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Kampf mit Wölfen

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Es war dem Jungen seltsam zumute, als er wieder zu dem väterlichen Zelt kam, aber er ließ sich äußerlich nichts von seinen erregten Gedanken und Gefühlen anmerken. Die Mutter rief ihn zum Essen. Sie röstete den Hasen über dem Feuer in der Zeltmitte, und Harka setzte sich mit dem jüngeren Bruder und der Schwester, mit der Mutter und der Großmutter zusammen. Das röstende Fleisch duftete köstlich, und vor dem Zelt lauerten die halbwilden Hunde und schnüffelten sehnsüchtig. Als das Fleisch gar war, nahm jeder sein Messer – auch Harkas jüngere Geschwister besaßen schon ein eigenes – und eine irdene Schüssel. Die Großmutter wählte sich den Hasenkopf, die Mutter und das kleine Mädchen Uinonah erhielten je einen Vorderlauf, die beiden Jungen Harka und Harpstennah je einen Schlegel. Das Rückenstück blieb für den Vater, der jetzt nicht im Zelt anwesend war und nach der Sitte des Stammes auch nicht mit Frauen und Kindern zusammen aß.

Nach der Mahlzeit traf Harka sich mit Tschetan. Er hätte gern mit dem älteren Freund über die Ereignisse gesprochen; am liebsten wäre er nochmals in den Wald gelaufen, um nach Fährten bei dem Höhleneingang zu suchen! Ein Mensch konnte unmöglich spurlos kommen und gehen. Aber da Tschetan nicht mehr von der Sache sprach, wagte auch Harka es nicht, seine eigene Meinung offen zu vertreten. Er schwieg über das, was er dachte, doch er blieb voll Unruhe. Um sich nichts anmerken zu lassen und auch um sich selbst über seine Unruhe hinwegzutäuschen, rief er eine ganze Rotte Junger Hunde zusammen. Sie rannten miteinander hinunter zu dem Fluss am Fuße des Berges. Dort spielten die Knaben, tauchten rasch in das eiskalte Wasser unter, schwammen ein Stück. Die Jungen waren sehr abgehärtet. Wer empfindlich war, starb bei dem rauhen Leben in der Wildnis früh, und die Kinder, die herangewachsen waren, konnten schon viel vertragen.

Harka bemerkte, dass auch Schonka, der Sohn des Weißen Büffel, durch den Wald zu dem Fluss herankam. Er beschloss, ihm einen Streich zu spielen, und versteckte sich hinter einem Weidengebüsch, bei dem Schonka das Ufer erreichen musste, wenn er seinen Weg nicht änderte. Es wurde schon dämmrig. In schimmerndem Rosa leuchteten Wolken und Wasser, die Blätter spielten zwischen Abendschein und wachsenden Schatten. Schonka kam arglos zum Ufer. Er war breit und kräftig gebaut. In seinem jungen Gesicht lag schon ein Anflug von Verbissenheit, der sich verhärtete, sobald es schien, dass Schonka von seinen Altersgenossen und den Jüngeren nicht so geachtet wurde, wie er es verlangte. Niemand wusste eigentlich, warum sein Ansehen nicht uneingeschränkt war, denn er blieb in den Übungen der Burschen, im Wettreiten, im Steinwerfen, im Schwimmen, nicht hinter den anderen zurück. Aber es gab einen, der ihn übertraf, obgleich er jünger war: Harka Steinhart Nachtauge. Dieser genoss noch größere Achtung, und das beeinträchtigte das Ansehen Schonkas bei den Jungen und Mädchen.

Schonka hatte das Weidengebüsch erreicht, ohne Harka zu bemerken. Dieser fasste nach Schonkas linkem Fuß und riss ihn aus dem Halt. Schonka, völlig überrumpelt, klatschte bäuchlings ins Wasser. Ein lautes Gebrüll der Knabenhorde belohnte Harkas Erfolg. Harka selbst sprang mit ein paar Sätzen über Steine und einen alten Baumstamm zur Flussmitte, wo das Wasser in einer tiefen Rinne schnell flutete. Mit einem schrillen Ruf verhöhnte er Schonka, der eben triefend wieder auftauchte und sofort auf den Knaben losrannte. Harka ließ ihn bis auf Armlänge herankommen, dann schoss er wie ein Hecht in die Flussrinne und schwamm unter Wasser abwärts.

Schonka folgte ihm nicht. Er blieb stehen und beobachtete, wo Harka auftauchen würde; einen Stein nahm er als Wurfwaffe zur Hand.

