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Montag

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5. 9:20 Uhr, Beach Haven, New Jersey, USA


Inua erwacht als erste aus einem tiefen, erholsamen Schlaf. Sich an ihren Geliebten kuschelnd, antwortet dieser mit einem friedlichen, unverständlichen Murmeln.

Der gestrige Tag verlief nach dem frühmorgendlichen Vorfall ruhig. Sie verbrachten den ganzen Tag am Strand, liegend, schwimmend, lesend, spielend. Abends gönnten sie sich Pizza und Rotwein bei einem nahe gelegenen Italiener. Bereits gegen 22:00 Uhr ergaben sich beide ihrer Müdigkeit.


Inua: „Wann müssen wir eigentlich abreisen?“

Arnim räkelt sich nur ungern aus dem angenehmen Urraum seines Halbbewusstseins. Seine Stimme sucht sich noch:

„Gegen 14 Uhr. Um 17 Uhr treffen wir uns in der Einsatzzentrale.“

„Na, das reicht für ein ausgiebiges Frühstück und einen letzten Strandspaziergang, würde ich sagen.“

„So sehe ich das auch“, stimmt Arnim freudig zu. Er schlägt die Augen auf und betrachtet das Antlitz seiner Geliebten, die sich neben ihm aufgesetzt hat. Sie schaut zu ihm hinunter.

„Weißt du eigentlich, was dich heute und in den nächsten Tagen erwartet?“

„Nein. Aus zwei Gründen: Zum einen aus Sicherheitsgründen. Je weniger Leute von dem Plan wissen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand davon erfährt. Und du weißt ja, was unsere nationale Sicherheitsagentur NSA für Möglichkeiten hat. Das andere Argument ist, dass wir den Kopf frei haben sollen für das, was jeweils im Jetzt tun ist. Wenn wir wüssten, was da auf uns zukommt, würden wir uns automatisch damit beschäftigen, emotional und mental. Das will unser Mentor nicht.“

Schon ist Arnim hellwach. Mit der linken Hand streicht er unter ihrem Nachthemd über ihren Rücken.

„Wieso haben sie dich eigentlich genommen für den Plan, wie du es nennst? Wozu brauchen sie einen investigativen Journalisten für Kampfeinsätze? Oder wird es etwa kein Kampfeinsatz? War die Szene gestern am Strand die große Ausnahme?“

„Ich weiß es nicht. Ich kann nur mutmaßen, warum sie mich wollten. Meine langjährige Erfahrung an der Front...“.

Inua fällt ihm ins Wort: „Moment, du warst Soldat?“

„Entschuldige, mein Schatz. Ich vergesse immer wieder, wie kurz wir uns erst kennen. Du weißt ja praktisch gar nichts von meiner Vergangenheit.“


Und während sie sich ankleiden, zur Strandpromenade runter gehen und ein Frühstückslokal aufsuchen, erzählt Arnim von sich. Mit 20 ging er zur Army – trotz gutem Highschool-Abschluss – geprägt vom 11. September, um der amerikanischen Idee zu dienen. Seine Abenteuerlust entschied sicher mit, die er von seinem Vater geerbt zu haben glaubt. Offizier Gregor O`Healy wurde ein hochdekorierter Kriegsheld in der Operation Wüstensturm in Kuwait. Seine militärische Karriere ging nur deshalb nicht weiter steil nach oben, weil ihm ein privater Unfall ein Monat nach dem Einsatz in Kuwait das Augenlicht nahm. Aus seinen Erfahrungen heraus begrüßte er den Entschluss seines Sohnes, den amerikanischen Streitkräften zu dienen.


So verbrachte Arnim O`Healy mehrere Jahre in Afghanistan und im Irak. Auch er zeichnete sich durch besonderen Mut und Geschicklichkeit aus und wurde dafür geehrt und befördert. 2010 quittierte er seinen Dienst und verließ, ohne Angabe von Gründen, das Militär. Sehr zum Unverständnis seiner Vorgesetzten, denn ihm winkte bereits die Berufung zum General. Auch seinen Eltern gegenüber öffnete er sich nicht. Zu schwer und zu tief lasteten die Kriegserfahrungen auf ihm. Er wollte und konnte mit niemandem darüber reden. Stattdessen verschwand er für zwei Jahre nach Nepal und zog sich dort in einem buddhistischen Kloster zurück.


Als er dann Mitte 2012 wieder bei seinen Eltern in New York anklopfte, erkannten sie ihn kaum wieder. Jetzt war er in der Lage, von sich zu sprechen, und ganz ähnlich spricht er auch jetzt zu Inua: „Weißt du, es ist eine Sache, wenn man meint, aus einem triftigen Grund in den Krieg zu ziehen. Als ich aber die wahren Gründe für die Kriege im Irak und in Afghanistan erkannte, zerbrach in mir eine Welt.“

Arnim ist innerlich distanziert. Tatsächlich erkennt er den Arnim, von dem er gerade erzählt, kaum mehr wieder.

„Weißt du, was an 9/11 wirklich geschah?“

Ein kurzes Nicken.

„Ich halte es für einen Inside-Job.“

Arnim erwidert bestätigend mit einem Nicken.

„In den Kriegen ging es nur um nationale Interessen unseres Landes, in Irak vor allem um Öl, in Afghanistan um Drogen. Und als wäre das nicht genug, brechen auch noch alle moralischen Kriegsstandards weg. Ich will dir nicht erzählen, was für Greueltaten an Zivilisten ich mit ansehen musste. Mindestens 30 Menschenleben habe ich auf dem Gewissen, vollkommen sinnlos. Das hat mich umgeworfen.“


Inzwischen sind Kaffee und Croissants serviert. Inua macht eine Geste der Umarmung. Doch Arnim fährt fort, ihren Arm sanft umleitend: „Ich habe das verarbeitet, in Nepal. Ich hatte das Glück, einen wahrlich weisen Lehrer zu finden. Er lehrte mich die Kunst der Selbsterkenntnis. Mit seiner Hilfe konnte ich die Erfahrungen der Kriege loslassen, mir sozusagen selber vergeben und ein neues Leben beginnen. Er lehrte mich auch die Kunst der Meditation, der Beherrschung des Geistes. Ich wäre gerne noch länger bei ihm geblieben. Er schlug mir ein weiteres Jahr vor, um es zu einer gewissen Meisterschaft zu bringen. Aber es zog mich zurück. Ich wollte mich dafür einsetzen, dass Amerika das Grab, das es sich und der Welt schaufelt, wieder zukippt und sich um Wiedergutmachung bemüht. Wissen zu verbreiten hielt ich für entscheidend wichtig, denn die Welt strotzt vor Falschinformationen und Lügen. Deshalb habe ich mich entschlossen, journalistisch tätig zu werden. Ich wollte unseren Bürgern die Lügen um den 11. September und all die militärischen Sauereien satt auftischen.“

Arnim wählt zwar deutliche Worte, doch er ist dabei ruhig und ausgeglichen.

„Du bist sehr mutig! Bist du zufrieden mit dieser Arbeit gewesen?“

„Nein, nicht im Geringsten. Ich musste schnell erkennen, dass die Medien uneinnehmbaren Trutzburgen gleichen. Alle. Alle Großen jedenfalls. Sie sind die Lakaien der Mächtigen und ermöglichen ihnen ihr böses Spiel. Ich war sehr naiv, ich dachte, mit gutem Zureden lässt sich da was ändern. Ich biss überall auf Granit. Nur in kleinen Nischen konnte ich arbeiten und dort auch was bewirken. Ein Glück gibt es das Internet, sonst hätte ich damals, glaub ich, schwarz gesehen für die Zukunft. Aber insgesamt befriedigte mich das, was ich da über das Internet ausrichten konnte, nicht. Ich wollte mehr, mein innerer Brand – genährt durch die Kriegserlebnisse – loderte weiterhin lichterloh.“

Nachdenklich beißt er in sein Cappuccino-getränktes Croissant. Dann erhellt sich seine Mimik.

„Deswegen war es für mich ein großer Glücksfall, dass sie mich vor sechs Wochen angesprochen haben, ob ich für den Plan arbeiten wolle.“

„Sechs Wochen ist das erst her? Erzähl, wie ist das passiert?“

Inua rutscht unruhig in ihrem Rattansessel hin und her.

„Ein sehr freundlich aussehender Mann in etwa meinem Alter sprach mich im Fahrstuhl meines Hauses an. Mit wenigen Worten brachte er mich dazu, ihn in mein Apartment einzuladen. Nach einer Stunde verließen wir die Wohnung. Seit dem habe ich sie nicht mehr betreten.“

„Wie das?“, hakt Inua überrascht nach. Das Cafe füllt sich zusehends, mit seinen orientalisch anmutenden Sofa-Sitzecken, diversen, teils deckenhohen Topfpflanzen sowie ausschließlich Kerzenbeleuchtung erzeugt die Lokalität ein gemütliches, angenehmes Klima. In dem lauter werdenden Gesprächsteppich fühlen sich Inua und Arnim sicher aufgehoben.

„Seitdem“, Arnim beugt sich dennoch zu ihr rüber und flüstert ihr ins Ohr: „operiere ich im Untergrund.“

Er zieht dabei eine Augenbraue hoch und macht ein selten dämliches Gesicht. Inua versucht, ihren Geliebten zu durchschauen.

„Im Ernst?“

„Im Ernst! Aber darüber erzähle ich dir – zumindest erst mal – nichts.“

Inua mustert ihn, sein klares, jetzt wieder ernstes Gesicht, um schließlich dieses Tabu zu akzeptieren. So knüpft sie an einer anderen Stelle an.

