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Vorwort Fußabdrücke
ОглавлениеIch bewahre
die Vergangenheit
in einem goldenen Ordner.
Verse,
schmücke schweigend die Tage
Wartend auf die
neue Vergangenheit
(„Bewahre“)
Ljubica Perkman
Der italienische Lyriker Cezare Paveze sagte einmal: „Es gibt kein Kind, welches nicht bereits alles hat“. Aufgewachsen an dem ungezähmten Fluss Vrbanja, fehlte es Ljubica Perkman an vielen Dingen, doch in ihren Versen findet man die glaubhafte Beteuerung, dass sie in ihrer Kindheit alles hatte, denn vor ihr lagen unzählige Möglichkeiten und Wahrheiten, gute wie schlechte. Sie hatte eine fürsorgliche, liebevolle Mutter die auch sie sehr liebte. Eine Mutter ist für ihr Kind immer: Sicherheit, Schutz und die Quelle der Sanftheit, welcher man im späteren, reifen Leben so niemals wieder begegnet. Diese angeborenen und erlernten Fähigkeiten durch die Mutter, trugen dazu bei, Ljubica Perkman im späteren Leben durch eine Vielzahl von Schwierigkeiten und Qualen, besonders jene, die nur in der Fremde geschehen, hindurch zu helfen. Auf der Zielgeraden ihres Lebensweges angekommen, kann sie nun auch endlich darüber schreiben. Besonnen und erfolgreich verbrachte sie das Leben einer gesunden Arbeitskraft, um sich dann einen Namen als viel beachtete Malerin und bedeutende Lyrikerin zu machen. Die Kraft für ihre Prosadichtungen, die Quelle ihres Schaffens, schöpft sie aus ihren Erinnerungen der Kindheit und frühen Jugend, die sie in ihrer Heimat Bosnien verlebte; mit dem aller größten Respekt und Anerkennung ihrer Mutter gegenüber, für deren unermesslichen Entbehrungen es kaum ein passendes Wort gibt. So kehrt sie immer wieder in diese Zeit der Vergangenheit zurück - zu ihrer Mutter und in ihre Kindheit - unerschöpflich und vieldeutig.
„Oft entfliegen meine Gedanken in die Vergangenheit; beleben mich, spenden neue Kraft. Ich sehe mich selbst, als ich ein Kind war, meine Sterne verlieren sich im Glanz.“ („Rückkehr in die Kindheit“)
In der Sammlung „Farben des Lebens“ präsentiert sie das Beste, was sie im Bereich der Poesie gelernt hat. Über mehr als ein halbes Jahrhundert in der Fremde lebend, fand sie Trost im Schreiben über ihre Heimat, ihr Tal in dem sie geboren wurde, den unberechenbaren Fluss Vrbanja und das kleine Städtchen Celinac, in dem sie ihre ersten Buchstaben lernte. Ein Städtchen reich an Natur, Schatten spendenden Wäldern und die stolze Erhebung, den Lipovac, der seit Jahrtausenden über das lebhafte Treiben in seiner Ebene wacht.
Entscheidend in ihren Darstellungen der Gedichte ist die Gelassenheit. Ähnlich der des Flusses Vrbanja, dessen Natur es ist, meist friedlich vor sich hinzu plätschern.
Es ist kein Zufall, dass dieses Band mit dem Gedicht „Rückkehr in die Kindheit“ beginnt, mit einfachen aber eindringlichen Versen: „Der Wind trägt den Geruch von Blumen und Heu, das abgemähte Feld leuchtet wie auf einer Handfläche. Im Glanz des Auges schwingt Erinnerung, bringt mich zurück zu den Tagen meiner reinen Kindheit.“ („Rückkehr in die Kindheit“, Buch „Abgerissener Zweig“)
Was diese Autorin von anderen unterscheidet ist, dass ihre Kindheit offenbar niemals endet und sie in ihrem Herzen ein Leben lang Kind bleibt.
