Alarm schlug und mich nicht mehr klar denken ließ.

Wenn wir uns bedroht fühlen, schüttet unser Körper Tonnen an Stresshormonen aus. Unter starkem Stress schaltet unser Gehirn alle Teile des logischen Verstands aus und arbeitet nur noch mit dem ältesten Teils des Gehirns: dem Reptiliengehirn. Ich nenne diesen Zustand immer ganz liebevoll »Drama-TV«. Mit Sicherheit kennst du dieses Gefühl auch, von der Wut oder Angst völlig überwältigt zu werden und nicht mehr klar denken zu können. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass sich dein Gehirn gerade wieder in die Steinzeit zurückkatapultiert hat. Für die nächsten 20 Minuten ist jegliches gutes Zureden verschwendete Mühe, das Einzige, was wir hier wahrnehmen, ist Drama. Unser gesamtes System ist jetzt im Überlebensmodus und wählt nur noch zwischen drei Handlungsmöglichkeiten: »Fight, Flight oder Freeze« (kämpfen, wegrennen oder totstellen). Da wir in diesem Zustand nicht in der Lage sind, gute Entscheidungen zu treffen und die Situation zu entschärfen, verstärkt der Überlebensmodus dieses Verhalten, den Konflikt in den meisten Fällen, anstatt ihn zu lösen. Sie verstärkt sogar genau das Szenario, vor dem wir eigentlich am meisten Angst haben, und führt zu Trennung und Verletzungen.

Ich spürte, dass der Augenblick gekommen war, die tiefe Wunde zu heilen, die der Ursprung meiner Angst war und die mich über so viele Jahre davon abgehalten hatte, mein Herz zu öffnen und wieder ganz zu vertrauen. Ich hatte mich so lange gegen den Schmerz gewehrt und gedacht, ihn irgendwie unterdrücken zu können, wodurch ich mir aber auch die Möglichkeit genommen habe, ihn zu heilen. Der einzige Weg zu heilen, ist, die bittere Medizin zu schlucken und durch den Schmerz hindurchzugehen. Wir müssen Licht auf unsere Schatten werfen, damit sie sich auflösen.

Ich nahm einen tiefen Atemzug und stellte mir vor, wie ich in Gedanken durch die Zeit zurückreiste bis zu dem Tag, an dem ich die Angst am stärksten spüren konnte. Ich konnte mich selbst wie von außen in einem Film in der Situation sehen, wie ich mich damals so hilflos und verlassen gefühlt habe, so, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich setzte mich neben mein jüngeres Ich und nahm die kleine Laura einfach in den Arm. Ich hielt sie fest, und ich sagte ihr, dass sie so stolz auf sich sein könne und dass vor ihr ein wunderschönes Leben läge, von dem sie jetzt noch nicht mal zu träumen wagte. Ich konnte den Schmerz und die Einsamkeit so stark in ihr und in mir spüren, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen. Ich wusste, ich war am Kern meiner Angst angekommen. Ich spürte, wie sich mein gesamter Brustkorb anfühlte, als würden Hunderte Steine daraufliegen, wie sich mein Hals zuzog und sich mein Magen verkrampfte. Ich wiederholte die Stimme von meinem Meditationslehrer in meinem Kopf: »Just observe«, einfach nur wahrnehmen. Und tatsächlich begann sich mein Körper zu entspannen – mit jedem Atemzug, den es mir gelang, einfach nur meine Empfindungen zu beobachten, ohne sie zu bewerten oder vor ihnen weglaufen zu wollen. Der Schmerz ließ nach. Die kleine Laura in meinem Arm begann, sich auch immer mehr zu entspannen, und es war, als würde sich ein Knoten lösen, der über 20 Jahre lang in meinem Herzen gewesen war. Die Tränen aus Schmerz verwandelten sich in Tränen der Dankbarkeit, dass ich den Mut gefunden hatte, den Schmerz zu fühlen und ihn dadurch endlich zu heilen.

MÖGEST DU GLÜCKLICH SEIN

› Manchmal ist es besser, nicht zu wissen, was dich erwartet, denn dann würde dich deine Angst davon abhalten, es zu tun.

› Die wahren Antworten zeigen sich dir in der Stille, wenn der Geist keine Ablenkung mehr von außen hat.

› Das Problem ist nie das Problem. Um wahre Heilung zu erfahren, musst du zum Ursprung deines Schmerzes zurückkehren.

› Die eigenen Ängste produzieren meistens genau das Ergebnis, wovor wir am meisten Angst haben.

› Angst löst sich nur auf, indem du Licht auf sie wirfst.

› Wunder bedeuten, die eigene Perspektive von Angst hin zu Liebe zu verändern.

Meine Notizen und Erkenntnisse:


Mögest Du glücklich sein

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