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Unter den Goldenen Kuppeln

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Ich muss nicht lange nachdenken, wenn ich dir das einschneidendste Erlebnis meiner frühen Kindheit nennen soll.

Das war die Burdrin, an der ich hinaus in die Kälte ging.

Doch gestatte mir bitte, dass ich etwas weiter aushole. Wir haben hier ja alle Zeit der Welt und zugleich keine mehr ... Das Verhängnis lässt sich nicht aufhalten, die größte aller vorstellbaren Katastrophen nicht mehr ungeschehen machen. Nur ein wenig abschwächen, vielleicht, in ferner Zukunft.

Und dafür könnte sich manche Information aus der Vergangenheit als nützlich erweisen, die auf den ersten Blick nebensächlich erscheint. Darum verspreche ich dir, gut Acht zu geben, damit ich nichts zu erzählen vergesse.

Die ersten Eindrücke, an die ich mich bewusst erinnere, waren ... Schmerzen. Mir fällt kein besseres Wort dafür ein, obwohl es sich eher um ein psychisches denn physisches Phänomen gehandelt hat.

Jedenfalls meine ich nicht aufgeschlagene Knie oder ähnliche Folgen kleiner Unfälle, wie sie beim Herumtollen mit Gleichaltrigen im Spielhof nun einmal nicht ausbleiben. Auch nicht die Begleiterscheinungen der üblichen Kinderkrankheiten wie beispielsweise Zahnpein oder Pusteljucke.

Nein, was mir von klein auf zu schaffen machte, war eine stark ausgeprägte, permanente Überempfindlichkeit, vor allem gegen Lärm und Gerüche.

Das wirkte sich sehr unangenehm aus.

Von Anfang an wurde mir der Aufenthalt im Spielhof durch das schier pausenlose Geplärr und Gejohle der anderen Jungen vergällt.

Weil ich mich, um der Qual der viel zu schrillen Geräusche zu entgehen, immer wieder in ruhigere Ecken zurückzog, galt ich schnell als Eigenbrötler und Spielverderber.

Zudem war ich schwächlich, geradezu untergewichtig; dies als Folge der Schwierigkeiten, die mir die meisten der Gerichte und Getränke aus der Gemeinschaftsküche unserer Kuppel bereiteten. Fast alle erschienen mir zu scharf, zu aufdringlich gewürzt. Oder sie stanken überhaupt so grässlich, dass ich beim geringsten Hauch mit dem Brechreiz kämpfte.

»Armer kleiner Anguela«, tröstete mich mein Vater mitleidsvoll, als ich vor diesen gnadenlos auf mich einhämmernden Sinneseindrücken wieder einmal aus dem Speisesaal oder dem Spielhof in seine starken und doch so zärtlichen Arme geflüchtet war.

»Glaub mir, mein Goldbub«, raunte er mir ganz leise ins Ohr, »wir tun, was wir können, um eine Diät aufzutreiben, die du besser verträgst. Und wir bemühen uns, ein geschütztes Umfeld für dich einzurichten. Doch das ist nicht so einfach, trotz der angesehenen Position und des guten Verdienstes deiner Mutter. Wir sind nur wenige tausend Guyaam in den Goldenen Kuppeln und fern der alten Heimat. Ja, auf Caldera, da wäre das kein Problem. Dort ist für so außergewöhnlich hypersensible Personen wie dich vorgesorgt. Aber hier in Siv'Kaga stellst du den ersten derartigen Fall in vielen Generationen dar.«

Damals verstand ich noch nicht, was er meinte. Doch war mir klar, dass ich anders war als die übrigen Kinder. Denn die hatten keinerlei Probleme mit Lärm und Gestank – ja sie legten es sogar darauf an, möglichst viel zusätzlich zu produzieren.

Noch heute schaudert mich, wenn ich daran denke.