„Wie haben deine Eltern auf deine Wandlung reagiert? Konnten sie dich verstehen, dir folgen?“

„Nein, leider nicht. Das hat sehr weh getan. Ich musste erkennen, dass mein Vater, egal was ich an ihn ran trug, nicht belehrbar war. Er musste den Wert seiner Karriere verteidigen, das Bild aufrecht erhalten, dass Amerika für die richtige Sache kämpft.“

„Du sprichst in der Vergangenheit von ihm. Ist er gestorben?“

„Ja, vor knapp einem Jahr. Meine Mutter äußerte die Vermutung, dass er den Bruch mit mir nie wirklich überwunden hat und dass ihn das schnell altern ließ. Er starb an Blutkrebs, im Augenblick des Todes war ich bei ihm. In dem Moment hat er mir verziehen, worüber ich sehr glücklich bin. Weniger für mich, sondern für ihn.“

„Und deine Mutter?“

„Sie starb vor sechs Wochen, genau an dem Tag, an dem mich der Mann im Fahrstuhl angesprochen hat. Ich hab mich mehrfach gefragt, ob es da einen Zusammenhang gibt, bin aber zu keinem schlüssigen Ergebnis gekommen.“


Ein Moment der Stille entsteht inmitten des Gemurmels um sie herum. Dann nimmt Inua einen neuen Anlauf.

„Wie gut kennst du eure Gegner?“

„Das ist eine gute Frage. Mein Mentor versicherte mir, dass fast nur noch irdische, humanoide Vertreter der Dunkelseite übrig sind.“

„Was soll das heißen?“

„Das soll heißen, dass es bis vor wenigen Jahren noch so gewimmelt haben soll von ungemütlichen ET-Rassen, physischer wie nicht-physischer Natur. Manche sollen wie Reptilien aussehen, manche uns ähnlicher, aber mit weniger Fingern und bläulicher Haut. Andere gräulich und zierlich. Drakonier, Greys, wie sie alle heißen. Mein Mentor sagte mal, es wisse von mindestens sieben unterschiedlichen Rassen, die von der Erde angezogen wurden. Sie sollen sich fast ausschließlich unter der Erdoberfläche, in natürlichen Höhlensystemen und künstlich erzeugten Grotten, militärischen Einrichtungen, sogar ganzen Städten, aufgehalten haben. Bestimmtes amerikanes Militär hat sich wohl mit diesen Geschöpfen verbündet, um von deren technologischen Fähigkeiten zu profitieren.“

Er schaut ihr tief in die Augen: „Es gibt anscheinend Wesen im Universum, die zwar gottabgewandt sind, aber dennoch sehr, sehr hoch entwickelt. Bewusstseinsmäßig wie technologisch. Das eine hängt sowieso vom anderen ab.“

Eine Weile hängt er diesen Gedankengängen nach, während sie ihn neugierig beobachtet. Dann sammelt er sich wieder.

„Ich wurde noch nicht wirklich darüber aufgeklärt, was unsere Gegner so drauf haben. Ich vertraue aber darauf, dass wir ihnen gewachsen sind. Schließlich, ob du es glaubst oder nicht: Der Initiationsimpuls gestern, dass es JETZT LOSGEHT, kam von ganz oben, von Gott sozusagen, der allem übergeordneten Intelligenz, der Quelle, die ursprünglich alles erschaffen hat. So habe ich das zumindest verstanden. Und ich glaube das auch. --- Und du?“

Inua lächelt ihn an: „Ich glaube dir. Da kannst du mal sicher sein. Und das hilft mir auch ein wenig, mir nicht zu viele Sorgen zu machen über das, was da … über die nächste Woche...“

Arnim lässt sie nicht weiter ausreden.

„Lass uns an Montag in einer Woche denken, an das Licht, das die Erde überflutet, die Leichtigkeit, die Explosion der Freude in den Gesichtern so vieler Menschen.“

„Wird es nicht ein Schock sein für die meisten?“

„Nun, viel hängt von den nächsten Tagen ab. Ich glaube, teils, teils.“

Innerlich ist selbst Arnim hin und her gerissen zwischen kindlicher Vorfreude und ungläubigem Staunen. Kann das wirklich wahr werden? Sitze ich nicht einer Illusion auf? Einer bitteren, naiv-idiotischen Verblendung?


6. 11:00 Uhr, Wilburton, Oklahoma, USA


Regelmäßig verbringt Duster P. Marwinger einige Spätsommerwochen in seinem Anwesen in den Ouachita Mountains. Von seiner abgelegenen Villa aus hat er einen herrlichen Blick über die bewaldete Hügellandschaft, in der nur ganz wenige Menschen ein Domizil errichtet haben. Am Ufer des nahegelegenen Sees liegt ein hochmodernes Segelboot, dessen sich Marwinger – wenn es denn geht – gerne täglich bedient.


In diesem Jahr ist er dazu jedoch noch gar nicht gekommen. Die Zeiten sind wirklich unruhig geworden für den Top-Logenmeister, auch wenn es gerade nicht danach aussieht. Mit einem gekühlten Cognac steht er auf der Terrasse des im alten englischen Adelsstil gehaltenen Landhauses und grübelt über den Lauf der Dinge. In seinem grauen Geschäftsanzug wirkt er eher untersetzt als korpulent, seine sonst gepflegt zur Seite gekämmten Haare kitzeln ihm jetzt seine habsburgerische Nase. Seine kleinen, grauen Augen verschwinden fast unter den mächtigen, schwarzen Augenbrauen alà Breschnew.

Zusammen mit zwei anderen Männern bildet er die Spitze nicht nur einer Loge, sondern gleich der fünf größten und mächtigsten Geheimbünde der Erde zusammen.

Trotz der jahrzehntelangen, vor allem mentalen Ausbildung in den Logen ist er in letzter Zeit, vor allem in diesem Jahr, mehr und mehr nervös und besorgt. Es ist schon ein paar Jahre her, als die Dinge noch richtig gut liefen. Nervös machen ihn nicht nur die Entwicklungen im Untergrund, sondern auch auf der Oberfläche: Einflussreiche Länder, Russland, China, Brasilien oder Indien entgleiten mehr und mehr ihrer Kontrolle. Die letzten Kriegsaktivitäten haben sich mehr oder weniger als Flops erwiesen; als Aktionen, die ihren Plänen fast mehr Schaden als Nutzen zugefügt haben. Für Marwinger stehen die Schuldigen fest: Die Galaktische Föderation des Lichts. Warum müssen die sich einmischen? So manches mal, wie auch jetzt, hat er die Wut über diese Unverbesserlichen nicht ganz im Griff.


Aber dann beruhigt er sich wieder. Insgesamt ist Marwinger nach wie vor überaus optimistisch. Aus seiner Sicht sind die Strukturen ihrer Macht überwiegend ungebrochen: Die GlobalPlayer-Konzerne, die Drogen-, Erdöl-, Waffen- und Pharmaindustrie, die Landwirtschaft, die Politik, die Medien, das Bildungssystem: alles hat sich ziemlich genau nach ihrem langfristigen Plan entwickelt. Nur ganz wenige Länder wagen den offenen Konflikt mit ihnen.

Die Basis von allem, das Finanzsystem, ist allerdings etwas ins Wanken geraten. Vor allem der Osten schickt sich an, ihr Monopol der zentralistischen Dachinstitutionen zu unterminieren. Hier muss gehandelt werden.

Marwinger glaubt an die geheimen technischen Möglichkeiten, die er und seine Mitstreiter zur Verfügung haben. Allen voran die fortgeschrittenen psychotronischen Methoden zur Mind-Kontrolle, mittels Fernsehen, Nahrung, Drogen, und nicht zu vergessen die gezielte Steuerung von Gedanken, Emotionen und Wahrnehmung mit niederfrequenten Wellen und Tachyonen-Energie: ELF-Wellen plus Teilchenfelder im Überlichtgeschwindigkeitsmodus. Wer soll dagegen was ausrichten?


Vor allem aber: Er ist von der Richtigkeit ihres langfristigen Plans, ihrer neuen Weltordnung, fest überzeugt. Die Ideale seiner Organisation geben ihm die Kraft und das Durchhaltevermögen, die es braucht, derart große Ziele zu verwirklichen. Über die Wälder blickend bestätigt er sich in seinem Sein.

Die Geschichte der letzten Jahrtausende hat gezeigt, dass die Menschheit, auf sich alleine gestellt, nicht zu einer globalen Ordnung finden kann. Vor allem religiöse Verblendungen und andere, archaische Glaubensvorstellungen verhindern den Sieg der Vernunft, um endlich zu stabilen Verhältnissen zu kommen: Die Überbevölkerung ist das größte Problem, 7,5 Milliarden sind einfach zu viel für diesen Planeten und seine natürlichen Ressourcen. Wenn wir erst mal das Zepter auf der Erde vollständig in die Hand genommen hat, wird Frieden, Harmonie und Ordnung einkehren. Dank vernünftiger politischer Führung. Zugegeben, die Maßnahmen, die zur Herstellung von globaler Harmonie ergriffen werden müssen, empfinden manche Menschen vielleicht als etwas drastisch. Aber... wie sonst? Es handelt sich, geschichtlich betrachtet, um ein Augenzwinkern in der Geschichte der Menschheit. Und man vergesse nicht, wie viel Blut bis heute im Namen der Religionen geflossen ist - vollkommen sinnlos. Dem bereiten wir ein Ende!


Bei diesen Gedanken kommt ihm in den Sinn, dass davon nicht alles für die Ohren seiner Herren bestimmt ist. Geduldig, geduldig, mein lieber Marwinger. Irgendwann kommt die Zeit, da komme ich auch ohne sie aus.


Ein Bediensteter in schwarzem Anzug und einer dunkelgrünen Krawatte betritt die Terrasse. Er wartet auf das Zeichen, dass er sprechen darf. Marwinger bewegt den Zeigefinger.

„Die Aktion in Beach Haven ist schief gegangen. Ebenso die südlich von San Francisco. Mit ET-Unterstützung haben sie unsere Agenten unschädlich gemacht.“

Marwinger hört sich an, was genau passierte. Emotionslos. Hochkonzentriert denkt er ein paar Minuten nach. Dann wendet er sich an seinen Untergebenen.

