Читать книгу Wild Hearts - Laura Thomann - Страница 4
Chapter one
Оглавление„Woohoo!“ Alex schüttelte die Flasche Sekt, bis der Korken herausplatzte und der Schaum auf sie, Lucie, Emma und Rae herabregnete.
„Oh Alex!“ Rae wischte sich den Sektschaum aus dem Gesicht. „Musste das sein?“
„Natürlich! Du weißt genau, dass wir heute feiern müssen!“ Alex trank ein paar Schlucke direkt aus der Flasche. „Außerdem ist das nur der Billige. Den Guten verschütte ich ganz bestimmt nicht.“
Jedes Jahr am vierzehnten April organisierte Alex eine Feier für die vier, da sie unbedingt den Tag feiern wollte, an dem sie zusammen in diese Wohnung hier gezogen waren. Rae tat zwar oft ein wenig so, als würde sie diese Partys nicht allzu sehr mögen, aber eigentlich nur, um Alex ein wenig zu bremsen. Denn wenn diese einmal loslegte, war sie kaum mehr aufzuhalten. Es war aber auch genau dieser Enthusiasmus, den Rae, Emma und Lucie so an ihr schätzten.
Auf den ersten Blick wirkten alle vier grundverschieden, aber trotzdem verband sie nun bereits eine jahrelange Freundschaft. Sie alle hatten in der Vergangenheit einiges durchgemacht und wer weiß, wie es jetzt um sie stehen würde, hätten sie sich nicht kennengelernt. Rae hatte lange ein ziemlich normales Leben gehabt, bis sie mit fünfzehn durch ihren damaligen Freund an Drogen geraten und in eine Sucht geraten war. Zwei Jahre später, mit siebzehn, lernte sie Alex kennen, die ihr später half, von den Drogen loszukommen. Alex war damals neunzehn gewesen und stark magersüchtig. Es hätte nicht mehr lange gedauert und sie wäre daran gestorben.
Ein paar Monate später trafen sie auf Emma. Sie war vor einem schäbigen Club vor einem Typen bedrängt worden, doch Alex und Rae hatten ihn verprügelt, bevor schlimmeres passiert war. Etwas weniger als ein Jahr darauf, stieß auch noch Lucie zu ihnen. Sie war die jüngste von ihnen und als sie sich kennenlernten war sie erst sechzehn gewesen, hatte jedoch schon einige Wochen auf der Straße gelebt. Damals litt sie an starken Depressionen und Emma fand sie bei dem Versuch sich umzubringen.
Alles in allem waren sie eine ziemlich abgefuckte Gesellschaft, aber solange sie einander hatten, war alles in Ordnung.
Alex verteilte allen vier ein Glas Sekt und hob dann ihr eigenes in die Luft. Es war wohl wiedermal Zeit für eine ihrer berühmten Reden.
„Als wir vor drei Jahren hier einzogen“, begann sie feierlich. „Waren wir nur vier kaputte Mädchen. Wir hatten nichts. Unser Leben war total am Arsch!“ Sie machte eine Pause und grinste die drei an. „Und jetzt seht uns an! Wir haben aus diesem Drecksloch hier eine verdammt geile Wohnung gemacht. Wir haben alle einen Job.“ Rae konnte sehen, dass Alex Tränen in den Augen standen, aber sie wusste, dass es Freudentränen waren. „Verdammt, Mädels, wir haben so viel erreicht!“ Sie schlang ihre Arme stürmisch um die anderen, aber irgendwie schaffte sie es, nichts von ihrem Getränk auszuschütten. „Ich liebe euch, Leute!“
Rae drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Wir dich doch auch. – Jetzt nicht mehr weinen, okay?“
Alex löste sich von ihnen und wischte sich die Tränen ab. „Tut mir leid.“ Sie hob wieder ihr Glas. „Jetzt lasst uns anstoßen. Auf uns!“
Die Gläser stießen klirrend zusammen und sogleich starteten sie den kleinen Wettbewerb, den sie jedes Mal machten: Wer das Glas zuerst leer hatte, musste am nächsten Tag nicht beim Aufräumen helfen. Klang eigentlich nach keiner großen Sache, aber Rae wusste aus Erfahrung, dass sie, auch wenn sie nur zu viert waren, ein ziemlich großes Chaos anrichteten. Deshalb stieß sie einen Jubelschrei aus, als sie das Glas als erste absetzte und streckte den anderen die Zunge raus.
