Читать книгу Eiskalte Energie - Liv-Malin Winter - Страница 5

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Isabella saß an ihrem Computer und starrte ungläubig auf die Resultate. Das konnte doch nicht wahr sein! Aber die Resultate waren unumstößlich. Sie hatte alle Daten mehrmals überprüft. Ein Fehler war ausgeschlossen. Isabella atmete tief durch. Es war am besten, es jetzt gleich hinter sich zu bringen. Sie strich sich die blonden Haare glatt, stand entschlossen auf und ging zum Büro ihres Chefs. Sie klopfte an die Tür.

››Ja?‹‹, hörte sie seine gedämpfte Stimme und trat ein.

››Herr Schwaiger, die Resultate der neuesten Auswertungen sind da‹‹, sagte sie herausfordernd.

››Ja und?‹‹, erwiderte er ungeduldig.

››Es sieht viel schlimmer aus, als wir erwartet haben.‹‹

››Was soll das denn heißen?‹‹

››Wenn mit der Förderung von Methan aus Methanhydrat begonnen wird …‹‹, Isabella sah den fragenden Blick ihres Chefs und geriet ins Stocken.

››Ach, Sie meinen den Abbau von Methanhydrat. Sagen Sie das doch gleich‹‹, erwiderte er.

››Na ja, eigentlich ist das so nicht ganz korrekt ausgedrückt. Eigentlich wird das Methanhydrat destabilisiert, so dass das Methan aus dem Hydrat freigesetzt wird. Dieses wird dann aufgefangen ...‹‹

››Ist doch egal, wie man das ausdrückt. Immer müssen Sie alles so kompliziert machen. Jetzt kommen Sie endlich auf den Punkt!‹‹, forderte er ungeduldig.

››Um es einfach auszudrücken: Das Projekt darf auf keinen Fall gestartet werden. Methanhydrat gleicht einer Bombe im Ozean, die explodiert, wenn man sie an die Oberfläche holt.‹‹

››Soweit ich mich erinnere, war es Ihre Aufgabe, die verschiedenen technischen Möglichkeiten für den Abbau von Methanhydrat zu untersuchen. Sie sollten herausfinden, wie der Abbau am besten stattfinden kann. Von Ihnen wird keine Beurteilung erwartet, ob er durchgeführt werden soll‹‹, erwiderte er resolut.

››Aber ich kann doch die immensen Risiken, die mit jeder dieser Methoden verbunden sind, nicht ignorieren.‹‹

››Sie immer mit ihren Horrorszenarien!‹‹, unterbrach er sie ärgerlich. ››Machen Sie Ihren Bericht zu dem Thema fertig.‹‹

››Aber wir müssen sofort die Politik davon in Kenntnis setzen. Auf keinen Fall dürfen Genehmigungen für den Abbau erteilt werden.‹‹

››Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Jetzt gehen Sie wieder an die Arbeit!‹‹, blaffte er sie an.

Frustriert ging Isabella zurück in ihr Büro. Wie schon so oft lehnte Schwaiger ihren Vorschlag ab.

Zögernd betrat Isabella das Büro ihrer Kollegin Luisa und schloss leise die Tür hinter sich. Luisa sah Isabella neugierig an. Sie hatte bemerkt, dass Isabella in den letzten Tagen bedrückt wirkte. Die beiden waren nicht nur Kolleginnen, sondern trafen sich auch in ihrer Freizeit. Sie gingen gern zusammen shoppen. Obwohl Isabella einen guten Geschmack in Sachen Mode hatte, war Luisas untrügliches Gespür für angesagte Trends immer eine Bereicherung. Ab und zu gingen sie auch gemeinsam ins Kino. Die Begeisterung für Sport teilten sie jedoch nicht. Während Isabella sich fit hielt und sich für viele Sportarten begeistern konnte, war Luisa eher ein Sportmuffel. Daher blieben ihre gemeinsamen Aktivitäten in diesem Bereich auf ein paar sommerliche Badeausflüge zu den Seen in und um Berlin beschränkt.

Bis jetzt hatte Isabella ihr nicht erzählt, was sie belastete. Doch Luisa vermutete, dass sie sich ihr jetzt anvertrauen würde.

››Du weißt doch, dass ich in den letzten Monaten die Methangewinnung aus Hydraten untersucht habe‹‹, begann Isabella. Luisa hörte gespannt zu. ››Ich habe herausgefunden, dass keine der Methoden zur Methanförderung sicher ist. Im Gegenteil. Sie sind alle sehr gefährlich. Vor ein paar Tagen habe ich Schwaiger von meinen Ergebnissen berichtet. Allerdings haben sie ihm nicht besonders gefallen.‹‹

››Das kann ich mir vorstellen. Schwaiger ist an Problemen nicht besonders interessiert. Er legt Wert auf klare einfache Lösungen und die bietest du ihm nicht oft‹‹, bemerkte Luisa.

Isabella hätte am liebsten erwidert, dass die Wissenschaft selten einfache Lösungen hervorbrachte, aber auf diese Diskussion wollte sie sich im Moment nicht einlassen.

››Weißt du zufällig, ob er meinen Bericht schon an das Umweltministerium geschickt hat?‹‹, fragte Isabella zögernd. Luisa arbeitete eng mit Schwaiger zusammen. Wenn jemand wusste, was er tat, dann war sie es.

››Nein, soweit ich weiß, hat er zu dem Thema nichts weitergeleitet.‹‹

››Ich frage mich, warum er das nicht gemacht hat?‹‹, überlegte Isabella.

››Vielleicht hat er noch keine Zeit dafür gefunden.‹‹

››Wenn er keine Zeit hat, sollte ich das vielleicht tun. Die Sache ist dringend, denn es wird schon über Abbaugenehmigungen für Methanhydrat diskutiert.‹‹

››Du weißt, dass Schwaiger sehr wütend wird, wenn du ihn einfach übergehst.‹‹

››Ja, aber was soll schon passieren? Er wird ein paar Tage ärgerlich sein und sich dann wieder beruhigen. Das war bisher immer so. Außerdem schicke ich den Bericht ja nicht an externe Leute, sondern an das Umweltministerium. Die sind schließlich unsere Auftraggeber.‹‹

››Tu, was du nicht lassen kannst‹‹, erwiderte Luisa skeptisch.

››Ja, das werde ich auch. Am besten sofort.‹‹ Isabella drehte sich um und verließ Luisas Büro.

››Herr Minister, Sie haben eine wichtige E-Mail vom Institut für Umweltforschung erhalten.‹‹

››Was wollen die denn?‹‹, fragte Gerhard Wallner seine Assistentin.

››Es geht um neue Forschungsergebnisse bezüglich des Einsatzes von Methanhydrat als Energieträger. Hier steht, dass der Einsatz von Methanhydrat den Klimawandel extrem beschleunigen würde. Außerdem könnten beim Abbau des Methanhydrats auch Tsunamis ausgelöst werden. Davon wären Küstenregionen auf der ganzen Welt betroffen‹‹, erklärte seine Assistentin.

››Immer kommen diese Forscher mit neuen Horrorszenarien. Irgendwo muss die Energie doch herkommen, oder?‹‹, antwortete er ungehalten. ››Verbinden Sie mich mit Schwaiger. Ich kläre das!‹‹, fügte er hinzu und ging in sein Büro. Einige Minuten später hatte er den Chef des Instituts für Umweltforschung am Telefon.

››Hallo Bruno, hier ist Gerhard! Sag mal, hast du deine Leute nicht mehr im Griff?‹‹, eröffnete der Umweltminister ärgerlich das Gespräch.