„Wir brauchen eine Generalversammlung in Area 51. Morgen 17 Uhr. Ich habe den Eindruck, dass sich was zusammenbraut. Lass ein Foto vom Präsidenten in den Leitmedien lancieren, auf dem er mit dem linken Zeigefinger nach unten weist. Untertitel: Der Präsident spricht morgen um 17 Uhr vor dem Senat über den Verteidigungshaushalt. --- Sag Jackson, dass ich in 30 Minuten startklar bin.“


Die Kommunikation über Bilder in den globalen Medien ist für das Netzwerk der Dunklen seit vielen Jahren das sicherste Mittel, um alle gewünschten Adressaten möglichst schnell, diskret und zuverlässig zu informieren. Je nach Einweihungsgrad sind bestimmte Gesten bekannt. Auf diese Art kann Marwinger bestimmen, ob 20, 200, 2000 oder 20.000 Brüder informiert werden.

Marwinger braucht die halbe Stunde nicht, um sich reisefertig zu machen. Seine Flugzeuge und Helikopter bieten jeglichen Komfort, um frisch und adrett auszusteigen. Aber er kann es sich nicht verkneifen, den Keller aufzusuchen. Dafür begibt er sich in den Fahrstuhl und drückt den Knopf für das 5. UG. Sicherheitshalber reagiert der Aufzug bei dieser Zieleingabe nur auf seinen Code und den der anderen zwei Logenführer. Denn jeder andere, der dort unabsichtlich oder aus Neugier aussteigen würde, riskiert den Tod.

Unten angekommen, öffnet die Fahrstuhltür den Blick auf einen schmalen, aber ungewöhnlich hohen Gang, der geradewegs zu einer glatten, amaturlosen Tür aus reinem Gold führt. Marwinger tritt vor die Tür und sammelt sich für einige Augenblicke. Dann tippt er 23 Zeichen in das Display an der rechten Wandseite. Lautlos öffnet sich die Tür nach innen und gibt den Weg frei in das zentrale Heiligtum seiner Organisation:

Die Bundeslade!

Unter diesem Namen ist sie jedenfalls allgemein bekannt. Die Eingeweihten nennen das Gerät, nicht ohne Humor, den Lucky Punch.


Der Lucky Punch ist außerirdische Hochtechnologie. Ursprünglich in der großen Pyramide in Gizeh gelegen, hat das Unikat eine verworrene Reise hinter sich. Diejenigen, die wissen, welch ungeheuerliche Möglichkeiten materieller Manipulation hierin stecken, den verwundert nicht, welch konfliktträchtige Begehrlichkeiten sich um die Bundeslade entfachten. Dem Versprechen der Macht konnten viele Menschen schon immer schlecht widerstehen. Doch seit knapp 900 Jahren ist der Lucky Punch in den Händen von Logenmeistern, deren Organisationen sich aufgrund kirchlicher oder hoheitlicher Anfeindungen zuweilen andere Namen zulegen oder ganz im Untergrund verschwinden mussten.

Die Bundeslade verleiht demjenigen, der sie zu handhaben weiß, die Macht, Materie mit Gedankenkraft zu erschaffen und vorhandene Materie zu transformieren. Die Technik nutzt hohe astrale, ätherische und elektrische Energie, derart, dass es sogar ein eigenständiges, intelligentes Wesen besitzt. Diese Schechina – nennen wir es einen Plasmawirbel – erscheint als strahlend helle, rotierende Lichtsäule. Sie kann sich unabhängig von ihrem physischen Körper, dem Stein in der Bundeslade, bewegen, Informationen überbringen, töten, Wasser beherrschen, sogar Landschaften verändern: der Lucky Punch ist seines Namens wirklich würdig.

Nur wer entsprechend geistig geschult und rein ist, kann sich unbeschadet dem Lucky Punch nähern. Sobald sich die goldene Tür öffnet, dringt glühendes weißes Licht durch den Ritz. Marwinger nutzt eine spezielle Brille, um die Helligkeit abzudämpfen. In der Mitte eines vollständig vergoldeten, runden Raumes von vielleicht 10 Metern Durchmesser steht die Lade. Ein rechteckiger, goldener Kasten mit Tragegriffen links und rechts. Auf seinem Deckel thronen zwei knieende Goldfiguren mit Flügeln. Der Plasma-Wirbel hat sich in dem geschlossenen Raum in eine gleichmäßige, schimmernde Lichtwolke ausgedehnt. Links und rechts der Lade sind zwei Steinquader platziert. Auf dem linken liegt ein Schaf mit durchtrennter Kehle, rechts ein Kalb mit aufgeschlitztem Bauch. Das Blut ist an allen Seiten des Quaders hinunter geflossen und mittlerweile getrocknet.


Wem die geistige Reinheit fehlt, um mit Lucky Punch unbeschadet in Verbindung treten zu können, der muss andere Methoden anwenden. Tier- oder Menschenopfer erzeugen hohe astrale und ätherische Energien, die Lucky Punch – sagen wir mal – besänftigen.

Marwinger weiß, dass es Zeit ist, frisches Blut nachzuliefern. Doch darum muss er sich nicht kümmern. Diesmal hat er keine weitere Absicht als die, sich mit vollendeter Energie aufzuladen und sein Ego mit der Aura des Allmächtigen zu tränken. Die regelmäßige Energiezufuhr der Lade lässt ihn bereits 148 Jahre leben. Wer ihm ohne Insiderwissen begegnet, schätzt ihn auf etwa 60 Jahre.

Marwinger verweilt aufrecht stehend vor der Lade, die Füße eine halbe Schrittlänge auseinander, die Arme seitlich ausgestreckt, die Hände nach vorne geöffnet. Kleine Lichtblitze zucken aus dem Plasma-Raum in alle Bereiche seines Körpers. Seine Physis scheint transparenter zu werden, bis nur noch ein leuchtendes Abbild seiner Konturen übrig ist. Regungslos verharrt er so einige Minuten.

Mit einer kleinen Bewegung des Kopfes beendet Marwinger dieses Ritual. Ohne Übergang ist er wieder in seinem grobstofflichen Körper. Er verlässt den Raum, die Tür schließt sich automatisch, er nimmt den Fahrstuhl ins EG, tritt auf den Vorplatz seines Anwesens, wo bereits der Helikopter mit rotierenden Blättern auf ihn wartet.


7. 11:00 Uhr, im Flugzeug über dem Atlantik


Die Stewardess in der 1. Klasse der Boing 747 bleibt vor ihm stehen.

„Sie sind Herr Brouden, stimmt's?“, spricht sie ihn vorsichtig an, als sie ihm einen Espresso auf den runden Tisch vor ihm serviert. Niclas Brouden ist gerade darin vertieft, das vor ihm liegende Gespräch durchzugehen. Dafür macht er sich Notizen in einem Notebook.

„Ja“, erwidert er daher kurz.

„Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe. Ich … mein Vater war ein großer Verehrer von Ihnen. Er hat mir viel über Sie erzählt. In meiner Grundschulzeit haben wir ihre öffentlichen Auftritte und ihre Interviews gemeinsam im Fernsehen verfolgt. Nicht viele Politiker sind so ehrlich, mutig und aufrichtig wie Sie, Mr. Brouden.“

Niclas Brouden löst seinen Blick und schaut sie an. Er sieht sofort ein, dass sich diese Entscheidung gelohnt hat.

„Das ist ja nun schon eine Weile her, dass ich in der Politik tätig war. Aber, danke! Danke für die Komplimente. Mit den von Ihnen genannten Eigenschaften war es zuweilen nicht leicht, in der Öffentlichkeit zu stehen. Interpretieren Sie das nicht als arrogant. Ich kenne mich halt mit meinen 65 Jahren schon ganz gut. Das, was Sie in ein Kompliment verkleiden, habe ich dutzendfach als Warnung, Schmähung oder Beleidigung vernommen.“

Die Frau lächelt unsicher.

„Entschuldigen Sie, ich musste Sie einfach ansprechen. Ich sehe, Sie haben zu tun. Sind sie hinter den Kulissen immer noch politisch tätig?“

„Nicht wirklich, ich engagiere mich in einer NGO, die sich für den Erhalt der Artenvielfalt auf unserem Globus einsetzt. Oder besser gesagt, für die Verlangsamung der Artendezimierung.“


Brouden ist Profi durch und durch. Niemals würde er die wichtigsten Vorsichtsregeln vergessen. Auch wenn ihm das in diesem Fall etwas schwerer fällt, denn die Stewardess ist ausgesprochen attraktiv. Der enganliegende Dress der Airline betont ihre Rundungen, vor allem der offene Knopf ihrer weißen Bluse lässt sein Blut höher schlagen. Er konzentriert sich darauf, ihr in die Augen zu schauen. Aber auch das hilft ihm nicht, seine Körperreaktionen zu beruhigen. Was für eine russische Schönheit, schießt es ihm durch den Kopf. Volle, rote und ungeschminkte Lippen, hohe Wangenknochen, große, tiefbraune Augen mit etwas Rouge, fast schwarze, glatte Haare, die hinten zu einem Zopf gebunden sind.

„Wie heißen Sie?“ entfährt es ihm, ohne dass er diese Frage eigentlich stellen wollte.

„Marilyn Makariwa. Mein Vater ist Russe, meine Mutter Amerikanerin. Wenn ich nicht in der Gegend rumfliege, lebe ich in New York. Und Sie?“

„Mein Heim steht unweit von Ottawa.“

Sich der Wirkung ihres Äußeren bewusst, wird sie direkter: „Ich gebe Ihnen einfach mal meine Karte. Zu gerne würde ich mich mit Ihnen mal ausgiebiger unterhalten. Falls Sie dazu bereit wären und mal ein Fünkchen Zeit übrig haben, können Sie sich ja mal melden. New York und Ottawa sind ja ein Katzensprung auseinander.“

„Vielen Dank. Lassen wir uns überraschen“, erwidert Brouden, nimmt die Karte entgegen und versucht, sich wieder auf seine Notizen zu konzentrieren.


8. 13:30 Uhr, Moskau


Ein gewöhnliches russisches Taxi bringt Niclas Brouden in den Kreml. Er kommt immer wieder gerne hier her, er schätzt die majestätische Einrichtung des Gebäudes, genauso wie den klaren und hellen Verstand seines obersten Bewohners. Ein Staatsbeamter führt ihn durch die langen, prunkvollen Gänge in eines der Büros des russischen Präsidenten. Dieser empfängt ihn an der Tür. Herzlich schütteln sie die Hände. Nach ein paar Floskeln setzen sie sich neben einen Empfangstisch auf zwei rustikale Sessel aus der Zarenzeit. Tee und Knabbereien sind serviert.