„Boaah, nicht schon wieder du!“, beschwerte Emma sich. „Du hast schon letztes Jahr gewonnen.“
„Wer’s kann, der kann’s eben.“ Rae lachte und stellte dann ihr Sektglas hin und nahm sich stattdessen ein Bier. Das trank sie viel lieber als Sekt und solchen Quatsch.
Alex nahm sich die riesen Packung ihrer Lieblingschips und auch Emma und Lucie deckten sich mit Getränken und Süßigkeiten ein, ehe sie es sich auf der Couch bequem machten und die DVD von Police Academy ein. Sie sahen diesen Film jedes Jahr wenn sie dieses kleine Fest zusammen feierte. Na ja, genau genommen sahen sie ihm sich eigentlich bei jeder Gelegenheit an. Aber trotzdem wurde er ihnen nie zu langweilig.
Eigentlich bestand der Abend aus nichts anderem, als dass sie gemeinsam jede Menge Quatsch machten. Sie sahen sich den Film an, spielten ein wenig auf ihrer Nintendo Wii, drehten die Stereoanlage auf und tanzten... und tranken zu viel Bier und Sekt.
Als Rae am nächsten Morgen aufstand, waren ihre Freundinnen gerade dabei noch die letzten paar Sachen aufzuräumen. Als Ausgleich dafür, dass sie nicht mitgeholfen hatte, machte sie das Frühstück bereit.
„Was wollt ihr heute machen?“, fragte Emma während dem Essen.
„Lasst uns shoppen gehen“, schlug Alex vor. „Dann kann ich mir ein neues Kleid kaufen und dann gehen wir heute Abend ins Lanson.“
Lanson war ein Club im Stadtzentrum und das Lieblingslokal von allen Vier.
„Klar, klingt nach einer guten Idee“, stimmte Rae zu.
***
Jamal schaffte es das Motorrad von sich runter zu schieben und blieb erschöpft auf dem Boden liegen. Er war verletzt. Wie schwer, wusste er im Moment nicht genau, aber auf jeden Fall war sein linkes Bein mindestens zwei Mal gebrochen, was es ihm unmöglich machte aufzustehen. Er schloss die Augen und wartete ab, während sein Körper damit begann, die Verletzungen zu heilen. Trotz des schnellen Heilungsprozesses würde es bestimmt Stunden dauern, bis sein Bein geheilt war. Jamal hoffte bloß, dass er wieder in der Lage wäre zu fahren, bevor die Sonne aufging.
Einige Zeit später – Jamal hatte völlig das Zeitgefühl verloren – hörte er vom Eingang des Nachtklubs her eine weibliche Stimme sagen: „He, wartet mal.“ Einen Moment schwieg die Frau. „Seht mal da drüben.“
Jamal hörte wie sich ihm Schritte näherten.
„Rae, warte!“, ertönte eine zweite Stimme. „Was, wenn das irgendein Verrückter ist.“
Die Frau, die als erstes gesprochen hatte, – Rae – schnaubte. „Du siehst bloß zu viele Filme. Vielleicht ist er ja verletzt.“ Wieder näherte sie sich ihm.
„Komm, wir rufen einfach die Polizei!“, sagte die zweite Stimme, die blieb wo sie war.
„Nein, lasst mich nachsehen, vielleicht schläft er ja bloß.“
Bei genauerem Hinhören, bemerkte Jamal, dass außer Rae und der anderen Frau noch mehr Personen vor dem Lokal standen und miteinander tuschelten. Vielleicht mehr Freundinnen von Rae?
Rae kam ihm immer näher, bis sie direkt neben ihm stand. Jamal ließ die Augen geschlossen. Als sie das nächste Mal sprach, war ihre Stimme sehr nah, anscheinend hatte sie sich hingekauert.
„Hey, Sie. Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“
Jamal öffnete die Augen und sah sie an. Braune, mit einigen bunten Strähnchen durchzogene, Locken umrahmten ihr ihr schmales Gesicht, sie hatte grün-graue Augen, eine kleine Stupsnase und volle – für ihr schmales Gesicht fast zu volle Lippen. Jamal holte tief Luft und wollte ihr antworten, doch beim Einatmen durchzuckte ihn ein starker Schmerz. Er hatte sich zuvor so sehr auf sein Bein konzentriert, dass ihm die anderen Verletzungen gar nicht aufgefallen waren. Doch jetzt stürmte der Schmerz auf ihn ein, dass er für einen kurzen Moment fast das Bewusstsein verlor. Zwei gebrochene Rippen, ein Knochensplitter steckte in seinem rechten Lungenflügel – daher die Schmerzen beim Atmen -, ein gebrochenes Schlüsselbein, eine ausgekugelte Schulter und natürlich das Bein. Die meisten Verletzungen würden schnell verheilt sein, aber trotzdem schmerzte es wie die Hölle.
