Читать книгу Und was machen wir jetzt? - Liesel Krüger - Страница 5
Sturmmusik
ОглавлениеWas ist das denn für ein Tag? Die Sonne strahlt schon vom Himmel. Weder Wind noch Sturm sind zu hören, auch nicht zu sehen und schon gar nicht zu spüren. „Bei dem Wetter sind in unserem Wald bestimmt keine Hexen da!“ Helen ist richtig enttäuscht.
„Freust du dich denn gar nicht über das schöne Wetter?“, fragt Oma Lisa.
Helen verschränkt die Arme vor ihrer Brust und macht ein ganz motziges Gesicht. „Ich will doch wieder in den Wald und die Hexenkinder treffen. Das ist richtig gemein!“
Traurig sitzt Helen nun auf dem Fußboden im Wohnzimmer. Alles gute Zureden nutzt nichts. Oma Lisa macht etliche Vorschläge, was man alles bei diesem schönen Wetter unternehmen könnte, aber Helen will von alledem nichts hören.
Da hat Opa Peter eine Idee: „Mein liebes Helenchen, hör auf, traurig zu sein, das steckt ja an! Wenn wir in echt keinen Sturm haben, was hältst du davon, wenn wir den Sturm einfach selber machen?“
„Ach, Opa, so etwas können wir Menschen doch nicht!“
„Da hast du schon Recht. Ich meine ja nicht die Luftbewegung, die man bei Stürmen fühlen kann, sondern ich meine die Sturmgeräusche.“
„Und wie sollen wir die hinkriegen?“ Ungläubig schaut Helen ihren Opa an.
„Wir könnten doch Musikinstrumente basteln, auf denen wir dann Sturmmusik machen. Mit diesen gehen wir dann in den Wald und musizieren. So habe ich mir das gedacht, so machen wir Sturm. Wenn Hexenkinder genau so neugierig wie Menschenkinder sind, dann lassen wir uns mal überraschen, was geschieht, mein kleines, trauriges Mädchen.“
Helen springt vom Fußboden hoch und kuschelt sich an Opa: „Und wann fangen wir an zu basteln? Wie lange dauert es noch, bis unsere Sturmmusik im Wald zu hören ist?“
„Ich dachte mir, wir basteln zuerst einmal für jeden eine Flöte aus einem Holunderstöckchen. Dann müssen wir etwas aus Holz suchen, was hohl ist. Da können wir dann mit kleinen Stöckchen drauf trommeln. Das hört sich dann bestimmt genau so an, als würden im Sturm trockene Baumäste aneinander schlagen.“
„Opa, und so etwas kannst du? Du bist ja ein richtiger Klasseopa. Gehen wir jetzt sofort los und suchen alles zusammen, was wir für unsere Sturmmusik brauchen?“, drängelt Helen.
Doch was ist das? So etwas Komisches hat Helen noch nie gehört! Das Geräusch kommt immer näher. Oma Lisa kommt rückwärts ins Zimmer und macht Geräusche, die sich wie Wind anhören. Neugierig schaut Helen ihre Oma von vorn an und entdeckt dabei, dass sie diese Geräusche mit einem Kamm erzeugt, um den ein Stück Pergamentpapier gewickelt ist.
Mit offenem Mund steht Helen staunend vor ihrer Oma: „Wenn du willst, kannst du in unserem Sturmorchester mitspielen.“
„Und ob ich will, wann seid ihr bereit, wann geht es los?“
„Der Opa muss nur noch erst die Flöten aus einem Stöckchen basteln und die müssen wir erst noch suchen. Ein bisschen wird es schon noch dauern.“
Aber dann dauert es doch nicht so lange, wie Helen gedacht hat, und das Flötenbasteln kann losgehen. Als die erste Flöte fertig ist, staunt Helen darüber, welche Geräusche Opa Peter damit machen kann.
Helen schließt die Augen und meint wirklich, draußen stürmt es. Nun macht Opa Peter sich wieder an die Arbeit und fertigt eine Flöte für Helen. Helen fühlt sich so wohl und freut sich so sehr, dass sie singt und zwischendurch immer wieder richtige Sturmgeräusche macht.
Doch plötzlich verstummt Helen. Sie hat ein Geräusch vernommen. Es klingt, als würde etwas an der Werkstatttür kratzen. Ob jetzt eine echte Hexe vor der Tür steht und zu ihnen will?
Helen ist dann doch nicht so mutig, wie sie manchmal behauptet. Schnell versteckt sie sich hinter Opa Peters Rücken und schaut vorsichtig zur Tür. Diese öffnet sich langsam und jetzt können die beiden Bastler eine Gestalt erkennen. Es ist eine Hexe! Eine verkleidete Hexe. Eine Hexe, die sie kennen: Es ist Oma Lisa!
Schmunzelnd kommt Helen hinter dem Rücken von Opa Peter hervor.