Harka spürte, dass er fast zu viel gewagt hatte. Das Wasser war, von der Schneeschmelze gespeist, von beißender Kälte, und dem jungen Schwimmer begannen Hände und Füße abzusterben. Er wollte durchaus unter Wasser bleiben, bis er die nächste Biegung gewann und hinter einem großen Felsblock, von Schonka ungesehen, die Flussrinne verlassen konnte. Er fühlte, wie ihm die Kälte ans Herz ging und die gefährliche verführerische Müdigkeit über ihn kam, die die Energie lähmt und den Übergang zur Ohnmacht angenehm wie das Einschlafen erscheinen lässt. Aber die Vorstellung, wie lächerlich es sei, bei einem Spiel umzukommen, spornte ihn von neuem an, und er schwamm mit aller Anstrengung noch ein Stück, bis er wahrnahm, dass er die Biegung gewonnen hatte. Da fasste er Grund, kroch schnell aus dem Wasser und duckte sich, nass und vor Kälte schnatternd, hinter den Felsblock. Er konnte Schonka sehen, der langsam über Sand und Geröllstreifen flussabwärts ging, den Stein noch in der Hand. Oben am Fluss hatte die Horde der Jungen Hunde alle Spiele abgebrochen, um Schonka und seinen Kampf mit Harka zu beobachten. Einige rannten am Ufer abwärts, sie wollten in der Nähe sein.

Schonka steuerte direkt auf den Felsblock zu, hinter dem Harka hockte. Vielleicht wollte er von diesem Block Ausschau halten. Harka zog den Kopf ein und schmiegte sich dicht am Boden an den Fels. Er konnte Schonka nicht mehr sehen, umso aufmerksamer lauschte er.

Es wurde rasch dunkel, schon blinkten die ersten Sterne auf.

Harka bemerkte, wie der andere sich auf den Block schwang. Das war der Augenblick, auf den er gewartet hatte. Er schnellte hoch, sprang auf den Block, warf sich auf den überraschten Schonka und brachte ihn zu Fall. Beide stürzten von dem Felsblock in den Flusssand. Harka riss dem Gegner die Krähenfeder vom Schopf und jagte mit einem lauten Siegesruf in den Wald. Ein verdoppeltes Triumphgebrüll der Jungen Hunde belohnte diesen endgültigen Sieg ihres Anführers über den älteren Burschen.

Zwischen den Bäumen begegnete Harka seinem Freund Tschetan, der ihn mit den drei jungen »Rabenbrüdern« zusammen laut lachend und sehr lobend begrüßte.

Unterdessen hatte sich Schonka erhoben. Mit gespielt verächtlicher Haltung gegenüber der Knabenhorde verließ er den Schauplatz seiner Niederlage. In seinem Innern brannte die Wut, dass er unterlegen war. Über den Grund seines Versagens war er sich selbst nicht ganz klar. Er war stark, auch schnell. Wenn er Harka fassen konnte, hatte der Junge nichts zu lachen. Aber immer wieder überlistete ihn der jüngere. Harka war mit seinen Gedanken rascher als Schonka, und darum konnte er auch rascher und überraschender handeln. Er konnte besser kombinieren. Meist erriet er, was Schonka in einer gegebenen Situation tun würde, aber Schonka konnte nie berechnen, wie Harka sich verhalten werde.

Langsam ging Schonka um das Zeltdorf herum. Er brütete darüber, wie er sein Ansehen wiederherstellen und Harka einen Denkzettel geben könne. Die Vorstellung, dass man eine Scharte auswetzen müsse, war unter der Jugend des Indianerdorfes selbstverständlich.

Nach langem Nachdenken kam Schonka zu dem Entschluss, an diesem Abend nichts mehr zu unternehmen. Er wollte warten, es musste sich eine Gelegenheit finden, sein Vorhaben auszuführen. Missmutig ging er in das väterliche Zelt.

Dort fand er noch alles so vor, wie es gewesen war, als Harka vormittags von den Ereignissen in der Höhle berichtet hatte. Weißer Büffel lag fiebernd auf seinem Lager. Die Mutter kam jetzt aus dem Hintergrund herbei und flüsterte mit dem Sohn. Sie war voll Angst, dass Weißer Büffel sterben werde. Sollte sie noch einmal den Zaubermann um Hilfe bitten, der schon in der vergangenen Nacht nicht hatte helfen können? Oder vielleicht war ein Dampfbad im Schwitzzelt gut? Oder sie würde zu Untschida gehen, der Mutter Mattotaupas, die von allen Frauen im Dorf die heilenden Kräuter am besten kannte und als »Geheimnisfrau« selbst bei den Kriegern in hohem Ansehen stand.

Schonka wollte nichts von Untschida hören, die zu dem Zelte Mattotaupas und Harkas gehörte, gegen den er heute mehr als je eine Abneigung empfand. Der Zauberer im Nachbarzelt war dem Burschen selbst unheimlich. Aber ein Dampfbad konnte dem kranken Vater guttun. Schonka hatte wie die Mutter Angst davor, dass der Vater sterben würde. Schonka war fünfzehn Jahre alt, er wurde schon auf die Büffeljagd mitgenommen, aber ein Krieger war er noch nicht, und vermochte er die Mutter und sich selbst allein zu ernähren? Das würde schwerhalten. Wenn der Vater starb, musste Schonka mit der Mutter in ein anderes Zelt ziehen und einen anderen Vater haben. Vor alldem graute ihm, und weil er vor dem Leben ohne Vater Angst hatte, hatte er Angst um das Leben des Vaters. Ein Dampfbad würde dem Kranken sicher guttun.

