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Kapitel II

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„Sollten wieder Herzen schnitzen –

wenn du noch Holz findest, Baby.“

Pascal Finkenauer

Ich trage einen beigen Rock, dazu eine braune Bluse und komme mir tierisch seriös vor, als ich die Treppe zum Büro erklimme. Jolie, die bildschöne Französin, die mir die Praktikumsstelle besorgt hat, wartet bereits auf mich.

„Schön, dass du da bist. Willkommen!“, begrüßt sie mich herzlich und zieht mich in eine enge Umarmung.

„Vielen Dank“, lächle ich freundlich.

„Ich kümmere mich die kommenden 14 Tage um dich. Du begleitest mich einfach, greifst mir ein bisschen unter die Arme, und ich erkläre dir so das eine oder andere“, erklärt sie und drückt ihre Kippe unter einer ihrer braunen Sandalen aus. Dabei wackeln ihre großen roten Perlenohrringe wild neben ihrem Gesicht.

„Super!“

Ich folge ihr ins Haus. Alle Büroräume sind von oben bis unten mit blauem Teppich betackert, was dem Ganzen den Flair eines christlichen Kindergartens gibt. Ich bekomme meinen eigenen Schreibtisch, gegenüber von Herrn Deits Platz. Herr Deit sitzt im Rollstuhl, sieht aus wie Mr. Bean, und ich scheine ihn ein wenig nervös zu machen. Immer wenn ich hochsehe, starrt er an seinem Desktop vorbei zu mir herüber und zuckt vor Schreck zusammen, wenn ich zurückstarre.

Die Chefin ist klein und sieht aus wie ein Serienstar aus den Achtzigern. Passend zu ihrem Vokuhila trägt sie an jeder Hand mindestens drei goldene Ringe und lange blaue Gelfingernägel. In der Kippenpause begutachte ich die Miniatursterne aus Glitzersteinen, die darauf aufgeklebt sind. Die Pfennigabsätze ihrer Schuhe kündigen sie an, wann immer sie den Gang hinunterschreitet, und das trotz Kindergartenteppich. Ich schätze, sie sind nicht bloß ein modisches Accessoir, sondern Mittel zum Zweck, denn ohne sie könnte Frau Rein wahrscheinlich nur knapp über die Tischkante ihres Schreibtischs sehen.

Sie hat den Laden im Griff. Obwohl sie im Grunde sehr nett zu sein scheint, kuschen alle vor ihr und begegnen ihr mit Ehrfurcht. Ihre Bürotür steht immer offen, und so hören alle, wie sie regelmäßig hitzig diskutiert. Dabei schaltet sie immer den Lautsprecher ein und schreit aus dem Stand in das Telefon.

Jolie scheint keinen besonders harten Job zu machen, sie tippt hin und wieder eine E-Mail, führt Telefonate und geht im Zwanzigminutentakt nach draußen, um zu rauchen. Der Betrieb stellt Trainingsgeräte für Sportler mit körperlicher Behinderung her und liefert sie in schicken lila Vans. Es arbeiten viele Rollstuhlfahrer und anderweitig behinderte Menschen im Bürotrakt. Integrationsbetrieb nennt sich so etwas, erklärt man mir. Das Ganze scheint zumindest mittelmäßig erfolgreich zu sein, es wird in Schichten gearbeitet, einen Großteil der Belegschaft lerne ich deswegen nicht kennen. Wenn ich mein tägliches Pensum an Abtipparbeiten erledigt habe, gehe ich ins zweite Obergeschoss zu Jolie. Sie teilt sich ein kleines Büro mit einem Spanier namens Juan. Juan ist eigentlich ein hübsches Kerlchen, doch kann er niemandem ins Gesicht sehen, was ihn zu einem verklemmten Zeitgenossen macht.

„Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragt mich Jolie am dritten Tag, als es zum ersten Mal so aussieht, als habe sie Stress. „Ja, natürlich. Was denn?“

„Kannst du diese Telefonliste abarbeiten … das sind alles Fahrer!“ Sie reicht mir ein abgegriffenes Blatt Papier mit Kaffeeflecken herüber. „Die müssen morgen alle eine Stunde früher da sein. Meeting!“

„Alles klar.“

Ich schleiche ins leere Nachbarbüro und setze mich ans Telefon. Beim ersten Namen auf der Liste geht niemand ran. Beim zweiten meldet sich eine Frau mit rauer, versoffener Stimme und erklärt mir, dass sie vor dem Dienstantritt erst noch ihre Katze Schröder zum Tierarzt in die Altstadt bringen müsse, da er einen Miniatur-Obelix aus einem Ü-Ei verschluckt habe und seitdem pausenlos auf die Fliesen kotze. Zum Glück seien es nur Fliesen, die könne man ja abwischen, betont sie. Als sie beginnt, mir die Dos und Dont‘s der Katzenkloreinigung zu erläutern, wimmle ich sie mit „Ich bin eher so der Hundemensch“ ab und verabschiede mich. Bei Nummer drei begrüßt mich eine pseudowitzige Mailboxansage: „Heeeeeey joooooo, wer stört? Ich bin gerade nicht am Start, also leave a message nach dem Toooon!“ Hinter dem vierten Namen verbirgt sich eine weiche Männerstimme. Nachdem ich meinen Text um das Meeting vor dem Dienstantritt heruntergebetet habe, kommen wir ins Gespräch.

„Tschuldigung, wenn ich so doof frage, aber kennen wir uns?“ Ich kann mir zu der Stimme so gar kein Gesicht vorstellen.

„Wir kennen uns nicht, weil sich unsere Schichten überschneiden. Wenn ich gerade gegangen bin, kommen Sie. Ich bin die neue Praktikantin.“

„Sie? Ben heiße ich.“ Er lacht. Ich mag seine Lache, sie ist weich und angenehm. Nicht so aufdringlich wie die vom Mr.-Bean-Verschnitt Herrn Deit.

„Okay, Ben. Dana.“

„Wie gefällt es dir bei uns?“

„Gut, gut.“

„Mit wem arbeitest du?“

„Jolie.“

„Uh, Glück gehabt.“

„Was soll das denn heißen?“, kichere ich, und er stimmt ein.

„Schon mal gesehen, wie sich Frau Rein vor dem Telefon aufstellt?“

„Oh ja!“

„Dann sei mal froh, nicht bei der gelandet zu sein!“

Noch einige Minuten berichtet er mir vom Treiben in der Nachtschicht, wie locker alle seien. Nur das Arbeiten an den Samstagen gefalle ihm nicht sonderlich, das ließe sich schlecht mit seinem Freizeitprogramm vereinbaren.

„Ich würde ja gerne weiterquatschen, aber wenn ich nicht langsam zurück zu Jolie gehe, sucht sie mich bestimmt bald.“

„Ja, klar. Wäre schön, wenn man sich vielleicht doch mal über den Weg läuft.“

„Ja, das wäre es.“

„Mach‘s gut.“

„Du auch. Ciao.“

Als ich mich von dem Bürostuhl schwinge, ist mir ein wenig flau im Magen. Netter Typ. Beim Überqueren des Flurs fällt mir zum ersten Mal ein großes gerahmtes Bild auf. Betriebsausflug ins Schokoladenmuseum steht in roten Lettern darunter.

„Wir haben jetzt Pause … uh, schlimmes Foto“, stößt Jolie hinzu.

„Wer ist das?“, deute ich mit dem Finger auf einen Schönling in der ersten Reihe. Er sieht aus wie Brian von den Backstreet Boys. Schön anzusehen, aber wer will schon neben so jemandem aufwachen? Da muss man mindestens eine Stunde früher aufstehen, sich pudern, schminken, die Locken legen, sich mit betörendem Parfüm besprühen und in Formschön-Unterwäsche schmeißen, um sich nicht völlig hässlich vorzukommen, wenn er dann die Augen aufschlägt und einen mit seinem makellosen Boybandgesicht ansieht. Zu schön ist eben auch nicht gut.

„Max.“

„Und der?“ Ich deute auf einen kleinen Mann in der ersten Reihe.

„Peter.“

„Und der?“ Mein Finger klebt auf einem großen Typen in der hinteren Reihe.

„Mann, du bist ja neugierig“, meint sie grinsend. „Ben! Lass uns zum Bäcker ums Eck gehen.“

Und schon rauscht sie davon.