Was hat sich Oma Lisa toll zurechtgemacht! Sie hat ein Kopftuch um, trägt einen langen, weiten Rock und reitet auf einem großen Regenschirm!
„So, meine Lieben, ich bin eine Oberprüfungshexe und will mal sehen, wie gut ihr zwei mit euren Hexenstöcken tanzen könnt – und ich will sehen, ob ihr dabei die Stöcke mit beiden Händen tüchtig festhaltet!“
Helen und Opa Peter schauen sich an. Damit hatten sie nun gar nicht gerechnet. Gut, dass sie geübt haben ;-)
„Ab zur Terrasse, denn dort findet die Prüfung statt!“, befiehlt die Oberhexe, und man macht sich auf den Weg.
„Was ist denn hier los?“ Helen kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus! Da brennt doch tatsächlich auf dem Terrassenboden ein Feuer! Oma Lisa hat einfach den Holzkohlegrill auf den Boden gestellt und ein Feuer darin gemacht.
„Echt stark“, ist Helens einfache und staunende Meinung dazu!
„Bei Drei geht’s los – jetzt sind wir schon bei Vier“, sagt Hexe Oma Lisa und kramt wieder ihren eingewickelten Kamm hervor, mit dem sie ganz gruselige Sturmmusik macht.
Helen schwingt sich auf ihren schön verzierten Tanzstock und legt los. Sie springt und hopst und singt und stampft dabei feste mit den Füßen auf. Sie tanzt einen echten Hexentanz. „Juchheißa, Huibu, Juchheißa, Bubu, Juchhu!“
Oma Lisa, die Oberprüfungshexe, klatscht vor Begeisterung im Takt mit den Händen mit und sagt: „Helen, kleine Hexe Zauselhaar, diese Prüfung hast du . . . bestanden! Dazu gratuliere ich dir recht herzlich. Als Preis bekommst du von mir eine Spinne. Komm, gib mir deine Hand.“
Entsetzt legt Helen ihre Hände auf den Rücken: „Ich mag keine Spinnen!“ Für Helen geht dieser Scherz zu weit!
„Du willst doch eine mutige kleine Hexe Zauselhaar sein. Ein Hexenkind probiert alles. Hab keine Angst, ich vergifte dich nicht. Alles, was ich dir gebe, kannst du auch essen“, flüstert Oma Lisa in Helens Ohr.
Mit geschlossenen Augen streckt Helen ganz zaghaft ihre Hand aus und Oma Lisa legt eine dicke, große, schwarze Spinne hinein.
„Muss ich die wirklich essen?“
„Diese Spinnen, liebe, mutige Hexe Zauselhaar, sind die Lieblingssüßigkeit aller Hexenkinder.“
Helen freut sich, dass sie ein Menschenkind ist und wirklich leckere Süßigkeiten zum Vernaschen bekommt! Voller Unbehagen öffnet sie ihre Augen und beguckt sich die Spinne etwas genauer und fängt dann ganz laut an zu lachen.
„Oma, da hast du mich aber ganz schön reingelegt! Ich habe geglaubt, ich muss eine echte Spinne essen!“ Immer noch lachend zeigt sie dem Opa, was in ihrer Hand liegt. Da hat Oma Lisa doch tatsächlich aus einer Lakritzschnecke eine fast echte Spinne gebastelt!
„Solche Spinnen mag ich doch“, sagt Helen und schiebt sie sich grinsend in den Mund.
„Als nächstes mache ich jetzt die Spinnweben-Suppe warm“, meint Oma Lisa. Jetzt muss Opa Peter nachfragen: „Was hast du Oberprüfungshexe gekocht?“
„Schwarze-Spinnweben-Suppe!“
Ganz langsam sprechend klärt Oma Lisa die beiden ungläubig Dreinblickenden auf: „Hexen essen am liebsten schwarze Speisen und nach Möglichkeit soll auch das Trinken schwarz sein. Ich glaube, allen Hexen und auch euch wird meine Suppe schmecken.“
Oma Lisa hat eine Hühnersuppe mit schwarzen Nudeln gekocht, die fast wie Spinnwebenfäden aussehen. Beim Betrachten der Suppe wird Helen immer mutiger, sie probiert die Suppe und stellt überrascht fest, dass sie schmeckt.
„Hast du noch eine schwarze Überraschung für uns?“, fragt Helen. Da verteilt Oma schon an jeden eine Schnitte Brot, die mit schwarzem Pflaumenmus bestrichen ist. Zum Trinken füllt sie Malzbier in die Gläser.
„Ach, Oma, ich staune, was du alles über Hexen weißt“, und dabei wird die Oma ganz feste gedrückt.
„Und wer drückt mich?“, fragt Opa Peter. Helen läuft auch zum Opa und die beiden knuddeln sich ganz doll.
„Ach, was ist das heute wieder ein toller Tag“, stellt Helen ganz glücklich fest.