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Im Rausch

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Und dann bin ich mir meines schwindenden Bewusstseins vollkommen gewahr. Gleich geht es weg - das Bewusstsein. Ich taumele, stelle mein Bier auf den Tresen vor mir – dann wird mir schwarz vor Augen. Versuche den Türgriff hinter mir zu erhaschen, gleich sacken die Beine weg. Da werde ich gepackt und festgehalten. Er lehnt an der Wand neben dem Tresen, ich stehe vor ihm, aber es sieht nur so aus, denn eigentlich hänge ich in seinen Armen. „Dir passiert nichts, ich halt dich“, sagt er. Und ich glaube es.

Die Klarheit kehrt zurück in meinen Körper – so klar wie einem sein kann, wenn man betrunken ist. Ich nehme einen Schluck Bier. Eigentlich will ich Wasser, aber wenn Bier die einzig greifbar in der Nähe stehende Flüssigkeit ist, dann soll es Bier sein. Bitter und abgestanden. So ekelhaft wie Bier in den letzten Schlücken der Flasche nur sein kann.

Ich versichere ihm, dass wir weiter tanzen können. Und ich fühle mich tatsächlich ganz gut. Auch wenn ich schlecht drauf bin.

Insgesamt. Die Feieranten frönen der Hedonie und die Musik erfüllt ihren Zweck. Aber ich bin trotzig und traurig, dass ich nicht ganz weggekippt bin. Dann wäre ich die ganze Scheiße für ein paar Minuten losgeworden und ich hätte ordentlich Aufmerksamkeit bekommen. Ich denke es und muss grinsen, weil ich mich selbst so verachte. Mein Blick fällt auf einen Mann vor mir, der mich seit geraumer Zeit anglotzt. Du bist hässlich, denke ich schlicht und bin erschüttert über die innere Verachtung in mir gegenüber dem Mann, aber ich tue nichts dagegen. Im Gegenteil, in mir steigt ein satanisch, wahnwitziges Grinsen auf, eine leise Zerstörungswut. Ich drehe mich um und lasse mir ein Bier von einem Freund spendieren. Ich hatte nicht darum gebeten. Aber ich lehne auch nicht ab. Ich weiß, ich bin schon besoffen. Aber es ist mir egal. Überhaupt ist mir gerade alles egal. Das Bier lähmt mich mehr und mehr. Bla bla bla.... Blub. Ich rede ununterbrochen. Bestimmt lalle ich. Aber es scheint niemanden zu stören. Wahrscheinlich auch alle besoffen. Bier macht dumm und taub. Mich auch.

Aber die Musik gefällt. Der Abend rennt vor sich hin. Ich jedoch erlebe ihn nur wie einen zeitlosen Taumel. Mal hier mal da. Mal den, mal dort. Manchmal versuche ich zu lachen. Dazu ziehe ich einfach meine Mundwinkel hoch und gebe einem Lachen ähnliches Geräusch von mir. Klappt ganz hervorragend. Die sind doch alle dumpf. Genau wie ich. Das Bier…mehr davon. Ganz wunderbar.

Die Abendsweggehspaßkultur ist ähnlich einem taumelhaften Rausche. Der Sinn scheint darin zu bestehen, sich bei im idealfall guter Musik zu betäuben, um dann einer Person anderen Geschlechts möglichst nahe zu kommen. Küssen erwünscht. Gelingt dies, ist des Hedonistens Glück erzielt.

Der andere Aspekt beim Weggehen ist die Musik. Vor allem die elektronische. Sie packt mich so bedingungslos, dass ich Angst bekommen kann, bin ich nicht bereit mich hinzugeben. Im ganzen Körper fühle ich den Bass. Im ganzen Raum. Alle Tanzenden schmälzen zu einer Masse zusammen. Die ich fühlen kann. Bum bum bum. Immer mehr noch. Lass es nie aufhören. Weg von allem. Nur ergriffen von der Macht des Basses. Dann der charakteristische Brake des DJs. Der Bass verstummt, die schrillen elektronischen Töne brauen sich zu einem ohrenbetäubenden, kaum aushaltbaren Crescendo zusammen. Alle Johlen. Ich weiß nicht, ob aus Wonne oder Unbehagen. Dann eine Sekunde Pause, ehe der sanfte Bass als Erlöser in einer Intensität wieder einsetzt, dass es mir den Atem verschlägt. Es ist, als packte er mein Herz, riss es sanft aus mir heraus, um es mir sogleich zurückzugeben. Ich muss tief und andächtig einatmen, seufze ein Seufzen, das vom Lärm für immer verschluckt wird und lasse mich mitreißen wie all die anderen Feieranten. Selten fühle ich mich so auf der Erde, wie in diesem Momenten.

Aus dem Leben der Leana O.

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