Читать книгу Wenn die Nacht stirbt und dunkle Mächte sich erheben - Lisa Lamp - Страница 7

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Liebe Mel!

Du bist genau vor 161 280 Minuten gestorben. Das entspricht etwa 2688 Stunden oder 112 Tagen. Wenn ich bedenke, dass ein Mensch circa eine Zeitspanne von 80 Jahren lebt, kommen mir diese Zahlen vergleichsweise mickrig vor, aber jede Sekunde ohne Dich ist eine einzige Qual. Nicht nur, weil ich Dich vermisse, sondern vieles in den letzten Wochen einfacher gewesen wäre. Aber dazu später mehr.

Seit meinem letzten Brief ist viel Zeit vergangen und dafür möchte ich mich zuallererst bei Dir entschuldigen. Ich wollte Dir schreiben, aber ich wusste nicht, wie ich Dir erklären sollte, was sich nach Deinem Ableben verändert hat. Nein, das Schulgebäude ist nicht eingestürzt und es sind auch keine Schüler mehr gestorben, obwohl das vielleicht besser gewesen wäre. Rückblickend betrachtet wäre alles besser gewesen als die Wahrheit. Auch wenn das bedeutet hätte, dass noch mehr Unschuldige starben. Zumindest wäre dann nicht die gesamte Bevölkerung in Gefahr gewesen, sondern nur einzelne Opfer. Aber ich schweife schon wieder ab.

Angefangen hatte alles mit der Anhörung im großen Saal. Obwohl es ursprünglich hieß, dass alle Ratsmitglieder die Schule wieder verlassen würden, reiste Rabiana, sehr zu Direktorin Terrents Missfallen, nicht ab. Sie nistete sich, mit dem Vorwand die Schüler in einigen Vorträgen unterrichten zu wollen, im Internat ein. Überraschenderweise drängte dieser Umstand Regan, das Ratsmitglied, das der bösen Königin jederzeit Paroli bot, dazu, sich ebenfalls in der Schule einzuquartieren, um nicht zu weit von Rabiana und den Ratsgeschäften entfernt zu sein, wie sie behauptete. Dass das eine billige Ausrede war, wurde uns spätestens klar, als die restlichen Mitglieder des Rates in andere Hexenstädte geschickt wurden und Regan die Ratsvorsitzende auf Schritt und Tritt verfolgte. Somit hatten wir die Bösen quasi vor der Schlafzimmertür und speziell Jaimie und ich fühlten uns nicht mehr sicher. Wahrscheinlich hätten auch die anderen beschlossen, mit offenen Augen zu schlafen, wenn sie gewusst hätten, warum wir ständig auf der Hut waren. Aber wir fanden es besser, die Bösartigkeit der Ratsvorsitzenden für uns zu behalten, um niemanden zu ängstigen. Wie hätten wir auch erklären sollen, dass Rabiana, die oberste der obersten Hexen, Deine Mörderin war, aber wir ihren Größenwahn leider nicht beweisen konnten?

Besonders Deinem Bruder schien der Umstand, Jonathan etwas zu verheimlichen nicht zu behagen. Nichtsdestotrotz hielt er zu mir und schwieg. Wahrscheinlich, weil er selbst nicht wusste, was zu tun war und er meist mit seinen Gedanken weit weg war. Jaimie, der nach wochenlangem Aufenthalt die Krankenstation endlich wieder verlassen durfte, wurde von Tara, Lora und mir verhätschelt. Dabei kam es oft vor, dass Jaimie in Deinem alten Bett, das immer noch leer stand, übernachtete, um nicht allein in seinem Zimmer schlafen zu müssen. Den Kleinen quälten Alpträume, von denen selbst der Psychologe ihn nicht befreien konnte. Zu Dr. Martin mussten wir alle immer noch regelmäßig gehen, um über das Erlebte zu sprechen. Glücklicherweise waren die Pflichtbesuche mit der Zeit weniger geworden, sodass ich nur noch zweimal im Monat zu diesem Quacksalber musste. Jaimie hatte es nicht so gut getroffen. Anfangs musste er fast täglich eine Stunde in Dr. Martins Büro ausharren und auch, wenn die Besuche sich nun auf einmal in der Woche beschränkten, war es eine Tortur. An manchen Tagen konnte Jaimie nach den Sitzungen, trotz unserer Anwesenheit, kein Auge zumachen. Rabianas erste Amtshandlung als Lehrkraft, nach dem sie unsere nächtlichen Aktivitäten durchschaut hatte, war es, uns eins auszuwischen, indem sie Lora eine neue Mitbewohnerin verschaffte. Die Ratsvorsitzende merkte zu spät, dass sie sich damit ins eigene Fleisch schnitt, als Regan vorschlug, Nicole könnte das Zimmer doch beziehen. Sicher, die Blondine war davon nur wenig begeistert, immerhin wollte sie nichts mit uns zu tun haben, aber es hätte schlimmer sein können. Nach anfänglichem Gezeter und Geschrei hatte Nicole sich beruhigt und lebte nun in friedlicher Koexistenz mit Lora zusammen, obwohl sie ihrem Einzelzimmer nachtrauerte. Natürlich ließen wir deinen Bruder nicht im Stich. Jona überredete die Schulleiterin, Jaimie zu sich ziehen zu lassen, da er sich nicht ewig mit seinem Bruder das Zimmer teilen wollte. Die Begründung war schwach. Zugegeben, wir hätten uns etwas Besseres ausdenken können. Jeder wusste, dass die Morgan-Brüder zusammenhielten wie Pech und Schwefel, aber Terrent fragte nicht weiter nach und bewilligte den Zimmertausch. Natürlich erst nachdem sie bei Regan, deren Nachnamen ich nicht herausfinden konnte, um Erlaubnis gebeten hatte. Zwar erregte der rege Austausch Aufsehen unter den Schülern, doch das kümmerte uns nur wenig. Selbst Jona nahm sich die Gerüchte, die kursierten, nicht zu Herzen, seit sein Vater ihm nicht mehr im Nacken saß. Es fiel ihm auch nicht schwer, die Blicke und die beleidigenden Sprüche zu ignorieren, da er genug damit zu tun hatte, Jaimie zu trösten, wenn in Deinem Bruder wieder eine Erinnerung an Dich aufwallte. Taranee vermisste Dich ebenfalls, aber derzeit war sie zu sehr damit beschäftigt, alles Wissenswerte über Regan herauszufinden, weshalb sie nur wenig Zeit zum Nachdenken hatte. Das jüngste Ratsmitglied war meinen Freunden und mir mehr als suspekt. Einerseits schien sie über Rabianas Machenschaften Bescheid zu wissen und die Vorsitzende zu sabotieren, aber andererseits tat sie aktiv nichts, um ihre Kollegin aufzuhalten. Mir fiel es auch schwer zu ergründen, ob die Frau mit den bunten Haaren unsere Verbündete oder unsere Feindin war, und das verkomplizierte den Umgang mit der neuen Lehrkraft. Aber sie war nicht die Einzige, die mir Sorgen bereitete. Caleb Morgan war immer noch nicht gefunden worden, obwohl die gesamte Hexenge-sellschaft nach ihm suchte. Langsam beschlich mich das Gefühl, dass Rabiana verhinderte, dass er gefunden wurde.

Ich war auf dem Weg zu Regans Unterricht, als ich mir wieder vorstellte, wie es sein würde, wenn zwei Ratsmitglieder und das Oberhaupt der Morgan-Familie gegen mich und meine Freunde wären. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Das war wirklich kein schöner Gedanke.

Das heutige Thema von Regans Schulstunde war: Korruption in der Hexengesellschaft. Passender hätte ich es gefunden, wenn Rabiana diesen Vortrag gehalten hätte. Trotzdem war ich froh, der bösen Hexe nicht begegnen zu müssen. In letzter Zeit war es mir geglückt, nie mehr als unbedingt notwendig im Unterricht der Ratsvorsitzenden zu verbringen. Ehrlich gesagt ging ich in den ersten fünf Minuten auf die Toilette und kam nicht wieder, bis es klingelte.

Tara schlenderte neben mir die Gänge entlang und schleifte ihre Tasche hinter sich her. Sie hatte in letzter Zeit drastisch an Gewicht verloren, aber ihr Lebensmut war nach Deinem Tod wieder zurückgekehrt, auch wenn es gedauert hatte. Hoffentlich würde ihr Appetit auch von alleine wiederkommen. Ihre schwarze Kleidung kombinierte sie jeden Tag mit Deinem Lieblingsarmband, das sie nach Deinem Ableben aus Deinem Zimmer entwendet hatte. Es sah hübsch an ihrem knochigen Handgelenk aus und Tara schien das Gefühl zu brauchen, etwas von Dir immer bei sich zu tragen. Weshalb niemand sie darauf ansprach. Zu groß war die Angst, dass Tara sich wieder zurückzog. Mir war klar, dass ich sie wie ein rohes Ei behandelte, aber bis jetzt war es ihr noch nicht aufgefallen. Hoffentlich würde es auch noch eine Weile so bleiben.