Er wickelte den Kranken in eine Büffelhautdecke, und die Mutter lief schon voraus zum Schwitzzelt. Sie wollte nachsehen, ob die Heizsteine noch warm waren. Vorsorglich legte sie sie nochmals in die Glut. Als sie heiß genug waren, um Wasser darauf verzischen zu lassen, holte sie mit dem Sohn zusammen den Weißen Büffel. Sie setzten den Kranken in das Schwitzzelt, und die Frau goss Wasser auf die Heizsteine, so dass das ganze Zelt mit Dampf erfüllt wurde. Als Weißer Büffel der Schweiß am ganzen Körper ausbrach, wurde er von Schonka und der Frau zum Fluss gebracht, um im kalten Wasser unterzutauchen. Das war die altgewohnte Art, an Rheumatismus oder Fieber Erkrankte zu behandeln. Weißer Büffel schauerte zusammen, und als Schonka und seine Mutter ihn aus dem Wasser hoben, legte sich sein Körper schlaff auf ihre Arme, und mit einem krampfartigen Erschrecken begriff Schonka, dass sein Vater tot war.

Der Atem stockte dem Burschen noch, als er den Toten mit der Mutter zusammen wieder zum Zelt brachte. Die Frau suchte mit dem Jungen zusammen starke gegabelte Stöcke hervor und rammte sie vor dem Zelt in die Erde. Den Leichnam schnürte sie fest in eine der Lederdecken ein und hing ihn am Kopf- und Fußende an die Stöcke. Es war Sitte, dass ein Toter die Erde nicht mehr berühren sollte.

Dann stimmte die Frau die Klagegesänge an, die das ganze Dorf aufhorchen ließen und wach hielten. Mit langgezogenem Jaulen stimmten die Hunde in die Wehklagen der Menschen ein.

Harka lag mit seinem Bruder Harpstennah zusammen auf Decken im väterlichen Tipi. Harpstennah war eingeschlafen, aber Harka war noch wach, und er hörte, wie die Mutter und die Großmutter miteinander flüsterten. Der Vater war noch nicht ins Zelt gekommen; er weilte zur Beratung bei dem Unterhäuptling Sonnenregen.

Harka war in den letzten Stunden der vergangenen Nacht auf dem Moospolster an der Quelle eingeschlafen, aber jetzt im Zelt schlief er nicht. Er dachte an das Geheimnis der Höhle, das er nicht erfahren hatte, an die Fußspur, an den Aufbruch am kommenden Morgen, und er hörte Stunde um Stunde den Klagegesang, der vom Zelt des Weißen Büffel herüberdrang. Weißer Büffel war tot.

Auch Harka war darüber erschrocken. Am kommenden Morgen sollten die Tipis zu neuen Jagdgründen aufbrechen. In den neuen Jagdgründen würde man neue feindliche Nachbarn haben. Die Bärenbande aber besaß nun einen tapferen und besonnenen Krieger weniger. Vor dem Zelt des Weißen Büffel erschallte immer noch der langgezogene Klagegesang. Eintönig und schauerlich klang er, wie abgelauscht dem Heulen der wilden Wölfe.

Harka horchte auf den Schritt, der sich dem eigenen Tipi näherte. Der Vater kam heim. Als er eingetreten war und sein Lager aufgesucht hatte, kam über Harka eine große entspannende Ruhe. Er hörte noch die Atemzüge des Vaters, dann war er selbst fest eingeschlafen. Seine letzte bewusste Vorstellung beim Hinübersinken in den Schlummer war der kommende Sonnenaufgang und der bevorstehende Aufbruch zu dem großen Zug in unbekannte Prärien.

Aber es war etwas anderes, was ihn schon nach einigen Stunden wieder weckte. Der Wind, der tagelang geweht hatte, war plötzlich in einen Sturm übergegangen. Er raste über die weite Prärie, er brach sich an den Waldbergen, fauchte in den Wipfeln und blies selbst wider die Zelte auf der geschützt liegenden Waldwiese, so dass sich die Planen bauchten und die langen Fichtenstangen zitterten. Hoch oben am Berg krachte, dröhnte und kreischte es, wie es splitternde und stürzende Stämme tun. Es war ein Geräusch, das sofort das ganze Zeltlager alarmierte. Im Wald entstand ein Windbruch. Harka schlang rasch den Lendengürtel um und weckte den jüngeren Bruder. Die Großmutter war schon auf; die Mutter holte eben das Mädchen Uinonah aus dem Schlaf. Harka blickte sich nach dem Vater um, aber dieser musste das Zelt schon verlassen haben; er war nicht mehr zu sehen. Das Krachen und Kreischen verstärkte sich. Der Sturm schien ganze Waldhänge niederzubrechen.

Harka kroch auf allen vieren aus dem Tipi, um sicher zu sein, dass ihn der Sturm auf der Wiese nicht umreißen würde. In den Wipfeln rauschte es ringsum mit unheimlicher Macht, die Stämme bogen sich tief, und schon wieder schrie und dröhnte es von brechenden Stämmen weiter oben am Berg. Das Geräusch ging durch alle Nerven. Die Zelte wurden geschüttelt. Man konnte sie nicht einmal abschlagen, weil die Planen, von den Pflöcken gelöst, sofort vom Winde gepeitscht die Zeltstangen umgerissen und zerbrochen hätten.