Der Präsident, wie gewohnt ohne Umschweife: „Was führt dich zu mir?“

„Ich habe erfreuliche Nachrichten, sehr erfreuliche, die ich dir nur persönlich übermitteln kann. Ich bin überzeugt, du stimmst mit mir überein.“

Da der Präsident keine Anstalten macht, etwas zu sagen, fährt Brouden fort.

„Die höheren Intelligenzen der Erde und unserer Galaxie sind überein gekommen, dass es Zeit ist für einen erfolgversprechenden Versuch, das dunkle Netzwerk ein für alle mal aufzulösen...“

Brouden berichtet in allen Einzelheiten von den Ereignissen der letzten beiden Tage. Die Mimik des Präsidenten hellt sich zusehends auf. Schließlich drückt er einen Knopf. Nach wenigen Sekunden erscheint ein Bediensteter in der Tür.

„Bitte bringen Sie uns eine Flasche Sekt, den besten, den wir haben.“

Brouden überrascht die Reaktion des Präsidenten nicht. Dafür kennen sie sich bereits zu gut.

„dein Optimismus ehrt mich. Aber ich teile ihn.“

Der Präsident lehnt sich in seinem Sessel zurück und breitet die Arme aus: „Weißt du, auf diesen Moment habe ich fast mein ganzes Leben lang hin gearbeitet. Lass ihn uns einen Moment genießen.“

Nachdem die Gläser gefüllt sind, stehen die beiden Politiker auf, stoßen feierlich an und prosten sich zu.

Der Russe spricht: „Auf lichtvolle Zeiten. Auf ein Ende des Irrsinns. Auf eine Zukunft, in der die Träume eines jeden Menschen guten Willens auf dieser Erde wahr werden.“

Nach diesem feierlichen Moment werden sie wieder ernst und setzen sich. Der Präsident: „Was ist zu tun?“

„Versammle so schnell als möglich die wichtigsten 200 Staatsbeamten deines Landes. Mach es irgendwo, wo du ganz sicher bist, dass niemand mithören kann. Informiere deine Leute. Gib ihnen Anweisungen, was nächsten Montag, also in genau einer Woche, zu tun ist. Vorher passiert nichts, das musst du mir versprechen. Und alle Anwesenden müssen Stillschweigen wahren bis nächsten Montag.“

„Was für Anweisungen?“

„Warte, zwei Sachen noch: In Russland halten sich derzeit sieben Personen auf, die am Sonntag inhaftiert werden sollten. Hier ist die Liste. Ich denke, das ist kein Problem für dich. Ferner schlage ich vor, dass du für Donnerstag eine Zusammenkunft der BRICS-Allianz (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) organisierst. Offiziell kannst du als Grund den Antrag weiterer Länder zur Aufnahme in diese Allianz vorgeben. Lass erneut keine Sicherheitsvorkehrungen ungenutzt, um sicher zu gehen, dass niemand lauscht. Treff dich nur mit den Staatsoberhäuptern.“

„Wir werden alles Notwendige veranlassen, das neue Finanzsystem so schnell als möglich und reibungslos als möglich umzusetzen.“

„Gut, hier bist du der Experte. Dann übergebe bei dem Treffen die gleichen Anweisungen, die du auch deinen Staatsbeamten aufträgst. Auf diese Weise können wir gewährleisten, dass kein Chaos ausbricht. Die Anweisungen sind ...“

9. 13:45 Uhr, Manhattan, New York


„Wann sehen wir uns wieder?“

In Inuas Stimme klingt Wehmut und Besorgtheit mit. Es fällt beiden ziemlich schwer, sich nach den intimen Tagen, die sie miteinander verbracht haben, zu trennen.

„Ich kann es dir nicht sagen, das weißt du. Du weißt, dass ich keine Ahnung habe, was mich heute, morgen, die ganze nächste Woche erwartet. Aber ich hoffe auch, dass ich Pausen haben werde. Wann arbeitest du die nächsten Tage?“

„Ich werde vormittags überwiegend zu Hause arbeiten, ab ca. 14 Uhr bin ich dann im Büro zu erreichen.“

„Okay, Schatz, ich ruf dich an, sobald ich kann. Und bitte glaub mir: Du bist geschützt. Mach dir keine Sorgen. --- Ich muss gehen.“

Energisch löst sich Arnim aus der Umarmung, öffnet die Beifahrertür und verschwindet in der Menge, die sich in den U-Bahn-Eingang drängelt.

Unten auf dem Bahnsteig positioniert er sich am hinteren Ende der Plattform. Genau in dem Moment, als der hereinfahrende Zug zum stehen kommt, die Türen öffnet und sich die Menschentrauben auf den Bahnsteig ergießen, springt Arnim hinter dem Zug auf die Gleise. Flink huscht er in die Säulengalerie zwischen den stadtein- und -auswärts führenden Gleisen. Nach 300 Metern bleibt er vor einem gußeisernen, runden Kanaldeckel genau in der Mitte der beiden Säulenreihen stehen. Mit einem Blick nach hinten versichert er sich, dass er unbeobachtet ist. Er bückt sich und beginnt mit einem Stein, in der vereinbarten Sequenz über die Eisenplatte zu reiben.

Urplötzlich zerschneidet ein gleißendes Licht den Schutz der Dunkelheit. Adrenalin strömt in Arnims Adern, aber nach einer kurzen Schrecksekunde ist er wieder voll konzentriert. Er hebt den Arm vor seine Augen und kann einen Lichtkegel ausmachen, dessen Quelle vielleicht 20 Meter vor ihm liegt. Der Lichtkegel bewegt sich leicht, wahrscheinlich eine starke Taschenlampe in der Hand eines Menschen. Er lauscht nach innen. Aber da kommt nichts. Das beruhigt ihn. Er probiert es einfach mal.

„Hallo?“

Im nächsten Augenblick geschehen zwei Dinge gleichzeitig. Ein Schuss fällt und der Deckel vor ihm klappt in außergewöhnlicher Geschwindigkeit auf, so dass die Kugel, die ihn sonst durchbohrt hätte, gegen die Eisenplatte prallt und zurück geschleudert wird. Ohne zu überlegen gleitet Arnim in die Öffnung. Sofort schließt der Deckel über ihm. Brust an Brust in dem engen Schacht aneinander gequetscht, die Augen keine handbreit voneinander entfernt, erkennt Arnim seinen Mentor.

„Du zuerst“, entgegnet ihm dieser freundlich und, angesichts der Situation, provozierend lässig. Arnim ertastet die Stufen in den Wänden des Schachts und landet nach wenigen Tritten auf ebenem Boden. Sein Mentor folgt ihm.

„Es tut mir Leid, ich habe ihn nicht gesehen.“

Arnim ist ziemlich beunruhigt, dass sein Einstieg offensichtlich enttarnt wurde.

„Das macht gar nichts“, entgegnet ihm sein Mentor. Tiefliegende, hellblaue Augen strahlen ihn aus einem hageren Gesicht an. Mit seiner Glatze, den spitz zulaufenden Ohren und seinem grünen Overall geht er schon fast als Außerirdischer durch.

„Ich vergaß dir zu sagen, dass unsere Arbeitsräume alles andere als geheim sind.“

Dann nimmt er ihn fest in seine Arme.

„Freue mich sehr, dich zu sehen.“

„Ganz meinerseits. Was sagtest du da eben?“

„Komm erst mal rein.“

Sie laufen einen engen, schwach beleuchteten Kanalisationsgang entlang. Nach wenigen Metern knickt nach links ein weiterer Gang ab, der sehr bald vor einer Eisentür endet.

„Danke übrigens, dass du mir das Leben gerettet hast. Das war kein Zufall, oder?“

Arnim ist noch ganz bei den Ereignissen von eben.

„Was für eine Frage. Du enttäuscht mich ein wenig. Selbstverständlich nicht. Ich saß gerade beim Tee, als sich in meinem Geist das Bild – du über dem Kanaldeckel, ein Mann mit Taschenlampe und Pistole wenige Meter vor dir - in den Vordergrund drängte. Taamo Lumen rief mir noch hinterher: Beeil dich! Er wacht wirklich zuverlässig über uns. Und stell dir vor, nicht einmal Telepathie war dazu nötig.“

„Wie das?“

„Er sitzt in unserem Besprechungsraum, du wirst ihn gleich sehen.“

Diese Ankündigung hilft Arnim nicht, seinen Hormonspiegel zu normalisieren, aber es fühlt sich anders an. Viel weniger existenziell.

„Alle anderen aus dem Team sind übrigens schon da“, fährt der Mentor fort. Der Mentor will reingehen, aber Arnim hält ihm am Arm zurück.

„Und das ist nicht schlimm, dass da draußen jetzt jemand weiß, dass dieser Kanaldeckel ein aktiver Eingang ist?“

„Keineswegs. Unsere Gegner wissen genau, wo wir stecken. Aber sie wagen es nicht, uns anzugreifen.“

„Waaas?“

Arnim kann das nicht glauben.

„Gedulde dich ein kleines bisschen. Du erfährst heute noch die Geschichte dieses Ortes. Und ich verspreche dir: du wirst es kaum glauben.“

Der Mentor drückt die Tür auf. Sie betreten einen rechteckigen, unübersichtlichen Raum. In der Mitte verläuft ein schmaler Gang zwischen Kleiderspinden, an den Wänden sind Waschbecken und Duschkabinen aufgereiht. An den Rückseiten der Metallschränke stehen Stühle, um die herum Kleider ziemlich sorglos abgelegt wurden. Sie durchschreiten diesen Raum und gelangen in die Einsatzzentrale. Dieser Raum hat die Form einer Bienenwabe, von allen sechs, hellgrün gehaltenen Wänden führen Türen in weitere Räume und Ausgänge. Der Raum ist etwa 20 Meter breit und von einer leicht gewölbten Betonkuppel überdacht, von der aus kräftige Strahler den Raum mit weichem Vollspektrumlicht fluten. Der Boden ist mit hochwertigen Holzdielen ausgelegt. Beim ersten Blick sticht das kreisförmige Sitzarrangement in der Mitte des Raumes ins Auge, mit jeweils einem kleinen, nierenförmigen Tisch an jedem Sessel. Im Zentrum des Sitzkreises und damit auch in der Mitte des gesamten Raums thront ein riesiger, geschliffener Bergkristall, fast einen Meter hoch.