Rae schien zu merken, dass er kurz wegsackte, denn sie machte ein erschrockenes Geräusch und stammelte: „I-ich rufe einen Krankenwagen.“
Aus den Augenwinkeln sah Jamal wie sie in ihrer Handtasche nach einem Handy suchte. „Nein!“, presste er hervor, „keinen… Arzt.“
Die Schmerzen waren fast unerträglich, wenn er sprach, doch er konnte nicht riskieren, dass sie einen Krankenwagen rief. Die Ärzte würden merken, dass mit ihm etwas nicht stimmte und in seiner momentanen Verfassung, wäre er nicht in der Lage zu gehen, bevor die Sanitäter ankommen würden.
„Aber… Sie sind schwer verletzt“, sagte sie verwirrt, hörte jedoch auf, nach ihrem Handy zu suchen.
„Kein Arzt… ver…sprechen Sie’s.“
Rae runzelte die Stirn und biss sich auf die Unterlippe. Sie hob die Hand doch bevor sie ihn berührte zuckte er zurück – was er besser nicht getan hätte, denn sofort stöhnte er vor Schmerzen auf. Etwas erschrocken über seine Reaktion zog Rae ihre Hand zurück.
„Versprechen!“, knurrte Jamal. Er war sich nicht sicher, ob es verständlich gewesen war, aber er hatte zu große Schmerzen, als dass er deutlich sprechen könnte.
„Sind Sie sich wirklich sicher?“, fragte sie mit sanfter Stimme nach.
„Ja, verdammte Scheiße!“, fluchte er, um einen erneuten Schmerzenslaut zu unterdrücken.
Sie atmete einige Male tief durch. „In Ordnung“, sagte sie schließlich. Jamal seufzte erleichtert auf. „Kann ich Ihnen etwas bringen?“, fragte sie sanft.
„Wasser“, keuchte er. „Bitte.“
„J-Ja natürlich. Ich bin gleich wieder da.“ Sie stand auf und lief mit hastigen Schritten in Richtung des Lokals. Er hörte wie sie kurz mit ihren Freundinnen sprach, sie erklärte ihnen kurz die Situation. Wenige Minuten später war sie wieder bei ihm.
„Ich habe eine Flasche Wasser. Können Sie den Kopf heben?“
Jamal versuchte sich ein wenig aufzurichten, doch die ausgerenkte Schulter und die Rippen machten es ihm unmöglich – auch wenn das Schlüsselbein inzwischen wieder geheilt war.
„Warten Sie, ich versuche Ihnen zu helfen.“
Er hörte wie sie die Wasserflasche abstellte und wenig später saß sie hinter ihm und half ihm vorsichtig sich aufzurichten, sodass er sich an ihr anlehnen konnte. „Hier.“ Sie legte ihm die Flasche vorsichtig an die Lippen und hielt sie so, dass er daraus trinken konnte.
„Danke“, seufzte er erleichtert, nachdem er die halbe Flasche ausgetrunken hatte.
„Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“, fragte sie ihn und er konnte die Besorgnis in ihrer Stimme hören.
Ob sie wohl genug Kraft hatte, um seine Schulter wieder einzurenken? Denn diese Verletzung konnte nicht so einfach heilen wie die anderen.
„Wie stark sind Sie?“, fragte er sie und seine Stimme klang schon etwas besser.
„Wie bitte?“ Sie klang verwirrt.
„Denken Sie, Sie haben genug Kraft, um meine Schulter einzurenken?“
„Was?“ Sie keuchte leicht auf. „I-ich…“
„Würden Sie es versuchen?“, unterbrach er sie, bevor sie noch mehr sagen konnte.
„Ich… weiß nicht. Was, wenn ich nicht genug Kraft habe? Dann sind die ganzen Schmerzen umsonst. Und mal abgesehen davon bin ich kein Arzt. Ich kann das nicht. Bitte, lassen Sie mich einen Krankenwagen rufen.“
„Keine Krankenwagen! Bitte, versuchen Sie es!“
„Na gut“, stimmte sie zögerlich zu. „Können Sie sich wieder hinlegen?“
Jamal nickte und Rae rückte langsam von ihm ab, während sie ihn zurück auf den Boden sinken ließ. Die Bewegungen wirkten nicht sehr sicher, aber es waren auf jeden Fall die richtigen, denn sie schaffte es seine Schulter einzurenken.