Die Frauen, Kinder und Alten fanden sich in der Mitte der Wiese zusammen, wo die geringste Gefahr bestand. Dorthin drängten sich auch die Pferde und die Hunde. Die Männer und Burschen blieben bei den Zelten, um sofort anzufassen, wenn ein Zelt losgerissen werden sollte. Das Tipi war neben den Waffen der wertvollste Besitz jeder Familie und nicht leicht zu ersetzen, wenn es verlorenging. Denn die Büffel, aus deren Haut die Zeltplanen bestanden, mussten erst aufgespürt und gejagt werden, und das Trocknen und Gerben der Häute, die jede Nässe und Kälte auszuhalten und abzuhalten hatten, dauerte mit dem Gerbverfahren der Indianer sehr lange.

Harka wachte mit Tschetan zusammen bei den Zelten Mattotaupas und Sonnenregens; die beiden hielten die aus Büffelsehnen bestehenden Zeltschnüre und die Pflöcke fest, wo die Planen sich loszureißen drohten. Hin und wieder äugten sie zueinander hin. Der Sturm wehte nicht gleichmäßig. Zuweilen ließ er nach, dann kam wieder eine Bö. Die größte Gefahr war, dass Luftwirbel entstehen konnten. In der höheren Luftregion schien das schon der Fall zu sein. Harka beobachtete, wie ein ganzer Baum mit Wurzeln und dürrem Geäst vom Berg herab durch die Luft gewirbelt wurde; er konnte seine Bahn nur ein Stück weit im eigentümlich milchig gefärbten Luftraum verfolgen. Wahrscheinlich schleppte der Sturm seine Beute weit auf die Prärie hinaus.

Vom Berg polterte ein Felsblock, der von Eis und Tauwetter schon gelockert gewesen sein mochte und der jetzt vielleicht mit einem losgerissenen Baum zusammen in Bewegung gesetzt worden war. Er rollte und sprang, das gefahrdrohende Geräusch näherte sich der Waldlichtung mit den Zelten, und es blieb Menschen und Tieren nichts anderes übrig als zu warten, wohin der Block treffen würde.

Mit einem dumpfen Krach blieb er genau zu Beginn der Wiese in der Erde stecken; mit einer Spitze und Kante hatte er sich festgebohrt. Alle atmeten auf.

Endlich nahm das Rauschen und Brausen etwas ab, und der Druck auf die Zelte ließ allmählich nach. Die Tiere rührten sich wieder. Mattotaupa sprang auf den großen Block, so dass ihn alle sehen konnten, und gab das Zeichen dafür, dass man essen und dann aufbrechen wolle.

Untschida, die Großmutter, gab im Zelt Mattotaupas ein karges Frühstück aus. Die Kinder und die Frauen erhielten aus kleinen Lederbeuteln zerriebene Beeren und Wurzeln, Mattotaupa aß eine Handvoll getrocknetes Büffelfleisch, das noch von einer Herbstjagd stammte. Das war alles, und es musste den Hunger für den ganzen Tag stillen. Vor dem Abend würde es nichts mehr zu essen geben.

Die Großmutter Harkas, Mattotaupas Mutter, galt jetzt als die angesehenste Frau im Zeltdorf, da Mattotaupa nach dem Tod des Weißen Büffel bis zur Bestallung eines neuen Friedenshäuptlings der alleinige Anführer der Jägergruppe war. Sie ging hinaus und löste die erste Plane von den Stricken, so dass diese im immer noch stark wehenden Winde wie eine große Fahne donnerte. Das war das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch.

Alles war schnell zusammengepackt, denn die Jägerfamilien besaßen nicht viele Habseligkeiten. Die Frauen und Mädchen kletterten an den Zeltstangen hinauf und lösten die Sehnenstricke, die die Stangenspitzen zusammenhielten; bei dieser Arbeit half auch schon die zehnjährige Uinonah. Harka und seine Spielgefährten und Altersgenossen brachten die Pferde herbei. Den Lastpferden wurden die Rutschen angehängt. Zwischen je zwei Zeltstangen, die sich mit dem einen Ende über dem Pferderücken kreuzten und deren andere Enden nachschleiften, wurde eine Lederdecke gespannt; in diese Decke legte man die Habseligkeiten, dorthinein setzte man auch die Kinder, die schon zu groß waren, um noch von der Mutter auf dem Rücken getragen zu werden, und auch noch zu klein, um selbst zu reiten. Wagen besaßen die Indianer nicht, da sie keine Räder herstellten.

Harka und der neunjährige Harpstennah hatten schon eigene Pferde und schwärmten mit den berittenen Burschen und Kriegern um den sich bildenden langen Wanderzug. Die Frauen und Mädchen ritten die Lastpferde. An der Spitze des Wanderzuges fand sich Hawandschita ein, der über achtzig Jahre alte Zaubermann, dürr, sehnig, ein wenig gebückt stand er da. Ehe der Zug sich in Bewegung setzte, sprach er das uralte Morgengebet um »Nahrung und Frieden« für die ganze Schar.

