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Die Wikinger in Amerika

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Der Runenstein von Kensington.

Die spannende Geschichte des berühmtesten Steines von Nordamerika.

Es ist das Jahr 1898. In Kensington auf einer Farm in Minnesota, 1500 Kilometer vom Atlantik entfernt, rodet der schwedische Einwanderer Olof Öhman gemeinsam mit seinen Söhnen auf seinem Farmland einige Bäume. Unter den Wurzeln eines der Bäume findet er einen ganz besonderen Schatz in der Größe eines Grabsteines. Und er staunt nicht schlecht, denn auf diesem Stein befinden sich eingemeißelte Runen, ganz so, wie er sie aus seiner alten schwedischen Heimat her kennt. Der Stein ist etwa 90 kg schwer und besteht aus Grauwacke. Er ist durch die große Härte dieser Gesteinsart sehr schwierig zu bearbeiten. Die Inschriften berichten von Nordmännern, die sich 1362 an diesem Platz befunden haben sollen und den blutigen Tot von 10 ihrer Kameraden betrauerten.

Er fasst den Entschluss, den bedeutungsvollen Fund zu melden. Die Experten aber halten ihn für einen Lügner und Fälscher. Wie soll ein Stein mit germanischen Runen in das Hinterland von Amerika gelangt sein, wo doch nur für die Besiedlung Grönlands Beweise vorliegen und auch die isländischen Sagas Hinweise nur über ein sagenhaftes Vinland an der Atlantikküste geben? So mauerte er den Fund kurzerhand als Türschwelle in ein Gebäude ein, wo er viele Jahre unbeachtet mit den Füßen getreten liegen bleiben sollte. Nur warum soll der Farmer gelogen und mühsam diese Fälschung hergestellt haben? Noch dazu mit einem geschichtlichen Hintergrund, der einem einfachen Bauern der damaligen Zeit nicht geläufig sein dürfte. Bei der Inschrift wurden auch alte Runen verwendet, die der Wissenschaft erst später bekannt wurden und die man Öhman damals als seine Erfindung unterstellt. Kaum einem Menschen auf der Erde dürften diese Zeichen zum Zeitpunkt der Ausgrabung noch bekannt gewesen sein. Aber gerade diese wurden zum Hauptargument von Linguisten für eine Fälschung. Der bekannte schwedische Wissenschaftler Sven Jansson erklärte schließlich 1948, in Unkenntnis der neueren Forschungen zu Runen und den Verwitterungsschichten, den Stein ebenfalls für eine Fälschung. Das Ende der Geschichte um den Stein schien besiegelt. Und so wird der berühmteste Stein der amerikanischen Entdeckergeschichte aus dem Jahr 1362 noch bis heute einmal als echt, einmal als Fälschung beschrieben. Der Finder des Runensteines Olof Öhman wurde von vielen Gelehrten und Journalisten als Lügner und Betrüger hingestellt und er dürfte, wie auch seine ganze Familie, sehr darunter gelitten haben. Warum auch sollten gerade die Wikinger Amerika entdeckt haben wo doch jeder weiß, dass es Kolumbus war? Bei der Auffindung des Steins gab es dafür außer schriftlichen Hinweisen in den isländischen Sagas noch keinerlei Beweise und so war der Glaube an eine Fälschung schnell geboren. Eine Besiedlung Nordamerikas durch Wikinger wurde erst 1961 bei Ausgrabungen in Neufundland nachgewiesen, als man eine ihrer Siedlungen fand.

Wer aber könnte diese Runen gemeißelt haben und wie kommt der Stein bis nach Minnesota, 1500 Kilometer vom Meer entfernt? Sind die Wikinger aus Vinland schon vor 1362 so tief ins Binnenland vorgedrungen und warum? Waren es Kundschafter, waren es Siedler oder gar Krieger? Fragen über Fragen. Wer nur ein klein wenig die Geschichte der Waräger in Osteuropa kennt, weiß, dass solche weite Reisen den Wikingern auch in Amerika möglich gewesen wären. Nach 1907 beschäftigt sich, neben Linguisten und Archäologen, auch der schwedische Historiker Hjalmar Rued Holand (1872–1963) etwas genauer mit dem Runenstein. Er übersetzte die Inschrift und sie lautet folgendermaßen:

Text auf der Vorderseite:

 8 Goten (Schweden) und 22 Norweger auf Entdeckungsreise von Vinland nach Westen. Wir hatten ein Lager bei zwei Schären. Einige Tagesreisen von diesem Stein. Wir waren (draußen) und fischten einen Tag. Danach kamen wir heim, funden 10 unserer Leute rot von Blut und tot. A( ve) V( irgo) M( sm) erlöse (uns) vom Übel.

