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Was ist Erwachsenwerden, wenn nicht das Erlahmen von Zweifel, Zaudern und Zorn?

Genistos Befurisfagis

Prolog

Ohrfeige

Reisende, heißt es, soll man nicht aufhalten. Und schon gar nicht sollte man sich einer Sonne in den Weg stellen, die unversehens Lust auf Tapetenwechsel bekommen hat.

Kaum war Rhodans Schiff MIKRU-JON im Normalraum materialisiert, keine hunderttausend Kilometer entfernt von ihrem Ziel, dem irregulären Roten Zwergstern – da expandierte dieser sprunghaft, wobei er gewaltige Strukturerschütterungen auslöste.

Als fege der aufbrechende Stern MIKRU-JON, dessen Länge nur rund ein Zehnmillionstel seines Durchmessers betrug, achtlos beiseite, traf ein fürchterlicher Schlag das Obeliskenschiff.

Perry Rhodan registrierte noch, dass ein Totalausfall der Systeme drohte, dann verlor er das Bewusstsein.

*

Er kam zu sich und erschrak, weil ihn völlige Dunkelheit umgab und er keinen Boden unter den Füßen spürte. Haltlos, hatte er das Gefühl, ins Nichts zu stürzen, von der Schwärze verschlungen zu werden.

Panik wallte in ihm auf. Er kämpfte sie nieder, indem er sie zu Ärger umwandelte.

Nicht schon wieder!

Die Erinnerung war noch so frisch, dass sie ihm ohnehin in jeder Schlafphase Albträume bescherte. Sein Nahtod-Erlebnis, seine Totenreise durch die metarealen Zonen Andromedas, lag erst elf Tage zurück. Oder waren es inzwischen zwölf?

Egal. Perry Rhodan fand, dass es reichte. Für diesen Monat war er bereits oft genug gestorben.

Er schwitzte. Die Erkenntnis, dass ein Schweißfilm sein Gesicht bedeckte und die Luft, die er atmete, ungewohnt und unangenehm warm war, entlockte ihm ein befreites Stöhnen.

Wenigstens besaß er ein Gesicht und Hände, um es abzuwischen!

Sie steckten in SERUN-Handschuhen. Also trug er seinen Raumanzug. Allerdings hatte sich der Helm nicht geschlossen. Sämtliche Aggregate des Anzugs waren ausgefallen, wohl zugleich mit jenen des Obeliskenschiffs.

Der Strukturschock ... Die rote Zwergsonne, die nach allem, was wir wissen, eine nahezu perfekte Tarnung darstellt für ... Au!

Er knallte hart auf den Boden, weil abrupt die künstliche Schwerkraft wieder einsetzte. Teile der Wände erglühten, tauchten die Zentrale des Museumsraumers in dämmriges Licht.

Einige wenige Anzeigen glommen trüb. Das bedeutete, dass die Lebenserhaltungssysteme arbeiteten; im Notbetrieb, aber sie arbeiteten. Auch die SERUN-Komponenten fuhren wieder hoch und begannen mit den üblichen Selbsttests.

Rhodan rappelte sich auf. Nun, da der Schock abklang, tat ihm jeder Knochen im Leib weh. Seine Muskulatur schien nur aus Verkrampfungen zu bestehen. Die erst vor Kurzem verheilten Hautstellen kribbelten.

Aber Hurra!, er lebte noch.

Mondra Diamond und Ramoz lagen wenige Meter weiter, bewusstlos. Perry untersuchte seine Gefährtin; sie atmete gleichmäßig und wirkte unverletzt. Nachdem ihr SERUN volle Funktionsbereitschaft gemeldet hatte, bestätigte die Medo-Einheit, dass Mondra keinen bleibenden physischen Schaden davongetragen hatte.

Er fand Ras Tschubais schlaffen Körper, ebenfalls ohnmächtig, in einem der Kontursitze. Perry rief nach Mikru, der Inkarnation des Schiffes, jedoch ohne Erfolg. Keine Projektion erschien. Der Bordrechner reagierte überhaupt nicht auf akustische Anfragen.

Dafür erwachte Mondra Diamond ächzend. »Puh. – Das war eine ordentliche Ohrfeige.« Sie setzte sich auf. »Bist du okay?«

»Denke schon. Und selbst?«

»Gerädert, als hätte ich einen Triathlon hinter mir, aber davon abgesehen ... Außerdem nerven die Sauna-Temperaturen.«

Bei allem Mitleid empfand Rhodan auch eine gewisse Erleichterung, dass seine Partnerin unter ähnlichen Symptomen litt wie er. Die Beschwerden waren keine Spätfolgen seiner Verbrennungen; die Hitze kam nicht von innen.