Dann tat er den ersten Schritt, und Mattotaupa, der Kriegshäuptling, trieb seinen Scheckenhengst an, um vorauszureiten und den Zug durch den sturmverwehten Wald hindurch auf die Prärie zu geleiten.

Der Wanderzug musste den Fluss durchqueren, an dem die Jungen abends zuvor gespielt hatten. Hawandschita und Mattotaupa führten am Ufer ein Stück flussabwärts, um eine Furt in der Mittelrinne zu benutzen, die den Übergang erleichterte. Harka wusste, dass die Furt tausend Schritte abwärts lag, und da hier, noch in der Nähe des bisherigen Zeltlagers, kaum eine Gefahr drohen konnte und die Ordnung für die begleitenden Reiter daher nicht streng eingehalten wurde, ritt er mit Tschetan zusammen ein Stück voraus. Er fand den Platz, wo sich die Rinne verbreiterte und die Wasser seicht über den Sand fluteten. Hier hielten Harka und Tschetan an, warteten und schauten sich ein letztes Mal in dieser Gegend um, die sie seit früher Kindheit gut kannten und nun für lange Zeit, vielleicht für immer, verlassen sollten. Die neuen Jagdgründe, das Ziel der Wanderung, lagen mehrere Tagesritte weiter südlich.

Harkas Aufmerksamkeit richtete sich auf die Verwüstung, die der Sturm auch an den Flussufern angerichtet hatte. Das elastische Weidengesträuch war unversehrt geblieben, aber zwei junge Bäume, die sich auf Schwemmland angesiedelt hatten, waren entwurzelt, und das Wasser sammelte sich in der aufgerissenen Erde. An dieser Stelle blinkte etwas. Harka fiel das auf, und da er Zeit hatte, ritt er hin, um zu prüfen, was denn hier die milchig-blassen Sonnenstrahlen fing und zurückwarf. Er schaute vom Pferd herunter auf den ungewöhnlich glänzenden Gegenstand. Es schien ein kleiner Kiesel zu sein, aber er schimmerte gelb-rötlich, viel schöner als jeder andere, und Harka glitt von dem Pferd, das er sattellos ritt, und bückte sich, um den Fund näher zu betrachten. Es schien wirklich nichts weiter zu sein als ein ungewöhnlicher Stein, den das Wasser früher einmal mitgeführt, dann mit Sand und Erde bedeckt hatte und der jetzt unter den aufgerissenen Wurzeln wieder zutage gekommen war.

Harka wog ihn in der Hand und steckte ihn dann in einen Beutel am Gürtel, um ihn als Erinnerung mitzunehmen. Von dem Wert und der Bedeutung seines Fundes hatte er noch keine Ahnung.

Der Wanderzug näherte sich der Furt wie eine lange Schlange und gewann nach Überwindung einiger Hindernisse im Wald die freie Prärie.

Der starke Wind wehte von Nordosten; die Mähnen der Pferde und die Haare der Jungen flatterten. Von Südosten her schien die Sonne, der man entgegenreiten musste. Sie blendete in die Augen. Alle blinzelten und spähten in die große Weite des Graslandes hinaus. Am ersten Tag bewegte sich der Zug noch durch das allen bekannte Gelände; vom Dorf aus hatte man oft Streifzüge in die welligen Wiesen unternommen, um nach Büffelherden Ausschau zu halten. An diesem ersten Tage konnte auch kaum eine Gefahr drohen, denn der Zug befand sich noch in Jagdgründen, die unbestrittenes Revier der mächtigen Dakotastämme waren.

Das Wetter hellte sich gegen Mittag zusehends auf. Die milchige Atmosphäre wurde kristallklar, und der Nordostwind milderte sich zu einem Luftzug, der mit den vergilbten nassen Gräsern spielte. Harka bedauerte, dass die Präriehunde, diese kleinen Nagetiere, schlau genug waren, um immer rechtzeitig in ihren Erdlöchern zu verschwinden, wenn der Wanderzug sich ihrem Bau näherte. Er kam nicht dazu, den Pfeil auf sie anzulegen. Die Kinder in den Rutschen ärgerten sich, dass die langen Schweife der Pferde ihnen immer wieder über das Gesicht schlugen. Mit dumpfem Geräusch liefen die vielen unbeschlagenen Hufe über das Grasland. Eine breite Fährte, tage-, ja wochenlang lesbar, blieb hinter dem Wanderzug zurück. Hin und wieder dachte Harka noch an die Höhle am Waldhang, die nun schon weit hinter den Wandernden zurückgeblieben war. Niemand im Wanderzug konnte wissen oder auch nur ahnen, was jetzt bei der Höhle und im Wald vorging.

Die Bärenbande wanderte bis zum Abend. Da sich der Aufbruch am Morgen durch den Sturm verzögert hatte, war man bis Sonnenuntergang nicht mehr als fünfunddreißig Kilometer vorangekommen.