››Was ist denn los?‹‹, fragte Bruno Schwaiger.

››Ich habe gerade eine hochwichtige E-Mail von einer deiner Mitarbeiterinnen bekommen. Sie meint, dass auf keinen Fall Methanhydrat abgebaut werden darf. So ein Schwachsinn! Methan ist der Energieträger der Zukunft und wird alle unsere Probleme lösen! Hast du von dieser E-Mail gewusst?‹‹

››Nun, von ihren Ergebnissen habe ich gewusst, aber dass sie sie an euch schickt, natürlich nicht. Vermutlich wollte sie sich ein bisschen profilieren. Du weißt ja, wie die jungen Forscher sind. Ihre Ergebnisse müssen immer spektakulär sein.‹‹

››Ich will, dass du das Problem löst! Wenn diese Weltuntergangstheorien an die Öffentlichkeit gelangen, kann das unsere Pläne gewaltig durchkreuzen!‹‹

››Keine Sorge, Gerhard. Ich kümmere mich darum‹‹, sagte Bruno und legte auf. Wütend rief er Isabella in sein Büro.

››Was fällt Ihnen ein, eigenmächtig Forschungsergebnisse weiterzugeben?‹‹, fuhr er sie aufgebracht an, sobald sie sein Büro betreten hatte.

››Ich habe sie doch nur an den Umweltminister geschickt. Ich dachte, er muss informiert ...‹‹, weiter kann sie nicht, als er sie wütend unterbrach.

››Ich habe gesagt, ich kümmere mich darum! Was erlauben Sie sich, dass Sie sich meinen Anweisungen widersetzen? Das reicht mir jetzt endgültig! Sie sind gefeuert. Packen Sie sofort ihre Sachen und verschwinden Sie! Ich will Sie hier nicht mehr sehen!‹‹

››Aber …‹‹, setzte sie an.

››Los, raus hier!‹‹, schrie er sie an.

Isabella verließ benommen das Büro. Auf dem Flur standen einige Kollegen, die das Gebrüll des Chefs gehört hatten. Sie waren aus ihren Büros gekommen, um zu erfahren, was los war.

››Ich bin entlassen worden‹‹, sagte Isabella, den Tränen nahe. Aber sie riss sich zusammen. Auf keinen Fall wollte sie jetzt anfangen zu weinen.

››Warum das denn?‹‹ fragte eine Kollegin erstaunt.

››Weil ich Forschungsergebnisse an den Umweltminister weitergegeben habe. Unser Chef hat es nicht getan, als so habe ich es gemacht. Ich dachte, der Umweltminister muss doch informiert werden‹‹, sagte Isabella fast ein bisschen trotzig.

Bedauernde Blicke folgten ihr, als sie in ihr Büro ging und wahllos alles einpackte, was auf ihrem Schreibtisch lag. Isabella sah auf, als sich die Tür öffnete. Luisa kam in ihr Büro und schloss die Tür hinter sich. Sie ging zu Isabella und nahm diese in den Arm.

››Ich habe gerade gehört, was passiert ist. Es tut mir so leid.‹‹

››Ich verstehe das nicht!‹‹ Isabella war geschockt.

››Du weißt doch, dass Schwaiger sehr aufbrausend ist.‹‹

››Ja schon, aber mich gleich zu feuern, ist doch völlig übertrieben, oder?‹‹

››Lass ihn mal eine Nacht darüber schlafen. Er regt sich schnell auf, aber genauso schnell regt er sich auch wieder ab. Wenn Schwaiger sich beruhigt hat, werde ich versuchen, mit ihm zu reden. Bestimmt überlegt er sich das mit der Kündigung noch mal. Schließlich kann er es sich nicht leisten, auf eine brillante Wissenschaftlerin wie dich zu verzichten‹‹, versuchte Luisa Isabella aufzuheitern.

››Danke‹‹, entgegnete Isabella mit einem zittrigen Lächeln.

››So, ich muss wieder. Lass den Kopf nicht hängen‹‹, verabschiedete sich Luisa und verließ eilig Isabellas Büro.

Isabella beeilte sich, ihre Sachen zusammenzupacken. Sie wollte so schnell wie möglich weg aus dem Büro. Vorsichtig öffnete sie ihre Bürotür und sah nach draußen. Auf dem Flur war niemand zu sehen. Sie hastete an den Büros ihrer Kollegen vorbei und meinte, hinter den angelehnten Türen Getuschel zu hören. Doch keiner ließ sich blicken. Sie lief die Treppe zum Erdgeschoss hinunter und strebte eilig dem Ausgang zu.

››Frau Filanders?‹‹, sprach der Pförtner sie zögernd an.

Überrascht sah Isabella auf.

››Kann ich bitte Ihre Zugangskarte haben?‹‹, fragte der Pförtner verlegen.

››Ja natürlich‹‹, murmelte Isabella und wühlte hektisch in ihrer Tasche, bis sie sie schließlich gefunden hatte und dem Pförtner in die Hand drückte. Dann eilte sie zum Ausgang und einen Moment später fiel die Tür hinter ihr zu. Der Pförtner griff zum Telefon und wählte.

››Frau Filanders hat gerade das Gebäude verlassen. Ihre Zugangskarte habe ich.‹‹

››Gut, sorgen Sie dafür, dass sie keiner mehr herein lässt. Sie ist im Institut für Umweltforschung unerwünscht‹‹, ordnete Bruno Schwaiger an, während er aus seinem Büro beobachtete, wie Isabella mit gesenktem Kopf über den Vorplatz eilte. Er gratulierte sich im Stillen, dieses Problem so schnell gelöst zu haben.

Als Isabella ihre Wohnung erreichte, stand sie immer noch unter Schock. Sie schloss die Wohnungstür auf und ließ achtlos ihre Tasche und den Einkaufsbeutel mit ihren Bürosachen auf den Boden fallen. Sie durchquerte das Wohnzimmer und ging auf den kleinen Balkon. Blicklos sah sie in die Ferne, während sie versuchte zu verstehen, was da am Vormittag geschehen war. Schwaiger hatte sie entlassen, weil sie ihren Bericht an das Umweltministerium geschickt hatte. Doch das ergab für Isabella keinen Sinn. Sie hatte schon häufiger Forschungsberichte an andere Stellen weitergegeben, die über die jeweiligen Ergebnisse informiert werden mussten, ohne dass Schwaiger sich besonders dafür interessiert hatte. Warum war seine Reaktion dieses Mal derartig extrem ausgefallen? Sollten die Ergebnisse etwa geheim bleiben? Aber aus welchem Grund?

Diese Idee erschien ihr zu abwegig. Sie beruhigte sich mit dem Gedanken, dass der Umweltminister über ihre Ergebnisse Bescheid wusste. Er würde dafür sorgen, dass sie in die politische Diskussion einfließen und Gehör finden würden. Wenn das geschehen war, würde auch Schwaiger einsehen, dass er überreagiert hatte.