Ich bleibe noch einige Sekunden stehen und betrachte ihn. Er scheint überdurchschnittlich groß, sein Gesicht thront ein gutes Stück über all den anderen. Er grinst breit von einer Backe zur anderen. Auf einer seiner ausladenden Schultern hängt lässig der Träger eines Rucksacks. Das schwarze Shirt flattert ein wenig zu groß an ihm herunter.

„Kommst du?“, schallt Jolies Stimme vom Treppensims herüber, und ich folge.

Die Bäckerei ist klein, die warme Luft stagniert, und an der Scheibe tummeln sich einige verirrte Bienen. Jolie zuckt jedes Mal, wenn eine in ihre Richtung fliegt. Sie ist so hübsch, es ist beinahe unsympathisch. Neben ihr wollte ich noch weniger aufwachen als neben Brian von den Backstreet Boys. Wie eine Barbiepuppe sitzt sie perfekt drapiert da, erzählt von ihrem lässigen Fußballerfreund und ihrem Gebrauchtwagen mit extraflauschigen Sitzbezügen.

Als ich heimkomme, wartet meine beste Freundin Carmen schon vor der Haustür. Wie immer, wenn ich sie nach der Frühschicht antreffe, trägt sie ein übergroßes weißes Shirt, das heute Morgen wahrscheinlich noch gestrahlt hat, aber jetzt mit allerlei Krankenhaussekreten besprenkelt ist. Die weiße Hose ist genauso schmuddelig. Die braun gefärbten Korkenzieherlocken hat sie zu einem strengen Dutt gebunden, die blassen Ohrläppchen baumeln schmucklos herum. Sie sieht immer ein bisschen kränklich aus, so ganz ohne Schminke, mit den hellblauen Augen und der schneeweißen Haut. „Hat Mama dich nicht reingelassen?“, frage ich, während ich ihr einen Kuss auf die Wange drücke und die Tür aufschließe.

„Ihr habt ja keine Klingel, ihr Hinterweltler!“

„Das hat uns schon jede Menge Sternensänger, Vorwerkvertreter, Klingel-Missionare und anderes Gesindel erspart.“

Wir hinterlassen unsere Schuhe wild verteilt auf dem roten Teppich am Eingang und gehen direkt rüber in mein Zimmer. Es sieht schrecklich aus, überall ist Kleidung und Papiermüll verteilt, doch vor Carmen muss ich mich zum Glück für nichts schämen. Sie rupft sich das Pflegekraft in Ausbildung, Carmen Rotblatt-Schild von der Brust und lässt sich auf meine Couch sinken.

„Ich hab Sachen zum Cocktailsmixen mitgebracht“, verkündet sie und verteilt einige Limetten, ein Paket mit braunen Brocken Zucker und eine Flasche Schnaps auf der Couch. Ich steuere einige Säfte und ein Brett bei, auf dem sie die grünen Früchte liebevoll in Scheiben schneidet.

„Ich hab eine Idee!“, verkündet Carmen, nachdem sie das Ganze in zwei extragroße Gläser mit Zuckerrand verfrachtet hat. „Ich bin auf einer Internetplattform für Singles angemeldet.“

Ich stöhne genervt, denn ich weiß, was als Nächstes kommt.

„Und ich dachte“, sie beugt sich herüber zu mir und legt ihren Kopf spielerisch auf meine Schulter, wie ein kleines Mädchen bei seiner Lieblingskindergärtnerin, „… wir nehmen die Baustelle mal so richtig in Angriff.“

„Hast du mein Liebesleben gerade mit einer Baustelle verglichen?“

Sie richtet sich wieder auf.

„Ja, aber so eine, auf der das Geld knapp geworden ist. Es spielen zwar noch ein paar Nachbarskinder im Schutt, aber sonst tut sich da nix mehr! Du meldest dich da einfach an, triffst dich vielleicht mit wem, und wenn nicht, dann eben nicht.“

„Da sind doch eh nur arme Schweine und Freaks!“

„Na, danke.“

„So war das nicht gemeint.“

„Komm schon.“

„Naaa gut“, gebe ich mich geschlagen, denn ich weiß: Sie wird eh nicht aufhören zu nerven, bevor sie ihren Masterplan durchgesetzt hat. Freudig springt sie von der Couch und holt meinen Laptop. Das blaue Design der Seite brennt in meinen Augen, und der billige Elektro aus dem chateigenen Internetradio, in dem ein Typ namens Kenny mit penetrant greller Stimme immer wieder Grußnachrichten à la Mandy grüßt ihren Sebastian und lässt ausrichten, dass sie ihn ganz doll liebt! vorliest, nervt mich schnell.