Die Krieger wählten einen möglichst praktischen Rastplatz. Rechter Hand erstreckte sich eine Bodenwelle, deren Hang sich zu einem Gewässer hin abflachte. Von den sich leicht zu dem Gewässer neigenden Wiesen hatte die Feuchtigkeit bereits abzusickern begonnen, so dass man die Zelte nicht auf allzu nassem Boden aufzuschlagen brauchte. Der kleine Präriebach löschte den Durst von Mensch und Tier. Holz war nicht vorhanden. Man sah davon ab, Feuer zu machen. Nur der ausgehöhlte, im Innern von einem nie verlöschenden Feuer kohlende Stamm wurde mit seiner Glut auch in dieser Nacht sorgfältig gehütet. Alte Männer hatten ihn auf der Wanderung mitgetragen. Es war seit unvordenklicher Zeit Sitte, das wertvolle Feuer, das fast wie ein Heiligtum gehalten wurde, auf diese mühsame Weise mitzuführen.

Die Rutschen wurden abgehängt und die Zelte aufgeschlagen. Wie die anderen, so schlug auch die Witwe des Weißen Büffel das gewohnte Zelt auf. Es war noch nicht darüber entschieden, welcher Familie sie mit ihrem Sohn zu Schutz und Nahrung zugeteilt werden sollte.

Alle Menschen waren müde und schliefen nach einem kleinen Imbiss in ihren Decken schnell ein. Die Pferde knabberten noch am halbverfaulten Wintergras und suchten die ersten grünen Spitzen, die aus dem Boden kamen. Die Hundemeute hatte sich friedlich zusammengefunden; die Tiere lagen dicht beieinander. Einer wärmte den anderen.

Der Himmel blieb klar, und obgleich der Wind sich gelegt hatte, war es in der Nacht bitter kalt. Einem großen Meer gleich, lief die Prärie in Wellen bis zum fernen Horizont.

Die Stunden vergingen.

Es war schon weit nach Mitternacht, als Harka auffuhr. Ein heller, durchdringender Ruf hatte ihn geweckt. Der Kriegsruf war es nicht gewesen. Den Kriegsruf kannte jedes Kind im Traum und im Schlaf, so oft wurde das schnelle Erwachen auf diesen Ruf hin, das Aufspringen, Zu-den-Waffen-Greifen geübt. Der Kriegsruf war es also nicht gewesen, aber ein Warnruf. Harka trug, wie der Vater, das Messer in der Scheide an einer Schnur um den Hals; er hatte die Waffe heute in der Nacht nicht abgelegt. Bogen und Pfeile hatte er sich neben das Lager geordnet, und als er jetzt aufsprang, hielt er sie auch schon in der Hand. Draußen war Unruhe. Die Hunde jaulten, zornig und ängstlich. Harka hörte das Gedränge und das Stampfen der Pferdeherde und lief aus dem Tipi. Mattotaupas Hengst, der vor dem Zelt angepflockt war, gebärdete sich wie toll und hätte sich gerne losgerissen.

»Bleib bei dem Mustang!«, rief der Häuptling seinem Jungen zu, und schon war er selbst in Richtung der Bodenwelle verschwunden, zu der die Wiesen westwärts anstiegen. Eine Anzahl Männer folgte ihm. Harka erkannte Sonnenregen und einige junge Burschen darunter, und er war sehr unzufrieden, dass er zurückbleiben und das Pferd beim Zelt hüten sollte, aber er musste gehorchen. Aus dem Verhalten der Pferde, der Hunde und der Männer schloss Harka, dass sich hungrige Wölfe herangeschlichen haben mussten. Es konnten nicht die kleinen scheuen Kojoten sein, mit denen hätte die Hundemeute kurzen Prozess gemacht. Angst hatten die halbwilden Hunde nur vor den großen, grauweißen Präriewölfen. Harka versuchte, den Mustang des Vaters an dem ledernen Zügel zu halten, der um den Unterkiefer des Tieres befestigt war, aber die Aufregung des Hengstes, der sich als Leittier der Herde fühlte, war derart, dass Harka weder Pflock noch Zügel traute und sich schnell auf den Rücken des Tieres schwang, um wenigstens dabei zu sein, wenn es ausbrach, und es noch zu lenken. Reiten lernten die Dakotajungen vom vierten Jahr an, und Harka hatte bei Tschetan und seinem Vater eine gute Lehre durchgemacht. Jetzt, mit elf Jahren, war er schon imstande, sich auf dem Rücken eines wild eingefangenen Tieres zu halten. Er kannte den Charakter des kräftigen und entschlossenen Mustangs, auf dem er jetzt saß, und verstand seine Regungen. Dem Tier musste zumute sein wie einem gefesselten Krieger, wenn Frauen und Kinder angegriffen wurden. Harka überlegte kurz und handelte dann kühn: Er kappte mit dem Messer die Lederschnur, die den Hengst festhielt, und ließ ihn zu der Pferdeherde galoppieren. Mit hingebungsvollem Zutrauen wurde der Hengst von den Tieren dort begrüßt.