Möglicherweise sollte man, wenn man über diesen Gedichtband spricht, die Einfühlsamkeit und die Naturverbundenheit besonders betonen, so wie zum Beispiel in dem Gedicht „Im Morgengrauen“: „Ich erinnere mich… als Kind ging ich im Morgengrauen den Waldpfad hinab zum Fluss und über rauschend raunenden Wasserfällen schwebte weiches Nebelgespinst.“ (Buch: „Brücke der Liebe“)
Gedichte dieser Art, sind die Besten in diesem Band, wie auch die Gedichte über ihre Kindheit, die Augenblicke in ihrem eigentlichen Leben, die sie uns, wie ein lyrisches Tagebuch vorstellt. Sie unterstreicht damit die alte Wahrheit, dass jede Kindheit und Jugend, egal wie schwer sie sein mochte, doch die liebsten Erinnerungen im ganzen Leben sind.
Mit dem Erwachsenwerden, erfuhr sie all‘ die Erbarmungslosigkeit des täglichen Lebens. Dazu kam der Fortgang in die Fremde, nicht um das Glück zu suchen, sondern der nackten Existenz wegen. Dieser Kontrast wird besonders hervorgehoben in dem Gedicht „Mutters Brief“ in dem es heißt: „Mit zittriger Hand Mutter, schreibst du mir wieder“ und weiter: „Dein Brief ist voller Schmerz und Wärme, Worte sind Tränen, die du heimlich abwischst…“
Das Wort „Mutter“, schreibt sie mit einem Großbuchstaben (*), so, wie man das Wort „Gott“ schreibt, der für ein Kind, die Mutter darstellt. So ist dieser Gedichtband eine Ode an die Mutter - ihre Mutter. Aber auch für alle anderen Mütter dieser Welt. In dem Gedicht „Allein bin ich…“ vergrößert sich der Kontrast zwischen den Tagen ihrer Kindheit und den späteren Schwierigkeiten, welche das voran schreitende Leben mit sich bringt. „Allein bin ich, und die Nacht senkt sich herab in meinem grünen Garten. Finster ist sie und still…“ (Buch „Abgerissener Zweig“)
Enorm ist das Ausmaß ihrer mittellosen, aber doch so reichen Kindheit, welche sie in dem Gedicht „Ich möchte“ beschreibt: „Ich möchte aufwecken die schlummernde Morgenröte. Mit einem Lächeln auf den Lippen den Tag begrüßen.
Mich berauschen am Blau des Himmels, die Sonne umarmen, mich betrachten im Strudel eines ausgetrockneten Flusses.“ (Buch: Abgerissener Zweig)
Diese retrospektive Gedichtsammlung von Ljubica Perkman ist meisterhaft und kunstvoll komponiert und die ausgesuchten Gedichte schildern eindrucksvoll ihr poetisches Wirken. Nach dem Kindheitszyklus, folgt die Periode von Gedichten in: „Das Ende eines Sommers (1998)“, dessen Titel gleichlautend mit dem eines der Gedichte ist und Symbolcharakter hat. Wie auch das Gedicht „Abgerissener Zweig“, der Titel ihres ersten Werkes. „Es stirbt der letzte Sommertag. Der Herbst stickte ihm ein golden schimmerndes Trauertuch.“ (Buch: das Ende des Sommers)
Es ist anzunehmen, dass sich die Autorin mit „Dem Ende eines Sommers“ von der Zeit des unermesslichen Heimwehs und vielen Jahren in der Fremde in ihrem Erstlingswerk „Abgerissener Zweig“ verabschieden wollte. Versöhnt mit dem Schicksal, schreibt sie das Gedicht „Kein Land ist fremd“: „Kein Land ist fremd, wenn es ein Lächeln darin gibt. Kein Land ist fremd, wenn du erkennst, dass die Sonne allen gehört…“
Dieser Zyklus endet mit einer sehr schönen, nostalgischen Elegie und trägt den Titel: „Wenn die Nacht erzittert“: „Langsam erlischt die Flamme der Petroleumlampe. Traurig heult der Hund, im Hinterhof des alten Hauses. Die Nacht erzittert, und sie – gramgebeugt, allein, wartend, bis Dämmerung den Blick erfasst.“
Zwischen den beiden Heimaten, bemühte sich die Dichterin, auf ihre Weise und im Rahmen ihrer Möglichkeiten, eine „Brücke der Liebe“ zu errichten, so wie der Titel des nachfolgenden Buches wissen lässt und zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts geschrieben wurde: „Mit goldenen Fäden meiner Liebe verknüpfe ich die Himmel zweier Heimaten. (Buch: „Brücke der Liebe“)
Neben all ihrer tiefen Liebe der Heimat gegenüber, in der sie geboren und aufgewachsen war, schaffte Ljubica Perkman wie kaum eine andere, sich Eigenschaften der neuen Heimat anzueignen: Fleiß und Verantwortung.