Getröstet von diesem Gedanken ging Isabella ins Wohnzimmer und startete ihr Notebook. Sie wollte sehen, ob auf der Seite des Umweltministeriums vielleicht schon ein Statement zum Thema Methanhydrat zu lesen war. Beim Einschalten flackerte der Bildschirm bedenklich. Doch mit ein bisschen Geruckel bekam Isabella wieder ein klares Bild. Sie musste das Gerät bald zur Reparatur bringen, denn lange würde der Bildschirm nicht mehr funktionieren. Sie hoffte, dass die Techniker das Problem lösen könnten. Sie hatten es immerhin schon einmal geschafft. Sie hatte ihr Notebook 2017 zum Geburtstag geschenkt bekommen. Damals waren technische Geräte noch billig gewesen. Einige Monate später hatte die dritte Ölkrise begonnen und die Welt schlagartig verändert. Das Öl wurde innerhalb weniger Wochen so teuer, dass sich kein normaler Mensch mehr Benzin leisten konnte. Auch der Lieferverkehr brach zusammen, so dass den Geschäften nach und nach die Ware ausging. Die Elektronikgeschäfte bekamen keinen billigen Nachschub mehr aus Asien und jetzt, zehn Jahre später, würde es sie ein kleines Vermögen kosten, das Gerät zu ersetzen.

Nachdem sie sich die Seite des Umweltministeriums gründlich angesehen hatte, musste sie feststellen, dass es zum Thema Methanhydrat noch keine Äußerungen gab. Sie war etwas enttäuscht, wusste aber, dass diese Dinge ihre Zeit brauchten. Dann klickte sie auf den Werdegang des Umweltministers. Früher hatte er in der Energiebranche gearbeitet. Wie es schien, pflegte er immer noch gute Kontakte zu den diversen Energieunternehmen. Es erstaunte sie, dass so einer Umweltminister geworden war. Aber dieser Posten hatte in den letzten Jahren mehr und mehr an Bedeutung gewonnen, denn die effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen war zum wichtigsten politischen Thema geworden. Sie fragte sich, ob der Umweltminister objektiv mit dem Thema Methanhydrat umgehen würde oder ob er immer noch tief in der Energiebranche verwurzelt war. Isabella schätzte die Wahrscheinlichkeit, dass er unvoreingenommen war, als sehr gering ein. Vermutlich war von dieser Seite keine Hilfe zu erwarten.

Sie sah sich die Seiten verschiedener Umweltorganisationen an. Die Informationen, die diese veröffentlichten, besaßen nicht annähernd die Brisanz ihrer eigenen Forschungsergebnisse. Wahrscheinlich würden die Umweltorganisationen ihre Ergebnisse mit Kusshand nehmen und für eine Kampagne verwenden. Aber vermutlich wurden die Genehmigungen für den Abbau von Methanhydrat schon vorher erteilt und so etwas wieder rückgängig zu machen, könnte Jahre dauern. Dann wäre es vermutlich schon zu spät.

Sie fragte sich, was sie tun sollte. Hatten Schwaiger und der Umweltminister vor, die Gefahren, die mit dem Abbau von Methanhydrat zusammenhingen, zu ignorieren? Niemand hatte bis jetzt auf diese Gefahren hingewiesen. Wenn Ihr Forschungsbericht bisher nicht veröffentlicht worden war, würde das vielleicht auch in Zukunft nicht geschehen. Sollte sie die Öffentlichkeit warnen? Aber wie sollte sie das tun? Entmutigt und deprimiert ließ sie den Kopf auf den Tisch sinken. Am liebsten würde sie einfach vergessen, was sie herausgefunden hatte. Das wäre am leichtesten. Isabella war ratlos und hatte keine Idee, wie sie einflussreiche Politiker erreichen könnte, um die bevorstehende Katastrophe abzuwenden. Unschlüssig, was sie tun sollte, beschloss sie, einen Kaffee zu trinken, um ihre Gedanken zu sammeln. Aber natürlich war an einem Tag wie diesem der Kaffee alle. Ein Blick in den Kühlschrank zeigte ihr, dass ein Einkauf mehr als nötig war. Also zog sich Isabella ihre Jacke an, nahm ihre Tasche und fuhr mit ihrem Fahrrad los.

Sie kam am Lebensmittelladen vorbei, aber einkaufen wollte sie später. Jetzt steuerte sie ein anderes Ziel an. Der Parkplatz des Ladens war halb voll mit Fahrrädern und den unvermeidlichen Fahrradanhängern, die man überall sah. Sie überlegte, ob der Hersteller inzwischen wohl Millionär wäre. Zwei Lieferanten des Geschäftes kreuzten ihren Weg, auch sie auf Fahrrädern mit vollgepackten Anhängern. Isabella beschloss, sich auf dem Rückweg frischen Salat zu kaufen. Zum Glück war der Winter und damit die monatelange Kohlzeit vorbei. Aber was sollte man machen. Im Winter gab es nun einmal kaum andere einheimische Gemüsesorten.

Ein paar Minuten später betrat sie ihr Lieblingscafé am Potsdamer Platz. Sie kam gerne her, denn sie mochte die Atmosphäre des Platzes. Hier pulsierte das Leben und immer, wenn es das Wetter zuließ, genoss es Isabella, sich draußen hinzusetzen und dem bunten Treiben zuzuschauen.

››Einen XL-Cappuccino zum Mitnehmen, bitte‹‹, sagte sie zur Verkäuferin und reichte ihr ihren Kaffeebecher. Viele Cafés hatten in den letzten Jahren ein neuartiges Pfandsystem eingeführt, da herkömmliche Pappbecher zu teuer geworden waren. Die Kunden konnten entweder ihren Kaffeebecher mitbringen oder bekamen einen und zahlten dafür Pfand. So mussten sie unterwegs nicht auf ihren Kaffee verzichten.

Mit ihrem Kaffeebecher in der Hand trat sie vor die Tür und nahm einige Schlucke. Der Kaffee schmecke ihr viel besser als zu Hause. Kaffee war mittlerweile ein teurer Luxus. Da er in Europa nicht angebaut werden konnte, musste er weit transportiert werden und das hatte seinen Preis. Meistens trank Isabella Getreidekaffee aus heimischem Anbau, doch ab und zu gönnte sie sich einen richtigen Kaffee.

Sie betrachtete die Menschen. Einige telefonierten, andere unterhielten sich miteinander. Eine Fahrradrikscha fuhr an Isabella vorbei. Darin saß eine Familie. Die beiden Kinder beobachteten interessiert das Treiben um sie herum. Businessleute eilten durch die Straßen und Touristen sahen sich neugierig um. Wie überall wurde das Straßenbild von Radfahrern beherrscht. Autos waren fast völlig verschwunden. Alle waren mit ihrem alltäglichen Leben beschäftigt. Isabella dachte an andere Städte, Metropolen wie New York oder Vancouver, die am Meer lagen. Auch dort lebten Millionen von Menschen, ahnungslos darüber, was für ein Unheil auf sie zukam. Wenn sie Glück hätten, könnten sie vor einem kommenden Tsunami fliehen, doch ihr Zuhause würde zerstört werden. Die Heimat zu verlieren wäre ein schlimmes Schicksal. Als Flüchtling an einen fremden Ort zu kommen und dort vielleicht auf Ablehnung zu stoßen, war schwer. Wer weiß, ob sich diese Menschen je wieder irgendwo heimisch fühlen könnten. Wenn sie jedoch Pech hätten, dachte Isabella düster, würden sie nicht rechtzeitig gewarnt werden und müssten in den Fluten eines Tsunamis sterben. Plötzlich erhielt sie einen Stoß und wurde unsanft aus ihren Gedanken gerissen. Ein Mann hatte sie angerempelt. Sie fühlte etwas Warmes über ihre Hand laufen und ein Blick bestätigte ihr, dass ihr Kaffee verschüttet worden war. Eilig hielt sie den Kaffeebecher von sich weg, um ihre Sachen zu schützen, doch dafür war es bereits zu spät.

››Können Sie nicht aufpassen?‹‹, fragte sie ärgerlich und sah ihn an. Sie sah in warme braune Augen und ein attraktives Gesicht.