Auch begann ich bald – viel früher als die anderen –, sehr intensiv Dinge zu fühlen, die man nicht sehen, hören, riechen, schmecken oder ertasten konnte, sondern die ich einfach ... spürte.

In mir. In meinem ganzen Körper, wiewohl sie ihren Ursprung eindeutig außerhalb hatten!

»Das ist Tymaxul«, versuchte mir mein allzeit geduldiger Vater zu erklären, der merkte, dass mich diese Empfindungen erschreckten, »die Hyper- oder Parafühligkeit, die uns Guyaam zu Eigen ist. Als Empfängerorgan für die ultrahochfrequente Hyperstrahlung dient unser Tymcal-Geflecht. Und du, mein Goldener, besitzt offenbar die Gabe der Tymaxul in ganz erstaunlich hohem Ausmaß. Du bist begnadet, Anguela, wie sich ja bereits bei deiner Geburt gezeigt hat.«

Ich selbst empfand das alles jedoch keineswegs als Geschenk, sondern im Gegenteil als Belastung.

Ich hätte viel darum gegeben, nichts Besonderes zu sein, sondern ganz normal.

Lange Zeit später, als Erwachsener, las ich einmal ein Buch mit dem Titel »Die Tragödie des begabten Sohnes«. Darin fand ich die tröstliche Auskunft, dass es zu vielen Zeiten, an vielen Orten, vielen verschiedenen Intelligenzwesen ähnlich wie mir ergangen ist oder sogar noch immer ergeht.

Damals aber, unter den Goldenen Kuppeln, fühlte ich mich sehr allein.

*

Die Kuppeln. Ein gutes Stichwort.

Da ich in Siv'Kaga zur Welt gekommen war, erschienen mir die Verhältnisse in der Kuppelstadt alltäglich und nicht weiter bemerkenswert. Was es damit auf sich hatte, erkannte ich erst, als ich Siv'Kaga zum ersten Mal verließ.

Natürlich geschah das an der Hand meines Vaters. Wie allen Ehelingen oblag auch Enguarti die Kinderbetreuung praktisch zur Gänze allein.

Die Mütter hatten kaum Zeit dafür. Früh am Morgen verließen sie die Wohnsuiten, und erst spät am Abend kamen sie von ihren überaus aufreibenden Tätigkeiten wieder dahin zurück. Auch in den Gefrin oder Burdrin, die eigentlich der Muße und Rekreation gewidmet waren, hatten sie nicht selten Wichtigeres zu tun. Sie besetzten schließlich die Führungspositionen; ohne sie hätte der Planet aufgehört, sich zu drehen. So ähnlich stellten sie es zumindest dar.

Enguarti, die Gutmütigkeit in Person, beschwerte sich niemals darüber. Er liebte seine Panige nicht bloß, er verehrte sie, blickte zu ihr auf, wenngleich nur im übertragenen Sinn. Denn sie war um eine gute Handbreit kleiner als er.

»Ich bin sehr glücklich«, sagte er mehr als einmal zu mir, »unter ihrer Huld stehen zu dürfen – so, wie der labile Kohol-Busch am besten im Schatten der mächtigen Riesenföhre gedeiht. Und auch dir wünsche ich, mein Söhnchen, dass du später eine solch starke und kluge Gemahlin kriegst.«

Wir hatten sehr viel Spaß, mein Vater und ich.

Er konnte sich mittlerweile fast ausschließlich um mich kümmern. Meine Brüder besuchten einige Kuppeln weiter die Haushaltungsschule, an die ein Internat angeschlossen war, und kamen nur noch jeden neunten und zehnten Burdrin auf Besuch in die elterlichen Wohnräume. Wir hatten auch dann wenig Kontakt. Enguarti schirmte mich vor ihnen ab, da sie meist sehr laut waren und streng rochen.

Außerdem war es Panige gelungen, bei der Baszmarin, der Vorsteherin unserer Kuppel, zu erreichen, dass Enguarti vorübergehend von seinen Aufgaben als Kinderkrippner befreit wurde.