„Oh, vielen Dank!“, stöhnte er, als das Schultergelenk wieder an seinem Platz war und hob seinen Arm und bewegte ihn leicht. Die Schädigung an den Bändern war Minuten später auch geheilt und seine Lunge fühlte sich langsam aber sicher auch besser an. Wie lange lag er eigentlich schon hier?
„Hab ich es richtig gemacht?“, fragte Rae ihn unsicher.
„Ja… es ist alles bestens. Vielen Dank.“
Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas, doch dann fegte ein Windstoß durch die Luft und Jamal fiel auf, dass es für einen Menschen bestimmt sehr kalt war. „Sie können ruhig wieder gehen“, sagte er deshalb zu ihr.
Sie schwieg eine Weile und als er zu ihr hinsah, sah er, dass sie sich auf die Lippen biss. „Ich weiß nicht“, meinte sie schließlich zögerlich. „Wenn ich schon keinen Krangenwagen rufen darf, würde ich lieber bei Ihnen bleiben. Ich möchte nicht, dass Ihnen noch mehr passiert.“
„Ach was. Glauben Sie mir. Ich bin bald wieder fit.“
Sie schob die Augenbrauen zusammen und senkte den Blick. Sie schien ihm nicht zu glauben. Natürlich nicht. Wenn man bedachte, in was für einer Verfassung er gewesen war, als sie zu ihm gekommen war, war es für einen Menschen sicherlich schwer zu glauben, wie viel besser es ihm bereits ging.
„Aber Sie sind doch schwer verletzt. Ich kann Sie hier nicht einfach liegen lassen“, bestätigte sie seine Gedanken.
„Glauben Sie mir, mit mir ist alles in Ordnung. Mein Körper heilt sehr schnell.“ Das war noch nicht einmal gelogen.
Wieder runzelte die Stirn. „Aber doch nicht so schnell.“
Jamal setzte dazu an, etwas zu sagen, um sie zum Gehen zu bewegen – nicht, dass er sie loshaben wollte, aber es war schlichtweg zu kalt für sie hier draußen -, doch sie fiel ihm ins Wort: „Und außerdem, wenn Sie wirklich so schnell heilen, kann ich doch bei Ihnen bleiben, bis es Ihnen wieder besser geht.“
Auf Jamals Lippen bildete sich ein kleines Lächeln. – Er konnte einfach nicht anders. „In Ordnung“, sagte er dann, „aber warten Sie.“ Er richtete sich auf – seine Rippen und Lunge waren inzwischen soweit geheilt, dass er das ohne große Schmerzen tun konnte – und streifte sich, hoffend, dass kein Blut daran war, seine Lederjacke ab und reichte sie Rae. „Hier. Es ist ziemlich kalt heute Abend.“
Raes Augen weiteten sich und sie schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall. Sie sind verletzt. Ziehen Sie sich wieder an.“
Jamal legte den Kopf schräg und kniff leicht die Augen zusammen. „Entweder ziehen Sie die Jacke an, oder sie gehen. – Bitte“, fügte er noch hinzu, um seinen Worten etwas von ihrer Schärfe zu nehmen.
Rae seufzte: „Na schön.“ Und griff dann nach seiner Jacke, und schlüpfte hinein. Sie war viel zu groß, aber wenigstens wärmte sie. „Mein Name ist übrigens Rae“, sagte sie, als Jamal schwieg. Er nickte bloß und nannte ihr auch seinen Namen, da er sich nicht anmerken lassen wollte, dass er das Gespräch zwischen ihr und ihren Freundinnen belauscht hatte, bevor sie zu ihm hingekommen war. – Vor allem, da er dazu eigentlich nicht in der Lage sein dürfte.