Um die nächste Ecke bogen Lora und Nathalia, die meine Gedanken in eine andere Richtung drängten. Während Nicole versuchte, so wenig Kontakt wie möglich mit uns zu haben, suchte Nathalia die Nähe meiner Freunde. In unserer Trauer hatte niemand mitbekommen, dass die Brünette immer dort war, wo wir waren. Sie aß bei uns am Tisch, setzte sich im Unterricht abwechselnd neben Lora und Tara und folgte der Tierliebhaberin, wenn wir einen Fernsehmarathon starteten. Schleichend war sie in unseren Freundeskreis gekommen und da niemand sich aktiv gegen eine Freundschaft mit ihr ausgesprochen hatte, wurde sie ein fester Bestandteil unserer Gruppe. Auch wenn sie das Loch, das Du hinterlassen hattest, nicht füllen konnte, machte ihre Anwesenheit den Schmerz über unseren Verlust für Lora erträglicher. Nathalia war ein herzensguter Mensch. Sie half der Tierliebhaberin mit ihren >Rettet die Katzen< – Projekten, weshalb die beiden unzertrennlich waren. Gleichzeitig unterstützte sie Jonathan dabei, Jaimie den Stoff, den er durch seine Zeit in Gefangenschaft verpasst hatte, zu erklären, damit Dein Bruder nicht in den Prüfungen, die demnächst stattfanden, versagte.

»Was meinst du, Read?«, fragte Tara mich von der Seite und kassierte von mir einen verwirrten Blick. Ich hatte keine Ahnung, worüber die drei sprachen.

»Zu Regans Unterricht«, half mir Nathalia freundlich auf die Sprünge und kicherte, weil es mir nicht zum ersten Mal passierte, dass ich alles in meiner Umgebung vergaß, um in Ruhe grübeln zu können. Mir den Kopf zu zerbrechen, war in den letzten Monaten ein Hobby von mir geworden.

»Ich hatte noch nie eine Stunde bei ihr«, erwiderte ich schnell und widmete mich wieder meinen Gedanken, bis wir das Klassenzimmer erreichten. Ich wusste bereits, warum die drei das Thema so sehr interessierte. Die ganze Schule redete inzwischen über die Schulstunden des jüngsten Ratsmitglieds. Angeblich waren sie spektakulär, anders als alle anderen Unterrichtseinheiten und hatten nur wenig mit Lernen zu tun. Auch ich war schon gespannt gewesen, doch ich wollte es lieber auf mich zukommen lassen. Ich konnte mir sowieso nicht vorstellen, wie Unterricht ohne Lernen aussehen sollte.

Es läutete zur nächsten Stunde und wir beschleunigten unsere Schritte, um vor der Lehrkraft ins Klassenzimmer zu kommen. Gesammelt setzten wir uns in die letzte Reihe. Hunter wartete bereits auf uns und klopfte auf den Platz neben sich, als er mich sah.

»Guten Morgen, Prinzessin«, begrüßte er mich und setzte ein 1000-Watt-Lächeln auf. Augenrollend, aber mit einem Grinsen auf den Lippen, schwang ich mich auf den Stuhl und legte mein Buch auf dem Tisch ab. Wie von selbst fand die Hand des Schwarzhaarigen den Weg zu meinem Oberschenkel und blieb auf meinem Bein liegen. Hin und wieder streichelten seine Finger die Innenseiten meiner Schenkel oder mein Knie, bevor seine Hand wieder ruhig liegen blieb. In den letzten Wochen verging keine Minute, in der Hunter mich nicht berührte oder zumindest in meiner Nähe saß. Ich fand es wundervoll, wie sehr er sich um mich bemühte, doch langsam begann es mich im Unterricht zur Weißglut zu treiben. Ich konnte mich auf nichts anderes als das warme Gefühl, das sich an der Stelle, an der er mich berührte, ausbreitete, konzentrieren. Ich wollte ihm sagen, dass er das unterlassen soll, aber in diesem Moment schwang die Türe auf und Regan betrat den Raum. Sie trug die gleiche Robe wie bei der Verhandlung und dennoch sah sie vollkommen anders aus. Ihre Haare hatten die verschiedenen Violett- und Blautöne verloren und waren nun giftgrün, wobei ihre Spitzen gelb leuchteten. In ihrem Nasenflügel befand sich ein Piercing, wie Du es gehabt hattest, und um ihren Hals hing eine filigrane Kette mit einem Pentagramm als Anhänger. Die Lehrerin lächelte, während ihr Blick durch die Sitzreihen streifte. Kurz musterte sie mich und ich bildete mir ein, dass sich ihr Lächeln vertiefte. Mit einer Handbewegung ließ das Ratsmitglied ein Stück Kreide schweben und schrieb das Thema der heutigen Einheit auf die Tafel.

»Das hatten wir doch schon«, hörte ich einen meiner Mitschüler genervt in seinen nicht vorhandenen Bart murmeln und Stille legte sich über das Klassenzimmer. Regans Augen verengten sich zu Schlitzen. Schlagartig wurde es kalt im Raum und ein reißerischer Wind kam auf, der mir eine Gänsehaut bescherte. Die Haare der Lehrerin flatterten um ihre Wangen, während sie auf den Schüler losraste. Ihr Mantel wehte hinter ihrem Körper her und verlieh ihr einen majestätischen Anblick, der nicht zu ihren zusammengebissenen Zähnen passte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich war ungemein froh, im Moment nicht Regans Aufmerksamkeit zu genießen.

»Wenn du dich so gut mit dem Thema auskennst, warum führst du dann nicht die kommende Stunde?«, fragte Regan lauernd und ihre Stimme klang eisig. Die Pupillen des Schülers weiteten sich und Angst war in seiner Miene ablesbar, als er heftig den Kopf schüttelte. Das Grinsen auf seinen Lippen verschwand, als die Tür durch einen Luftzug zuknallte und er durch den lauten Knall zusammenzuckte. Ängstlich wimmerte der Junge und sah sich hilfesuchend im Klassenraum um.

»Nein, danke«, stotterte er und schlang die Arme schützend um seinen Körper, der unter den Blicken der anderen Schüler erzitterte.

»Gut. Dann kann ich mit dem Unterricht fortfahren oder bin ich deiner Aufmerksamkeit nicht würdig?«, zischte Regan und wieder schien das Zimmer um zehn Grad abzukühlen.

»Doch«, sagte der Brillenträger viel zu schnell und rutschte in seinem Sessel weiter nach unten, um mehr Abstand zwischen sich und die wütende Hexe zu bringen. Wahrscheinlich wäre er weggerannt, wenn Regan nicht genau vor ihm gestanden und ihm somit den Weg versperrt hätte.

»Doch, Professorin Terrent-Wilkes«, verbesserte die Lehrerin bissig und der Schüler beeilte sich ihre Worte zu wiederholen. Terrent?, fragte ich mich im Stillen. Ob sie mit der Direktorin verwandt war?

Die Stimmung änderte sich wieder, als der Sturm nachließ und das Glühen in den Augen der Professorin verschwand. Es wurde kuschelig warm, meine Gänsehaut ließ nach und Regan nahm wieder vor der Tafel ihren Platz ein, während die Schüler unruhig zu Boden starrten. Gedanklich notierte ich mir, niemals unüberlegt in ihrem Unterricht den Mund aufzumachen. Ich wollte unter keinen Umständen ihren Zorn auf mich ziehen, da ich mir nicht sicher war, ob sie ihre Augen als Flammenwerfer nutzen konnte, wenn sie wütend genug war. Auch wenn Regan mit ihren flippigen Haaren jugendlich wirkte, war sie eine furchteinflößende Frau und ich schätzte sie als eine Kriegerin ein, die immer an vorderster Front stand. Sie war eine Urgewalt. Wenn sie bereits so reagierte, wenn ein Schüler eine blöde Bemerkung machte, wie würde sie dann erst agieren, wenn sie jemand wirklich verärgerte? Unter ihrer Leitung wäre ein Krieg wahrscheinlich bereits nach vierundzwanzig Stunden beendet, weil sie die streitenden Parteien an den Ohren zueinander schleifen und sie zur Aussprache zwingen würde.

»Gut. Wenn wir das geklärt haben, können wir fortfahren. Gleich vorweg: Den Widerwillen zu lernen oder jegliche Art von Unfriede dulde ich in meinen Stunden nicht. Jeder, der sich der Aufgabe, für wenige Minuten am Tag fleißig zu sein, nicht gewachsen fühlt, hat die Möglichkeit ohne Erklärung den Unterricht von meiner Kollegin Deroux zu besuchen und meine Zeit nicht zu verschwenden. Für diejenigen unter Ihnen, die wirklich etwas aus Ihrem Leben machen wollen, werde ich ein Programm basierend auf Ihren Interessen zusammenstellen«, erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Rates und setzte ein kühles Lächeln auf. Ein wenig überraschte es mich schon, dass über die Hälfte der Schüler geschlossen aufstand und den Raum verließ, obwohl Regans Gesichtsausdruck nicht daran zweifeln ließ, dass sie Rabiana für eine inkompetente Lehrerin hielt. Entsetzen und Verwirrung war auf den Mienen der sitzen gebliebenen Schüler zu lesen, doch Regan reagierte gar nicht darauf, dass die Jugendlichen einfach gingen, als hätte es zum Unterrichtsende geläutet.