Alle 9 Teammitglieder wenden sich in ihren Drehsesseln Arnim zu und begrüßen ihn herzlich.

„Auch ich grüße dich, Arnim O`Healy.“ Taamo Lumen steht als einziger auf und schüttelt ihm die Hand. Arnim fühlt sich geradezu in seine Augen hinein gezogen, derart stark sind ihre Kräfte. Taamo Lumen lächelt ihm zu, löst den Blickkontakt und setzt sich wieder hin. Als Arnim und der Mentor es ihm gleich tun, ergreift letzterer das Wort.

„Schön, dass wir vollständig sind. Arnim und Christopher wurden attackiert. Es gab keine Probleme, die Angriffe abzuweisen. Hatten alle erholsame Tage?“

Alle bestätigen dies mit einem deutlichen Nicken.

„Dann kann es ja los gehen. Ich schätze mich sehr glücklich, dass Taamo Lumen hier ist, um uns auf die nächsten Tage einzustimmen. Ich übergebe das Wort.“

„Ich bin hier, um euch die kosmische Dimension eurer Arbeit bewusst zu machen. Und um begreifbar zu machen, wie die Erdbevölkerung die Ereignisse der nächsten Tage verkraften wird. Das Signal, dass jetzt die Zeit reif ist für die Entmachtung der Dunkelkräfte auf der Erde, kam vom Urschöpfer selbst. Gott, sozusagen. Möge dies eure Zuversicht erhöhen. Dennoch sei gesagt, dass die Befreiung der Erde auch aus kosmischer Sicht in gewisser Weise ein Novum darstellt. Noch nie wurde ein Planet von den Dunkelkräften befreit, dessen Bewohner sich - bezogen auf das Bewusstsein ihrer Situation - überwiegend im Schlafzustand befinden. Das Ausmaß ihrer Manipulation, irdischen und außerirdischen Ursprungs, ist den meisten nicht bekannt.

Deswegen können wir auch nicht so vorgehen, wie es auf anderen Planeten praktiziert wurde. Die nächste Woche ist so konzipiert, dass es ein schrittweises Aufwachen möglichst vieler Menschen ermöglicht. Das ist die Grundlage dafür, damit nach dem Sonntag kein Chaos ausbricht. Am Sonntag hoffen wir, 2000 Menschen zu verhaften, die erste und zweite Hierarchie-Ebene der Dunklen. Von der dritten Ebene abwärts hegen wir große Hoffnung, dass diese Menschen in der Lage sein werden, sich dem Licht zu öffnen, sobald ihre Vorgesetzten abgesetzt sind. Jedenfalls ist dem dunklen Netzwerk mit der Deaktivierung der 2000 Personen sozusagen ihr Gehirn vollständig entfernt.“


Taamo Lumen legt eine kurze Pause ein. Obwohl viele Fragen im Raum stehen, ergreift niemand das Wort.

„Ihr habt mit diesen Massenverhaftungen nichts zu tun.“

Die fragende Blicke des Teams erhellen sich.

„Euer Job ist, auf der physischen und energetischen Ebene dem Finale am Sonntag den Weg zu bereiten. Ihr seid dabei keineswegs allein. Ihr kennt das hermetische Gesetz der Entsprechung: Wie unten, so oben, wie oben, so unten. Soll heißen: Was mit eurer Hilfe in den nächsten Tagen auf der Erde geschieht, hat seine kosmischen Entsprechungen. Die Menschheit entfesselt sich, weil auch der Kosmos entfesselt ist.“

Der Meister macht eine kurze Pause.

„Ich bin etwas erstaunt, dass euch die Wirkung der Sonnenkräfte auf das Bewusstsein der Menschen überwiegend nicht bekannt sind.“


Arnim fühlt sich durchleuchtet. Allerdings nicht unangenehm, da ihn die liebevolle Aura dieses Meisters durchtränkt. Dennoch wird ihm in diesem Augenblick zum ersten Mal bewusst, dass dieser Mensch jederzeit seine Gedanken lesen kann. Ein eigenartiges Empfinden. Ihm kommt spontan eine Erinnerung hoch, wie er als kleiner Bub auf dem Schoß seines Vaters sitzt und von ihm zärtlich im Haar gekrault wird.

„Die Aktivitäten der Sonne, die Qualitäten ihrer Winde und elektromagnetischen Eruptionen beeinflussen das Denken und Fühlen der Menschen unmittelbar. Dahinter steckt Intelligenz. In den letzten Jahrzehnten hat sie ihr Aktivitätsniveau deutlich angehoben. Mit ihren elektromagnetischen Outputs ist die Sonne beispielsweise in der Lage, die Menschheit unisono in einen Zustand extrem geistiger Wachheit zu versetzen. Dazu kommen die Energien, die aus den Weiten des Universums auf die Erde einströmen. Auch diese können einen sehr starken Effekt auf die Befindlichkeiten der Erdbewohner haben.

Die Wirkung kosmischer Strahlen steht in direktem Zusammenhang mit dem Erdmagnetfeld. Je schwächer dieses ist, desto stärker und unmittelbarer ist die Erde den Einflüssen aus dem Kosmos ausgesetzt. Das irdische Magnetfeld ist ja in den letzten Jahrzehnten bereits deutlich schwächer geworden. Das ist absolut positiv zu bewerten, denn somit gelingt es euch leichter, das elektromagnetische Quarantänegitter, das die Dunklen für ihre Zwecke um die Erde gespannt haben, zu durchbrechen. Bis zum Sonntag nun wird das Magnetfeld kurzfristig stark abnehmen. Einen Polsprung wird es nicht geben.

Gleichzeitig wird aus dem Zentrum unserer Galaxie ein fokussierter Strahl auf unser Sonnensystem gerichtet, dessen Energiedichte für die Erdenbewohner absolut neuartig ist. Am Sonntag dann wird es einen wahren Turbobeam geben, der die Menschheit mit einer Liebesenergie überflutet, die sie nie zuvor erfahren hat. Es ist die Christus-Qualität der bedingungslosen Liebe. Nur diejenigen, die ihr Herz vollkommen verschlossen haben, werden dieses Ereignis nicht mitbekommen.

Ich sage das auch, damit ihr euch nicht darüber wundert, solltet ihr ungewohnte körperliche oder geistige Zustände in den nächsten Tagen erfahren. Diese kosmischen Einflüsse sind mit den physischen Aktionen auf der Erde koordiniert. Sie werden maßgeblich dazu beitragen, dass die Menschheit im wahrsten Sinne des Wortes besonnen reagiert.----

Gibt es Fragen?“

Arnim vermutet, dass er mit dieser Frage lediglich der Form halber an gewohnte Kommunikationsmuster anknüpft.


10. 16:00 Uhr, Area 51, südliches Nevada


Die Area 51 ist eines der am besten bewachten Orte des Planeten. Hier kann nur landen, wer die entsprechenden Kommunikations-Codes kennt. Dennoch wird jeder, der aus einem Helikopter oder einem Privatjet aussteigt, mit mindestens zehn Gewehrläufen begrüßt. Erst wenn die Person eindeutig identifiziert ist, entspannt sich das Begrüßungsritual. Ein guter Ort für Logentreffen, denn Area 51 ist fest in der Hand des dunklen Militärs.

Auch Maringer will da keine Ausnahme machen. Gelassen lässt er das Begrüßungsprozedere über sich ergehen. Insgeheim freut er sich über die Zuverlässigkeit und Genauigkeit seiner Untergebenen. Er weiß, dass die meisten seiner Mitarbeiter für das morgige Treffen unterirdisch anreisen werden. Die Sicherheitschecks an dem unterirdischen Ankunftsbahnhof sind da vergleichsweise lax, denn die Passagiere werden bereits an ihren Startorten pedantisch kontrolliert.

Area 51 ist in den USA eine von über 100 sogenannten DUMBs: Deep Underground Military Bases, teilweise bis zu 2 Meilen unter die Erde gebohrt. Die DUMBs sind miteinander durch ein riesiges Netzwerk unterirdischer Röhren verbunden, in denen Hochgeschwindigkeits-Bahnen verkehren. Unermessliche Geldsummen wurden für diese Untergrund-Aktivitäten insgeheim abgezwackt. Die Arbeiten liefen über Jahrzehnte und sind seit einiger Zeit mehr oder weniger abgeschlossen. Dieser Schatten-Etat der USA wurde allerdings nicht nur sprichwörtlich vergraben, er wurde auch in den Orbit geschleudert: mit geheimen Raumfahrtprogrammen.


Seit in den 1940er Jahren in Roswell die ersten UFOs abstürzten, etablierte sich hier das Zentrum der Zusammenarbeit mit verschiedenen außerirdischen Rassen, die allesamt lichtabgewandt waren. Der Deal war: ihr gebt uns eure Technik, dafür dürft ihr genetische Experimente mit Menschen und Tieren durchführen. Mit dem technischen Know-How der Außerirdischen konnte das dunkle Netzwerk zum Beispiel die Bohrmaschinen bauen, die sich bei einem Durchmesser von 10 Metern mit 10m/h durch Gestein bewegen. Dabei wird das Gestein geschmolzen, so dass die Wände hinter dem Bohrgerät zu einer extrem stabilen Röhre aushärten.

Doch mittlerweile hat sich die Situation gewandelt. Die meisten lichtabgewandten ETs mussten die Erde verlassen. Von den DUMBs sind viele vollständig zerstört, von einigen stehen noch die oberen zwei Ebenen. Irgendjemand hat ihnen mächtig zugesetzt.


