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Die Flucht
ОглавлениеLeiht mir euer Ohr und lauscht meinen Worten, die von zwei Betrügern berichten werden.
Die beiden Hochstapler Amenhetep und Senkenra – Onkel und Neffe – mussten aus Ägypten fliehen und konnten sich durch eine Lüge auf die Schiffe der Pharaonin Hatschepsut retten. Diese Schiffe waren auf dem Weg ins sagenhafte Land Punt, um von dort Reichtümer mitzubringen. Diese Expedition sollte den Prestige von Pharaonin Hatschepsut unterstreichen.
Doch in Punt gingen auch Amenhetep und ich einem Betrüger auf den Leim. Ha! Doch wir wussten uns zu helfen. Wenn die Wahrheit den eigenen Tod bedeutet und auch das Leben einer Unschuldigen auf dem Spiel steht, dann ist ein letzter Betrug nötig - und zwar der größte Betrug von allen.
Ehe wir uns jedoch den Betrügern und ihrer Geschichte widmen, will ich, dass ihr vor euren Augen die Pracht der Wüste auferstehen lasst. Sand, Sonne und Hitze müsst ihr euch vorstellen, denn in dieser Umgebung will ich unsere Geschichte beginnen lassen. Die Pyramiden und die Macht der Pharaonen sind weit weg. Beamte, die das Geheimnis der Hieroglyphen kennen, spielen hier draußen keine Rolle. Allein die Götter waren mit uns, die ihrer Aufgabe nachkamen, die Welt im Gleichgewicht zu halten.
Spürt, wie sich eure Herzen weiten, wenn ihr an den unendlichen Himmel denkt, der sich über euch in der Wüste spannt. Ein heißer, trockener Wind umfängt euch und ihr spürt den Durst, der euch die Wasser des Nils herbeisehnen lässt.
Der Gedanke an den Nil ist ein schöner, bei dem ich noch etwas verweilen möchte, ehe ich mit der Geschichte beginne. Der breite Strom verheißt Leben und Wohlstand. Er war ein Geschenk der Götter, und der Pharao, der ein lebendiger Gott war, war der Garant dafür, dass die Ordnung der Dinge ewig Bestand hatte.
Nun will ich euch berichten.
Ich erinnere mich, wie ich, damals noch lang und dünn, völlig außer Atem durch die Wüste lief. Mein ehrwürdiger Onkel, ein kleiner und dicker Mann, lief mir mit hochrotem Kopf hinterher. Wir waren auf der Flucht vor denen, die wir betrogen hatten.
Keuchend schloss Amenhetep zu mir auf und gemeinsam warfen wir einen Blick auf unsere Verfolger.
Fünf gefährlich aussehende Männer waren uns auf den Fersen. Sie waren von dem Händler bezahlt und beauftragt worden, der von Amenhetep und mir übers Ohr gehauen worden war.
Amenhetep hatte dem Händler in Theben ein sensationelles Geschäft vorgeschlagen: er würde ihm eine große Lieferung feinster Datteln besorgen, und dafür müsste der Händler bloß die Hälfte des üblichen Preises für Datteln dieser Qualität bezahlen.
Der Händler gab Amenhetep natürlich das Geld, weil er ein gutes Geschäft witterte und die Gier ihm den Verstand vernebelte. Nur erhielt er nie seine Datteln, weil sich Amenhetep mit dem Geld und mit mir aus dem Staub gemacht hat.
Amenhetep tat das natürlich alles nur für mich, wie er immer betonte. Seit dem Tod seiner verwitweten Schwester – meiner Mutter – musste er für mich sorgen. Und das tat er vorzüglich, wenn auch mit eigenwilligen Mitteln.
Die Häscher des Händlers hatten Amenhetep immer wieder aufgespürt. Seit Theben waren mein Onkel und ich nun schon auf der Flucht und hatten keine Zeit gehabt, weitere Betrügereien abzuziehen. Jetzt galt es, die eigene Haut zu retten. Weder Amenhetep noch ich wollten in die Fänge unserer Jäger geraten.
In einer Stadt nahe der Küste des Roten Meeres waren wir schließlich von ihren Häschern gestellt worden. Im letzten Augenblick war uns die Flucht gelungen, und zwar in die Wüste.
Seit Stunden schon liefen wir durch den heißen Sand und beteten zu den Göttern um Rettung.
„Du hast eindeutig den Falschen betrogen, Onkel“, sagte ich, der junge Senkenra.
„Es trifft nie den Falschen“, keuchte Amenhetep. „Er hätte ja nicht auf das Geschäft eingehen müssen. Es ist ganz allein seine Schuld, er hätte mir nicht glauben dürfen. Er hat mich schlecht bezahlt und dachte, ich würde ihm gute Datteln liefern. Und wir haben das Geld für die Freuden des Lebens ausgegeben, weil wir dachten, er würde uns nie finden. Wir wurden alle betrogen, Senkenra, verstehst du?“
Ich schüttelte bloß den Kopf. Mein Onkel war schon immer ein kleiner Ganove gewesen, der sich mit Betrügereien durchs Leben schlug. Das brachte es mit sich, dass ich durch unsere ständige Flucht bereits den Großteil Ägyptens kannte, während die anderen Ägypter ihr ganzes Leben an ein Fleckchen Land gebunden waren. Andererseits sehnte ich mich manchmal danach, ein hübsches Mädchen zu finden und sich irgendwo niederzulassen. Ich sehnte mich nach einem Glück, das mir später im Leben noch begegnen sollte. Aber die Geschichte, wie ich meine liebe Frau und eure Mutter kennenlernte, ist eine andere.
Erst ist es wichtig, dass ich davon berichte, wie wir unseren Verfolgern entkamen.
Verzweifelt sah ich mich in der Wüste um – und sah am Horizont die Mauern einer Stadt auftauchen.
„Dorthin müssen wir, Onkel“, sagte ich und zerrte Amenhetep mit mir. In der Stadt konnten wir uns sicher verstecken.