»Diesbezüglich würde ich Sie bitten je drei Themen auf ein Stück Papier zu schreiben und es bei mir abzugeben«, redete die Älteste einfach weiter, noch bevor der letzte Schüler, die Brillenschlange, die von Regan zusammengestaucht worden war, die Tür hinter sich zugeknallt hatte. Schnell kramte ich in meiner Tasche nach einem Zettel und überlegte mir Themen, über die ich gerne mehr erfahren würde. Ganz oben in die erste Zeile schrieb ich »Hexen und ihre Gemahle«, da ich wieder Hunters Hand spürte, die mich zärtlich streichelte. Unser Verhältnis hatte sich verbessert. Wir waren kein Liebespaar, weil ich zuerst herausfinden wollte, ob wir ohne unsere besondere Verbindung eine Zuneigung entwickelt hätten. Aber wir unternahmen viel miteinander und waren mehr als Freunde. Ich konnte einfach nicht mit dem Gedanken leben, dass ich kein Mitspracherecht bei der Wahl meines Mannes hatte, auch wenn ich meine Gefühle für Hunter nicht einmal in Worte fassen konnte. Mein Herz schien in Flammen zu stehen, wenn er mich ansah, und meine Haut kribbelte bei jeder seiner Berührungen. Bei jedem Kuss glaubte ich, durch seine weichen Lippen dahinzuschmelzen, und jedes seiner Worte raubte mir den Atem. Ein Leben ohne diesen Mann wäre für mich nicht mehr vorstellbar und ich hatte mich nicht erst einmal gefragt, wie ich vor meiner Erwählung zur Hexe ohne ihn auskommen konnte. Aber irgendetwas nagte an mir und lähmte mich, wenn ich dem jüngsten Morgan meine Gefühle gestehen wollte. Es war, als würde eine Hand mich würgen, bis ich keine Luft mehr bekam und dann kein Wort über meine Lippen brachte. Dem Schwarzhaarigen war es in den ersten Tagen schwergefallen, meine Entscheidung, nicht sofort das restliche Leben miteinander zu verbringen, zu akzeptieren, aber mit der Zeit hatte sich etwas entwickelt, dass ich nicht definieren konnte.

Als nächstes formulierte ich eine Frage, die mich seit Deinem Ableben beschäftigte: »Wie gehe ich mit dem Tod einer nahe stehenden Person um?«

Natürlich wusste ich, dass jeder Mensch anders auf diese Krise reagierte, aber ich wollte zumindest Vorschläge haben, wie ich den Schmerz aus meinem Herzen verbannen und lernen konnte, Dich nicht mehr pausenlos zu vermissen. Denn genau das tat ich, Mel. Jede Sekunde, die Du nicht bei uns warst, war schrecklich.

Zum Schluss richtete ich eine Frage direkt an Regan: »Wie werde ich eine gute Königin?« Und setzte meinen Namen unter die Schrift. Wenn mir jemand helfen konnte, eine Monarchin zu werden und mir alles Wichtige, was ich als Herrscherin wissen musste, beibringen konnte, dann das einzige Ratsmitglied, das offensichtlich nicht vor Rabiana kuschte. Ich hätte natürlich auch fragen können, wie ich eine machtgeile Diktatorin loswerde, die mich tot sehen wollte. Doch ich bezweifelte, darauf eine Antwort zu erhalten, weshalb ich das Papier faltete und es Tara, die aufgestanden war, um die Zettel einzusammeln, in die Hand drückte.

»Sehr schön. Dann können wir jetzt anfangen«, meinte Miss Terrent-Wilkes, als die Blätter auf ihrem Schreibtisch landeten. Oder hieß es womöglich Mrs. Terrent-Wilkes? Ob sie verheiratet war? Oder war es Ratsmitgliedern verboten eine Partnerschaft zu führen? Das würde zumindest Rabianas ständige miese Laune erklären. Ein klassischer Fall von »untervögelt«.

»Heute werden wir uns mit der Korruption in der magischen Gesellschaft beschäftigen. Schlagt bitte im Buch die Seite 428 auf«, bat sie uns und eine unglaubliche Stunde begann. Regan schaffte es die langweiligsten Aspekte mit wahren Geschichten spannender zu gestalten und uns mittels Diskussionen in den Unterricht einzubinden. Sie beantwortete jede noch so kleine Frage, bis der Schüler mit der Antwort zufrieden war, und zeigte uns Bilder von früher, als sie noch ein Kind war. Auf vielen Fotos war auch die Direktorin zu sehen, wie sie Eis aß oder sich die Zähne putzte, weshalb die Abbildungen für spontane Lachanfälle sorgten. Niemand hätte erwartet, dass die Rektorin früher klein und niedlich gewesen war, bevor sie zur furchteinflößenden Schulleiterin wurde. Das letzte Bild ließ jedoch das Lächeln auf meinen Lippen verblassen. Ein dumpfes Gefühl breitete sich in mir aus und ich musste mich stark konzentrieren, um zu verhindern, dass mir die Tränen über die heißen Wangen liefen. Die Fotografie war jünger, ungefähr zwanzig Jahre alt. Sie zeigte das Ratsmitglied und die Direktorin vor dem Schulgebäude. Aber weder Regans kurz geschorene, pinke Haare noch das narbenlose Gesicht der Schulleiterin erschütterte mich, sondern das Mädchen, das zwischen ihnen stand. Sie hatte die gleiche schwarze Haarpracht wie ich und auch dieselben verschnörkelten, weinroten Tätowierungen. Meine leibliche Mutter lächelte an diesem Tag, der nur noch eine Erinnerung war, in die Kamera, während sie sich offensichtlich mit ihren Klassenkameradin-nen, die die gleiche Schuluniform mit dem Schullogo trugen, unterhielt. Die drei Frauen hatten die Arme umeinandergeschlungen und glichen Dir, Tara und mir. Sie wirkten einander vertraut, als würden sie sich schon ewig kennen und gleichzeitig waren sie absolut unterschiedlich. Regan war die Bunte, die Fröhliche, wie du es gewesen warst, bevor Du starbst. Sie grinste und zog eine Grimasse, während sie hinter dem Kopf meiner Mutter mit ihren Fingern Hasenohren imitierte. Die Rektorin hingegen trug ausschließlich Schwarz und wirkte wie eine Schauspielerin, die in einem alten Vampirfilm mitspielte, ähnlich wie Taranee. Sie war blass. Ihre Mundwinkel waren nur leicht verzogen, aber in ihren Augen lag Belustigung. Ihre Arme hatte sie freundschaftlich um die Taille meiner Mama geschlungen und ihr Blick war auf das Gesicht von Regan gerichtet. Im Vordergrund stand meine Mutter, die ich nie kennenlernen durfte, doch sie hatte den gleichen traurigen Ausdruck in den Augen wie ich, wenn ich morgens in den Spiegel sah. Trotz der großen Nase, die nicht ganz in ihr Gesicht passen wollte, war sie eine Schönheit gewesen, mit der ihre Freundinnen nicht mithalten konnten. Sie strahlte von innen heraus. Wehmütig betrachtete ich das Bild, als es zum Stundenende klingelte, und starrte schockiert auf die Uhr, weil ich nicht glauben konnte, dass die Zeit so schnell vergangen war. Vereinzelt packten die Schüler ihre Sachen zusammen, um in den nächsten Unterricht zu gehen. Ich tat es ihnen gleich und wiederholte in Gedanken die Informationen der letzten Stunde, um mich von meiner depressiven Stimmung abzulenken.

»Read, du bleibst bitte noch«, sprach Regan mich an und ihre Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Tara schenkte mir einen mitleidigen Blick, bevor sie Jaimie aus der Klasse folgte. Hunter, der dicht hinter mir stand, flüsterte mir etwas in mein rechtes Ohr und drückte meine Schulter.

»Soll ich hierbleiben und auf dich warten?«, wollte er besorgt wissen und musterte Regan misstrauisch. Wenn das Ratsmitglied auf Rabianas Seite war, wäre es nicht ratsam, mit ihr allein in einem Raum zu sein, aber wenn sie es nicht war, würde sie sicher nicht Klartext reden, wenn außer mir jemand im Zimmer war. Mutter war ihre Freundin gewesen. Sie hatte der Lehrerin vertraut. Vielleicht war das ein Zeichen, dass auch ich versuchen sollte, Regan eine Chance zu geben. Deshalb schüttelte ich den Kopf und kassierte dafür einen verletzten Gesichtsausdruck von Hunter, weil er lieber auf mich aufgepasst hätte. Traurig schlang er einen Arm um meinen Körper, sodass ich seine Bauchmuskeln an meinem Rücken spüren konnte. Kurz stockte mein Atem und ich biss mir auf die Lippen. Verdammt! Das fühlte sich so gut an. Mein Blut erhitzte sich, während ich mich einen Augenblick an meinen Gemahl lehnte und seinen unverwechselbaren Geruch einzog. Zur Wiedergutmachung drückte ich ihm meine Tasche in die Hand und küsste seine Wange, bevor ich ihn bat, meine Sachen in den Chemiesaal mitzunehmen und dort auf mich zu warten. Ich hasste es, Hunter deprimiert zu sehen. Viel lieber beobachtete ich ihn beim Lächeln, auch wenn sein Schmollen ihn niedlich aussehen ließ.

»Kommst du jetzt oder bist du neuerdings bei ihr angewachsen?«, stichelte Jona belustigt, woraufhin sein jüngerer Bruder ihm die Zunge zeigte und sich von mir löste. Auch ich lachte über Jonathans Bemerkung und verdrehte die Augen. Jona hatte recht. Hunter und ich klebten aneinander und das war meinen Freunden nicht entgangen. Ob sie schon Wetten abschlossen, wann ich mich endlich zu Hunter bekennen würde?

Als sich der Klassenraum leerte, schritt ich langsam auf den Lehrertisch zu. Regan ließ mich keine Sekunde aus den Augen und richtete sich von der Mappe, in der sie vor Kurzem noch geschrieben hatte, auf. Ihre Mine war ausdruckslos. Sie musterte mich und ich fühlte mich nackt unter ihrem Blick. Es war, als könnte sie tief in meine Seele blicken und jedes Detail meines Lebens ergründen. Zum zweiten Mal an diesem Tag überzog eine Gänsehaut meinen Körper.

