Читать книгу Peter der Spielzeugbär - Lise Gast - Страница 5
Elke und Götz, die Honiglecker
Оглавление„Elke! Elke! Wo steckst du denn?“
„Hier!“
Das kleine Mädel mit den dicken, kurzen Stummelzöpfen rechts und links über den Ohren dachte nicht daran, aufzustehen. Es hockte auf der Wiese und drehte nicht einmal den Kopf, so sehr die Mutter auch rief. So kam diese schließlich selbst den Hang heruntergelaufen, rot und ärgerlich.
„Du sollst doch nicht so nah ans Wasser gehen! Und der Götz ist schon im Bett. Hörst du nicht?“
„Sieh mal, was ich habe“, sagte Elke und sah strahlend auf. Die Mutter beugte sich zu ihr hinunter.
„Was hast du denn da? Einen Bären? Der ist aber niedlich. Wem gehört er denn?“
„Mir. Er heißt Peter“, sagte Elke. „Fein, nicht, Mutti?“
„Peter? Und dir gehört er? Na, nun komm schon, wir nehmen ihn für heute mit.“ Morgen wird sich das Kind wohl finden, das ihn hier vergessen hat, dachte die Mutter und nahm Elke samt Peter auf den Arm. „Du mußt ins Bett, und Peter ist auch müde.“
Ja, Peter war müde, wahrhaftig. Und es war herrlich, neben Elke im weißen Bettchen zu liegen, hineingekuschelt in die Kissen, und von Elkes dicken Händchen festgehalten zu werden. Peter gefiel das so, daß er dachte: Vielleicht bleibe ich hier, hier paßt es mir sehr gut, und wer weiß, ob ich noch viele so nette Kinder treffe wie die dicke, kleine Elke. Na, er hatte ja noch Zeit zum Überlegen.
Am Morgen schien die Sonne zum Fenster herein, und als Peter, auf Elkes Arm, ins Wohnzimmer kam, saß da schon der kleine Götz am Tisch und schmauste. Es roch so wunderbar süß — was konnte das nur sein? Peter leckte sich mit der dicken roten Zunge die Lippen und schnupperte. Elke setzte ihn auf den Tisch und lief hinaus, um sich anziehen zu lassen. Sie trug noch ihr gesticktes Nachthemd und war barfuß.
Als sie nach einer Weile im Kleidchen, die Zöpfe frisch geflochten, die Füße in Halbschuhen und weißen Söckchen, wieder hereinkam, ach du liebe Güte, wie sah da der Tisch aus!
„Mutti, Mutti, sieh doch, was der Götz gemacht hat!“
Die Mutter kam und sah die Bescherung. Das Honigglas war umgefallen, es lag auf dem Tisch, Peter und Götz hatten beide die Gesichter ganz verschmiert und die Hände auch. Alles, alles klebte.
„Du sollst doch nicht den Honig nehmen!“ schalt die Mutter und holte einen großen Schwamm und eine Schüssel mit warmem Wasser. Nun lernte Peter etwas Neues: Waschen. Sehr schön fand er es nicht, der Honig hatte ihm viel besser geschmeckt als der fade Schwamm, der immer wieder um sein Schnäuzchen fuhr und nicht eher ruhte, bis jeder Rest Honig verschwunden war. Peter hätte all das Süße lieber abgeleckt, als es sich abwaschen zu lassen. Götz schien derselben Meinung zu sein, jedenfalls brüllte er fürchterlich und schlug mit Armen und Beinen um sich, und alle beide, er und seine Mutter, waren froh, als schließlich alles abgewaschen war. Die Mutter stellte den Honigtopf in den Schrank zurück.
„So“, sagte sie, „heute bekommt ihr keinen mehr, ihr Leckermäuler!“
Das war eine harte Strafe, denn sonst gab es gewöhnlich nachmittags noch ein zweites Honigbrot. Elke maulte. Was konnte sie denn dafür! Sie war doch gar nicht dabei gewesen!
„Einmal du und einmal er. Ihr sollt es euch merken“, sagte Mutter ungerührt. Peter leckte wehmütig seine Mundwinkel aus, für ihn war Honig etwas ganz Neues gewesen und ach, etwas Wundervolles! Zu schade, daß er keinen mehr bekam.
Mittags gab es Linsen, und Elke saß vor ihrem Teller und zog ein Gesicht.