In diesem Gedichtband finden zahlreiche neue Gedichte ihren Platz, entstanden nach 2002 bis heute. Dieser Zyklus beginnt mit dem Gedicht „Sonnenuhr“. Eine Sonnenuhr, mit der lautlos die Zeit verrinnt. Minuten, Stunden und Jahre ihrer Kindheit, Schulzeit und kindlicher Spiele. Glückliches Lachen einer barfüßigen Kindheit. Kaum hörbar vergangen, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings.
Die fernen Jahre sind bezeichnend für die fast schönsten Augenblicke, wie zum Beispiel, in den Momenten, als „die Nacht erzitterte, Donner und Blitz ließen die Gebirge erbeben“ und ihr geliebtes Celinac erwartete das Morgengrauen, in einem „grauen Schleier“; ihr Celinac, dessen Name ihr die Heiterkeit verleiht.
Auch geschichtliche Themen der Stadt, waren Ljubica Perkman nicht fremd. Eines ihrer Gedichte ist „Zmajevac”. Ein Gedicht über eine alte, illyrische Stadt neben der, viele Jahrzehnte später, die Stadt Celinac entstand. („Zmajevac“) „Es fliegen die Gedanken, in dem alten Zmajevac, hielten inne im Wald an dem rauschenden Wasserfall. Das Wasser spritzt nach allen Seiten im Schatten des Lichtes. Der Geruch von Moos am grünen Berg. Der sagenumwobene Berg, Hüter vieler Geheimnisse… verschüttete Städte, Ruhestätte der Kelten und Illyren. Stille, leise Musik spielt eine ganze Ewigkeit. Der schmale Bergpfad, zugewachsen, überwuchert, schlängelt sich noch immer den Weg hinauf…“
In der gleichen Art und Weise, wurde auch das Gedicht „Alte Mühle“ geschrieben, in dem sich die Lyrikerin daran erinnert, wie einst ihre Mutter sie in den frühen Morgenstunden weckte, um mit ihr gemeinsam zur Mühle aufzubrechen. Sie erinnert sich mit Ehrfurcht auch an die vielen Geheimnisse und Mythen, die sich um den Fluss Vrbanja ranken. (Alte Mühle) „Laut klappert der Mühlstein. Am Wasserfall des wilden, aufgebrachten Vrbanja, schwappt Wasser über den Damm, treibt so das riesige Holzrad an. Donnerhall, schallt von den Bergen. Durch die alten Dielen, des wackeligen Bodens bringen aufgewühlte Wellen Angst in die alte Mühle. Wartend, bis sie an der Reihe ist, wiegt die Mutter mit der alten Balkenwaage den Schweiß. Die großen, dunklen Augen des Kindes beobachten durch die Spalten im Boden das Lauern der Schlange auf die Maus, die genüsslich das Mehl frisst. Der starre Blick des Kindes sieht die gefährliche Schlange und den tosenden Vrbanja.“
Ljubica Perkman hat in ihrem Gedichtband „Ausgesuchte Gedichte“, verschiedene Themen bearbeitet. In der Hauptsache aber, selbst erlebte Erinnerungen. Das Zentrum bildet ihr geliebtes Celinac oder vielmehr die Felder um den glasklaren Fluss Vrbanja in heißen Sommern, barfüßige Kinder und deren Spuren im Staub: („Im Schatten des Tales“) Im Tal herrscht Stille, die Blumen warten, dass die Sonne aufgeht. Die Lerche lässt aus großer Höhe, ihr Lied erklingen. Das Tal erwacht im Schatten, der Fluss wird leise rauschen, während ich alleine auf eine lange Reise gehe! Ich verweile kurz, höre dem Rauschen zu, suchend nach der Insel mit kleinen gelben Blüten…“