»Es ist schön, dich persönlich kennenzulernen, Miss Holl«, säuselte sie, wurde aber sofort von mir unterbrochen: »Silverton. Mein Name ist Read Silverton.« Ich wusste, dass ich mich lächerlich benahm, immerhin wusste ich genau, dass ich nicht mit der Silverton-Familie verwandt war, aber der Name beruhigte mich auf eine gewisse Weise. Er gab mir Halt. Ich war immer Read Silverton gewesen, und selbst nachdem ich herausgefunden hatte, dass ich die Tochter von Retta Holl und somit die zukünftige Königin war, wollte ich immer noch ich selbst sein. Zumindest wollte ich mir meinen alten Nachnamen, alles was von meinem früheren Leben übrig geblieben war, nicht wegnehmen lassen, auch wenn der Name mich an die Verlogenheit meiner Ziehmutter erinnerte. Außerdem war es schön, eine letzte Verbindung zu meinem Ziehbruder zu haben, den ich nie wiedersehen würde.

»Natürlich«, entschuldige sich das Mitglied des Hohen Rates zögerlich und Traurigkeit flackerte in ihren Augen auf.

»Es tut mir leid, aber du erinnerst mich so sehr an sie«, flüsterte sie und lächelte bedrückt.

»An wen?«, fragte ich schneidend und versuchte mir meine eigenen Gefühle, die mich zu überwältigen drohten, nicht anmerken zu lassen.

»An deine Mutter.«

Alle meine Gesichtszüge entgleisten und ich starrte sie mit offenem Mund an. In den letzten Wochen hatten viele Menschen erwähnt, wie einzigartig meine Verwandtschaft und wie rein unser Blut war, aber niemand hatte bis jetzt verlauten lassen, dass ich meiner Mum glich. Selbstverständlich fiel mir selbst die Ähnlichkeit auf, aber es war etwas vollkommen anderes, es gesagt zu bekommen.

»Sie hatte auch diese pechschwarzen Haare und die grünen Augen. Wenn ich mich recht erinnere, war sie sogar so groß wie du, aber das Kinn hast du von deinem Vater«, holte das Ratsmitglied in ihrer Erzählung aus und eigentlich wollte ich sie unterbrechen, um sie nach Rabiana zu fragen, aber in diesem Moment erschien es mir gar nicht mehr so wichtig. Viel lieber wollte ich jedes Wort über meine Eltern aus dem Mund der Hexe hören. Wer von beiden hatte in der Beziehung die Hosen an? War ich ein Wunschkind? Wäre ich kein Einzelkind, wenn sie nicht gejagt worden wären? Wie haben sie sich kennengelernt? Unzählige Fragen schwirrten in meinem Kopf, doch es war mir egal, ob ich etwas Wichtiges über sie erfahren würde, oder nur etwas so Banales wie welche Musikrichtung sie bevorzugt haben. Vielleicht, wenn ich mehr über meine Wurzeln in Erfahrung bringen könnte, würde ich mich endlich wieder wie etwas Ganzes fühlen. Gerade gehörte ich nämlich weder zu den Silvertons noch zu der Holl-Familie. Ich gehörte zu niemandem, und auch wenn meine Freunde immer für mich da waren, war es nicht dasselbe wie eine Familie zu haben, die einen seit Kindheitstagen kennt oder wenigstens die gleiche DNA teilt.

»Read? Alles in Ordnung?«, fragte Regan unsicher, als sie meinen abwesenden Blick bemerkte. Nein, es war gar nichts in Ordnung.

»Wie waren sie so?«, fragte ich schniefend und die Ältere lachte erleichtert.

»Sie waren wie du. Besonders Retta. Dein Vater war immer der Bequemere von beiden, aber dafür war er der loyalste Freund, den du dir nur vorstellen kannst. Deine Mutter hingegen war wie ein durchfahrender Zug. Laut, schnell und unbezwingbar von außen. Sie überrollte alles und jeden, der sich ihr in den Weg stellte, um zu beschützen, was ihr am wichtigsten war. Du warst ihr am wichtigsten Read. Vom ersten Augenblick an. Obwohl dein Vater den Kinderwunsch geäußert hatte, war deine Mutter gleich Feuer und Flamme«, erzählte Regan und ihr Gesicht strahlte vor Glück. Jedoch war es für mich schwer, mir das blutende Mädchen mit dem Baby aus der Geschichte meiner Ziehmutter vorzustellen, wie sie Kindergewand kaufte und eine Wiege aussuchte.

»Sie haben dich so unendlich geliebt«, flüsterte die Hexe und wischte mir eine Träne aus dem Gesicht. »Glaub niemals etwas anderes, klar?«

Auch in ihren Augen schimmerten Tränen und sie schniefte leise.

Ich nickte und fühlte mich meinem Gegenüber komplett ausgeliefert. In mir schrillten alle Alarmglocken, dass ich mich vor einer möglichen Feindin nicht schwach verhalten sollte, doch was hätte ich sonst tun sollen? Aus dem Raum stürmen, damit sie mich nicht weinen sah? Du hättest gewusst, was zu tun war, Mel. Du hast es immer gewusst. Und jetzt, wo ich Dich brauchte, warst Du nicht da, um mir den Weg zu zeigen.

»Was wollen Sie?«, hauchte ich fragend und nahm dankbar ein Taschentuch entgegen, dass mir Regan vor die Nase hielt, während sie sich selbst übers Gesicht wischte, um sich zu beruhigen.

»Die bessere Frage wäre, was du willst, Read«, behauptete sie und lehnte sich gegen den Lehrertisch, der aufgrund ihres Gewichts ein Stück verrutschte und ein Quietschen von sich gab.

»Wir beide wissen, dass du bei der Verhandlung gelogen hast und wir kennen die Wahrheit. Die Frage ist, was wir nun mit diesem Wissen anfangen«, sagte die Hexe mysteriös und wirkte plötzlich unendlich müde, als hätte sie wochenlang nicht geschlafen. Sie fuhr sich über die Stirn und rieb dann mit ihren Fingern ihre Augen. Die Geste ließ das Ratsmitglied um Jahre älter aussehen und ich verspürte einen seltsamen Stich in meiner Brust, als Regan das Strahlen, das sie sonst versprühte, verlor und ihre Tränen über ihre erhitzten Wangen liefen.

»Was soll ich tun?«, fragte ich verzweifelt und Regans Mimik erstarrte.

»Rabiana ist ein eiskaltes, manipulatives Miststück ohne Gewissen, bereit alles für ihren Erfolg zu opfern. Wenn nötig auch das Leben von mehreren tausend Hexen. Was möchtest du mit diesem Wissen tun?«, stellte sie mir eine Gegenfrage. Ihre Tränen versiegten. Ein kaltes Lächeln legte sich auf ihre Lippen und sie zog ihre Augenbrauen zusammen, sodass sich eine Falte zwischen ihren Augen bildete. Zum ersten Mal dachte ich wirklich darüber nach, was ich wollte. Diesmal war es nicht wichtig, was meine Ziehmutter wollte oder was ich tun musste, um meinen Bruder zu beschützen. Auch war es unwichtig, ob meine Entscheidung anderen Menschen gefiel oder nicht. Ich war die Königin. Sicher, ich war noch ein Kind und noch lange nicht so weit, da Herrscherinnen erst nach Abschluss ihrer Schullaufbahn den Thron bestiegen, aber ich würde irgendwann tun und lassen können, was ich wollte. Vorausgesetzt Rabiana brachte mich nicht vorher um. Aber wollte ich überhaupt herrschen? Wollte ich wirklich für das Leben so vieler magischer Menschen verantwortlich sein und mein Leben für den Thron riskieren, nur damit Rabiana nicht Königin wird? Ja. Genau das wollte ich. Die Antwort war einfach, obwohl sie über mein ganzes Dasein entschied. Ich wollte noch viel mehr als das. Es war mir wichtig, die »wahre Königin« bluten zu lassen. Für all die Kinder, die durch ihre Taten leiden mussten. Für all die Jugendlichen, die wegen ihr niemals erwachsen geworden sind. Für Dich, Mel. Und für Regan, die in mir bereits die rechtmäßige Königin zu sehen schien. Sie nahm mich ernst und legte Wert auf meine Meinung.

»Ich will…«, setzte ich an und biss mir auf die Lippe.

»Ja?«

Kurz überlegte ich, ob ich ihre Frage beantworten sollte, da ich meinen Wunsch, wenn ich ihn äußerte, nicht mehr zurücknehmen konnte. Aber dann entschied ich mich, einfach ins kalte Wasser zu springen. Was hätte Regan auch davon gehabt, wenn sie mich an Rabiana verraten hätte? Und war es überhaupt von Bedeutung, ob Rabiana von meiner Entscheidung wusste? So oder so würde sie versuchen, mich aus dem Weg zu räumen.

»Ich will die Vorsitzende des Hexenrats für ihre Machenschaften bezahlen lassen«, meinte ich mit Nachdruck und sah, wie das Ratsmitglied ihre Lippen zu einem Strich verengte. »Rache?«, hinterfragte sie missbilligend.

»Nein. Gerechtigkeit«, erklärte ich und ein Lächeln machte sich in Regans Gesicht breit.

»Sehr gut. Dann brauchen wir nur noch einen Plan«, erklärte die Hexe und setzte sich auf die Tischplatte. Ich hatte das Gefühl, als hätte jemand ein schweres Gewicht von meinen Schultern genommen, als sie mich aus ehrlichen Augen ansah und lauthals zu lachen begann.

»Was? Dachtest du wirklich, ich würde die verrückte Krähe unterstützen?«, wollte sie wissen und ich musste schmunzeln. Eigentlich schon. Aber das würde ich ihr nicht auf die Nase binden.