Duster P. Marwinger ist gerne hier, offenbart doch das ganze Areal immer noch die Machtfülle seiner Organisation. Während er sich umschaut, wird er mit einem Humvee zu einem flachen, unscheinbaren Gebäude gefahren, in dem einer von vier Eingängen in die unterirdischen Anlagen verborgen ist. In einem überdimensionalen Fahrstuhl, ausgelegt für 120 Personen, gleitet Marwinger in die Tiefe. Das Amaturenbrett der verspiegelten Kabine listet die Ziffern 0 bis -9. Allerdings sind nur die Stockwerke -1 und -2 wählbar, die anderen Buttons sind demontiert. Im 2. UG angekommen, weicht die Fahrstuhltür lautlos zur Seite. Marwinger betritt einen längeren, geraden Tunnel, der auf einen Konferenzsaal zuläuft, dessen Größe und Ausstattung dem UNO-Vollversammlungspalast ähnelt. Davor gehen rechts und links mehrere Gänge ab, die an Stahltüren enden. Marwinger wählt einen der Nebengänge. Er öffnet die Tür mit einem Code und macht es sich in einem luxuriös ausgestatteten, in dunklem Rot gehaltenen Aufenthaltssraum bequem. Edle Polstermöbel und eine reichhaltige Bar vermitteln den Eindruck eines Edelpuffs. Hinter zwei Nebentüren verbergen sich ein Einzelschlafzimmer und ein weiträumiges Bad. Bevor es sich Marwinger in einem der Sessel bequem macht, schenkt er sich einen Drink mit Whisky, Soda und Eis ein. Er schaut auf seine Uhr und entspannt sich ein wenig. Obwohl ihm Long Island als Treffpunkt lieber gewesen wäre, entschied er sich aus Sicherheitsgründen für die Area 51. Annähernd 300, mehrheitlich in der Öffentlichkeit stehende Personen vor den Toren New Yorks zu versammeln, war ihm doch zu riskant. Hier, in der weiten, menschenleeren Wüste Nevadas fühlt er sich deutlich wohler.


Duster P. Marwinger denkt darüber nach, wie seine beiden Kompagnons auf seine eigenmächtige Entscheidung, die Generalversammlung einzuberufen, reagieren werden. Bisher war dazu immer die Absprache des Triumvirats nötig. Marwinger kann nur mit Dringlichkeit argumentieren.

Keineswegs damit fertig, sich seine Gedanken zurecht zu legen, öffnet sich die Eingangstür und seine vertrauten Mitstreiter betreten den Raum. Alister Goldfield und Henry McDermitt. Gemeinsam bilden sie das Triumvirat, die Meister-Meister der Logenpyramide. Die drei mächtigsten Männer des Planeten. Sie entstammen alten, mächtigen Familiendynastien, die seit je her überwiegend im Verborgenen arbeiten. Da sie es sind, die darüber bestimmen, was in die mediale Öffentlichkeit rückt und was nicht, ist es ein Leichtes für sie, vom Kollektivgedächtnis vergessen zu werden.

Eigentlich über Jahrhunderte rivalisierend, brachte sie die schwierigen Umstände an einen Tisch: der massive Abgang ihrer Vorgesetzten, der dunklen Außerirdischen. Diese existenzielle Bedrohung ließ sie über ihren Schatten springen und miteinander für ihre Ziele kooperieren.


Sie begrüßen sich förmlich mit dem logenüblichen Händegriff. Marwinger entspannt sich, da beide ruhig und gefasst wirken. Mit ihren dunkelgrauen Anzügen, ihren grauen Haaren, leichtem Bauchansatz und dem typischen, glanzlosen Blick ähneln sie sich enorm. Auch Goldfield hat ein Lebensalter von über 135 Jahren, McDermitt wurde 1899 geboren.

Nachdem sie sich niedergelassen haben, ergreift Goldfield das Wort:

„Wir sind gespannt, was du uns zu berichten hast. Was ist der Grund für die Generalversammlung in 24 Stunden?“

Marwinger lässt einige Sekunden verstreichen.

„Vor gut drei Monaten haben wir einige verdächtige Personen mit Hilfe der Sindel-Technik geCHIPt. Darunter Arnim O`Healy, der euch ein Begriff ist. Mehreres ist nun besonders. Wir konnten ihn zwar die ganze Zeit orten, mehr jedoch nicht. Egal, was wir versucht haben, der Chip hatte keinen Einfluss, weder auf seinen Körper, noch auf seinen Geist. Das beunruhigt mich. Ich kann daraus nur schlussfolgern, dass die verdammte Galaktische Föderation sich auf eine Weise einmischt, die neu ist. Glaubt mir, wir treten in eine neue Kampfphase ein. Vor drei Tagen ist O`Healy dann aus seinem Loch unterhalb von New York gekrochen, um sich am Strand von Beach Haven zu vergnügen. Der Versuch, ihn dort unschädlich zu machen, scheiterte. Unsere Männer wurden von einem UFO-Richtstrahl entwaffnet. Das Auto flog dabei in die Luft. Meine Herren, wozu soviel Begleitschutz? Am Strand konnten wir ein kurzes Telefonat O'Healys einfangen. Jetzt kommt's, meine Herren. Hier ist es.“

Marwinger schaltet einen Player an.

...dass es los geht“. „Was geht los?“ „Hallo! Na, das SDF!“ „Arnim, bitte sei vorsichtig. Schalte das Handy aus und nimmt die Karte raus.“ „Okay, mach ich.“ „Das war alles. Schöne Zeit!“


„Darauf hin habe ich beschlossen, dass wir handeln müssen, und zwar unverzüglich.“

Goldfield: „Hast du raus gefunden, was SDF bedeutet?“

Marwinger: „Ich habe eine Vermutung: Strike Dark Forces. Wie auch immer, es ist alarmierend.“


Gut eine Minute lang spricht niemand. Schließlich McDermitt: „Du hast richtig gehandelt. Ich teile deine Einschätzung. Du hattest schon etwas mehr Zeit, darüber nachzudenken. Irgendwelche Ideen, Strategien, Vorschläge?“

Aufgrund seines geringeren Alters hält sich McDermitt in Gegenwart von Marwinger und Goldfield gerne etwas zurück. Goldfield wiederum kennzeichnet einen besonderen Sinn für Humor.

„Wir schmeißen ein paar Wasserstoffbomben auf New York, um dieses Rattennest auszuräuchern. Das wäre mein Vorschlag.“

Marwinger hält dagegen: „Einspruch. Erstens weißt du ganz genau, dass die Wahrscheinlichkeit, irgendwelche Atom- oder Wasserstoffbomben aktiv zu kriegen, nahezu gegen Null geht. Zweitens wäre es möglich, dass unser Hauptquartier auf Long Island auch was abkriegt. Das können wir auf keinen Fall riskieren. Nein, das ist keine gute Idee!“

Er nippt an seinem Drink. „Ich habe einen besseren Plan.“


11. 16:30 Uhr, unter Manhattan, New York


Nachdem Taamo Lumen den Raum verlassen hatte, gab es Gelegenheit für das Team, sich untereinander zu begrüßen. Arnim suchte vor allem den Kontakt zu Peter und Greg, die ihm in den letzten Wochen besonders ans Herz gewachsen sind. Auch sie waren im Irak. So wie er hatten sie es irgendwie geschafft, diese Zeit konstruktiv zu verarbeiten, um sich nun um so entschlossener für den Kampf des Lichts zu engagieren. Beide waren ledig und Ende 20, das wusste er.

„Leute, ich muss euch gestehen,“, eröffnete Arnim freimütig das Gespräch, als sie sich in der Kantine zu einem Kaffee versammelten.

„Ich bin unsterblich verliebt. Ich hoffe, dass ich einen klaren Kopf behalte. Was meint ihr, leidet meine Einsatzfähigkeit darunter?“

Peter, der mit seinen Sommersprossen und goldrotem Haar Werbung für irischen Whisky machen könnte, widersprach lachend:

„Du machst dir Gedanken. Genieß es doch einfach und nutz die Extraportion Energie. Aber lasst uns das Thema wechseln, ich komme um vor Neid. Bei mir läuft seit Beginn des Irakkriegs nichts mehr mit dem schönen Geschlecht.“

Peter schweift in Gedanken ab. Dann teilt er sich aber wieder mit:

„Dabei war es so schön. Martha hieß sie. Eine Sonne in Menschengestalt. Wir waren sehr glücklich. Der Krieg hat uns auseinander gerissen. --- Krieg ist scheiße!“

Der dunkelhäutige, eher introvertierte Greg mischte sich ein:

„Erzähl mal, Arnim, wie sie versucht haben, dich zu kriegen.“

Arnim war gerade fertig mit seinem Bericht, als der Mentor in die Kantine herein spazierte.

„Arnim, ich muss dir was gestehen. Uns ist ein kleiner Fehler unterlaufen. Die Dunklen arbeiten, das weißt du, mit diversen, weit fortgeschrittenen Technologien. Unter anderem kooperieren sie mit den ETs beim Einsatz von Biochip-Implantaten. Damit können sie die somit Gechipten überall orten, aber auch Kontrolle ausüben über die Befindlichkeiten der Personen. Routinemäßig checken wir deshalb unser Team auf mögliche Fernbeeinflussung. Wir haben den Chip in dir sofort entdeckt, aber nicht ganz vollständig entfernt. Die Ortungsfunktion war deswegen die ganze Zeit aktiv, genauso wie bei Christopher. Die Dunklen haben ihre Technik verfeinert und ein weiteres Sub-Chip integriert, das wir erst jetzt entdeckt haben. Wenn du dich mal fünf Minuten ruhig hinsetzt, entferne ich das Ding.“

„Aber gerne doch.“

Arnim versuchte, seine Beunruhigung zu verbergen. Der Mentor schloss die Augen und konzentrierte sich auf die astrale Ebene. Mental ortete er den feinstofflichen Fremdkörper und zerstörte ihn mit einem gezielten, geistigen Lichtimpuls. Arnim spürte nichts.


Als sie gut 1,5 Stunden später wieder im Konferenzsaal versammelt sind, schwirrt Arnim immer noch der Kopf. Auf was hat er sich da eingelassen? Was haben ihre Gegner noch in petto?

