Читать книгу Merry X-mas - Lilly An Parker - Страница 7
Ein unmoralisches Angebot
ОглавлениеIch starrte auf den roten Zettel, der an meinem Monitor klebte und mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Mein Chef wollte mich sehen!
Normalerweise hätte ich mir deswegen nicht ins Hemd gemacht, aber so kurz vor einem Feiertag konnten das nur schlechte Nachrichten sein. Im allerschlimmsten Falle eine Urlaubssperre. Obwohl … ob ich das wirklich schlimm fand?
Kurz überlegte ich, dass eine Urlaubssperre vielleicht sogar das Beste war, was mir passieren könnte. Ich würde um die schrecklichen Weihnachtslieder, die peinlichen Gedichte und um den obligatorischen Knecht Ruprecht herumkommen, der bei uns immer für die Kinder kam. Eigentlich hätte ich den Knecht als toll eingestuft, doch wie gesagt: er war nur für die Kinder da. Keine Rute für die Erwachsenen. Außerdem hatten Knecht Ruprecht und ich ein eher … angespanntes Verhältnis zueinander. Also, korrigierte ich mich in Gedanken, stand ich auf die Rute und nicht auf den Knecht.
Leise seufzend zupfte ich den Zettel ab und marschierte Richtung des Empfangs, da Ruben dort heute seinen Dienst absaß. Kurz nickte ich seiner nackten Freundin Joanna zu, die zu einem fast handlichen Paket zusammengeschnürt anmutig vor dem Tresen lag. Die Mischung aus Wut und Erregung in ihrem Blick hätte mich normalerweise dazu gebracht, Ruben um eine Mitspielgelegenheit zu bitten, doch angesichts des Zettels war mir nicht danach. Ich musste einfach wissen, ob ich nun mit meinen verrückten und vollkommen durchgedrehten Familienmitgliedern Weihnachten feiern würde, oder einen tollen Job bekam.
»Hi, Alexa!« Ruben stand zur Begrüßung auf und deutete auf Joanna. »Setz dich doch.«
Vorsichtig, um meiner Arbeitskollegin nicht wehzutun, nahm ich die Einladung an und setzte mich auf die angebotene, entblößte Sitzgelegenheit. Dabei konnte ich spüren, wie Joanna mit den Zähnen knirschte.
Na, wenn da Rubens Idee, seiner Freundin ihre devote Seite zu zeigen, nicht nach hinten losging, dann wusste ich auch nicht … Ich zwinkerte Joanna von oben herab zu. Es oblag mir nicht, meinen Chef zu tadeln oder seine sexuellen Gelüste zu kommentieren. Die Vereinbarung galt zwischen Jo und ihm, und solange sie nicht von ihrem Safeword Gebrauch machte, konnte Ruben weiter versuchen, der Dominanten ihre andere Seite näherzubringen.
»Ich suche jemanden für einen Job an Heiligabend!«
Zischend entwich die Luft zwischen meinen Lippen und ich entspannte mich. Dabei hatte ich nicht einmal bemerkt, dass ich die Luft vor Nervosität angehalten hatte. Dann erst fiel mir der Fehler in dem Bild auf.
»Und dann fragst du nur mich?«, erkundigte ich mich dementsprechend skeptisch.
Normalerweise waren Jobs über die Feiertage immer heiß begehrt, da es nochmal einen großzügigen Aufschlag gab – mal ganz abgesehen davon, dass man der eigenen Familie entkam. Deswegen hatte es sich eingebürgert, dass die Jobs entweder ausgeschrieben oder bei der Wochenversammlung angeboten wurden. Frei für alle Angestellten. Und dann entschied das Los.
»Ja, ich frage nur dich«, bestätigte Ruben und warf einen Blick auf Joanna, als erwartete er Unterstützung von ihrer Seite. Sie schniefte nur verächtlich. Für jemanden in dieser devoten Position eine beachtliche Leistung.
»Chris ist einer unserer Stammkunden«, erklärte Ruben. »Du hattest bislang noch nicht das Vergnügen mit ihm.«
Er reichte mir eine Mappe, die ich zwar in die Hand nahm, aber weitgehend ignorierte.