Ihre Verbundenheit zur Heimat verfasste sie in harmonischen Versen, ohne großes Ausschmücken, wie es manchmal der Fall bei Autorinnen ist, die ihre Gedichte unnötigerweise chaotisieren. Ganz im Gegenteil. Gleich eines frühlingshaften Hauches, fliegt der Leser durch ihre Verse. Es ist eben jene Reinheit in ihren Gedichten, die diese so wertvoll machen. Und um dies hervorzuheben: „[…] Trostlose Sehnsucht, will mich nicht lassen“… „mein Blick wandert den Weg hinab, der hinter mir zurück bleibt“ … schlummernden Wort, fließt goldenes Wasser, die erhobenen Weiden zeichnen ihr Bild im friedlichen Wasser“.[…]
In ihren Versen schreibt die Autorin diskret, sehr klar und dennoch mit einer Dramatik und intensiven Wärme: „Heute ist so ein trauriger Tag, so grau, erdrückt von der Schwüle, in der ich meine Mutter verlor!“ („Frag nicht“). In einem einfachen, präzisen und natürlichen Stil geschrieben und doch so voller Details. Diese Kombination aus Einfachheit und nostalgischen Emotionen, ruft eine außergewöhnliche Ästhetik hervor. In einer mittellosen, ungeduldigen Zeit und der Leere des modernen Lebens, gibt es eine reichhaltige Fülle von interessanten Themen für Autoren wie Ljubica Perkman. Sie ist eine Autorenpersönlichkeit mit höchstpersönlichem Temperament, starken Gefühlen und einer modernen Sensibilität. Mit unbeirrter Treffsicherheit in der Melodie und einer Leichtigkeit im Wortverständnis.
Etwas zu sagen, was alle wissen, ist einfach. Eine andere Form des Ausdrucks zu finden, wenn möglich mit mehr Originalität und Leidenschaft und aus einem anderen, sehr persönlichen Blickwinkel betrachtet, widmet sich die Autorin eingehend und ist damit sehr erfolgreich. Alles, was in dieser Sammlung gesagt wurde, ist wohl durchdacht, mit viel Verantwortung geschrieben und entstammt der Feder einer Autorin, die über einen großen Lebensschatz und Erfahrung verfügt.
Ihre Verse verbleiben nicht an der Oberfläche, sondern dringen tief ein in das alltägliche und immerwährende Leben mit wertvollen und inhaltlich wichtigen Themen, welches das alltägliche Leben ausmacht. Das Leben sollte man leben und erleben und sie ist der Meinung, dass auch das möglich ist.
Ljubicas Lyrik ist ein unmittelbar aus dem Inneren heraus entstehendes Bedürfnis und unterscheidet sich kaum vom Erlebten oder Erzählten. Sie führt langsam vom Visionären und Ekstatischen zum Konkreten, Bodenständigen. Von einer Erhabenheit, gleichzeitig aber mit einfachen und alltäglichen betonten Subjektiven und Adjektiven. Man kann sagen, dass sie überwiegend eine Autobiografie schreibt, durchgängig mit einem roten Faden zwischen Schmerz und der Dramatik des Lebens, verfasst in poetische Verse mit ureigener Individualität.
Mit betonender Emotionalität beschreibt Ljubica Perkman in ihren Versen eigene Gefühle und Erlebnisse, als ob sie sich der Meinung von Oskar Wilde anschließen wollte. Diesem sagt man nach, dass er Menschen immer dann langweilig fand, wenn sie über andere erzählten, jedoch niemals, wenn sie über sich selbst sprechen.
Ljubica Perkmans Gedichte sind bildhaft und metaphorisch, sie entwickeln sich mit sanften Tönen, einer frühlingshaften Sonne über verschlafenen Wiesen entlang des Vrbanja; als Ziel sich wünschend, dass es dem Leser gefällt!
Prof. Momcilo Spasojevic
Erläuterungen: *Erläuterung zum Wort der großgeschriebenen „Mutter“: Das Wort „Mutter“ wird im Bosnischen immer kleingeschrieben und findet deshalb besondere Beachtung.