Text auf dem Rand:

 Wir haben 10 von unserer Mannschaft an der See, zu achten auf unsere Schiffe, 14 Tagereisen von dieser Insel. Jahr 1362.


Der Runenstein von Kensington (Bild Wikipedia)

Herr Holand setzte viele Jahre seines Lebens alles daran, die Echtheit des Steines zu beweisen und im Jahre 1948 wurde der Fund schließlich als ein wertvolles historisches Dokument altamerikanischer Geschichte ins Nationalmuseum von Washington gebracht. Holand machte sich zu dem Stein seine eigenen Theorien und sah in den Runen von Kensington die Geschichte vom Ende der teilweise verschollenen schwedisch-norwegischen Knutsonexpedition von 1355–1364, die Licht in das Dunkel um die Grönlandwikinger bringen sollte. Der norwegische König Magnus hatte im Jahr 1354 Herrn Knutson beauftragt, die fast in Vergessenheit geratenen grönländischen Siedlungen der Wikinger aufzusuchen und deren Zustand zu untersuchen. Zur Westsiedlung kam die Expedition zu spät, sie war völlig verlassen und zerstört. Weit und breit war außer Inuits keine Menschenseele oder Spuren von den Vermissten zu finden. So hat Knutson die verschollenen Menschen weiter westlich auf dem amerikanischen Kontinent gesucht und könnte laut Holand dabei bis nach Minnesota vorgedrungen sein. Immer wieder hielt man die Runen für gefälscht, obwohl der Historiker Holand beeidete Zeugenaussagen und Gutachten anfertigen ließ. Der Stein wurde schließlich vom Nationalmuseum Washington wieder zurück nach Kensington gebracht und dafür eigens ein Kensington Rune Stone Park mit dem Runestone-Museum als „Alexandria Birthplace of America“ errichtet. Hier hatte niemand Zweifel an der Echtheit der Runen.

Die Entstehung der nordischen Runen auf diesem Stein aber liegt weit in der Dunkelheit der Geschichte begraben und der Nebelschleier hat sich bisher nicht endgültig lüften lassen. Neue Forschungen über die Verwitterungsschichten in den ausgemeißelten Runen sollen wiederum das hohe Alter und die Echtheit bestätigen. Diese Verwitterung bekundet, dass die eingemeißelten Runen viel älter sein müssen, als es weiße Siedler in diesem Land gibt. Es kann von keinem angezweifelt werden, dass ein Farmer im Jahr 1898 nicht in der Lage gewesen sein kann, Verwitterungsschichten auf Steinen künstlich hervorrufen zu können. Dass der Grabstein an Ort und Stelle bearbeitet wurde, dürfte ebenso außer Frage stehen. Olof Öhman hatte leider gleich nach der Ausgrabung mit einem eisernen Werkzeug versucht, die Erde aus der Inschrift herauszukratzen und dabei, wenn auch nur partiell, die alten Verwitterungsschichten beschädigt. Auch das wurde als Anklagepunkt für eine Fälschung gegen ihn verwendet.

Interessanterweise gibt es ein weiteres Relikt, um das, wie bei dem Kensingtoner Runenstein, heftig diskutiert wird. Es handelt sich um eine kleine norwegische Münze, die 1957 in der Nähe von Naskeag Point an der Penobscot Bay in Maine gefunden wurde. Das Prägedatum des Pfennigs wird auf 1065 bis 1080 datiert. Entweder waren die Wikinger noch im Zeitraum der Prägung in Main oder Indianer haben sie auf ihren Handelswegen bis zur Penobscot Bay gebrachte. Wie bereits erwähnt, auch hier glauben einige Wissenschaftler an einen Betrug, natürlich ohne einen stichfesten Beweis dafür liefern zu können. Aber wie kann der Stein nun an seine Fundstelle in Minnesota geraten sein?

Dazu ist es notwendig, sich mit den Wikingern zu beschäftigen und die Geschichte an Hand ihrer alten Überlieferungen, den isländischen Sagas, aufzuhellen. Die über einen langen Zeitraum mündlich weitergegebenen und später aufgeschriebenen Geschichten haben in vielen Fällen oft einen gewissen Wahrheitsgehalt bewiesen und geben einen guten Einblick in das damalige Leben der Menschen hoch oben im Norden.

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