„Jamal“, wiederholte sie. „Das ist ein schöner Name.“
„Danke“, murmelte er bloß müde. Der Heilungsprozess kostete seinem Körper viel Kraft und am liebsten wäre er jetzt einfach eingeschlafen. Doch schon in Kürze würde vermutlich die Sonne aufgehen, also sollte er sich besser darauf konzentrieren, dass er nachhause konnte. Nachhause, klar. Er schnaubte unwillkürlich als ihm dieses Wort durch den Kopf ging. Dieses Loch, in dem er wohnte, konnte man wohl kaum als zuhause bezeichnen. Rae sah ihn fragend an, als er schnaubte, doch er schüttelte bloß den Kopf und richtete sich dann wieder in eine sitzende Position auf. Sein Bein schien wieder einigermaßen in Ordnung zu sein, auch wenn es noch höllisch schmerzte, als er es ein wenig bewegte. Aber um noch zurück zu seiner Wohnung zu fahren, würde es wohl reichen. Er stützte sich mit den Händen auf den Boden ab und schaffte es irgendwie aufzustehen, ohne dass ihm das linke Bein gleich wieder wegknickte. Rae sprang erstaunt auf und sah ihn an.
„Sind Sie sicher, dass Sie schon gehen können?“
Er zuckte bloß mit den Schultern. „Zum Fahren reicht’s. Kann ich Sie noch irgendwohin mitnehmen?“
Rae verzog leicht das Gesicht. „Nehmen Sie’s mir nicht übel, aber ich würde bloß höchst ungern mit jemandem mitfahren, der kaum in der Lage ist zu gehen.“
„Okay“, sagte er bloß. Es störte ihn nicht, dass sie nicht mit ihm fahren wollte. Im Gegenteil. Ersparte ihm einen Umweg. Aber trotzdem… er konnte jetzt nicht einfach abhauen, nachdem sie sich so um ihm gekümmert hatte. „Dann also ein Taxi“, sagte er deshalb.
Rae schüttelte den Kopf. „Das ist nicht nötig. Zur U-Bahn Station sind es nur zehn Minuten von hier.“
„Ich lasse Sie jetzt bestimmt nicht im Dunkeln alleine durch die Stadt laufen“, wiedersprach Jamal.
„Das habe ich schon öfters gemacht. Abgesehen davon, ist der gruslige Typ direkt neben mir.“
Jamal legte den Kopf leicht schräg, konnte sich ein Grinsen jedoch nicht verkneifen. „Der gruslige Typ“, sagte er aber mit ernster Stimme, „besteht jedoch darauf, dass Sie jetzt ein Taxi nehmen.“
Rae kniff die Lippen zusammen. „Ich hab gar nicht genug Geld dafür“, meinte sie noch, aber sie schien zu spüren, dass sie die Diskussion verloren hatte.
„Das ist kein Problem.“ Bevor Rae noch etwas sagen konnte, griff Jamal nach seinem Handy - das den Sturz zum Glück unbeschadet überstanden hatte - und rief bei einem örtlichen Taxidienst an. Die Reaktion auf seinen Wunsch war zwar nicht gerade positiv, da das Lokal fast am anderen Ende der Stadt lag, doch als er ein hohes Trinkgeld versprach, verstummte das Murren ziemlich schnell. Mit Geld ließ sich eben alles regeln.
„Das hätten Sie wirklich nicht tun müssen“, murmelte Rae und biss sich auf die Unterlippe.
„Aber ich wollte.“ Jamal schob die Hände in die Hosentaschen und blickte einen Moment in den Himmel hinauf. Als er wieder zu Rae blickte, bemerkte er, dass sie ihn verhalten musterte. Er verkniff sich jedoch die spöttische Bemerkung die ihm auf der Zunge lag, schließlich wollte er sie nicht gleich vergraulen.
Etwa zwanzig Minuten später fuhr ein Taxi vor. Rae griff nach ihrer Handtasche, reichte ihm seine Jacke und sah Jamal mit einem schiefen Lächeln an.
„Also… vielen Dank… für das Taxi“, murmelte sie.
„Ich danke Ihnen.“ Jamal ging zum Taxi und öffnete die Tür für sie. Rae ließ sich auf den Rücksitz sinken und er schloss die Tür, sobald sie saß. Er lief einmal um den Wagen herum und klopfte an die Scheibe des Fahrers. Der Taxifahrer ließ die Scheibe herunter und sah ihn fragend und leicht genervt an. „Was ist denn?“
Jamal reichte ihm das Geld für die Fahrt und ein ziemlich hohes Trinkgeld. „Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sie sicher nachhause bringen.“ Er knurrte leise, als der Taxifahrer die Augen verdrehte, woraufhin der Kerl leicht zurückschreckte und hastig das Geld verstaute. Jamal blickte noch zu Rae nach hinten und lächelte sie an. „Auf Wiedersehen, Rae.“
Dann stieß er sich vom Wagen ab und lief zurück zu seinem Motorrad.