„Iß ordentlich“, mahnte die Mutter, „sonst hast du nachmittags wieder Hunger, und es gibt keine Schnitte, du weißt das ja.“
Elke sagte nichts; aber sie aß auch nicht auf. Peter fand ja Linsen auch nicht so herrlich, besonders nicht, wenn man sich an den Honig erinnerte. Aber er dachte, was die Mutter sagt, muß man auch tun. So aß er denn, was sie ihm gegeben hatte, mit Schlucken und Würgen auf. Am Nachmittag sagte die Mutter:
„Ich muß einmal in die Stadt fahren, ihr könnt so lange im Garten spielen. Elke paßt ja schon gut auf den Götz auf, nicht wahr, Elke? Aber nicht auf die Straße gehen, hört ihr? Auf Wiedersehen!“
Elke hatte ihren Puppenwagen geholt und setzte Peter hinein. Er sollte ihr Kind sein. Sie fuhr ihn ums Haus herum und sang dazu mit schallender Stimme. Götz saß im Sand und schippte. Nach einer Weile, als sie gerade vorbeikamen, sagte er:
„Elke, ich habe Hunger.“
„Ich auch“, sagte Elke, sie merkte plötzlich, daß ihr Magen ja ziemlich leer war, weil sie ihre Linsen nicht gegessen hatte. Und Mutter war nicht da! Sie blieb stehen und sah sehnsüchtig zu den Fenstern des Hauses hinauf. Über Mutters Wohnung wohnte die Lene. Ob die zu Hause war? Vielleicht bekam sie bei der ein Vesperbrot!
Die Lene kümmerte sich oft um die Kinder, wenn die Mutter nicht da war. Eins — zwei — drei — hatte Elke auch schon ihren Plan gefaßt. Sie ließ den Puppenwagen stehen, kletterte die Steinstufen am Eingang des Hauses hinauf und war verschwunden. Peter wartete.
Es war so hübsch, wie Elke mit ihm gespielt hatte, so richtig wie bei einer kleinen Mutter. Sie hatte ihn im Puppenwagen schön eingebettet und zugedeckt, seine Vorderpfoten durften aber noch herausgucken, es war ja auch nicht kalt. Und nackt in seinem neuen Fell war er auch nicht mehr, sie hatte ihm eine kleine Seppelhose angezogen, deren gestickte Träger über seine Schultern gingen und wirklich fein aussahen. Vorn prangten zwei Herzen und ein Edelweiß darauf. Peter legte den Kopf schief und betrachtete stolz seine geschmückte Brust.
Jetzt aber war Elke fort. Sie hatte ihn ganz vergessen, weil sie Hunger hatte. Ein Glück, daß der kleine Götz noch da war. Er kam jetzt zum Puppenwagen, zog Peter heraus und setzte ihn in das kleine Kastenwägelchen, in dem Peter gekommen war. Damit zog er zum Bach hinunter. Der floß durch die Wiese, auf der Elke Peter am Tage vorher gefunden hatte. Götz durfte hier eigentlich nicht spielen, aber Elke paßte ja nicht auf.
Der Bach war auch nicht sehr tief, ertrinken konnte man nicht darin, sich aber naß und schmutzig machen. Das tat Götz denn auch, er hatte ja sowieso ein besonderes Geschick, sich vollzuschmieren. Jetzt stieg er mitsamt seinen kleinen Sandalen ins Wasser hinein und zog den kleinen Holzwagen hinter sich her. Er lachte, als dieser schwamm. Wie ein kleines Schiff!
Ein Weilchen vergnügte sich Götz damit, Peter in seinem Boot herumzufahren, ihn ans Ufer zu schieben und wieder flott zu machen. Dann aber entdeckte er ein paar sehr glatte, weiße Kieselsteine und begann diese zu sammeln. Er legte sie am Ufer auf einen kleinen Haufen und zählte immer wieder nach: „Ein, zwei, drei, viele.“ Und dabei vergaß er Peter und Elke und alles um sich her.
Peter schaukelte ein Weilchen in seinem Wagenschiff auf den Wellen, dabei überlegte er: Gewiß, die Kinder waren nett, wenn sie auch naschten und mitunter das taten, was die Mutter verbot. Nein, so recht gefiel das Peter nicht. Vielleicht fand er noch nettere Kinder? Er war gerade wieder ans Ufer getrieben worden, stieß sich dort ab und schaukelte nun mitten im Bach. Der nahm ihn auf seinen Rücken und trug ihn sachte weiter, um eine Biegung — da konnte Peter den Götz nicht mehr sehen.
Rechts und links zogen die Blumen und Baumwurzeln, die am Ufer standen, vorüber, manchmal schien die Sonne, manchmal kam angenehmer Schatten. Wunderschön und lustig war solch eine Seefahrt! Peter meinte, besser könne es ihm gar nicht gehen, er faltete seine Pfoten vor seinem dicken kleinen Bauch und ließ sich behaglich treiben. Und als es Abend wurde, trieb sein Schifflein ans Ufer, er kroch in einen Haufen Heu und schlief darin so süß wie in Elkes Bettchen. Ja, es war sehr lustig, so mit dem eigenen Schiff ins Blaue hinein zu fahren!