››Es tut mir schrecklich leid, ich habe Sie nicht gesehen‹‹, sagte der Mann und hob entschuldigend die Hand, in der er sein Handy hielt.

››Ich habe gerade eine Nachricht gelesen und da habe ich Sie wohl übersehen. Es tut mir leid. Haben sie Kaffee auf ihre Sachen bekommen?‹‹ Eilig zog er ein Taschentuch aus seiner Tasche und reichte es ihr.

››Nur ein paar Spritzer. Es geht schon‹‹, entgegnete Isabella, während sie versuchte, die Kaffeeflecken von ihrer Jacke zu tupfen.

››Sie müssen mir erlauben, Ihnen als Wiedergutmachung einen neuen Kaffee zu kaufen‹‹, sagte er mit einem gewinnenden Lächeln, ››Was war das für einer?‹‹

››Ein Cappuccino‹‹, erwiderte sie, gefangen von seinem Lächeln.

››Am besten gehen wir rein, da ist es ungefährlicher. Setzen Sie sich, ich hole den Kaffee.‹‹ Mit diesen Worten ging er zur Theke.

Als er mit den Kaffeetassen zum Tisch kam, hatte Isabella Gelegenheit, ihn in Ruhe zu betrachten. Er hatte dunkelbraune kurze Haare und trug einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und einer Krawatte, die ziemlich teuer aussah. Mit einem Lächeln stellte er die Tassen auf den Tisch.

››Bitteschön, als kleine Wiedergutmachung.‹‹

››Danke‹‹, sagte sie und trank genussvoll von ihrem Cappuccino.

››Was ist denn Ihr Job, dass Sie so interessante Mails bekommen und unschuldige Frauen umrennen?‹‹, fragte Isabella, nachdem er sich gesetzt hatte.

››Ich bin Umweltberater‹‹, sagte er und lächelte über ihren erstaunten Gesichtsausdruck. ››Die Zeit der selbst gestrickten Pullover ist inzwischen vorbei. Es geht in meinem Job nicht mehr darum, ein paar undichte Fenster auszutauschen und Energiesparlampen einzusetzen.‹‹

››Das ist mir schon klar, aber ich wusste nicht, dass sich diese Branche so verändert hat‹‹, erklärte sie einigermaßen verblüfft.

››Oh, das hat sie auf jeden Fall. Inzwischen braucht man eine Menge Know-how und gute Kontakte zu den richtigen Leuten. Wenn man das hat, kann man auch ganz gut verdienen. Und was für tiefgehende Gedanken hatten Sie, dass Sie mir nicht ausgewichen sind?‹‹, fragte er.

››Ich habe gerade versucht eine Entscheidung zu fällen.‹‹

››Haben Sie es noch geschafft, bevor ich Sie angerempelt habe? Sich zu entscheiden, meine ich.‹‹

››Ja, ich glaube schon‹‹, antwortete Isabella zögernd und sah ihm in die Augen. Auf einmal durchzog sie die Gewissheit, dass sie sich tatsächlich entschieden hatte. Sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Genehmigungen für den Abbau von Methanhydrat zu verhindern.

››Darf man fragen, worum es dabei ging?‹‹ Er sah ihr wehmütiges Lächeln als Reaktion auf seine Frage. ››Ist wohl zu privat, Entschuldigung.‹‹

Isabella hätte sich ihm gerne anvertraut. Es würde so gut tun, ihre Sorgen mit jemandem zu teilen. Sie hielt sich jedoch zurück. Sie kannte diesen Mann erst fünf Minuten, wie sollte sie ihm da die neueste Version des Weltuntergangs anvertrauen.

Um das entstandene Schweigen zu überbrücken, sagte er: ››Ich heiße übrigens Eric Bergmann.‹‹

››Ich bin Isabella Filanders‹‹, antwortete sie.

Sie reichten sich förmlich die Hand, was an dem kleinen Kaffeetisch deplatziert wirkte. Beide fingen an zu grinsen und die ernste Stimmung war verflogen. Dann sah Eric auf seine Uhr.

››Oh nein, so spät schon! Ich muss leider los. Ich habe ein wichtiges Meeting‹‹, sagte er erschrocken. ››Hier ist meine Karte. Falls Sie Ihre Sachen in die Reinigung bringen, schicken Sie mir die Rechnung, und falls Sie das Treffen fortsetzen wollen, würde mich das freuen.‹‹ Dabei schenkte er ihr ein charmantes Lächeln und stand auf. Im Fortgehen rief er noch: ››Rufen Sie mich an!‹‹

Etwas perplex über den schnellen Aufbruch sah Isabella ihm nach. Dann fiel ihr Blick auf seine Karte: ›Eric Bergmann - Nising & Hamilton Consulting - Umwelt- und Politikberatung‹ stand darauf. Entgeistert sah sie die Visitenkarte an. Sie hatte jemanden mit Kontakten in die Politik kennen gelernt. Isabella steckte die Visitenkarte in ihre Tasche und verließ das Café. Sie musste in Ruhe darüber nachdenken, wie sie weiter vorgehen sollte. Dafür war das Café nicht der richtige Ort.

Sie schloss ihr Fahrrad ab und fuhr zum Lebensmittelladen. Dort angekommen stellte sie es vor dem Geschäft ab und ging hinein. Ein Blick in die Obst- und Gemüseabteilung zeigte ihr, dass sie für ihren Salat zu spät kam. Die meisten Obst- und Gemüsesorten waren bereits ausverkauft. Sie würde morgen wiederkommen. Am besten gleich morgens, nachdem die örtlichen Lieferanten da gewesen waren. Jeden Tag kamen Leute aus der Gegend, die dem Laden Obst oder Gemüse verkauften. Dabei handelte es sich nicht nur um Bauern aus dem Umland, sondern auch um Leute, die ein bisschen Obst und Gemüse in ihren Gärten anbauten.

Isabella erinnerte sich, wie sie im Jahr nach der dritten Ölkrise selbst begonnen hatte, im Garten ihrer Eltern Gemüse zu ziehen, um den Speiseplan der Familie etwas zu bereichern. Die Lebensmittelpreise waren in schwindelerregende Höhen gestiegen, so dass sie sich nur noch das Notwendigste leisten konnten. Frisches Obst und Gemüse waren unbezahlbarer Luxus, denn für die Produktion und den Transport benötigte man Öl und das war sehr teuer. Zunächst war Isabellas Mutter sehr verärgert, dass Isabella den perfekten Rasen Stück für Stück mit ihren Gemüsebeeten zerstörte. Doch als Isabella dann tatsächlich etwas erntete und sogar einen Teil der Ernte an die Nachbarn verkaufte, begann ihre Mutter sie zu unterstützen. Im Gegensatz zu Isabella konnte sie sich jedoch nicht für die Gartenarbeit begeistern. Sie tat es nur aus der Notwendigkeit heraus, etwas zu essen zu haben und die Haushaltskasse aufzubessern.

Isabella verließ die Obst- und Gemüseabteilung. Brot, Butter und ein bisschen Käse würden für den Abend reichen müssen. Außerdem kaufte sie noch Pasta und Hirse. Mit frischem Gemüse und aromatischen Kräutern würde sie sich daraus in den nächsten Tagen etwas Gutes kochen. Auf ihrem Balkon hatte sie dafür einen kleinen Kräutergarten angelegt. Meistens aß sie vegetarisch, denn Fleisch war sehr teuer.

Als sie alles beisammen hatte, bezahlte sie und ging mit ihren Einkäufen zum Fahrrad, um alles darauf zu verstauen. Dann machte sie sich auf den Weg nach Hause.

