Читать книгу Die Kreutzersonate - Лев Толстой, Leo Tolstoy, Liev N. Tolstói - Страница 9
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Оглавление„Aber nein, nein, es ist ja so besser, viel besser“, rief er aus. „Es geschieht mir ganz recht. Aber es handelt sich ja jetzt gar nicht darum. Ich wollte nur betonen, daß nur die unglücklichen jungen Mädchen einzig und allein die Betrogenen sind.
Die Mütter wissen es ja auch, vor allem diejenigen, die von ihren Männern erzogen worden sind. Sie geben sich zwar so, als wären sie von der Reinheit der Männer überzeugt, handeln in Wirklichkeit aber doch ganz anders. Wissen sie doch nur zu gut, mit welchem Köder sie die Männer für sich und ihre Töchter heranlocken.
Nur wir Männer allein wissen es nicht, einfach, weil wir es nicht wissen wollen. Die Frauen aber wissen recht gut, daß die allerhabenste, sogenannte poetische Liebe nicht von sittlichen Vorzügen, sondern von der körperlichen Nähe, von der Frisur, der Farbe und dem Schnitt der Kleider abhängt. Fragen Sie eine erfahrene Kokette, die sich die Aufgabe gestellt hat, einen Mann zu bezaubern, was sie lieber wagen möchte: in Gegenwart dessen, den sie bezaubern will, der Lüge, der Grausamkeit, ja vielleicht selbst der Sittenlosigkeit überführt zu werden, oder sich ihm in einem schlecht sitzenden, unschönen Kleide zu zeigen? Jede einzelne wird stets das erstere vorziehen. Weiß sie doch ganz genau, daß alles, was wir über die hohen Gefühle schwatzen, nichts als Lüge ist; daß uns nur der Körper reizt und ihr daher alles Scheußliche verzeihen, nur kein häßliches, geschmackloses Kleid. Eine Kokette ist sich dessen völlig bewußt; jedes unschuldige junge Mädchen weiß es auch, aber im Unterbewußtsein, wie ein Tier.
Daher eben auch alle diese Jerseys, die Turnüren, die nackten Schultern, Arme und die nur leicht verschleierten Brüste. Die Frauen, besonders diejenigen, die von den Männern erzogen worden sind, wissen sehr gut, daß die Gespräche über die sogenannten hohen Dinge in Wirklichkeit nur wertloses Geschwätz sind und daß die Männer nur nach dem Körper trachten und sich nur für die Dinge interessieren, die ihn in ein möglichst verführerisches Licht rücken. Und danach handeln sie auch. Wenn man sich von der Einbildung, die uns zwar längst schon zur zweiten Natur geworden ist, alle diese abscheulichen Gewohnheiten schön zu finden, frei macht und einen Blick auf das schamlose Leben unserer ersten Gesellschaftskreise wirft, so muß uns dieses ganze Dasein als ein einziges großes, öffentliches Haus erscheinen. Sie billigen diese Ansicht nicht? Gestatten Sie, ich werde es Ihnen beweisen“, rief er, mich unterbrechend.
„Sie sagen, die Frauen unserer Gesellschaftskreise hätten andere Interessen als die Frauen der öffentlichen Häuser. Ich behaupte das Gegenteil und will es Ihnen beweisen. Wenn Menschen sich in ihren Lebenszielen, in ihrer Auffassung des Lebens unterscheiden, so muß sich das auch in ihrem Äußeren ausprägen. Ziehen Sie doch einmal einen Vergleich zwischen jenen Unglücklichen, von allen Verachteten, und den Damen der ersten Gesellschaft: Sie finden die gleichen Toiletten, den gleichen Schnitt, dieselben Parfüme, dieselben entblößten Schultern und Arme, die gleichen, leicht verschleierten Brüste und die scharf markierte Rückenlinie. Sie stoßen auf die gleiche Leidenschaft für bunte Steine und kostbar glänzende Dinge und dieselben Vergnügungen: Tanz, Musik und Gesang. Sie bedienen sich der gleichen Köder, die Männer an sich zu locken. Es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen. Sieht man der Sache auf den Grund, so kommt man allerdings zu der Erkenntnis, daß die Prostituierte im Moment verachtet wird, die dauernd Prostituierte dagegen anerkannt und verehrt wird.“