Ehelinge verrichteten sowieso nur Teilzeit-Tätigkeiten. Ganztagsarbeit blieb den Frauen und den wenigen unverheirateten Männern vorbehalten, wobei Letztere ausschließlich für Hilfsdienste herangezogen wurden.

Dennoch wollte Erünie Zowel, die Baszmarin, meinen Vater zuerst nicht freistellen, denn er war bei den Kindern sehr beliebt.

Letztlich setzte sich Panige durch, wohl aufgrund ihrer Stellung als Vaia'Kataan.

Es gab ein wenig böse Strahlung wegen dieser Sache. Doch das bekam ich nur am Rande mit. Für mich war das Entscheidende, dass ich nicht mehr in den blöden Spielhof musste.

Zu guter Letzt trafen endlich die auf meine Hypersensibilität abgestimmten Lebensmittel und Medikamente aus der Calditischen Sphäre ein.

Heute weiß ich, warum das trotz der bestens funktionierenden Transportwege so lange gedauert hat. Damals freilich wunderten sich alle darüber.

Na ja. Die neue Diät schlug gut bei mir an.

Noch mehr allerdings, glaube ich, half mir die Fürsorglichkeit und Umsicht meines Vaters.

Er teilte mir einen kleinen Bereich des gemeinsamen Ruhezimmers ab und isolierte diesen sowohl gegen Schall und Gerüche als auch – was viel schwieriger war – gegen die stärksten Frequenzen der Hyperstrahlung.

Das stellte eine beachtliche Leistung für einen einfachen Eheling dar. Sogar Panige zeigte sich beeindruckt. »Und das mit deinen zwei linken Händen, mein Schatz!«, lobte sie ihn.

In diesem meinem eigenen Ruheraum, unbehelligt von der lärmigen, stinkenden Umwelt, vermochte ich erstmals mehrere Gefrin am Stück zu schlafen. Himmlisch war das und klarerweise meiner Gesundheit förderlich.

Nun besserte sich meine Konstitution merklich. Auch die ständigen Schmerzen ließen nach oder wurden wenigstens leichter erträglich.

*

»Weißt du, was heute für eine Burdrin ist?«, fragte der Vater eines Morgens scheinheilig.

Wie hätte ich das nicht wissen können? »Die achthundertvierzigste!«, rief ich: »Mein Geburtstag!«

»Schlaues Kerlchen. Herzlichen Glückwunsch, Goldkind! Ja, heute bist du drei Thadrin geworden. Na los, auf mit dir, reinige dich rasch, dein Frühstück steht schon bereit!«

Es war aber nicht der übliche Obstersatzbrei. Sondern ein Kegelkuchen, gut zehn Xynon hoch, wunderhübsch marmoriert in drei verschiedenen Farben, mit drei Brennstäbchen an der Spitze.

»Darf ich das denn ...?«, fragte ich zaghaft, unfähig, mein Glück zu fassen.

»Klar darfst du. Hab ich selbst gebacken, aus lauter piekfeinen, astreinen Ingredienzien. Oder riechst du irgendetwas, das dir nicht bekommen könnte?«

Ich schnüffelte vorsichtig. Tatsächlich, da war nicht die geringste üble Beimengung zu bemerken. Im Gegenteil, der Kuchen duftete dermaßen herrlich dezent, dass ich alle drei Nasenlöcher aufriss, so weit ich nur konnte.

Und er schmeckte fast noch besser.

»Ihr habt mir etwas versprochen«, erinnerte ich meinen Vater, nachdem ich zwei große Stücke des wunderbaren, fast gar nicht süßen Gebäcks verschlungen hatte.

»Und das wird auch nicht gebrochen, mein großer Anguela! Gleich nach der Zahnsäuberung machen wir zwei uns auf den Weg.«

»Nur wir zwei? Aber hat nicht auch Panige ...«

Eine Farbstimmung des leisen Bedauerns flackerte über Enguartis untere Gesichtshälfte.