Kopfschüttelnd verneinte ich. Regan war auf unserer Seite und vielleicht würde uns das helfen Rabiana zu stürzen oder sie wenigstens wieder aus der Schule zu ekeln. Es war nur eine Frage der Zeit. Doch das war gleichzeitig unser erstes Problem: Zeit. Das Gespräch war schneller beendet als erwartet, als ein Schüler an die Tür klopfte und mich holte, da Professorin Shila sich beschwert hatte, wo ich denn blieb. Wenigstens bekam ich keine Strafarbeit aufgebrummt, da ich dank Regan eine perfekte Ausrede hatte.

In den Tagen danach ergab sich keine freie Minute für eine erneute Unterhaltung, was die erste Freude über unsere neue Verbündete ein wenig dämpfte. Trotzdem blieb ich zuversichtlich und erzählte den anderen beim Mittagessen von den Erkenntnissen, als Hunter mich besorgt auf das Gespräch ansprach: »Worüber habt ihr geredet? Du warst eine halbe Ewigkeit bei ihr.«

An dieser Stelle hätte ich erwähnen sollen, dass es mir nicht so lange vorgekommen war, aber ich war auch zu beschäftigt gewesen, zu weinen und meinen Eltern nachzutrauern.

»Sie will uns helfen«, sagte ich schlicht und lächelte in meine Tasse.

»Moment, bist du dir sicher?«, fragte Tara und sah mich zweifelnd an.

»Sie klang absolut ehrlich«, wisperte ich, damit die Schüler am Nebentisch nichts mitbekamen, die mich hin und wieder argwöhnisch musterten.

»Warum glaubst du das?«, wandte Jonathan ein und steckte sich einen Löffel voll Suppe in den Mund, an dem er sich prompt die Zunge verbrannte.

»Erstens kannte sie meine Mum«, begann ich und bekam einen mitleidigen Blick von Tara. »Und zweitens hat sie Rabiana eine elendige Manipulantin genannt«, erwiderte ich und sah meine Freunde mit verschränkten Armen an. Ich war nicht wirklich wütend, dass sie meiner Intuition nicht vertrauten, aber ich hätte mir mehr Euphorie zu diesem kleinen Sieg gewünscht.

Ein knallendes Tablett ließ uns auseinander schrecken. Nicole setzt sich schnaubend neben Nathalia, die sich an ihrem Brot verschluckte, und begann sich wütend das Essen hineinzuschaufeln. Woraufhin wir sie ansahen, als hätte sie den Verstand verloren. Seit Wochen sprach sie nicht mit uns und nun setzte sie sich ohne ein Wort zu uns.

»Was?«, fauchte die schöne Blondine, die diesmal einen Zopf und große Ohrringe trug, als wir nach wenigen Minuten immer noch anstarrten.

»Was tust du hier?«, fragte Jaimie wenig subtil nach und Jona täuschte ein Husten vor, um sein Lachen zu kaschieren, während Hunter laut kicherte ohne den Versuch zu machen, seine Belustigung zu verbergen. Ich schlug dem jüngeren Morgan-Bruder gegen den Oberarm, bedachte Jaimie mit einem bösen Blick und versuchte Nicole zum Reden zu bewegen.

»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte ich, da mir sehr wohl die Ringe unter ihren Augen und die bleichen Lippen aufgefallen waren, die die Blondine unter Schminke zu verstecken versucht hatte.

»Nein«, schrie die Hexe der Hölle und ließ ihre Gabel mit einem lauten scheppernden Geräusch auf den Salatteller fallen.

»Ich wusste schon immer, dass sie irgendwann durchdreht und uns alle umbringt. Bringt euch in Deckung«, sagte Tara sarkastisch und wandte sich wieder ihrem belegten Brot zu, das sie seit Ewigkeiten hin und herschob, ohne abzubeißen.

Nun hatten wir die Aufmerksamkeit der ganzen Halle und alle Schüler starrten uns mit verdutzten Gesichtern an. Einige grinsten gehässig und lachten über die Oberzicke, die schon lange mehr verrückt als furchterregend wirkte.

»Nicole?«, bohrte ich leise nach, als die Blondine anfing, uns zu ignorieren und weiter aß, als wäre es das Normalste auf der Welt bei uns zu sitzen. Bevor ich erneut nachfragen konnte, schlang sie unsexy ihr Essen hinunter und zischte: »Lass es einfach. Okay, Read?« Danach stand sie auf und verließ den Saal, ohne ihr leeres Tablett mitzunehmen. Sie flüchtete vor den neugierigen Blicken und fiel beinahe über ihre Füße. Ich entschuldigte mich mit der Ausrede, dass ich Kopfweh hätte, und folgte Miss Perfekt, die durch den Torbogen verschwand. Ich kassierte zwar einen ungläubigen Blick von Taranee und Jona rollte mit den Augen, doch niemand von ihnen hielt mich auf, als ich ihr nacheilte.

»Nicole! Nicole! Bleib stehen, verdammt noch mal! Nicole!«, rief ich, aber die Blondine beschleunigte ihre Schritte, bevor sie urplötzlich stehen blieb und sich zu mir umdrehte, als hätte sie beschlossen, mir gnädigerweise zu antworten.

»Vertrau ihr nicht, Read. Niemand sollte ihr vertrauen. Du kennst sie nicht, wie ich sie kenne«, schrie sie und zitterte am ganzen Leib. Ihre Gesichtszüge waren zu einer Grimasse verzogen. Schweiß perlte von ihrer Stirn und rollte über ihre Schläfen. Ihre Pupillen waren weit aufgerissen und Strähnen hingen ihr ins Gesicht. In meinen Augen sah sie wie eine Irre aus, die aus einer Anstalt entflohen war. Obwohl ich bezweifelte, dass es in der Psychiatrie Designerschuhe und mintgrüne Kleider gab.

Nach ihrem Ausbruch wandte sie sich ab und lief weiter in Richtung des Mädchentrakts.

»Wem soll ich nicht trauen? Redest du von Regan? Nicole!«, schrie ich ihr nach, doch sie antwortete mir nicht noch mal. Sie ging einfach stoisch weiter und zog ihre Jacke enger um ihren perfekten Körper.

Als die Blondine nicht mehr in Sicht war, klopfte mir jemand auf die Schulter, woraufhin ich zusammenzuckte, weil ich beim Fluchen unterbrochen wurde. Ein Arm schlang sich um meine Taille und drückte mich an seinen harten Körper.

»Wenn du mich fragst, hat sie den Verstand verloren«, meinte Hunter und küsste meinen Hals. Ein angenehmer Schauer jagte über meinen Rücken und ich lehnte mich in die Umarmung. Meine Hände platzierte ich über seinen und schloss die Augen. »Seit Wochen sieht man sie nur noch alleine irgendwo sitzen, wenn sie überhaupt einmal ihr Zimmer außerhalb der Unterrichtszeit verlässt. Außerdem hat der Psychologe eine posttraumatische Belastungsstörung bei ihr festgestellt. Sie weiß wahrscheinlich nicht, wovon sie redet.«

Der Schwarzhaarige versuchte mich immer weiter von der Unzurechnungsfähigkeit der früheren Oberzicke zu überzeugen. Zugegeben, sie zickte immer noch zu viel, aber darum ging es gerade nicht. Ich wusste, dass Hunter mich nur beruhigen wollte, aber wahrscheinlich hatte er auch recht. Doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass Nicole keinesfalls einfach nur verrückt geworden war. Das passte nicht zu ihr. Sich zurückziehen, die Welt hassen und um sich schlagen – okay. Aber durchdrehen? Das war nicht der Stil der Höllenhexe.

Sie klang zu aufgewühlt, fast panisch. Als erwarte sie, dass etwas Schreckliches passieren würde. Außerdem konnte ich keinen Wahnsinn in ihren Augen sehen, sondern nur entsetzliche Angst. Ich nahm mir vor, mit Tara über Nicole zu sprechen, um sie um ihre Meinung zu bitten, und legte das Thema währenddessen ad acta. Solange die Eisprinzessin nicht mit mir reden wollte, konnte ich sowieso nur spekulieren.

»Du hättest bei den anderen bleiben sollen«, meinte ich, als Hunter begann sich meinen Hals hinunter zu küssen und meine Gedanken stoppte. Mit einem einzigen Kuss schaffte er es, dass ich die Welt um mich herum vergaß. Nicoles Gefühlsausbruch und das Gespräch mit Regan waren mit einem Mal weit weg. Nur noch die Lippen meines Gemahls hatten eine Bedeutung. Ich seufzte wohlig. So könnte das Leben von mir aus immer sein. Mit Schwung drehte mich der jüngere Morgan-Bruder zu sich und küsste sich von meiner Schulter zu meinen Wangen und schließlich zu meinem Mund. Überall, wo er mich berührte, erwärmte sich meine Haut und mein Blut begann zu kochen. Hunter schmeckte nach dem Eistee, den er zu seinem Mittagessen getrunken hatte, und Kräutern, die immer seinem Duft anhafteten. Der Geruch benebelte meine Sinne und ich lehnte mich dem betörenden Duft entgegen.

»Fresst ihr euch gegenseitig auf oder kommt ihr wie geplant mit nach draußen?«, rief Jona vom Torbogen aus und Taranee schlug ihm gegen den Arm, während meine Mitbewohnerin kicherte.

»Nur noch kurz«, flüsterte mein Gegenüber, als ich mich von ihm entfernen wollte, und gab mir noch einen letzten Kuss hinter mein Ohr.