Die Männer befanden sich unterdessen schon im Kampf mit den hungrigen Raubtieren. Weniger dem Spiel der nächtlichen Schatten als den Schreien, die von dem Höhenrücken her erklangen, entnahm der Junge, dass schon fünf Wölfe erlegt sein mussten. Die Hunde fassten mehr Mut; besonders die großen und starken unter ihnen stürzten vor und nahmen den Kampf mit auf. Harka leitete seinen Mustang mit vorsichtigem Schenkeldruck so, dass er die Pferdeherde ständig umkreiste.

Plötzlich wandte sich das Pferd und schlug mit den Hufen hoch aus, und Harka hatte in demselben Augenblick zwei glühende Raubtieraugen im Gras beobachtet. Er klammerte sich mit den Schenkeln fest an das Pferd, spannte den Bogen und legte einen Pfeil ein. Der Wolf, dessen Augen der Junge erkannt hatte, änderte seine Taktik. Er wollte den hufschlagenden Hengst umschleichen und in die Herde einbrechen. Den Tieren waren am Abend die Vorderbeine gefesselt worden, so dass sie nur kleine Schritte machen und des Nachts nicht in die Prärie ausbrechen konnten. Sie waren dadurch aber auch einem Raubtier hilflos ausgeliefert. Es entstand sofort eine furchtbare Verwirrung in der Herde. Harka verschoss vom Rücken des bockenden Tieres einen Pfeil nach der Stelle, an der sich der Wolf bewegte, musste aber sogleich erkennen, dass er nicht getroffen hatte. Das Raubtier sprang eine Stute an, und diese tat das Einzige, womit sie sich noch wehren konnte: Sie warf sich hin und wälzte sich. Der Hengst, auf dem Harka saß, schlug und biss in seinem Zorn wie ein Irrer um sich, dazu umbrandete den Jungen das Heulen der Hunde, das Schreien der Männer. Es war sehr dunkel, da die Anhöhe Schatten gegen das Mondlicht warf.

Harka sprang ab. Er konnte dies wagen, weil er wusste, dass der Leithengst die gefesselte Herde nicht verlassen würde. Da er Pfeil und Bogen nicht vertraute, hängte er den Bogen rasch wieder über die Schulter und nahm das Messer zur Hand. Der Wolf wollte sich eben am Hals der Stute festbeißen und war blind für alles andere. Der Junge kam heran, und mit einem kräftigen und gut gezielten Stoß stieß er das Messer dem Wolf bis zum Heft in den Hals.

Er riss das Messer aus dem Körper des verendenden Tieres und stieß einen Siegesruf aus. Aber in diesem Augenblick wäre es ihm selbst fast ebenso ergangen wie dem getöteten Wolf. Er war wie berauscht von seinem Sieg und ließ einen Moment in seiner Aufmerksamkeit nach, und da musste er auch schon mit Schrecken begreifen, dass er sich einem ganzen Rudel der Raubtiere gegenüber befand. Blitzartig wurde ihm die Lage klar. Das große Rudel hatte sich geteilt; eine Gruppe hatte von der Anhöhe her einen leichten Angriff geführt, der den Wölfen zwar Verluste brachte, aber Männer und Hunde auch ganz und gar nach dieser Seite hin beschäftigte. Unterdessen war ein anderer Teil des Rudels im Halbkreis herumgeschlichen, um überraschend in die Pferdeherde einzubrechen. Bei den Pferden waren nachts immer Wachen aufgestellt. Harka hatte am Abend die Einteilung mit angehört und wusste, dass um diese Stunde die jungen Burschen Tschetan und Schonka bei den Mustangs sein mussten. Sie waren aber beide nicht da. Sicher hatten sie sich verführen lassen, wegzulaufen und bei der Anhöhe gegen die Wölfe zu kämpfen!

Harka schrie laut warnend. Drei der Wölfe hatten sich schon auf ein Pferd gestürzt und zerrissen es. Es war durchaus nicht sicher, dass die Raubtiere den Jungen, der nach »Mensch« und daher für sie gefährlich roch, überhaupt angreifen würden; sie hatten andere, hilflose Beute genug vor sich. Aber da war ein Wolf, größer als die anderen; wahrscheinlich der Anführer des Rudels, und dieser setzte auf Harka an. Der Junge konnte sich nur noch dadurch retten, dass er auf das Pferd des Vaters sprang, das soeben doch in Todesangst von der Herde wegbrach.

Nach knapp fünfzig Metern gelang es dem jungen Reiter, das Tier zu wenden, das nach dem ersten Augenblick eines panischen Schreckens selbst wieder zu der bedrohten Herde zurückstrebte, wahrscheinlich, um sie auf der Flucht mitzuziehen. Als Harka Zeltlager und Pferde wieder erblickte, begriff er sofort, was dort geschah. Viele Männer und Burschen, selbst Frauen und Mädchen waren herbeigeeilt, schnitten die Fesseln der Pferde durch und sprangen auf, um die Tiere vor den Wölfen zu retten und ihre Flucht zu lenken. Von den Raubtieren, die sich an den niedergerissenen Pferden festgebissen hatten, wurden viele getötet, mit allen Waffen, die eben zur Hand waren.