Doch bevor er weiter ins Grübeln geraten kann, unterbricht ihn der Mentor.

„So, jetzt wird es konkret.“

Die Privatgespräche verstummen.

„Bevor wir zur Besprechung des heutigen Nacht-Einsatzes kommen, möchte ich mit euch einen Ausflug in den Untergrund unternehmen. Ihr meint, ihr wärt schon im Untergrund? Das stimmt, aber es geht noch deutlich tiefer. Arnim wurde heute bei einer Luke im U-Bahn-Schacht aufgelauert. Er macht sich Sorgen, dass unser Aufenthaltsort nun bekannt ist. Nun, ich sage euch, die Dunklen wissen genau, wo wir sind, aber sie wagen es nicht, uns anzugreifen.“

Der Mentor legt eine kleine Kunstpause ein.

„Ihr meint, sie würden uns kleines Einsatz-Team damit aber ganz schön überschätzen? ihr irrt euch nicht, denn unsere wahre Macht liegt unter uns.“

Der Mentor liebt es, Spannung zu erzeugen.


„Unter uns liegt die irdische Zentrale der Widerstandsbewegung. Sie gibt es seit ca. 40 Jahren, bestehend aus bestens ausgebildeten Leuten der Erde, aber auch von anderen, lichtvollen und sehr weit fortgeschrittenen Zivilisationen. Sie sind überwiegend humanoider Gestalt. Aber nicht alle. Unsere Telepathie-Lehrer habt ihr ja bereits kennen gelernt. Die Erde ist nicht der erste Planet, den sie aus den Klauen der Dunkelkräfte befreien. Sie haben also Erfahrung.

Unter uns halten sich derzeit etwa 2800 Leute auf. Mit ihren für uns schwer vorstellbaren technischen Möglichkeiten haben sie eine ganze Stadt errichtet. Sie sind im ständigen Kontakt mit der Galaktischen Föderation und auch mit den Lichtzivilisationen unter der Erdoberfläche. Falls ihr es noch nicht wisst. Aus den Zeiten von Atlantis und Lemurien haben sich insgesamt fünf kleinere Licht-Enklaven gehalten, die – verstreut auf der Erde – unterirdische Städte errichteten und dort schon seit Jahrtausenden verweilen. Falls ihr euch fragt, warum das alles bisher im Verborgenen blieb: Zwischen Licht- und Dunkelkräften gibt es Vereinbarungen über die Formen der Einmischung auf der Erde. Die Erdoberfläche ist sozusagen tabu. Das ist auch der Grund für unser Team. Wir arbeiten draußen, die Widerstandsbewegung bleibt kategorisch unter der Erde. So, genug der Worte. Kann mir mal einer helfen?“


Damit erhebt sich der Mentor und stellt sich vor den riesigen Bergkristall. Arnim und Greg springen auf, obwohl beide noch voll damit beschäftigt sind, das eben Gehörte zu verdauen.

„Schiebt mal mit.“

Gemeinsam rücken sie den Kristall von seinem Platz. Der Kristall ruhte auf einer runden Edelholzplatte, zwei Meter im Durchmesser. Im dem Moment, als die drei Männer von der Platte treten, gleitet sie mit einem leisen Surren vollautomatisch zur Seite weg. Die übrigen acht des Teams springen neugierig auf. Eine gut beleuchtete Treppe wird erkennbar.

„Mir nach.“

Der Mentor steigt als erster in die Tiefe. In mehreren Wendungen geht es nach unten.

Minutenlang, es scheint kein Ende zu nehmen. Nicht direkt einsehbare Deckenlichter beleuchten das Treppenhaus taghell. Schließlich, eine halbe Stunde könnte vergangen sein, enden die Stufen abrupt kurz vor einer unscheinbaren Tür. Arnim fragt sich, wie tief sie wohl hier unter der Erdoberfläche sind.


„Meine Herren, halten Sie sich fest“, bemerkt der Mentor schalkhaft. Er öffnet die Tür. Arnim erwartet, wie alle anderen wahrscheinlich auch, in den Fels gehauene, von Technik geprägte fensterlose Röhren oder Räume zu erblicken. Stattdessen betreten sie eine Landschaft, mit Bäumen, Blumenwiesen, Häusern, Bächen und Tieren. Selbst ein Himmel schimmert bläulich.


Alle Mitglieder des Teams erstarren vor Staunen.

„Mein Gott“, entfährt es Greg. „Was ist das denn? Eine optische Täuschung? Ein riesiges Hologramm?“

„Mitnichten“, erwidert der Mentor, „Ihr könnt eure Münder wieder schließen. Ein paar Worte zu dem, was ihr hier seht: Die Außerirdischen haben ein vollständiges Ökosystem geschaffen. Pflanzen, die Sauerstoff produzieren, Bäche, die die Luftzirkulation anregen. Die Nahrungsmittel, die benötigt werden, bauen sie selber in Gärten an. Das Licht kommt aus mehreren Kristallen, die mit einer extrem hohen elektromagnetischen Energie derart polarisiert wurden, dass sie unsichtbare Strahlen aufnehmen und diese als sichtbares Licht wieder abgeben. Im Grunde haben sie kleine Sonnen hergestellt, die Jahrtausende leuchten... Übrigens, zur Beruhigung: Es gibt auch Fahrstühle nach oben! Ich wollte jedoch, dass ihr die Tiefe dieser Anlage zu Fuß erfasst.“

Der Mentor kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.


Auf den zweiten Blick fällt Arnim auf, dass es doch Unterschiede gibt zu seiner gewohnten Lebenswelt. Auch wenn der Himmel bläulich leuchtet, kann er die Konturen von Fels darüber erkennen. Er schätzt die Höhe der Decke auf 150 bis 200 Meter. Den auffälligsten Unterschied machen die Gebäude aus, deren Anzahl er auf etwa 15 schätzt. Sie sind überwiegend kuppelförmig und machen den Anschein, aus sich selbst heraus zu glänzen. Alles überragend steht in der Mitte der Landschaft eine weißstrahlende Pyramide, auf die mehrere Wege zulaufen.


„Und das alles direkt unter New York!“, raunt Peter seinen Freunden zu. Der Anblick lässt sie vor Ehrfurcht flüstern.

Der Mentor: „Es gibt noch weitere Ebenen hier drüber, die mehr unterirdischen Anlagen ähneln, wie ihr sie euch bis eben vorgestellt habt: Arbeitsräume, verbunden mit Tunnelröhren. Das hier ist vor allem der Erholungsbereich.“

Er weist mit dem Arm zu einem der Kuppelgebäude.

„Dort sind wir verabredet, lasst uns gehen.“

Das Team schreitet auf schmalen Kieswegen über sanft welliges Gelände. Kaninchen, sogar Rehe grasen friedlich zwischen Büschen und Bäumen. Sie überqueren drei Bachläufe, die beruhigend plätschern, allerdings lauter und klarer als überirdisches Wasser.


„Und das ist nicht einsturzgefährdet?“ Peter lässt die Vorstellung von massigen Wolkenkratzern direkt über ihm nicht los. Der Mentor dreht sich um und läuft rückwärts, um so zu allen sprechen zu können.

„Scheinbar nicht, wir haben mehr als einen Kilometer Fels über uns. Die Widerstandsbewegung hat, das kann ich euch versichern, Messtechniken zur Verfügung, die die Spannungs-verhältnisse im Gestein minutiös erfassen.

Dieser friedliche Ort hier war übrigens, wie auch die Ebenen über uns, Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen Licht und Dunkel. Hässliche Kreaturen mit Waffen, die selbst Lichtseelen zerstören können, haben sich hier mit der Widerstandbewegung gemessen. Das erklärt auch, Arnim, warum die Einstiege ganz oben in den U-Bahntunneln kein Geheimnis sind. Die Dunklen hatten schon fast den Sieg errungen. Aber die Widerstandsbewegung hat sich zur rechten Zeit Verstärkung aus dem All geholt, so dass jetzt die Machtverhältnisse geklärt sind: Hier traut sich so erst mal jedenfalls kein Dunkelwesen runter.“


Meterhohe, abstrakte Plastiken aus verschiedenen, teilweise unbekannten Materialien verbinden sich mit der Natur zu einem kunstvollen Arrangement. Einige schillern regenbogenfarbig. Fremdartig bunte Vögel scheinen diese Skulpturen besonders zu mögen und trällern unbekannte Lieder von ihren Spitzen.

„Aaaaaahhh“, entfährt es Greg und bringt damit zur Sprache, was alle empfinden. „Ich fühle mich wie im Paradies.“

Der Mentor antwortet trocken: „Dafür wurde diese Etage gebaut. Energetisch ist dieser Ort absolut rein. Störfrequenzen von der Erdoberfläche werden vollständig reflektiert. Ein rundum heiler Platz. Die Widerstandsarbeit ist hart, da braucht es – auch für lichtvolle Außerirdische – ab und an ein wenig heimatliche Atmosphäre.“


12. 18:00 Uhr, Paradies, unter New York


Mit diesen Worten betreten sie das transparente Kuppelgebäude. Innen ist der Raum vollkommen schlicht und hell gehalten, ein Kreis aus 12 hellen Sesseln bilden das einzige Inventar. Ein stattlicher Mann in einem hell-lila Gewand schüttelt jedem Einzelnen zur Begrüßung herzlich die Hände. Er trägt kurzes, schwarzes Haar. Sein harmonisches Gesicht wirkt fast androgyn und irgendwie alterslos auf Arnim. Gespannt und gleichzeitig entspannt setzt er sich hin. Sein Blick bleibt an den Bewegungen des Mannes haften.

„Man nennt mich Sasua Meno. Ich stamme ursprünglich vom Sirius. Ich halte mich, nach eurer Zeitrechnung, seit 15 Jahren hier auf. Wenn die nächste Woche so verläuft, wie wir uns das wünschen, werde ich die Erde in Kürze verlassen. Ich habe die Ehre, euch auf den heutigen Einsatz vorzubereiten.“

Er blickt in die Runde.