»Deine Mutter kann leider nicht mitkommen, Goldbub. Sie muss dringend eine Tymdit nachjustieren, die in der Nacht verrückt gespielt hat. Aber sie richtet dir die allerbesten Grüße und Glückwünsche zu deinem dritten Geburtstag aus.«

»Verstehe. Danke, das ist lieb.«

Ich wollte mir die Enttäuschung nicht anmerken lassen. Doch das war natürlich unmöglich.

Mein Körper leuchtete meine dunkelrot-violette Frustration so lichtstark hinaus, dass die Flammen der Brennstäbchen kaum mehr zu sehen waren.

Oh, das habe ich noch nicht erwähnt.

Alle Erwachsenen in Siv'Kaga verhüllten ihre Leiber immer, auch im intimen Privatbereich. Nur die Augen, die Mundpartie sowie die Hände mit den – auf dich wohl sehr dünn und lang gezogen wirkenden – Fingern blieben frei.

Wir Kinder hingegen liefen die ganze Zeit über nackt herum, bis auf knielange Hüfttücher mit handbreiten Gürteln sowie einfache Sandalen.

Die Erwachsenen konnten also den Kindern an den Leuchtsignalen auf ihrer Körperoberfläche ganz schön viel ablesen: sowohl gesundheitliches Befinden und Emotionen als auch grob die Gedanken.

Diese Überwachung, hatte mir Enguarti bei anderer Gelegenheit erklärt, war durchaus sinnvoll. Denn erstens erwiesen sich alle heranwachsenden Guyar als ziemlich anfällig gegenüber Krankheiten. Und zweitens entwickelten die meisten Mitglieder des Lichtvolks ihr Verantwortungsbewusstsein erst reichlich spät.

»Mein lieber junger Mann«, hatte der Vater gesagt, belustigt um den Mund strahlend, »wenn wir euch nicht auf diese Weise unter Kontrolle hätten, wäre in den Krippen und Schulen der Kosmokrat los!«

Der Kosmokrat ... doch dazu später.

Wir brachen also ohne meine Mutter auf. Ich hatte meine Enttäuschung darüber, dass sie wieder einmal ihrer Arbeit den Vorzug gegeben hatte, rasch überwunden. Zu aufregend war dieses Abenteuer.

Wir würden Siv'Kaga verlassen! Ich würde die große weite Welt außerhalb der Goldenen Kuppeln sehen. Ich würde Sivquox betreten, die Megalopolis, die Hauptstadt des pulsierenden, in der ganzen Thatrixdruum legendären Planeten Sivkadam.

Denn dies hatte mir der Vater, der nunmehr auch die Funktion meines Privatlehrers ausübte, im Vorfeld beigebracht: Wir Leuchter waren im Grunde nur Gäste auf Sivkadam.

Unser ursprüngliches Zuhause war ein Planet namens Caldera, was »Staubheimat« bedeutete. Der dort von Natur aus auftretende, fluktuierende Tymcal wurde hier, in den Goldenen Kuppeln von Siv'Kaga, durch Paradimensional-Generatoren künstlich erzeugt.

Wir lebten also in einer vergleichsweise winzigen Enklave, einer Art hyperenergetischem Biotop, das mit der Außenwelt kaum etwas gemein hatte.

Wie wenig, begriff ich erst, nachdem wir die Schleuse in der Kuppelwand durchschritten hatten.

*

Zwar hatte mich Enguarti behutsam darauf vorbereitet.

»Die Welt draußen«, hatte er mir erläutert, »ist anders. Ganz anders. Wir vom Lichtvolk sagen dazu tymvryn, parakalt. Da draußen tritt die Hyperstrahlung nicht auf. Oder genauer gesagt, nur in einem so geringen Maß, dass selbst du sie kaum wahrzunehmen im Stande sein wirst.«

Ich wusste also, dass es außerhalb der Goldenen Kuppeln keinen Para-Staub gab.