»Das Schiff hat Probleme.«

Mehr humpelnd als gehend, schleppte er sich zu einer der Armaturenflächen. »Kannst du dich um Ras kümmern? Ich sehe nach den Maahks.«

Es gelang ihm, eine Verbindung zu jenen Räumlichkeiten zu schalten, die MIKRU-JON den Wasserstoffatmern zur Verfügung gestellt und nach deren Bedürfnissen gestaltet hatte. Grek 11 und seine fünf Begleiter waren wohlauf. Stoisch wie immer erklärte der Abgesandte der »Dezentralen Überwachungsinstanz«, ihre Sicherheit und Grundversorgung seien einstweilen gewährleistet.

Pral hingegen gab keine Antwort. Der Schattenmaahk, der Rhodan das Leben gerettet und ihm als Führer durchs »mentale Transterritorium« seines Volkes beigestanden hatte, war offenbar noch immer nicht bei Bewusstsein.

»Vielleicht wegen seiner Parapsi-Fähigkeiten?«, mutmaßte Mondra. »Lloyd und Tschubai scheinen gleichfalls etwas länger zu brauchen.«

Rhodan ertappte sich dabei, dass er wieder einmal an der Narbe auf seinem Nasenflügel rieb. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, wie sehr das Mutanten-Konzept gegenüber hyperphysikalischen Phänomenen anfällig war, nicht einmal Fellmer und Ras selbst. Sie teilten sich einen feststofflichen, durchaus athletischen, allem Anschein nach dauerhaft soliden Körper, der Tschubais früherem aufs Haar glich.

Ob diese Existenzform jedoch befristet war ...

Irgendwie, dachte Rhodan, wimmelt es hier allmählich vor Wiedergeborenen.

*

Ein Blinksignal der Kommunikationskonsole erregte seine Aufmerksamkeit.

Traf ein Funkanruf ein? Aus Prals Quartier oder von außerhalb?

Nach wie vor blieben sämtliche Schirme dunkel. MIKRU-JON und ihre Besatzung waren blind und taub. Sie hatten nicht die geringste Ahnung, was rings um den Museumsraumer vorging. Eine äußerst unerquickliche Situation – zumal sie sich in einer keineswegs ungefährlichen Region des Kosmos aufhielten.

Manuell aktivierte Perry den Funk. Es krachte und knatterte wie in der Frühzeit der Raumfahrt. Als hätte es weiterer Indizien bedurft, wie schwer das Obeliskenschiff getroffen worden war, wie hart MIKRU-JON trotz seiner hochstehenden Technologie um Wiedererlangung ihrer Kapazitäten kämpfte!

Eine Stimme ertönte, verzerrt, bruchstückhaft. Rhodan erkannte Wortfetzen zahlreicher Sprachen aus verschiedenen Galaxien. Kaum zu glauben: Sogar der integrierte Translator der Funkanlage stotterte.

»Raumnot ... geborgen«, reimte er sich zusammen, »... Hangar eingeschleust ... dringliche Warnung ... keine feindseligen Handlungen, sonst ... schweren Waffen Gebrauch ...«

Fast hätte Perry aufgelacht. Als wären sie dazu in der Lage, die Unbekannten zu attackieren!

Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.

Das Licht in der Zentrale wurde merklich heller. Leises Rauschen und ein kühler Luftzug zeigten, dass die Klimaanlage angesprungen war. Ras Tschubai stieß einen Schrei aus, der merkwürdigerweise weniger entsetzt als freudig überrascht klang.

Ein Holo flammte auf, unscharf und einige Male flackernd, bis es sich stabilisierte und klärte. Die Bildverbindung musste in beide Richtungen funktionieren, denn Rhodans Gegenüber war sichtlich noch perplexer als er. Rote Augen weiteten sich und begannen gleich darauf zu tränen.

Rhodan schaltete um einen Sekundenbruchteil früher. »Doktor Livingstone, nehme ich an?«, sagte er auf Interkosmo, legendäre altterranische Grußworte zitierend.

Sein holografischer Gesprächspartner schüttelte die schneeweiße Mähne. Dann verzog er den Mund zu einem ebenso breiten wie ironischen Grinsen und nickte langsam.

»Du, Barbar? Na klar«, sagte Atlan da Gonozal. »Wer sonst fliegt quasi mitten in eine explodierende Sonne! Obwohl ich gestehen muss, dass die Überraschung gelungen ist: Dich hätte ich hier niemals erwartet.«

Perry Rhodan 2537: Der Handelsstern

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