„Wie bist du darauf gekommen?“

„Ach, ich bin nachts vorm Fernseher eingeschlafen, und als ich wieder aufgewacht bin, lief da diese Werbung.“

„Klingt ja vielversprechend! War da zufällig auch eine nackte Frau mit Klebesternchen auf den Nippeln, die gestöhnt hat, deeeutsche Määänner, ruuufen a‘?“

Sie lacht gehässig und verpasst mir einen Hieb, ihre Fingerknöchel bohren sich dabei schmerzhaft in meine Schulter.

Während sich Carmen im Bad von dem Shirt befreit, das nach alten Menschen riecht, und duscht, wühle ich mich durch einen Haufen Fragen, die das Internetportal mir bei meiner Anmeldung stellt. Angeblich dienen sie dazu, meinen Charakter zu erfassen und zu erkennen, was für ein Typ Frau ich bin, doch mir kommt es eher vor wie ein Schubladensystem. Ein bisschen wie bei diesen Ankreuz-Psychotests in der BRAVO früher.

Als Carmen wieder zu mir stößt, erstellen wir gemeinsam mein Profil. Sie riecht nach Mango-Shampoo und Deodorant. „Erst mal brauchst du einen Nickname. Verbinde es mit irgendwas, das zu magst. Einer Band, einem Film“, erklärt sie, während sie sich neben mir die braunen Locken trocken rubbelt. Nach kurzer Überlegung tippe ich Pulp Fiction ein und bin überrascht, dass dieser Name noch verfügbar ist. „Körpergröße …. 169 cm“, lese ich die erste Spalte des Profils samt Lösung laut vor und fülle sie aus. „Gewicht/​Figur … wahlweise dünn, schlank, sportlich, normal, ein paar Kilo mehr oder moppelig. Moppelig?“ Ich verschlucke mich an meinem Cocktail. Wie immer hat Carmen viel zu viel Schnaps hineingemischt, und meine Stirn beginnt bereits nach den ersten Schlucken zu kribbeln.

„Ja …“, lacht sie aufgedreht.

„Hm … also, ich sehe mich als sportlich, aber der ein oder andere würde mich bestimmt als moppelig bezeichnen“, nuschle ich vor mich hin.

„Sportlich? Kugelstoßerin oder was? Nimm normal!“, beschließt Carmen.

„Haarfarbe? Blond … Sternzeichen? Skorpion … als würde das irgendwas zur Sache tun … Raucherstatus? Gelegentlich!“

„Schreib das nicht!“

„Warum? Ist doch die Wahrheit.“

„Ja, aber da gibt es immer eine Reihe von Fitnessfreaks, die denken, du hast ein Gesicht wie ein voller Aschenbecher, nur weil du dir hin und wieder eine ansteckst … lass die Zeile einfach frei.“

„Na gut, Frau Expertin. Weiter im Text: Beziehungsstatus … vergeben, offene Beziehung, komplizierte Beziehung, verheiratet mit Nachwuchs, verheiratet ohne Nachwuchs, geschieden, verwitwet, Single, suchend …“

„Suchend ist praktisch ein Codewort für einsam, stehe meiner Mutter unnatürlich nahe, masturbiere überdurchschnittlich oft, rasiere mich nur im Hochsommer, und ziehst du mich aus, findest du weiße Baumwollunterhosen mit Stockflecken … also Single.“

„Okay. Beruf?“

„Denk dir einen Begriff aus, der deinen Beruf zwar umschreibt, irrsinnig wichtig klingt, es aber nicht genau auf den Kopf trifft“, weist sie mich an und lässt noch etwas braunen Zucker in ihr Glas rieseln.