Am nächsten Tag rief Isabella Luisa im Institut für Umweltforschung an. Sie hoffte, die Lage wäre doch nicht aussichtslos und der Chef hätte sich wieder beruhigt. Als Luisa sich meldete, sagte sie: ››Hi, ich bin's, Isabella.‹‹

››Hallo, wie geht es dir?‹‹

››Nicht besonders gut. Hast du noch mal mit Schwaiger gesprochen?‹‹, erkundigte sich Isabella zögernd.

››Ja, aber ich konnte leider nichts erreichen. Er ist immer noch sehr wütend‹‹, entgegnete Luisa.

››Dann gibt es wohl keine Chance, dass er sich das mit der Kündigung noch einmal überlegt?‹‹, fragte Isabella enttäuscht.

››Nein, leider nicht. Ich habe alles probiert, aber er ließ sich einfach nicht umstimmen. Um ehrlich zu sein, hat er sich schon Argumente zurechtgelegt, falls du gegen die Kündigung klagen solltest. Ich glaube, du hättest keine Chance zu gewinnen. Es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen konnte.‹‹

››Trotzdem danke, dass du es versucht hast‹‹, sagte Isabella irritiert. ››Weißt du eigentlich, was mit meinen Forschungsergebnissen geschehen ist?‹‹

››Die hält der Alte streng unter Verschluss. Oh, ich muss Schluss machen, er kommt gerade hierher.‹‹

››Tschüss‹‹, sagte Isabella, doch Luisa hörte es nicht mehr. Sie hatte schon aufgelegt. Na, das war ja ein kurzes Telefonat, dachte Isabella. Sie hätte sich gerne noch länger mit Luisa unterhalten, denn sie fühlte sich einsam und hätte ein bisschen moralische Unterstützung gebrauchen können. Nun war also klar, dass sie vom Institut für Umweltforschung keine Hilfe erwarten konnte.

Sie musste an Eric Bergmann denken. Wieder sah sie seine Karte an. Sie fand ihn sehr sympathisch, war sich aber nicht sicher, ob sie ihm trauen konnte, denn schließlich kannte sie ihn überhaupt nicht. Die zweite Frage war, ob er sie ernst nehmen würde. Andererseits war ein Treffen mit ihm möglicherweise ihre einzige Chance, einflussreiche Leute zu erreichen, die ihr helfen konnten. Schließlich nahm sie ihren Mut zusammen und rief ihn an.

Isabella hatte sich für ihr Treffen mit Eric sorgfältig gekleidet. Sie hatte ein elegantes grünes Kleid gewählt, das gut mit ihren grünen Augen harmonierte. Ihre honigblonden Haare hatte sie zu einer Hochsteckfrisur arrangiert. Normalerweise trug sie legere Kleidung, aber Eric hatte ein sehr exklusives Restaurant für ihr Treffen vorgeschlagen und dort wäre eines ihrer bunten Lieblingskleider sicher nicht passend. Außerdem wollte sie von Eric ernst genommen werden. Zum Glück hatte ihre Mutter sie gezwungen, dieses Kleid für die Silberhochzeit ihrer Tante Fiona zu kaufen. Ihre Mutter meinte, sie müsse auch etwas Anständiges im Schrank haben. Sie hatte für Isabellas Kleidungsstil nichts übrig.

Als Isabella das Restaurant erreichte, wartete Eric bereits auf sie. Er begrüßte sie mit seinem charmanten Lächeln und sie gingen hinein. Er half ihr aus ihrer Jacke und sein Blick glitt anerkennend über ihre schlanke Figur, die in dem schmal geschnittenen Kleid gut zur Geltung kam.

››Sie sehen toll aus‹‹, sagte er lächelnd.

››Vielen Dank.‹‹ Sie musterte Erics eleganten Anzug und sein Gesicht.

Der Ober führte sie zu ihrem Tisch und sie nahmen Platz. Einige Momente später erschien er wieder und servierte ihnen Prosecco.

››Mit den besten Empfehlungen des Hauses‹‹, sagte er.

Eric erhob sein Glas: ››Was halten Sie davon, wenn wir uns duzen?‹‹

››Das würde ich schön finden‹‹, antwortete Isabella und prostete ihm zu. Nachdem beide etwas getrunken hatten, erkundigte sich Eric.

››Sind deine Sachen wieder sauber geworden?‹‹

››Ja, alles in Ordnung.‹‹ antwortete Isabella mit einem Lächeln. ››Deshalb wollte ich mich aber nicht mit dir treffen.‹‹

››Ach nein?‹‹, fragte er mit gespielter Überraschung.

Bevor sie antworten konnte, kam der Ober mit der Speisekarte und sie wählten ihr Essen aus.

››Möchten Sie einen Wein zum Essen?‹‹, fragte der Ober, als er die Bestellung aufnahm. Fast wollte Isabella bejahen, als ihr wieder einfiel, dass das für sie ein sehr wichtiges Treffen war und kein Date. Es wäre wirklich besser, wenn sie nüchtern bliebe, also verneinte sie. Eric sah sie ein wenig verwundert an, bestellte dann aber für sich selbst.

››Warum wolltest du dich denn mit mir treffen?‹‹ Sein Tonfall deutete an, dass er die Antwort schon genau kennen würde. Vermutlich dachte er, sie wäre nur hier, weil sie auf der Suche nach einem Mann sei. Also nahm Isabella ihren Mut zusammen.

››Weißt du, ich bin Umweltforscherin im Bereich Wechselwirkungen von Klima und Technologie. Ich habe an den Auswirkungen geforscht, die sich aus der Nutzung von Methan aus Methanhydraten als Energieträger ergeben würden.‹‹

››Das hört sich interessant an‹‹, antwortete er mechanisch. Das hatte er nun überhaupt nicht erwartet. Er hatte sich auf einen romantischen Abend gefreut und nun sprach sie ausgerechnet dieses Thema an.

››Bei den neuesten Berechnungen, die ich durchgeführt habe, haben sich sehr überraschende Ergebnisse ergeben‹‹, sagte Isabella und versuchte einzuschätzen, was Eric dachte. Aber aus seiner Miene konnte sie nichts ablesen. Sie fragte sich, wie viel sie ihm erzählen sollte, fragte sich, ob sie ihm trauen konnte. Schließlich entschloss sie sich, offen zu sein, denn Eric schien eine ausgezeichnete Chance sein. Sie musste ihn überzeugen.

››Die Ergebnisse sagen voraus, dass die Förderung von Methan aus Methanhydraten sehr gefährlich ist. Die Klimaerwärmung könnte weiter beschleunigt werden. Dadurch würden sich die Ozeane erwärmen, was dazu führt, dass weiteres Methanhydrat im Meeresboden auftaut und in die Atmosphäre entweicht. Das beschleunigt die Klimaerwärmung weiter und so kommt eine Kettenreaktion in Gang‹‹, erklärte Isabella. Durch ihre Nervosität war die Erklärung jedoch nicht so strukturiert und verständlich wie beabsichtigt.

››Am besten essen wir erst einmal, da kommt der Ober mit unserem Essen‹‹, unterbrach Eric sie freundlich, aber reserviert. Obwohl das Essen vorzüglich war, konnte Isabella es nicht richtig genießen, denn sie war zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt. Auch ihre Unterhaltung war nun nicht mehr so ungezwungen wie vorher. Als sie das Essen beendet hatten, verließen sie gemeinsam das Restaurant. Isabella war enttäuscht, denn Eric hatte ihr keine Chance gelassen, noch einmal über ihre Forschungsergebnisse zu sprechen. Immer wenn sie es versuchte, hatte er abgelenkt.