»Geh mit mir aus!«, forderte er und knabberte an meinem Ohrläppchen. Meine Beine erzitterten und ich schmolz in seinen Armen dahin.

»Was?«, fragte ich leise und erhielt prompt eine Antwort: »Heute. Ich hol dich vor dem Abendessen in deinem Zimmer ab und wir essen an meinem Lieblingsort.«

Hunter sah mich flehend an und drückte mich näher an sich.

Überfordert nickte ich einfach und ließ zu, dass Tara mich am Arm packte, um mich von meinem Gemahl wegzuziehen.

Den restlichen Tag verbrachten wir im Schulgarten, wobei Taranee und ich schon nach wenigen Stunden gingen, da Tara mir unbedingt bei der Kleiderwahl für das heutige Date helfen wollte. Wenn ich gesagt hätte, dass ich nicht nervös gewesen wäre, hätte ich gelogen. Meine Knie zitterten bei jedem Schritt und meine Zimmergenossin musste mir oft dreimal dieselbe Frage stellen, da ich viel zu abwesend war, um sie beim ersten Mal zu verstehen. Natürlich versuchte ich mir einzureden, dass es sich nur um Hunter handelte und er mich nicht abstoßen würde, falls etwas nicht nach Plan verlief. Aber in mir war dieser Drang, dass alles perfekt werden sollte. Nach gefühlt tausend Kleidern, die ich laut Taranee anprobieren musste, und hundert Schuhen, die alle meiner Meinung nach gleich aussahen, hatte ich endlich etwas Passendes zum Anziehen gefunden. Als ich zum letzten Mal, bevor der Schwarzhaarige mich abholen kam, in den Spiegel sah, trug ich eine schwarze Röhrenjeans und einfache schwarze Sneaker. Kombiniert mit dem kräftigen Rot des Shirts, das nur bis knapp oberhalb meines Bauchnabels reichte, ließ es mich ein wenig wie eine Rebellin aussehen. Tara hatte mir die Haare hochgesteckt und mir Ohrringe geliehen, die zu meinem Ring, den ich nie abnahm, passten. Selbst ich fand mich in diesem Moment, als Hunter an unser Pentagramm klopfte, wunderschön. Ich war dankbar, dass Taranee öffnete, da ich so noch kurz Zeit hatte mir eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen und mir selbst entgegenzulächeln. Nicht nur meine Umgebung hatte sich in den letzten Monaten verändert, sondern auch ich selbst. Ich hatte gelernt, meine Tätowierungen zu lieben, anstatt alles zu verfluchen, wofür sie standen. Nun war ich eine Hexe, oder war immer schon eine gewesen, und ich liebte es, mehr zu sein als eine durchschnittliche, unsichtbare Schülerin, die einer geschwätzigen Blondine hinterherrennt, weil sie sonst niemandem zum Reden hatte.

»Wow«, flüsterte Hunter, der hinter mich getreten war und fuhr über meine Ellbogen, während er mich im Spiegel betrachtete.

»Du siehst hübsch aus, Prinzessin«, hauchte er gegen meine Schläfe und küsste mich auf den Scheitel. Ich hatte mich selten so perfekt gefühlt wie in diesem Moment. Früher, als ich noch ein Niemand gewesen war, hatte ich nicht auf mein Äußeres geachtet, da mich niemals jemand registriert hatte. Doch Hunter sah mich und was noch wichtiger war: Ich wollte von ihm gesehen werden. Ich wollte, dass er mich hübsch fand und seinen Blick nicht von meinem Körper abwenden konnte.

»Können wir?«, wollte er wissen und nahm meine Hand in seine. Schnell rief ich Taranee, die sich auf ihr Bett gelegt hatte und ein Buch las, eine Verabschiedung zu und wurde im nächsten Augenblick schon von meinem Date aus dem Raum gezogen. Lachend lief ich dem Schwarzhaarigen hinterher und war im Nachhinein froh, dass meine Mitbewohnerin mir die flachen Schuhe eingeredet hatte, weil ich sonst nicht mit Hunters schnellem Tempo hätte mithalten können. Er stoppte vor dem einzigen schwarzen Pentagramm des Ganges und klopfte mehrere Male gegen die rechte obere Spitze, obwohl der Durchgang durch die schwarze Farbe deutlich als verboten für Schüler gekennzeichnet war. Es rauchte wie bei einem Spezialeffekt unter der Mauer hervor und die Wände öffneten eine Lücke, während sich zeitgleich Stiegen aus dem Putz formten. Trotz der Veränderungen war kein Mucks zu hören. Erstaunt riss ich die Augen auf, weil ich nicht glauben konnte, wie viel Magie sich täglich um mich herum befand. An dieser Schule entdeckte ich wirklich jeden Tag etwas Neues und manches erschreckte mich immer noch, obwohl ich das Schulgebäude schon seit Wochen mein Zuhause nannte.

»Kaum jemand weiß davon, deshalb ist es schön ruhig«, meinte Hunter und lächelte belustigt, als er meine geweiteten Pupillen bemerkte. Galant vollführte er eine Verbeugung und ließ mir den Vortritt, sodass er meine Rückansicht genießen konnte. So schnell wie möglich rannte ich die Treppe hinauf, da mich meine Neugierde fast umbrachte. Ich wollte wissen, was sich der Charmeur für unsere erste richtige Verabredung ausgedacht hatte. Bis jetzt hatte er zu keinem meiner Freunde ein Wort über seine Pläne verloren. Selbst aus Hunters Bruder war nichts herauszubekommen.

Auf der letzten Stufe angekommen, blieb ich stehen und der Schwarzhaarige stoppte hinter mir, wobei er fast gegen meinen Rücken gestoßen wäre.

»Gefällt es dir?«, flüsterte Hunter unsicher, doch dafür gab es keinen Grund. Der Ausblick war ein Traum. Wir befanden uns auf einem der Türme des Schulgebäudes. Genauer gesagt auf dem Dach des Turms. Über uns funkelten die Sterne und der leuchtende Mond ließ mich sofort an Diana denken. Im Stillen dankte ich der Göttin für mein jetziges Leben und verlor mich in dem wundervollen Ausblick, den die Dachterrasse bot. Eine rote Decke war auf dem Boden ausgebreitet worden und auf dem Stück Stoff standen ein paar gestapelte Teller und ein Korb, aus dem eine halbe Weinflasche herausschaute. Besteck lag in einer kleinen Schale zusammen mit mehreren Servietten und ein Schneidbrett mit Brotmesser befand sich neben den Weingläsern. Ein Kerzenständer mit drei angezündeten Kerzen spendete Licht in der Mitte des Platzes und eine Schüssel mit Erdbeeren stand neben einem Tiegel voller geschmolzener Zartbitterschokolade. Es war perfekt. Die Atmosphäre war unglaublich romantisch und die Szenerie erinnerte an einen Liebesfilm, in dem sich das Paar gerade frisch verlobt hatte.

»Es ist…«, fing ich an und grinste, als Hunter sich anspannte.

»…unbeschreiblich«, beendete ich meinen Satz und drehte mich zu meinem Begleiter um, der erleichtert ausatmete. Kurz drückte ich dem Schwarzhaarigen einen Kuss auf die Lippen und ein angenehmer Schauer zog sich über meinen Rücken. Dann zog ich ihn an der Hand, die immer noch meine hielt, zur Decke und ließ mich auf einen freien Platz sinken. Hunter setzte sich neben mich und öffnete den Picknickkorb. Zum Vorschein kamen neben dem Wein auch noch Wurst, Käse und Butter. Als letztes zog er einen Laib Brot aus dem Behälter und schnitt ein paar Scheiben ab, sodass ich nur noch zugreifen musste.

»Ich hoffe, du hast Hunger, Prinzessin«, sagte er und überreichte mir einen Teller. Danach gab er mir ein Besteck und wir fingen an zu essen, während Hunter auf einem bereitgestellten CD-Player mehrere langsame Lieder abspielte. Die bezaubernden Melodien mit den hohen Klängen ließen die Atmosphäre noch märchenhafter wirken.

Das Brot war weich und schmeckte nach verschiedenen Körnern. Mein Belag bestand aus Butter und Käse, weil ich schon zum Frühstück massenhaft Fleisch verdrückt hatte und nur wenig Lust hatte wieder Speck zu verschlingen. Der Emmentaler schmeckte leicht salzig, während der Wein, den Hunter mir eingeschenkt hatte, eine süßliche Note beinhaltete. Der Alkohol färbte meine Wangen leicht rötlich, aber ich versuchte mir keine Gedanken darüber zu machen und genoss lieber die himmlischen Geschmacksnoten, die sich auf meiner Zunge vermengten und meine Geschmacksnerven angenehm vibrieren ließen. In der Zeit, in der ich es schaffte zwei Scheiben Brot zu essen, vertilgte der Schwarzhaarige das Doppelte, aber ich hatte die Vermutung, dass er nur so schnell aß, weil er angespannt war. Verwirrt über seine Verunsicherung versuchte ich, ein Gespräch zu beginnen.

»Gibst du mir die Erdbeeren?«, fragte ich lieblich und bekam schnell meine Nachspeise, nachdem sie in Schokolade getunkt wurde, vor die Lippen gehalten. Ich mochte die süßen Sammelfrüchte und nagte die Beere deshalb bis auf den Stängel ab, während ich Hunters Gesichtsausdruck genauestens beobachtete. Sein Kiefer war angespannt und Schweiß perlte von seinen Schläfen. Ich schluckte den Bissen hinunter und lächelte, um ihn zu beruhigen. Konnte es sein, dass er noch nervöser war als ich?