„Ähm … Assistenz in der Justizbranche.“

„Dann schreib doch gleich: Aktenschlepper“, prustet sie los, und ich werfe ihr einen ernsten Blick zu.

„Wann fängt deine Ausbildung eigentlich an?“

„Nach dem Praktikum. Also noch gut 10 Tage.“

„Wie wäre Bürokratin? Klingt offiziell, mit leicht historischem Flair.“

„Okay, weiter … Ausbildung/​Abschluss … das geht ja wohl niemanden was an. Weiter … ich suche?“

„Jetzt wird’s interessant!“

„Wahlweise feste Beziehung, Freundschaft, Affäre, Mailkontakte oder was sich eben ergibt.“

„Jetzt musste aufpassen!“, fuchtelt Carmen wild mit ihrem Drink in der Luft herum. „Feste Beziehung klingt zu bedürftig. Als wärst du neulich 30 geworden und hättest einsam vor den tausend Kerzen gesessen und beschlossen, dass es endlich Zeit wird, ein Kind zu werfen. Freundschaft klingt armselig. Als würdest du jemanden suchen, mit dem du dich über deine Star-Trek-Figurensammlung unterhalten und eine Fahrgemeinschaft für die Cosplay-Messe gründen kannst.“

Sie räuspert sich kräftig und zupft ihren übergroßen Pullover zurecht.

„Affäre … klingt nach Werner, Mitte fünfzig, will endlich seine Lack- und Lederneigungen ausleben und sucht jemanden, der sich für ihn in den Ganzkörperanzug schmeißt und sich mit Pferdesalbe beschmieren lässt.“

„Ah!“

„Und Mailkontakte. Klingt ein bisschen zu sehr nach E-Mail für dich mit Meg Ryan und Tom Hanks. Hallo, lieber Seattle 35, ich bin heute über eine Brücke gelaufen. Da hab ich mich so tiefsinnig gefühlt. Brücken sind ja auch so tiefsinnig. Und das Leben ist so tiefsinnig. Was meinst du? Da ist, was sich eben ergibt‘ genau das Richtige“, schließt sie und grinst zufrieden.

„Finde ich nicht. Ich finde, ,was sich eben ergibt‘ klingt nach , Wir treffen uns und nichts muss, aber wenn du pimpern willst, bin ich natürlich gerne dabei‘! Das ist nicht unbedingt die Einstellung, mit der ich zu einem Date gehe …“

„Dann lass es halt frei“, brummt sie sichtlich beleidigt, dass ich ihre Internet-Dating-Eloquenz infrage stelle.

„Dann ist hier noch eine Zeile mit Charakterbegriffen.“

„Da schreibst du drei Wörter hin. Die meisten Frauen schreiben Sonnenuntergang, Spazierengehen und Katzen, die meisten Männer Party, Sport und Autos.“

Sie scheint schon ein wenig betrunken zu sein, denn aus ihrem niedlichen Kichern wird langsam, aber sicher ein geräuschvolles Grunzen. Ich überspringe die Rubrik.

„Jetzt muss ich ein Foto hochladen.“

„Die meisten Frauen laden Fotos hoch, bei denen sie aus ungefähr drei Meter Höhe fotografiert wurden, damit ihre Gesichter auch ja schön schlank aussehen.“

„Hast du über das Thema mal eine Facharbeit geschrieben?“

„Nö, man sammelt eben Erfahrungen.“

Nachdem Carmen auf der Couch eingeschlafen ist und Slatko es sich unbemerkt auf ihrem weichen Busen gemütlich gemacht hat, bekomme ich meine erste Nachricht im Online-Dating-Karusell.

„Hey Girl, I’m Gassimou. My friends call me Mo. I´m student in Berlin. Love your face on the photo and would like to meet ya. Greets.“

Leicht erschrocken betrachte ich das tiefschwarze, ernste Gesicht des Schreibers. In seinem Profil steht nicht viel, bloß ein paar Floskeln à la My german is awful, but I love German Girls with blonde hair and blue eyes. Kurz schaue ich zu Carmen, die laut schnarcht.

„Ach ja, hier sind also keine armen Schweine und Freaks unterwegs?“, flüstere ich ihr kaum merklich zu, als ich die Nachricht lösche und mich auslogge.

Ruhrpottliebe

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