Harka durfte das Pferd des Vaters jetzt nicht mehr verlassen. Das Tier wollte offensichtlich die anderen zur Flucht auffordern, und Harka gab dem scheinbar nach. Einige berittene und einige ledige Tiere folgten, und es gelang den Reitern, eine regellose Flucht zu verhindern. In weitem Bogen galoppierte das Pferderudel über die nächtliche einsame Prärie wieder zum Zeltlager zurück.

Die Wölfe hatten schon das Weite gesucht, so dass die Pferde sich nicht vor der Rückkehr scheuten.

Aber wie sah es beim Lager aus! Die erste Helle, die den Sonnenaufgang ankündigte, ließ schon alles deutlich erkennen. Zwölf Pferde waren von den Wölfen totgebissen, zum Teil zerfleischt. Neun weitere Pferde waren so schwer verletzt, dass die Männer sie töten mussten. Fünfzehn Tiere fehlten, sie mussten ausgebrochen und entflohen sein. Die Bärenbande hatte über einhundertfünfzig Pferde besessen, fast jedes vierte war verloren, das war ein schwerer Verlust, besonders während des Wanderzuges.

Man führte die Tiere zusammen, und zwar am anderen Lagerende, weil der Blutgeruch sie doch noch verstörte, und machte sie wieder fest. Die Frauen holten das Fleisch der toten Tiere. Hawandschita und Mattotaupa verteilten es gerecht auf alle Zelte nach der Zahl der Esser. Kleine Stücke wurden von den Hungrigen gleich roh verzehrt.

Harka hatte den Hengst des Vaters wieder vor dem Zelt angepflockt und ging jetzt umher, um die toten Wölfe zu besehen und die Spuren der nächtlichen Ereignisse zu verfolgen. Er fand den Wolf, den er getötet hatte, und schnitt sich die Ohren als Siegeszeichen ab. Harpstennah, der jüngere Bruder, stand bewundernd dabei. Harka winkte ihm mitzukommen. Er erklärte dem Neunjährigen die Fährten und den Verlauf des Kampfes, damit er etwas lernen konnte. Immer wieder beschaute Harka die erlegten Wölfe. Das große Tier, das er in dem gefährlichsten Augenblick des Kampfes in der Nähe gesehen hatte, war nicht dabei. Harka ging mit dem Bruder vorsichtig das Gelände nach den Wolfsspuren ab. Er konnte die Fährte des großen Wolfes herauskennen. Dieser hatte kräftigere Pfoten und rannte in größeren Sätzen als die anderen. Er war entkommen.

»Dieser Wolf ist ein großer Häuptling unter den Wölfen«, erklärte Harka Harpstennah. »Wir haben an den Fährten gesehen, wie er sein Rudel herangeführt und wie er es geteilt hat, um uns zu überlisten. Viele Wölfe sind getötet worden, aber die anderen sind satt, obgleich es keine Büffel gibt.«

Die Jungen gingen nach ihrem Streifzug zu dem väterlichen Tipi zurück. Im Zelt fanden sie Tschetan und Schonka, die sehr beschämt vor Mattotaupa standen. Harka wäre am liebsten mit Harpstennah zusammen sofort wieder hinausgegangen, denn er wollte nicht, dass der jüngere Bruder mit anhörte, wenn Tschetan, Harkas großer Freund, getadelt wurde. Aber schon war es zu spät, Harpstennah war bereits zur Mutter in den Hintergrund des Zeltes gelaufen, und so blieb auch Harka stehen und hörte sich alles mit an.

»Ihr beiden habt gehandelt wie kleine Mädchen, die sich nicht beherrschen können«, sagte der Kriegshäuptling eben zu den beiden Burschen, und das war die härteste Zurechtweisung, die er aussprechen konnte. »Ihr habt die Pferde verlassen, um Wolfsohren zu erbeuten. Was dann geschehen ist, wisst ihr. Die Krieger der Bärenbande sind der Meinung, dass ihr die Ohren der getöteten Wölfe nicht tragen dürft.«

Harka schämte sich tief für seinen Freund Tschetan. Was für eine Schande! Tschetan musste sehr mutige und gut überlegte Taten vollbringen, um eine solche Schande wieder auszulöschen. Natürlich galt das auch für Schonka, aber an Schonka dachte Harka nicht. Er wandte sich ab, als ob er nichts gesehen oder gehört hätte. Er wollte Tschetan ersparen, vor einem elfjährigen Jungen gedemütigt worden zu sein.

Blass, mit verbissenen Lippen, verließen die beiden Burschen den Häuptling, der ihnen das gesagt hatte, was sie sich nun selbst Tag und Nacht sagen mussten, bis sie die Scharte wieder ausgewetzt hatten.

Mattotaupa gab den Befehl zum Aufbruch.

Die dreißig Zelte wurden abgeschlagen. Eine Anzahl Kinder musste bei den Müttern aufsitzen oder sich mit einem Platz in einer Rutsche bescheiden, da man nicht mehr genug Pferde hatte. Ein paar Frauen gingen zu Fuß wie Hawandschita.

Harka, der Wolfstöter, konnte aber wieder seinen munteren Schecken besteigen und wie die Krieger in der langen Reihe neben den Lasttieren herreiten.

Harka

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