»Dann soll sich doch eine seiner Gespielinnen um ihn kümmern«, meinte ich. Ich wusste, wie eifersüchtig die Mädels teilweise waren, wenn es um »ihre« Kunden ging. Und von Chris hatte ich schon einiges gehört. Er sollte ein charmanter Augenschmaus sein – und ein Switcher. Das war anstrengender als die normalen Kunden, die entweder dominant oder devot waren, aber es war eine Herausforderung. Ich liebte Herausforderungen. Normalerweise. Aber ich würde den Teufel tun und Claire oder Melissa einen ihrer Kunden an einem der begehrtesten Tage des Jahres vor der Nase wegschnappen.
»Kein Interesse!«, behauptete ich deswegen.
»Claire und Melissa haben schon abgelehnt«, meinte Joanna und setzte sich über das vermutlich über sie verhängte Schweigegebot hinweg. Damit bewies sie mehr Weitsicht als unser Chef und ihr Lebensgefährte, denn der wirkte einen Moment lang irritiert.
»Ja, stimmt!«, meinte er schließlich und fügte hinzu: »Die beiden haben schon »Nein« gesagt und die anderen Mädels, die schon das Vergnügen mit Chris hatten, ebenfalls.«
Ich konnte spüren, wie ich die Stirn runzelte und nun doch einen Blick in die Mappe warf. Chris sah wirklich gut aus. Ein wenig wie Chris Pine, der Schauspieler, der nun die Enterprise flog und auch seine Biodaten lasen sich gut.
»Wo ist der Haken bei diesem Chris? Ich habe gedacht, die anderen wären alle so begeistert von ihm gewesen?« Ich zögerte einen Moment. »Und mit unseren Damen hat er auch einen ganz schön hohen Verschleiß, oder?«
Trotz meiner Frage blätterte ich auf die nächste Seite, um seine Vorlieben zu studieren. Dort fand ich die Informationen, die mein Chef laut aussprach: »Chris ist schon lange Stammkunde, er gönnt sich jedes halbe Jahr eines unserer Wohlfühlangebote – und er mag Abwechslung.«
Ich verdrehte die Augen. Entweder war das die netteste Umschreibung für: Der Mann war ein Arschloch und keine der Frauen war ihm gut genug gewesen, oder er war wirklich ein Mann, der Abwechslung liebte. Was ihn in meinen Augen zu einem sehr unsteten Partner im wahren Leben machte. Aber das war ja nicht mein Problem. Solange er sich meine Dienste leisten konnte und sich an die Regeln des Office Escorts hielt, war ich die letzte Person, die Steine aus ihrem Glashaus auf ein anderes werfen würde.
»Also fragst du mich, weil er Abwechslung will?«, erkundigte ich mich, weil Ruben nicht so wirkte, als fühle er sich wohl in seiner Haut.
»Ich weiß nicht so ganz, wie ich es erklären soll. ..«, druckste er herum. Dabei überzog eine sanfte Röte seine Wangen. Etwas, was ich noch nie zuvor gesehen hatte, dabei arbeitete ich schon seit Jahren für den Begleitservice »Office Escort« und hätte schwören können, es gab im Erotikbusiness nichts, was meinen Chef zum Erröten bringen konnte.
»Er sucht keine Office Escort Dame, die ihm die Arbeit schmackhafter macht oder ihm sonstwie das Leben verschönert«, sprang Joanna hilfsbereit ein. Dieses Mal wirkte Ruben nicht, als würde er sie später für ihr un-devotes Verhalten bestrafen wollen, sondern eher so, als wolle er ihr den Hals umdrehen.
»Was dann?« Inzwischen hatten sich die Runzeln auf meiner Stirn so tief gedrückt, dass sie schon gegen mein Kleinhirn drückten. Anders konnte ich mir meine plötzlichen Kopfschmerzen nicht erklären.
»Er sucht eine Frau, die ihn zu seiner jährlichen Familienfeier begleitet«, meinte Ruben und hatte seinen seriösen Tonfall wiedergefunden.