Doch Wissen und Erfahren sind, da wirst du mir sicherlich beipflichten, zwei sehr verschiedene Paar Fußbekleidungsstücke.

Ich habe bereits erwähnt, dass ich von klein auf meine Hyperfühligkeit als unangenehm, ja als in schwer beschreibbarer Weise peinigend empfand. Anfangs hatte ich so stark darunter gelitten, dass meine körperliche Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen worden war. Später dann hatte ich, nicht zuletzt dank der Vorkehrungen meines Vaters, mit den lästigen, immerzu präsenten Schmerzen leben gelernt.

Nun aber waren sie auf einmal nicht mehr da. Wie von Gigantenhand weggewischt, jählings und brutal, sobald das Schleusenschott hinter uns zugefallen war.

Der Schock raubte mir beinah die Besinnung.

Wenn mich der seltsame, zu Beginn noch dazu vollkommen unerklärliche Schmerz, den ich in jeder Faser meines Körpers spürte, als Kleinkind halb umgebracht hatte, so versetzte mir nun sein plötzliches Fehlen einen fast noch gewaltigeren Schlag.

Kannst du dich daran erinnern, wie es war, als du zum ersten Mal schwerelos wurdest?

Siehst du – so selbstverständlich, wie allen planetengebundenen Lebewesen die Schwerkraft ist, war mir die Hyperstrahlung in den Goldenen Kuppeln erschienen.

Hier aber fühlte ich ... nichts.

Weniger, schlimmer noch: eine schreckliche, gähnende Leere. Ich vermeinte, ins Bodenlose zu stürzen. Ich fiel, fiel, fiel.

Mein Vater fing mich auf. Er stützte mich, hob mich hoch, drückte mich an sich, hielt mich fest und warm. Streichelte mich, sang mir beruhigend ins Ohr, mit seiner tiefen, unerschütterlichen Stimme: »Buntes, kleines Leuchtkind, brauchst keine Angst zu haben, Papa ist ja da ... Papa ist ja da ...«

Ich könnte nicht sagen, ob es Gefrin dauerte, Adrin oder bloß Ofrin, bis ich mich wieder so weit gefasst hatte, dass ich die Augen aufzumachen wagte.

An Vaters verhüllten Hals gepresst, linste ich in die Welt hinaus.

Sie war so kalt. So leer. So farblos. So ganz und gar nicht golden.

»Ich habe mich auch gefürchtet«, sagte Enguarti leise, »als ich zum ersten Mal hier war. Dabei war für mich der Unterschied sicher nicht annähernd so frappant wie für dich, Anguela. Meine Tymaxul ist ja viel schwächer als deine. Dennoch: Jede und jeder von uns, die wir in Siv'Kaga geboren sind, hat Ähnliches durchgemacht. Sogar deine Mutter.«

»Nein! Wirklich? Sogar Panige?«

»Gerade sie. Denn sie ist ebenfalls sehr hyperfühlig. Wenngleich nicht so sensibel wie du. Ich weiß nicht, ob jemals jemand so ...« Er stockte. »Sollen wir wieder zurückgehen?«

»Ja! – Aber«, sagte ich trotzig, »ich will es wieder versuchen. Bis es mir gar nichts mehr ausmacht und ich die Stadt Sivquox erforschen kann und den Planeten und das ganze Universum!«

Mein Vater drückte mich an sich. »Das ist die richtige Einstellung, Goldbub!«

Wir drehten uns um. Wie ein Gebirge schwang sich die Außenhülle der nächstgelegenen Kuppel vor uns empor, viele hundert Varnon hoch. Nach wenigen Schritten war ich wieder in Sicherheit, wieder geborgen, daheim im Tymcal, im Para-Staub.