››Darf ich dich nach Hause bringen?‹‹, erkundigte er sich höflich.

››Ja, gerne‹‹, antwortete sie. Damit hatte sie noch ein bisschen Zeit gewonnen, um ihn zu überzeugen. Er ging auf einen BMW zu und öffnete ihr die Tür.

››Ist das deiner?‹‹, fragte Isabella überrascht. Seit der dritten Ölkrise waren Autos aus dem Straßenbild fast komplett verschwunden. Dieses wurde seit einigen Jahren von Fahrrädern beherrscht. Nur die wenigsten Leute fuhren privat noch Auto.

››Das ist nur ein Firmenwagen‹‹, antwortete Eric und stieg ebenfalls ein. Er startete den Wagen und das leise Surren eines Elektromotors wurde hörbar.

››Oh, das ist ein Elektroauto‹‹, stellte Isabella fest.

››Ich arbeite als Umweltberater, da kann ich ja wohl schlecht mit einem Benziner herumfahren.‹‹

››Das stimmt natürlich.‹‹

Eric drehte sich zu Isabella und sah ihr ins Gesicht. Auf einmal sah er ärgerlich aus.

››Eigentlich dachte ich, dieser Abend soll ein angenehmes Date werden und dann erzählst du mir was von Klimaforschung und gefährlichen Kettenreaktionen. Was erwartest du jetzt von mir?‹‹

Isabella versuchte ihre Nervosität zu unterdrücken und antwortete: ››Ich will, dass du mir hilfst meine Ergebnisse an die richtigen Leute zu bringen, damit der Abbau von Methanhydrat verhindert wird.‹‹

››Hast du Beweise für deine Behauptungen?‹‹

››Nein‹‹, sagte Isabella ernüchtert. Daran hatte sie bisher nicht gedacht. ››Alle meine Unterlagen sind im Institut für Umweltforschung und die haben mich entlassen.‹‹

››Tja, tut mir leid, ohne Beweise kann ich dir nicht weiterhelfen‹‹, sagte er abweisend. ››Wo wohnst du?‹‹

Isabella nannte ihm die Adresse und Eric fuhr los. Fast lautlos glitten sie durch die nur spärlich erleuchteten Straßen. Einige Minuten später erkundigte er sich: ››Ist es hier?‹‹

››Ja‹‹, antwortete Isabella frustriert.

››Gute Nacht‹‹, sagte Eric distanziert.

Isabella blieb nichts anderes übrig als auszusteigen. Kaum hatte sie die Tür geschlossen, gab Eric Gas und fuhr davon. Enttäuscht schaute Isabella ihm nach und sah seine Rücklichter in der Dunkelheit verschwinden.

In der folgenden Nacht schlief Isabella schlecht. Alle ihre Hoffnungen hatten sich in Luft aufgelöst. Als sie am nächsten Morgen erschöpft aufstand, stolperte sie über den Beutel mit ihren Bürosachen. Den musste sie auch endlich auspacken, damit er nicht ewig herumlag. Aber das hatte Zeit bis nach dem Frühstück.

Nach dem Frühstück machte sich Isabella widerwillig daran, den Beutel auszupacken. Sie zog einen Stapel Papiere heraus und sah sie an. Da waren alle möglichen Notizen und Schmierzettel, Sachen, die eigentlich in den Müll gehörten. Ein paar bunte Stifte waren auch darin. Dann sah sie einen Locher. Fast musste sie lachen. Sie hatte aus Versehen einen Locher vom Institut für Umweltforschung mitgehen lassen. Der Beutel war fast leer, nur etwas Kleines befand sich noch darin. Sie sah genau hin und ihr stockte der Atem. Da war ihr Speicherchip! Auf diesem Chip hatte sie immer ihre Zwischenergebnisse aus Angst vor einem Computerfehler gespeichert. Auf diesem Chip befand sich auch das Endergebnis ihrer Studie. Sie hatte ihn selbst für die Arbeit gekauft, weil ihr Chef kein Geld für unnötige Datensicherung, wie er es nannte, ausgeben wollte. Da war der Beweis, den Eric wollte! Aufgeregt ergriff sie das Telefon und rief ihn an.

››Hallo, hier ist Isabella Filanders‹‹, meldete sie sich aufgeregt.

››Ja, was gibt es?‹‹, fragte Eric.

››Ich habe den Beweis, den du wolltest‹‹, rief sie immer noch aufgeregt.

››Also gut, dann treffen wir uns 18:00 Uhr am Café‹‹, sagte er nach kurzem Zögern.

Er schien irgendwie verärgert zu sein. Sie wusste nicht warum, aber das war ihr auch egal. Jetzt, wo sie ihre Daten hatte, musste er ihr helfen!

Isabella erreichte das Café zu früh, aber sie wollte Eric auf keinen Fall verpassen. Um die Wartezeit zu überbrücken, kaufte sie einen Cappuccino. Eigentlich brauchte sie keinen Kaffee, denn sie war auch so schon nervös und aufgeregt genug, aber so war sie wenigstens beschäftigt. Sie hatte das Gefühl, dass die Zeit nur sehr langsam verging. Als es endlich 18:00 Uhr war, erwartete sie ihn jeden Moment und hielt erwartungsvoll Ausschau. Aber von Eric war weit und breit nichts zu sehen. Langsam vergingen die Minuten, doch er war immer noch nicht da. Isabella wurde immer unruhiger. Kam er etwa nicht? Das konnte er doch nicht machen!

Nach einigen weiteren Minuten ungeduldigen Wartens sah sie einen Mann im dunklen Anzug um die Ecke biegen. Es war Eric! Erleichterung durchströmte Isabella. Er hatte sie also doch nicht versetzt.

››Hallo! Also, wo sind deine Beweise?‹‹, begrüßte er sie und kam sofort zur Sache.

››Ich habe meinen Speicherchip gefunden, auf dem sind alle meine Ergebnisse‹‹, antwortete Isabella. ››Wenn du willst, kann ich sie dir im Café zeigen. Ich habe mein Notebook dabei.‹‹ Sie sah ihn fragend an. Eric überlegte einen Moment. Wenn diese Ergebnisse tatsächlich brisant waren, wollte er sie auf keinen Fall in der Öffentlichkeit diskutieren.

››Nein, wir gehen zu mir. Meine Wohnung ist nicht weit von hier.‹‹ Seine Stimme zeigte keine Spur von Wärme und auch seine Haltung war abweisend.

Sie fragte sich, wo Eric wohnte, während sie einige Minuten schweigend durch die Straßen gingen. Er steuerte auf eine elegante Wohnanlage zu, die sie kurz darauf betraten. Sie kamen an einem Portier vorbei, der sie freundlich begrüßte. Dann fuhren sie mit dem Fahrstuhl in eine der oberen Etagen, wo er mit seiner Key-Card die Wohnungstür öffnete und sie eintreten ließ.

Isabella betrat den Eingangsbereich der Wohnung. Der Boden war mit dunklem Parkett bedeckt und die Wände waren in einem zarten Cremeton gehalten. Geradeaus führten zwei Stufen hinab in ein großzügiges Wohnzimmer. Isabella war fasziniert von der bodentiefen Fensterfront, die die gesamte Längsseite dieses Zimmers bedeckte. Am Tag hatte man bestimmt einen tollen Blick über die Stadt, dachte sie. Jetzt sah man die Lichter der Häuser in der Umgebung. Rechts vom Durchgang, der vom Eingangsbereich in das Wohnzimmer führte, stand eine cremefarbene Sitzgruppe. An der Wand hing ein Flachbildschirm. Links vom Durchgang stand ein großer eleganter Esstisch mit passenden Stühlen.