„Ich sehe, dass euch eure wahren Gegner nicht wirklich bekannt sind.“

Wieder fühlt sich Arnim – wie bei Taamo Lumen – eigenartig durchleuchtet.

„Die Menschen auf der Erde, die der Dunkelseite verfallen sind, können eine Menge Unheil anrichten. Diejenigen allerdings, denen sie dienen, sind weitaus verheerender in ihrer Wirkung auf das gesamte Menschheitskollektiv als auch in ihrer destruktiven Intelligenz.

Wir nennen sie die Parasindel. Eure alten Schriften, der Hindus, der Ägypter, auch das Alte Testament legen Zeugnis ab von ihrer Existenz. Sie sind überwiegend nicht physischer Natur und beherrschen die Menschheit seit langem; vor allem über die astralen und ätherischen Dimensionen. Sie sind Meister darin, mit elektromagnetischen Wellen und Feldern das Bewusstsein, die Gedanken und Emotionen der Menschen zu kontrollieren und zu dirigieren. Das Bewusstsein der Menschheit ist genauso manipuliert wie euer Erbgut. Sie haben mit ihren Methoden ein dunkles, elektromagnetisches Gitternetz um die Erde gelegt, das uns ihre gewünschte Version der Realität vorgaukelt: die Matrix. So kommt es, dass die allermeisten Menschen die Umrisse ihres Käfigs nicht erkennen können.“

Arnim läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Er spürt, wie ein weiterer, wichtiger Mosaikstein dem Puzzle seines Weltbildes zugefügt wird.

„Zur Geschichte der Parasindel gehört es, dass sie den göttlichen Seelenfunken, der uns Menschen ausnahmslos eigen ist, verloren haben. Sie haben sich zu weit in die Dunkelheit hinab gewagt. Deswegen sind sie von unserer Energie abhängig. Darum sind sie auch meistens körperlos, denn zu einer Physis fehlt ihnen schlichtweg die konstante Kraft.

Wie Parasiten zapfen sie uns an. Ihre Nahrung sind unsere negativen Emotionen, vor allem Angst, aber auch Hass, Zorn, Gier, Eifersucht. Die Lust am Beherrschen und an der Zerstörung scheint sie anzutreiben. Seit Jahrtausenden haben sie die Geschicke der Menschheit mehr oder weniger fest im Griff. ---- Erst seit wenigen Jahren geht ihnen etwas die Luft aus.“


Der Mann lächelt. Für Arnim ziemlich unpassend in Anbetracht der Horrorstory, die er ihnen auftischt.


„Da ist eine große Halle. Die Halle ist in viele kleine Parzellen aufgeteilt. So hat jedes Lebewesen extrem wenig Platz. Mit Mühe kann es sich wenden. Hinten in jeder Betonzelle befindet sich eine Rinne. Dort ist es am günstigsten, den Darm zu entleeren. Vorne ist ein Gitter, durch das man den Kopf stecken kann. Dann kommt man an das künstliche Futter, dass nie ausgeht. So werden alle dick und faul. Zweimal am Tag wird eine Maschine an die Lebewesen angegeschlossen, um ihnen das Wertvollste, was sie in sich haben, abzusaugen.

Diese Wesen führen ein vollkommen unnatürliches, versklavtes Leben, weil sie von einer stärkeren Spezies beherrscht werden. Würden sie frei gelassen, würden sie entdecken, dass der graue Blechhimmel wenige Meter über ihnen nicht der einzige Himmel ist. Dass die Welt nicht nur aus Betonboden und Eisengittern besteht. Dass es Gerüche, Farben, Geräusche, Formen gibt, in einer Vielfalt, von denen sie nicht mal träumen können.“

Sasua Meno schweigt für eine Weile. Dann fährt er fort.

„In kurzer Zeit, da bin ich guter Dinge, werden die Menschen begreifen: Die Art und Weise, wie sie mit Lebewesen dieser Erde umgehen, ist eine unmittelbare Folge daraus, dass sie selber auch nur Milchkühe für eine höher entwickelte Rasse sind: die Parasindel. Wie den Milchkühen im Stall wird auch uns nur ein winziger Ausschnitt der weiten Welt zugestanden. Solange es kein Fenster im Stall gab, ist das niemandem aufgefallen. Doch jetzt schneidet jemand Löcher in die Wände und Licht strömt herein.“

Arnim fröstelt, trotz angenehmer Raumtemperatur.

„In den letzten Jahren ist es uns gelungen, sie fast vollständig von der Erde zu vertreiben. Aber ihre hochentwickelten Kontrollmethoden funktionieren noch und ihre menschlichen Diener sind zu weit in der Dunkelheit versunken, als dass sie aus sich selbst heraus eine Kehrtwende einleiten könnten.

Glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe sie sowohl mental als auch körperlich unzählige Male bekämpft. Sie sind ein hartnäckiger und ziemlich schlauer Gegner.

Schaut hin: Obwohl an vielen Orten der Erde Relikte uralter Hochtechnologie zu finden sind, die unserem jetzigen Standard von Wissenschaft und Technik weit überlegen gewesen sein muss, erkennt die Menschheit nicht, dass ihnen eine Lügengeschichte erzählt wird. Was wird den Menschen verheimlicht? Seht daran, wie gut den Parasindeln die Bewusstseinsmanipulation gelingt.

Betrachtet die letzten 2000 Jahre. Jesus Christus war tatsächlich eine große Lichtgestalt, die der Menschheit die Chance auf ein Ende der Dunkelheit überbrachte. Aber seht, was die Parasindel daraus gemacht haben. Mit den Religionen hatten sie lange Zeit leichtes Futter: Angst, Schuld, Erbsünde, Karma, Hölle, ein Gott der Rache... Blut floss reichlich für ihren Durst. Mit der Zeit der Aufklärung erklärten sie Gott für tot und nur die Materie für real. Damit verlor die Menschheit ihre spirituelle Anbindung. Mit den technischen Revolutionen schließlich und dem Siegeszug des Kommerzes erfanden die Parasindel die Globalisierung, um es sich einfacher zu machen. Ihr Ziel ist die eine Weltregierung des Schreckens; eine menschengeführte Schattenregierung, im Dienste des Parasindels, versteht sich. Doch ihr Plan geht nicht auf.“

Ein Glück, denkt Arnim, hat er den letzten Satz gesagt. Vor allem die Art und Weise, wie er ihn gesagt hat, gibt ihm seine Zuversicht zurück.

Sasua Meno lässt dem Team ein wenig Zeit, das Gesagte zu verarbeiten.

„Kommen wir zu eurem heutigen Job. Bitte lehnt euch zurück und schaut an die Decke.“

Die Sessellehnen kippen automatisch zurück. Arnim macht es sich liegend bequem. Über ihm an der Kuppeldecke erscheint das Bild des Obelisken in Washington. Arnim schaut sich um, kann aber nirgendwo einen Projektor finden. Außerirdische Technik?

Sasua Meno: „Dies ist mit fast 170 Meter Höhe der größte Obelisk der Erde. Zufällig direkt neben dem größten politischen Machtzentrum der Erde. Oder doch kein Zufall?“

Ein Foto des Vatikan mit dem Obelisken auf dem Petersplatz folgt. Danach zwei original ägyptische Obelisken, genannt die Nadeln der Kleopatra. Sie stehen in der City of London, dem Bankenstaat in London, und im Central Park in New York. Weitere Bilder von Obelisken in wichtigen Metropolen folgen.


„Ich fasse mich kurz, euch ist das überwiegend bekannt: Das Lebewesen Erde ist durchzogen von Energiebahnen. Wie in euren Körpern auch gibt es Hauptadern. Auf diesen Leylines können große Mengen Energie und Information bewegt werden. Auf den Knotenpunkten der großen Leylines liegen die Machtzentren der Erde. Heutzutage überwiegend Tempel der Dunkelkräfte.

Mit den Obelisken nutzen die verbliebenen Parasindel und ihre menschlichen Lakaien die energetischen Strukturen der Erde für zweierlei: Zum einen, um sich kollektive Energien gebündelt einzuverleiben. Zum anderen, um ihre energetischen Dunkelprogramme über das Gitternetz der Erde zu verbreiten. Die Obelisken dienen ihnen quasi als Richtantenne für ihren Energietransport. Im- und Export. Die Obelisken sind eine Komponente der Matrix.

In Ägypten waren die Obelisken Teil eines Sonnenkultes. Ihre pyramidalen Spitzen waren stets vergoldet. Die Parasindel haben die machtvollen Obelisken für ihre Interessen pervertiert, indem sie das Gold entfernten. Mit eurer Hilfe wollen wir das rückgängig machen...“


13. 21:00 Uhr, Arc Dome, Nevada


Vom fast 3600 m hohen, majestätischen Gipfel aus senkt sich die Sonne blutrot hinter den Westkamm der Rocky Mountains. Taamo Lumen liebt es, den Sonnenuntergang auf einsamen Berggipfeln zu betrachten. Auch wenn er nur ein leichtes Leinengewand trägt, spürt er die Kälte nicht. Stehend betrachtet er das Panorama rund herum und sinniert über den Lauf der Dinge. Was das Triumvirat in Area 51 ausheckt, beschäftigt ihn nicht. Er beschließt, erst dann seine volle Aufmerksamkeit auf Marwinger und Co. zu richten, wenn sie auf seine Intervention, auf die mentale Suggestion des Redakteurs, reagieren.

Taamo Lumen denkt über seine zukünftige Rolle in dieser Welt nach. Wenn alles planmäßig verläuft, wird er für eine Weile im vollen Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Das ist sehr ungewohnt für ihn, und tatsächlich fühlt er sich – ein Teil seines Wesens jedenfalls – ein wenig unwohl bei dieser Perspektive. Er hofft, diese Phase auf wenige Wochen beschränken zu können. Dann, das wurde ihm versichert, stehen ihm alle Wege offen. Sein Dienst an der Menschheit wird damit beendet sein, und er hat freie Wahl, wo und wie er sich im weiten Universum weiter entwickeln will. Tatsächlich sehnt er sich nach ruhigen Zeiten, nach Ausruhen!


Die Entfesselung

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