*

Stell dir das Flirren von unzähligen gerade noch sichtbaren Staubteilchen im Gegenlicht vor, verbunden mit einem goldenen Flimmern, Schimmern und Funkeln, einem warmen, milden Leuchten, das von überall und nirgends zu kommen scheint.

So war das Licht in den Kuppeln von Siv'Kaga.

Wobei der Eindruck keineswegs rein optischer Natur war. Zu einem Teil entstand er auch nur im Bewusstsein des Beobachters.

Die von den Vaia'Kataan mittels der Tymzheen, der Paradim-Generatoren, erzeugte Hyperstrahlung erreichte einen solchen Sättigungsgrad, dass permanent Tymcal-Partikel ausfällten, aber auch augenblicklich wieder vergingen.

Es handelte sich also um Psi-Materie, die beständig zwischen dem verstofflichten und dem freien hyperenergetischen Zustand fluktuierte und auf diese Weise das behagliche, sowohl mit den Augen als auch mit dem Tymcal-Geflecht wahrnehmbare Flirren bewirkte, das uns Guyaam an die Calditische Sphäre der Alten Heimat erinnern sollte.

Wohlgemerkt, der Para-Staub war für uns Angehörige des Lichtvolks keineswegs so unmittelbar lebensnotwendig wie Atemluft, Trinkwasser oder Nahrung.

Wir starben nicht, wenn wir uns für gewisse Zeit in Biosphären ohne Tymcal aufhalten mussten. Oder jedenfalls nicht gleich.

Wohl aber wurden Guyar nach einer individuell verschiedenen Zeitspanne ohne Para-Staub im wahrsten Sinn des Wortes trübsinnig, und ihre Tymaxul, also die Fähigkeit des Hyperfühlens, begann zu verkümmern.

Schließlich siechten sie nur mehr als Schatten ihrer selbst dahin, und irgendwann erloschen sie, schon lange vor ihrer Zeit.

Falls sie aber doch rechtzeitig gerettet werden konnten, benötigten sie viele Thadrin der Rehabilitation, bis sie ihre Gaben in voller Stärke wiedererlangten.

Dies alles gehörte zum Grundwissen, das bereits in den Kinderkrippen unterrichtet wurde.

Nach meinem dritten Geburtstag war ich jedoch nicht nur reif für die erste Erfahrung der Hyperkälte außerhalb von Siv'Kaga, sondern ich sollte eine Schule besuchen.

Wieder kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen meiner Mutter und Erünie Zowel, der Baszmarin unserer Kuppel.

Panige sah natürlich ein, dass die Bildung, welche mein Vater Enguarti mir vermitteln konnte, bald an ihre Grenzen stoßen würde. Er war ja schließlich nur Krippner, keine Lehrerin. Andererseits wollte Panige mich nicht ständig dem Lärm und den Ausdünstungen meiner Gleichaltrigen ausgesetzt wissen.

Die beste Lösung wäre Privatunterricht gewesen. Doch ein solcher stand nur hochbegabten Mädchen zu.

»Da flogen ganz schön die Funken«, strahlte Vaters Mundpartie in gruselndem Weißblau, als er mir vom Wortwechsel zwischen Panige und der Kuppelvorsteherin berichtete.

»›Willst du ernsthaft behaupten‹, hat deine Mutter geblitzt, ›es gäbe in Siv'Kaga irgendein Kind, männlich oder weiblich, das auch nur annähernd so hoch begabt ist wie Anguela?‹«

Nach einigem Hin und Her einigten sich die beiden Frauen dahin gehend, dass ich ab sofort an jeder dritten Burdrin spezielle Lektionen erhalten sollte. Erünie bestand darauf, mich persönlich zu unterrichten, jeweils zusammen mit ihren Töchtern Zargele und Neraliu. Diese waren kurz hintereinander geboren und etwas älter als ich.

Ich kannte sie kaum, denn die Zowels erzogen sie sehr exklusiv, als typische »höhere Töchter«.

Perry Rhodan 2169: Das Lichtvolk

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