››Bitte, nimm Platz.‹‹

Isabella holte ihr Notebook aus der Tasche und schaltete es an. Sie schloss ihren Speicherchip an und begann die Daten hochzuladen. Sie merkte, dass ihre Hände dabei leicht zitterten. Erics ablehnende Haltung machte sie nervös. Sie warf einen schnellen Blick auf ihn, der auf der anderen Seite des Tisches stand und sie seinerseits abschätzend beobachtete. Als sie sich kennengelernt hatten, war er freundlich und charmant gewesen. Aber seit sie ihm von ihren Forschungsergebnissen berichtet hatte, verhielt er sich abweisend und kühl. Gab es viele Leute, die seine Unterstützung für ihre Projekte haben wollten? Reagierte er deshalb so ablehnend? Das war schon möglich, doch wie oft stieß jemand auf Ergebnisse, die die ganze Welt verändern konnten und bat ihn um Hilfe? Sie würde um eine Million wetten, dass sie die Erste war. Ein Blick auf den Bildschirm bestätigte ihr, dass die Daten fertig geladen waren.

››Hier hast du deinen Beweis‹‹, sagte sie herausfordernd.

Eric kam zu ihr und sah auf den Bildschirm, aber da waren nur Unmengen von Zahlen zu sehen, die er nicht interpretieren konnte.

››Ich fürchte, dass du mir deine Zahlen erklären musst‹‹, sagte er. Es ärgerte ihn, dass er sie fragen musste, aber er war neugierig. Neugierig, wer sie war und was sie glaubte entdeckt zu haben. Allerdings hatte er nicht die Absicht, sich von ihr in etwas hineinziehen zu lassen. Er wollte sehen, auf was sie gestoßen war. Er würde sich eine Kopie von ihren Daten besorgen und dann musste er sie nur noch loswerden.

››Die Sache ist die‹‹, begann Isabella ihre Erläuterung. ››Die großen Energiekonzerne, vor allem Veller Energy, planen in der Zukunft, Methan aus Methanhydrat zu fördern und es als Energieträger zu nutzen.‹‹

Eric überlegte einen Moment. Dann fragte er: ››Ach, du meinst den Abbau von Methanhydrat?‹‹

Isabella verdrehte die Augen, was Eric nicht entging.

››Was ist?‹‹, fragte er.

››Das Methanhydrat wird nicht abgebaut. Das Hydrat wird destabilisiert, so dass das Methan austritt. Nur weil irgendein Journalist geschrieben hat, dass das Methanhydrat abgebaut wird, glaubt jetzt alle Welt, dass Methanhydrat vom Meeresboden abgebaut wird wie Kohle in einem Steinbruch‹‹, erwiderte Isabella genervt.

Eric lachte. ››Gib es auf, dagegen wirst du nicht ankommen.‹‹

››Okay, jetzt werde ich nur noch Abbau von Methanhydrat sagen, schon um mir diese verwunderten Blicke zu ersparen. Jedenfalls meinen die Energiekonzerne, dass sie mit Methanhydrat alle Energieprobleme der Zukunft lösen können.‹‹

››Stimmt das denn nicht?‹‹, fragte Eric.

››Das ist nicht die Frage‹‹, antwortete Isabella. ››Die Frage ist vielmehr, was für Probleme der Abbau von Methanhydrat mit sich bringt? Und das sind eine Menge Probleme‹‹, sagte sie düster. ››Das Verfahren ist sehr kompliziert. Dabei besteht die Gefahr, dass unabsichtlich Methan freigesetzt werden kann, das als Gas an die Wasseroberfläche steigt und dann in die Atmosphäre gelangt. Methan ist ein sehr viel wirksameres Treibhausgas als Kohlendioxid und wird den Klimawandel erheblich beschleunigen.‹‹ Eric wollte etwas einwenden, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. ››Wenn sich das Klima erwärmt, erwärmen sich auch die Ozeane. Das führt dazu, dass mehr Methanhydrat freigesetzt wird. Du musst dir das wie Eis vorstellen, wenn es schmilzt. Es wird ja auch Methaneis genannt. Je wärmer es also wird, desto mehr Methaneis schmilzt. Allerdings ist das kein langsamer ruhiger Prozess wie bei Eis, das zu Wasser wird. Methanhydrat geht vom festen Zustand direkt in den gasförmigen über, wobei sich sein Volumen um ein Vielfaches erhöht. Das ist wie eine gewaltige Explosion. Der Meeresboden, aus dem das Gas entweicht, wird instabil und kann abrutschen. Du weißt, was das bedeutet?‹‹

››Tsunamis?‹‹, fragte Eric.

››Genau, dadurch werden Tsunamis ausgelöst. Außerdem ist das aus dem Meer aufsteigende Methan für den Schiffsverkehr gefährlich, denn es vermindert die Oberflächenspannung des Wassers. Wenn sich in so einer Gegend ein Schiff aufhält, wird es vom Wasser nicht mehr getragen und geht unter, ohne dass jemand etwas dagegen tun kann. Da Methan hochentzündlich ist, kann es auch tief fliegende Flugzeuge zur Explosion bringen.‹‹, Isabella sah Eric an. ››Ich weiß, das klingt wie in einem Katastrophenfilm, aber es ist leider die Wahrheit.‹‹

Eric war schockiert. Obwohl sein Wissen über diese Problematik nicht umfassend war, deckten sich Isabellas Schilderungen mit dem, was er darüber wusste.

››Verstehe ich es richtig, dass man eine Kettenreaktion auslösen würde? Methanhydrat wird abgebaut und es wird unabsichtlich Methan freigesetzt. Das Klima und damit auch die Meere erwärmen sich und dadurch wird weiteres Methan freigesetzt und so geht es immer weiter?‹‹

››Genau, wenn erst einmal begonnen wird, das Methanhydrat abzubauen, beginnt eine Kettenreaktion, die keiner mehr stoppen kann. Dazu sind wir auch mit all unserem Know-how und unserer Technik nicht in der Lage‹‹, bestätigte Isabella. ››Außerdem würden Schiffsreisen extrem gefährlich werden.‹‹

››Was das für die Weltwirtschaft bedeutet!‹‹, sagte Eric. ››Seit der Ölkrise kann sich doch kaum noch jemand die Kosten für ein Flugzeug leisten. Praktisch alles wird wieder mit Schiffen transportiert. Es wäre nur noch Handel mit Ländern möglich, die auf dem Landweg zu erreichen sind. Undenkbar!‹‹

Eric dachte darüber nach, was Isabella ihm erklärt hatte. Ihre Erklärungen erschienen ihm plausibel. Er vermutete, dass die Daten echt waren, aber er konnte sich nicht sicher sein. Konnte es sein, dass ihm irgendjemand eine Falle stellen wollte? Er dachte daran, wie sie sich kennengelernt hatten. Er hatte sie beinahe umgerannt. So etwas war nicht so einfach zu simulieren. In das Café ging er normalerweise nicht hinein, also konnte sie dort nicht gewartet haben, um ihn ››zufällig‹‹ kennenzulernen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf ihn angesetzt war, war äußerst gering.

Ihre Forschungsergebnisse waren in der Tat besorgniserregend, aber eigentlich wollte er damit nichts zu tun haben. Solche Sachen brachten nur Ärger.

››Was erwartest du von mir?‹‹, fragte er abrupt.