»Allerdings nicht nach den Regeln unseres Begleitservices«, kam es wieder von schräg unten und dieses Mal sah ich Joanna nach der Entgegnung direkt an.
»Bedeutet?«, erkundigte ich mich.
»Dass er Sex will!« Joannas Aussage war klar und auf den Punkt gebracht, ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke und hustete, bis mir Ruben ein Glas Wasser reichte und ich es in einem Zug leertrank.
»Ich bin keine Prostituierte!«, stellte ich danach klar und war versucht beide allein durch meine Blicke zu töten.
»Das weiß ich und es ist auch nicht so gemeint.« Ruben sah mich ernst an.
»Es ist sogar viel mehr!«, meinte meine Sitzgelegenheit.
»Joanna!«, knurrte Ruben, aber seine Gefährtin ließ sich weder einschüchtern, noch sich den Mund verbieten.
»Geh mal von mir runter!«, befahl sie mir und ich tat meiner Arbeitskollegin den Gefallen. Dann drehte sie sich mehr zu Ruben. »Und du, binde mich los, … bitte!«
Obwohl ihm sichtlich unwohl war, kam Ruben Joannas Aufforderung nach, während ich staunte. »Bitte ist dein Safeword?«
»Nicht wirklich!«, gab Joanna zurück und ich wurde Zeuge eines intensiven Blickduells zwischen den beiden. Obwohl sie deutlich erregt war, ihre Nippel waren fest und ihre Schenkel von Lustflüssigkeit benetzt, blieb ich bei meiner Meinung: Joanna war kein Switcher und devot behagte ihr einfach nicht.
»Chris will eine Frau, die ihn begleitet und die er ficken kann, wann er will und wie er will – ein ‚Nein‘ ist bei dem Deal nicht vorgesehen und küssen auch nicht«, erklärte Joanna schließlich.
Ich wandte mich zu Ruben. »Und wieso kamst du auf mich?«
»Weil du mir gestern noch gesagt hast, du seist untervögelt!« Mein Chef wirkte zerknirscht. Sex war beim Office Escort nicht nur nicht vorgesehen, es war sogar ausdrücklich verboten und stand in den Statuten, die wir und die Kunden bei Auftragserteilung unterschrieben. Die Strafen waren horrend hoch – so horrend, dass selbst Manager, die im Jahr mehrere Millionen verdienten zusammenzuckten und ihre primären Geschlechtsorgane dort ließen, wo sie hingehörten.
Joanna prustete los. »Ich habe dir ja gesagt, wir sollten ihm die Telefonnummer einer Käuflichen geben.«
»Ich dachte, ich schlage zwei Fliegen mit einer Klappe«, gab Ruben zu. »Außerdem wäre es wirklich gut bezahlt – du weißt, unsere Preise orientieren sich am Einkommen – und ich verzichte in diesem Fall auf die Provision.«
Ich starrte Ruben und Joanna an und hinter meinen Augen rotierte mein Gehirn. Ich meine … Hallo? Ich war untervögelt, aber sooo nötig hatte ich es noch lange nicht, … und Geld … mein Job fing erst im fünfstelligen Bereich an … aber … da gab es einen winzigen, kleinen Teil in mir, der eine andere Idee hatte.
»Okay«, meinte ich und klappte die Mappe zu, die ich immer noch in den Händen gehalten hatte. »Wenn ich ihn vorher treffen und mir ein Bild von ihm und seinem Charakter machen kann.«
»Okay?« Joanna starrte mich an, als hätte ich mich vor ihren Augen in eine andere Person verwandelt. »Einfach so?«
»Wir haben dir noch gar nicht die Summe genannt«, erinnerte mich Ruben und in seinem Lächeln spiegelte sich das Vermögen wieder, das die Ökonomie eines kleinen Landes ankurbeln konnte.
»Ist mir egal, denn ich will kein Geld!« Lächelnd ging ich an dem verdutzten Pärchen vorbei, nahm mir einen Stift und schrieb auf den obersten Zettel meinen Preis – mit Kuss.