Nur kurz konnte ich durchatmen, da bot mir mein Begleiter hastig die nächste Erdbeere an, um keine unangenehme Pause entstehen zu lassen.

»Möchtest du keine?«, fragte ich lachend, als sich das Spiel viermal wiederholte und der Morgan-Bruder in der Zwischenzeit nichts zu sich nahm.

»Doch«, hauchte Hunter und biss sich nervös auf die Unterlippe. Diesmal war es an mir eine Erdbeere in die Schokolade zu tauchen und sie ihm vors Gesicht zu halten. Abwechselnd fütterten wir uns gegenseitig, bis alle Früchte aufgegessen waren und niemand von uns mehr einen Bissen hinunterbekam. Danach legte ich mich auf die kuschelige Picknickdecke und entspannte meine Glieder. Ich schloss die Augen und genoss die kühle Luft auf meiner Haut.

»Das war fantastisch«, sagte ich und zog den jüngeren Morgan-Bruder zu mir, der sich unbeholfen umsah, als wüsste er nicht, was er tun sollte.

»Das sollten wir dringend wiederholen«, lachte Hunter und legte seinen Arm unter meinen Kopf, sodass ich es bequemer hatte. Erfreut, dass er sich endlich entspannte, drückte ich mich an seinen starken Körper, der eine angenehme Wärme ausstrahlte. Der Abend kam mir irreal vor, da ich nach dem Schrecken, den wir erlebt hatten, nicht glauben konnte, dass diese Nacht nun ein Teil meines Lebens war. Ich liebte jede Sekunde, die ich mit dem schwarzhaarigen Schönling verbrachte und nicht an Tod und Verderben denken musste.

»Jederzeit«, erwiderte ich und schmiegte mich in seine Armbeuge. Hunter stemmte seinen muskulösen Oberkörper in die Höhe, sodass er sich über mich lehnen konnte und ich zwischen seinem Arm und seinem Gesicht eingebettet zum Liegen kam.

»Morgen, selbe Zeit, selber Ort?«, fragte er flüsternd und strich mir meine Haare aus der Stirn. Die liebevolle Geste ließ mein Herz höherschlagen und ich schluckte nervös.

»Ich liebe dich«, seufzte er und beugte sich näher zu mir, sodass ich meine Lippen leicht auf seine drücken konnte. Zärtlich rieb er seine Nase an meiner und leckte behutsam über meine Unterlippe. Die Finger seiner freien Hand fuhren die linke Seite meiner Gürtellinie entlang, während seine Zunge bedächtig in meine Mundhöhle eindrang und meine Zunge zum Spielen aufforderte. Kurz rangen wir um die Dominanz, die er schlussendlich mit unfairen Mitteln gewann. Geschickt lenkte er mich ab, indem seine Fingerspitzen meinen Körper liebkosten und sich an meinem Hosenbund festkrallten. Mir war trotz der angenehmen Temperaturen heiß und kleine Schweißperlen bildeten sich auf meiner Haut. Auch auf Hunters Körper bildete sich ein Schweißfilm, als ich mit meinen Händen über seinen Rücken strich und ihm zusätzlich leicht in die Lippen biss. Ich konnte ihn stöhnen hören und drängte mich ihm entgegen, woraufhin er sich aufsetzte. Kurz war ich verwirrt, doch dann kam seine Wärme wieder zurück und sein Shirt landete irgendwo entfernt auf einem der benutzten Teller. Ich fühlte seine nackten Schulterblätter unter meinen Händen und seine liebevolle Zunge in meinem Mund. Meine Brustwarzen stellten sich auf und ich stöhnte wieder, als Hunter mein linkes Bein anhob, um mehr von mir berühren zu können. Mein Kopf war wie benebelt und ich konnte keinen klaren Satz mehr bilden. Alles in mir schrie nach mehr. Mehr von diesem Gefühl und mehr von Hunter. Dass wir uns zum ersten Mal so nah waren und ich unser Verhältnis auf freundschaftlicher Basis belassen wollte, verdrängte ich einfach und genoss, was er mit mir tat. Auch die Tatsache, dass ich zum ersten Mal einem Menschen so nahe war, ignorierte ich gekonnt und verlor mich in dem Wunsch, in Hunter hineinkriechen zu wollen, damit sich nichts mehr zwischen uns drängen konnte.

Der Unterleib des jüngeren Morgan-Bruders bewegte sich rhythmisch gegen meine Mitte und er keuchte immer schneller. Einhändig versuchte er, mir mein Shirt über den Kopf zu ziehen, doch als er es nach dem vierten Versuch nicht geschafft hatte, seufzte er frustriert und beendete den Kuss. Bittende Augen sahen mir entgegen und in seinem Mundwinkel hing ein Spuckfaden, der ihn immer noch mit mir verband. Seine Wangen waren gerötet und er biss sich auf die Unterlippe, während ich mich selbst von meinem unerwünschten Kleidungsstück befreite. Dankbarkeit blitzte in seinen Augen auf und er keuchte laut. Nur Sekunden später lag Hunters Mund wieder auf meinem. Er zog seinen Arm unter meinen Kopf hervor und ersetzte ihn durch mein T-Shirt, damit ich nicht mit dem Hinterkopf am Boden aufschlug. Wohlig rekelte ich mich unter ihm, als er meine Hände über meinem Kopf platzierte und sie festhielt. Enttäuscht stöhnte ich, da ich ihn auch gerne weiter erkundet hätte. Gewissenhaft küsste er jeden Millimeter von meinen Lippen bis zu meinem Schlüsselbein und weiter runter zu meinem Bauchnabel. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper, als sich etwas Hartes an meine Mitte drückte und mir klar wurde, dass Hunter die Situation genauso genoss wie ich. Mit Bedacht schleckte mein Begleiter Kreise um die Einkerbung in meinem Bauch und küsste sich dann wieder hoch. Dreimal wiederholte er diesen Prozess und ich war froh, dass ich bereits auf dem Boden lag, da spätestens jetzt meine Beine, die sich wie Wackelpudding anfühlten, unter mir nachgegeben hätten. Mir war ungewohnt heiß. Meine Haut kribbelte und mein Körper schien Feuer zu fangen. Hunter löste ohne es zu wissen, nur mithilfe seiner Berührungen, einen Brand in meinem Inneren aus, der außer das Gefühl der Erregung alles wegschmolz und in meinem Herzen Flammen entzündete. Ein lautes Rascheln störte die Stille, die bis auf das gelegentliche Keuchen zwischen uns herrschte, weshalb sich die Realität kurz einen Weg durch meine Emotionen bahnen konnte. Weil das Geräusch jedoch genauso schnell verschwand, wie es gekommen war, dachte ich nicht weiter darüber nach und schloss wieder meine Augen. Wie in einer Blase, abgeschieden vom Rest der Welt, fühlte ich mich auf diesem alten Schuldach, während meine Begleitung sanft meinen Bauch streichelte und mit seiner Zunge meine Tätowierungen ableckte. Er fuhr mit seinen großen Händen meine Taille entlang und stoppte diesmal nicht an meinem Bund, sondern schob seine Finger zwischen den Knopf der Hose und meiner Haut, um meine Jeans zu öffnen. Das kühle Metall des Reißverschlusses bildete einen starken Kontrast zu seinen warmen Handflächen. Ich stöhnte und hob mein Becken an, als Hunter mir: »Fühlt sich das gut an, Prinzessin?« ins Ohr flüsterte. Mitten in der Bewegung erstarrte ich und mein Gehirn schaltete sich wieder ein, da ich sofort das Bild von Maria und ihrem Gemahl, der dieselben Worte an meine Vorfahrin gerichtet hatte, vor Augen sah und plötzlich war das Gefühl der Schwerelosigkeit in meinem Inneren verschwunden. Die Wirklichkeit brach auf mich ein und der Geruch von verwesenden Körpern kroch in meine Nase, als ich mich wieder an die alten Gemäuer der Kirche erinnerte, in denen Maria ihre letzten Tage gefristet hatte. Ganz allein, während ihr Gemahl ebenfalls qualvoll sterben musste, weil er sie geliebt hatte. Was zur Hölle tat ich hier? Wir hatten uns darauf geeinigt Freunde zu sein, und wenn wir jetzt weitergingen, würden wir nie mehr eine freundschaftliche Beziehung führen können. Aber die wichtigere Frage war: Wollte ich das? Wollte ich hier auf diesem Turm meine Unschuld an Hunter verlieren? War ich bereit, es zu tun?

Meine Ziehmutter hatte immer gesagt, dass Mädchen, die unverheiratet Sex hatten, in die Hölle kamen, aber ich war eine Hexe, deshalb würde mich der Himmel wahrscheinlich sowieso nie zu Gesicht bekommen. Aus irgendwelchen Gründen war ich trotzdem noch nicht bereit, Sex zu haben. Vielleicht, weil die letzte Zeit so verwirrend war. Vielleicht, weil ich jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, Leichen von Schülern sah. Vielleicht, weil ich mir meinen Gefühlen Hunter gegenüber nicht sicher war. Aber egal, welcher dieser Gründe mich zurückhielt, solange es sich nicht hundertprozentig richtig für mich anfühlte, sollte ich auf keinen Fall leichtfertig mit ihm schlafen, da wir ansonsten für immer ungewollt aneinander gebunden wären.

»Hör auf«, verlangte ich leise und wollte mich aufsetzen, um ein wenig Distanz zwischen uns zu bringen, sodass mein Körper nicht erneut meinen Verstand lahmlegen konnte. Hunter drückte meinen Oberkörper wieder auf den Boden und sagte: »Entspann dich, Prinzessin.«

Dann küsste er meine Schläfe und wandte sich wieder meinem Hosenknopf zu.

