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Meine Geschichte

Immer wieder aufs Neue ist es aufschlussreich, sein Leben in der Rückschau zu betrachten und es zu bewerten. Denn unser ureigenes Wesen – und damit vielleicht auch unsere Lebensaufgabe – schimmert oft schon in der frühen Kindheit durch, wird zeitweise verschüttet oder verdrängt und bricht sich später erneut Bahn.

Kreativität als Quelle des künstlerischen Ausdrucks und trilogischer Bewusstseins- und Persönlichkeitsentwicklung zog sich von klein auf durch mein Leben. Als Kind schon war ich sehr interessiert an Diskussionen über Gott und die Welt und lauschte den regen Gesprächen der Erwachsenen. Langeweile kannte ich dabei keine. Auch liebte ich es früh, zu zeichnen und zu malen. Mit fünf Jahren schuf ich ein Porträt meines Vaters und mit acht ein Selbstporträt. Wenn ich die frühen Werke heute betrachte, staune ich über die Ganzheitlichkeit der Wahrnehmung, die ihnen zugrunde liegt, und die verwendeten Symbole als Ausdruck dessen, was ich wahrnahm und doch intellektuell noch längst nicht verstand.

Später, während meiner Zeit als Lehrerin, spürte ich den Wunsch in mir, „Volksbildhauerin“ zu werden. Die Arbeit mit den Kindern, die Beobachtung ihrer genetischen Anlagen und der Auswirkungen ihrer psychogenetischen Einflüsse beschäftigten mich und erzeugten in mir den Wunsch, dies künstlerisch auszudrücken. In den kommenden zwölf Jahren blieb ich meinem Beruf als Lehrerin treu, doch in meiner Freizeit folgte ich meinem Hobby Nummer eins, der Kunstmalerei. Ich besuchte Kurse in Bern und Paris und malte bald meine ersten Batik- und Ölbilder. Sie trugen Titel wie „Auf der Reise zur Weisheit“ oder „Weil ich die Menschen liebe“ – Wegweiser dessen, was mich zu jener Zeit beschäftigte. Es war die Liebe zum Menschen, die in meinem Lehrerinnen- und Künstleralltag bald immer wichtiger wurde. Letztere drückte sich immer stärker auch als intuitiv-mediale Beraterin im Kreise von Freunden, Kollegen sowie den Eltern meiner damaligen Schüler aus.

An der Schwelle der Neunzigerjahre machte ich mich schließlich selbstständig und gründete 1990 das Trilogos als Schule für Persönlichkeits- und Bewusstseinsbildung. Die Wahrnehmung und der Ausdruck der Seele bewegten mich tief im Innern, und so schrieb ich Verse, dann Konzepte und Bücher, entwickelte Übungen und widmete mich ganz der Erforschung des menschlichen Potenzials. In gewisser Weise hatten mich die beiden Strömungen, die mich schon seit meiner Kindheit beschäftigten – künstlerisches Schaffen und Individuation –, vom Beruf der Lehrerin zur Berufung als Lebensschullehrerin und Lebenskünstlerin getragen.

2015 brachte mich eine einschneidende Erkrankung zurück zur Bildenden Kunst. Es war wie ein Ruf, eine unmissverständliche Aufforderung, und so begann ich, Ton zu modellieren. Seitdem befreie ich, wann immer es mir die Zeit erlaubt, Menschenfiguren aus einem Klumpen Ton. Diese Arbeit ermöglicht es mir, ganz bei mir selbst zu sein, meine unausgesprochenen Ideen bildnerisch zum Ausdruck zu bringen und in die Tat umzusetzen. Als Künstlerin, die ganz in ihrer Arbeit aufgeht, kenne ich das unvergleichliche Gefühl des Flows. Doch spürte und spüre ich, dass mir dies allein nicht genug ist. Immer treibt mich der Wunsch an, das menschliche Potenzial zu ergründen, die Seelen- oder Symbolsprache weiter zu erforschen und die entsprechenden Techniken auch anderen Menschen zur Verfügung zu stellen.

Ein Künstler erlebt in sich den Drang, die inneren Ideen auszuleben und zugleich ein Kanal zu sein für die schöpferische Kraft selbst.

Als Leitmotiv dient mir dabei der Spruch von Mahatma Gandhi: „Der Mensch ist nur dann wahrhaft Mensch, wenn er der Selbstbeherrschung fähig ist, und selbst dann nur, wenn er sie ausübt.“

Kreativität ist in uns allen angelegt. Viele Menschen leben sie nicht aus, denn sie haben Angst, zu scheitern, Angst, Verantwortung zu übernehmen mit dem, was sie sagen, was sie tun oder nicht sagen, nicht tun. Doch wer sich einmal in ihren Fluss begeben hat und das tiefe Glücksgefühl kennt, das sich immer dann einstellt, wenn man immer bewusster Mit-Schöpfer sein darf, der überwindet die Angst in dem Wissen, dass es im Leben nicht nur um Scheitern und Fallen, sondern vor allem darum geht, immer wieder von Neuem aufzustehen. Und diese Kraft – sich zu erheben, auch wenn man unten liegt – schöpfen wir aus der gleichen Quelle wie die Kreativität. Kreativität – die Kraft und dadurch die Quelle des Widerspruchs! Kraft der Veränderung: das Potenzial des Menschen!

Glaube/Vertrauen und Angst/Zweifel

sind zwei Seiten eines Ganzen,

die zusammen von wahrem Wissen

umschlossen, ja durchdrungen werden.

Die Kraft des Widerspruchs dieser beiden

Polaritäten – auf geistiger sowie materieller

Ebene, psychischer sowie physischer – ist

notwendig; sie ist es, die uns in Bewegung

bringt, die uns zum Staunen, zum Innehalten

und aus tiefster Verbundenheit mit

dem Höchsten immer wieder neu zum

Suchen und Finden unseres Weges treibt,

die uns zu kreativen Menschen

werden lässt.

Linda Vera

4 Kreativität - Kraft der Veränderung

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