››Du kennst Leute in der Politik. Du könntest ihnen erklären, welche Gefahren mit dem Abbau von Methanhydrat einhergehen.‹‹

››Ich würde mal sagen, da überschätzt du mich gewaltig‹‹, sagte er abwehrend. Isabella sah Eric an und versuchte ihn einzuschätzen. Sein Gesicht zeigte jedoch keine Regung und sie konnte nicht erahnen, was er dachte.

››Bitte Eric, du musst mir helfen! Du arbeitest doch auch daran, die Umwelt zu schützen und den Klimawandel zu verhindern. Du kannst das doch nicht ignorieren!‹‹ Sie sah ihn mit einem bittenden und schon etwas verzweifelten Gesichtsausdruck an.

››Ich arbeite nur in der Branche, weil es ein gutes Geschäft ist. Früher waren es die Finanzmärkte, in denen man gut verdient hat. Heute ist es der Umweltbereich. Alles nur Business‹‹, antwortete er und versuchte möglichst kühl zu wirken. Doch das fiel ihm zusehends schwerer, denn Isabella sah ihn mit ihren grünen Augen durchdringend an.

››Nein, das glaube ich dir nicht! Ich glaube, für dich ist der Umweltschutz mehr als nur ein Geschäft.‹‹

››Wie kommst du darauf?‹‹

››Ist so ein Gefühl. Nenn es meinetwegen Intuition. Was hast du denn zu verlieren, wenn du mir hilfst?‹‹, fragte Isabella herausfordernd.

Oh, eine ganze Menge, dachte Eric, aber das konnte er ihr nicht sagen. Sie hatte ihn in die Enge getrieben.

››Was hast du jetzt vor? Wie sieht dein Plan aus?‹‹, fragte er, um sie von seinen Motiven abzulenken.

Doch Isabella ging nicht direkt auf seine Frage ein.

››Weißt du, ich glaube, die Energieunternehmen wollen sich eine Art Monopol sichern. Die Förderung von Kohle, Erdöl und Erdgas ist sehr teuer und sie braucht viel Know-how. Wenn sich die Leute erneuerbaren Energien zuwenden, wenn sie also Strom mit Solaranlagen auf ihren Hausdächern produzieren und die Wärmeversorgung durch Geothermie oder Pelletheizungen gesichert ist, brauchen sie die großen Energiekonzerne nicht mehr. Deshalb versuchen diese, den Leuten einzureden, dass die Nutzung von Methanhydrat unsere einzige Chance ist, die Energieversorgung langfristig zu sichern. Glauben die Menschen das, bleiben sie weiterhin in der Abhängigkeit der Energiekonzerne. Denn Methanhydrat abzubauen ist sehr teuer und kompliziert. Die Energieversorger wollen ihre Macht erhalten und dafür nehmen sie sogar die Zerstörung unserer Lebensgrundlage in Kauf. Der einzige Weg, das zu verhindern, ist, ein gesetzliches Verbot für den Abbau von Methanhydrat zu erwirken. Außerdem muss ein konsequenter und schneller Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgen. Ist das erst einmal geschafft, werden sich die Menschen nicht wieder in die Abhängigkeit der Energieunternehmen begeben und die damit verbundenen immensen Risiken in Kauf nehmen.‹‹

Eric dachte über Isabellas Ansichten nach. So drastisch wie sie hätte er es nicht ausgedrückt, aber er verstand, was sie meinte.

››Das Geld, das die Unternehmen in Technologien investieren wollen, die für den Abbau des Methanhydrats notwendig sind, könnte man auch für die Weiterentwicklung der alternativen Technologien verwenden‹‹, fuhr Isabella fort. ››Damit könnte man eine ganze Menge voranbringen. Jetzt ist doch gerade die neue Solarzellengeneration zur Marktreife gelangt. Wenn die offensiver gefördert wird, wäre das Methanhydrat zur Energieerzeugung gar nicht notwendig. Denn der Energiebedarf könnte mit alternativen Technologien gedeckt werden.‹‹

Mist, dachte Eric. Isabella hatte sich eine ganze Menge Gedanken gemacht. Damit hatte er nicht gerechnet. Ihm fielen keine weiteren Ausflüchte mehr ein, also lenkte er ein.

››Okay, ich werde dir helfen, aber versprich dir nicht zu viel. Es ist nicht gesagt, dass wir Erfolg haben werden‹‹, sagte er widerwillig.

Isabella wäre am liebsten vor Freude aufgesprungen und ihm um den Hals gefallen, aber sie beherrschte sich. Eric sah nicht aus, als wäre er davon begeistert.

››Danke! Ich bin so froh! Wie gehen wir jetzt vor? Was machen wir zuerst?‹‹, fragte sie aufgeregt. Gute Frage, dachte Eric und überlegte.

››Kannst du sagen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Methan unabsichtlich freigesetzt wird und wie viel Methan in die Atmosphäre gelangen kann, bevor die Kettenreaktion ausgelöst wird?‹‹, fragte er skeptisch.

››Ja, das habe ich alles berechnet. Das steht alles hier in meinen Daten.‹‹ Isabella deutete auf den Bildschirm.

››Okay, könntest du dann das da …‹‹, damit zeigte er auf die unübersichtlichen Tabellen auf dem Bildschirm, ››... irgendwie verständlich darstellen?‹‹

››Natürlich, das ist eine meiner leichtesten Übungen‹‹, sagte sie und sah großzügig darüber hinweg, dass er ihr das anscheinend nicht zutraute. Er griff nach ihrem Speicherchip, doch Isabella legte schnell ihre Hand darauf.

››Was willst du damit?‹‹, fragte sie.

››Eine Sicherheitskopie machen‹‹, antwortete er beiläufig.

››Wieso?‹‹

››Warum macht man wohl Sicherheitskopien?‹‹, fragte er in herablassenden Ton.

››Damit man das dumme Mädchen danach vor die Tür setzen kann, weil man es nicht mehr braucht?‹‹

››Wie kommst du denn auf so was? Traust du mir etwa nicht?‹‹, fragte er empört.

››Wie sollte ich dir trauen? Ich kenne dich doch gar nicht‹‹, antwortete sie sachlich.

››Vergiss nicht, du hast mich um Hilfe gebeten.‹‹

››Ich weiß.‹‹ Abschätzend sah sie ihn an. ››Aber ich bin nicht bereit, dir alle meine Daten anzuvertrauen.‹‹

››Also gut, ruf mich an, wenn du fertig bist‹‹, lenkte Eric verärgert ein. ››Du musst jetzt gehen. Ich habe noch einen wichtigen Termin.‹‹

Isabella packte ihre Sachen zusammen und verließ seine Wohnung. Sie war sich nicht sicher, was sie von Eric halten sollte. Dennoch war sie erleichtert, dass sie jetzt Hilfe hatte. Endlich lastete die Verantwortung nicht mehr allein auf ihr.

Sie kehrte zum Café zurück, wo ihr Fahrrad stand. Seit Tagen fühlte sie sich zum ersten Mal befreit und erleichtert. Als sie nach Hause fuhr, waren die Straßen schon ruhiger, denn es war Abend geworden. Isabella liebte es, mit dem Fahrrad durch die stillen dunklen Straßen der Stadt zu fahren. Ab und zu tauchten andere Radfahrer auf, kreuzten ihren Weg und verschwanden fast lautlos wieder in der Dunkelheit. Früher, als Isabella noch zur Schule ging, war das ganz anders. Die Straßen waren voller Autos, es war laut und es roch nach Abgasen. Außerdem war der Straßenverkehr mit so vielen Autos viel gefährlicher. Aber das hatte sich alles geändert.

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