»Hunter, du sollst aufhören!«, wiederholte ich und schaffte es diesmal mich aufzurichten, weil mein Begleiter mehr damit beschäftigt war, mich auszuziehen, als meinen Brustkorb auf die Decke zu drücken. Wie ein Wahnsinniger riss er an meiner Jeans, bis der Verschluss sich endlich öffnete und er den Stoff von meinem Körper ziehen konnte. »Hunter, ich meine es ernst, hör jetzt auf!«, schrie ich und strampelte mit den Füßen. Was war in ihn gefahren? Ich biss erzürnt die Zähne zusammen, als Hunters Gewicht meine Beine in den Boden drückte und mir somit jegliche Bewegungsfreiheit nahm.

»Stell dich nicht so an«, fluchte er und hielt meine Arme fest. Unbehagen erfüllte mich und am liebsten hätte ich ihn für diese Aktion geschlagen, da er meinen märchenhaften Abend ruinierte. Außerdem benahm der Schwarzhaarige sich vollkommen irrational. Er zupfte und riss an mir, wie ein Kind an einer leblosen Puppe. Mit diesem Verhalten war es kaum vorstellbar, dass er mich vor wenigen Minuten noch wie eine Königin behandelt hatte.

»Was soll das?«, zischte ich und versuchte mich aus seiner Umklam-merung zu lösen.

»Du machst mir Angst«, kreischte ich und wollte seinen Griff lockern, indem ich mich gegen ihn stemmte. Zum ersten Mal verfluchte ich, dass er stärker war als ich mit meinen 70 Kilogramm Kampfgewicht, und wurde panisch. Kurz erhaschte ich einen Blick in Hunters Augen, die eine seltsam milchige Farbe angenommen hatten und mich aggressiv ansahen.

»Hunter?«, fragte ich wimmernd und versuchte von ihm weg zu krabbeln, weil seine Hände zu Fäusten geballt waren. Angriffslustig fuhr er sich übers Gesicht und mahlte mit den Zähnen. Als der Schwarzhaarige wieder nach mir griff, bekam ich seine Hand zu fassen und stellte mir vor, wie meine Finger heiß wurden. Augenblicklich schrie der jüngere Morgan-Bruder laut auf vor Schmerz und ließ von meinem Bein, das er wie einen Schraubstock festhielt, ab. Augenblicklich ließ ich die Flammen wieder verschwinden, um nicht aus Versehen das Dach in Brand zu setzen. Trotzdem war Hunters Handfläche krebsrot, aber seine Haut warf keine Blasen, wie es Nicoles Oberarm getan hatte, als ich zum ersten Mal meine Kräfte gegen einen Menschen eingesetzt hatte. Obwohl dieser Mistkerl es im Moment genauso sehr verdient hätte, wie die Eisprinzessin damals.

»Wo ist dein Problem?«, schrie er mir entgegen.

Was mein Problem war? Was war denn bitteschön sein Problem?

»Du hast mir wehgetan und du hast nicht aufgehört, als ich dich gebeten habe«, keifte ich zurück. Am liebsten hätte ich mich in eine Decke eingerollt und geweint.

»Als du nicht mehr wolltest? Wir machen ständig, was du willst. Du denkst immer nur an dich. Hast du dich jemals gefragt, was ich vielleicht will?«, fauchte er und Tränen der Wut traten mir in die Augen, weil ich einerseits wusste, dass er recht hatte, aber es andererseits keinesfalls entschuldigte, was für eine Show er gerade abzog. Außerdem hatte ich ihn oft gefragt, ob er irgendetwas anderes tun wollte und er hatte immer verneint. Er wollte mir Zeit lassen. Zumindest dachte ich das.

»Ich denke immer nur an die anderen. Auch an dich«, behauptete ich, um mich selbst zu verteidigen. Ich schniefte mitleiderregend und konnte nicht verhindern, dass sich salzige Tränen aus meinem Augenwinkel lösten. Warum nahm er mich nicht in den Arm, um mich zu trösten, wie er es sonst tat? Er stand einfach nur da und sah mich aus ausdruckslosen Augen an.

»Aber was du willst, wissen wir jetzt: Du willst mich einfach nur ficken«, setzte ich nach und kurz konnte ich einen Schimmer Reue in seinen Gesichtszügen erkennen, bevor er seine Mimik wieder unter Kontrolle hatte. Meine Worte waren hart. Das war mir bewusst, aber ich wusste nicht, wie ich anders mit der Trauer in meinem Herzen hätte umgehen sollen.

»Nein, ich wollte dich lieben, dich vergöttern, aber das willst du ja nicht«, warf er mir vor und schnappte sich sein Shirt vom Boden, um es wieder überzuziehen. Wütend funkelte er mich an, während er sich wiederaufrichtete.

»Ich kann nichts dafür, dass alles so unglaublich kompliziert ist«, murmelte ich kleinlaut und schlang die Arme um meinen Körper, um äußerlich Stärke zu signalisieren, obwohl der Versuch in Anbetracht meiner Tränen lächerlich war. Ob ich ihn beruhigen konnte, wenn ich ihm lange genug gut zuredete?

»Doch, weil du alles verkomplizierst. Bevor du an diese Schule gekommen bist, war alles leichter«, behauptete er angriffslustig und mir fiel es schwer, nicht zu schluchzen. Mit Reden kam ich in dieser Situation wohl nicht weiter. Das hielt er also von mir? Dass es besser gewesen wäre, wenn ich es nie an die Hexenschule geschafft hätte? Hunter reduzierte mich von einem Menschen zu einem wandelnden Problem auf zwei Beinen. Vielleicht nicht absichtlich, aber deshalb tat es nicht weniger weh.

»Schön. Dann wäre es wohl besser, wenn ich ganz schnell wieder von hier verschwinde«, flüsterte ich gekränkt, doch da er mir antwortete, wusste ich, dass er mich gehört hatte.

»Ja genau, spiel wieder das arme Mädchen, das für nichts etwas kann, aber ganz ehrlich: Ich habe mich wochenlang um dich bemüht und von dir kam absolut gar nichts. Glaub mir, ab jetzt brauchst du keine Angst mehr haben, dass ich mit dir schlafen will. Du bist einfach nur erbärmlich.«

Autsch. Das hatte gesessen.

Wenn er mich geschlagen oder angespuckt hätte, wäre die Botschaft nicht halb so erniedrigend gewesen. Noch vor einer Stunde dachte ich, dass alles zwischen uns in Ordnung war und nun verfluchte er jedes Wort, das ich je gesagt hatte. Kurz erstarrte Hunter, als ich ihm den Rücken zuwandte, weil er nun eine gute Sicht auf die Narben, die meine Ziehmutter mir zugefügt hatte, bekam. Aber das war mir lieber, als noch länger halb nackt vor ihm zu stehen, obwohl er mir nur Groll und Hass entgegenbrachte. Nackt war ich viel zu angreifbar. Der Leidensdruck in meiner Brust verstärkte sich und ich hatte das Gefühl, dass mein Herz zerbrach, sodass am Ende Millionen kleine Splitter gegen meine Organe stachen, jedes Mal, wenn ich einatmete. Ich beugte mich zu meinem Shirt und zog es über meinen geschundenen Körper. Was auch immer mit dem Schwarzhaarigen nicht stimmte, in dem Moment, in dem er einfach ging, ohne ein Wort zu sagen, wusste ich, dass das nicht mehr mein Hunter war. Mein Held hätte mich nie weinend mit einem vernarbten Rücken am Dach stehen lassen, ohne eine Erklärung zu verlangen. Er hätte nicht zugelassen, dass ich allein die Teller und die Lebensmittel in den Korb zurück räume, während ich mir den Kopf zerbreche, ob ich nicht einfach mit ihm hätte schlafen sollen. Auch wenn ich es im Nachhinein vielleicht bereut hätte. Mein Hunter hätte mich nie zu etwas gedrängt, dass ich nicht wollte. Mein Gemahl hätte mich in mein Zimmer zurückgebracht und gewartet, bis ich einschlafe, abgesehen davon, ob ich ihm den Sex verwehrt hatte oder nicht. Aber als ich allein in meinem Bett lag, mir die Augen ausheulte und Taras unruhigen Bewegungen, die sie seit Deinem Tod im Schlaf machte, lauschte, wurde mir klar, dass ich nicht mit dem bitteren Gefühl hätte leben können, wenn ich meine Jungfräulichkeit am heutigen Tag verloren hätte. Hunter würde das mit Sicherheit verstehen. Vielleicht war er nur wütend und frustriert gewesen, weil er schlecht geschlafen hatte oder er einfach Druck ablassen musste. Wahrscheinlich würde er sich morgen entschuldigen und alles würde wieder wie vorher werden. Mit etwas Glück würden wir es auch schaffen den heutigen Streit in Ruhe aufzuarbeiten, sodass wir beide mit unserer Beziehung zufrieden sein können. Eventuell lag er gerade selbst auf seiner Matratze im Burschentrakt und dachte darüber nach, wie er sich am besten bei mir für sein Verhalten rechtfertigen konnte, zumindest versuchte ich mir das fest einzureden. Aber damit lag ich falsch, Mel. Nichts ist wieder wie vorher geworden. Am nächsten Tag verschlimmerte sich die Situation zunehmend und das Schicksal erinnerte mich einmal mehr daran, dass es mich abgrundtief hasste.

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Wenn die Nacht stirbt und dunkle Mächte sich erheben

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