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Herausforderung

Die Welt gerät aus den Fugen

Ein milder Spätsommertag neigte sich dem Ende zu, die Sonne stand schon tief. In sanften Wellen erstreckte sich das Feld bis zum Horizont, sacht wogten die Ähren in der abendlichen Brise. Aus einer kleinen Baumgruppe ertönte das kecke Tschilpen einiger Feldlerchen, ansonsten herrschte friedliche Stille.

Nur am Boden herrschte emsiges Treiben. Eine kleine Hamsterkolonie war erwacht und wuselte geschäftig hin und her. Der Spätsommer war eine günstige Zeit, um Nahrung für den Winter zu sammeln, und die kleinen Nager betrieben dies mit Hingabe. Was gab es Schöneres als zu schnüffeln, zu suchen, zu wühlen und zu sammeln – kurz: zu hamstern?

Maxi, eine stattliche Hamsterdame, hatte wie immer die Nase vorn. Sie besaß ein besonders gutes Gespür für Futterquellen.

Zudem hatte sie eine – für die anderen Hamster unergründliche – Technik entwickelt, um in ihren Backen noch mehr Körner zu verstauen, als anatomisch möglich erschien.

Der zarte Fridolin brauchte mal wieder etwas länger, um in die Gänge zu kommen. Er streckte sich und gähnte ausgiebig, dabei konnte man seine gut gepflegten Zähne sehen, auf die Fridolin bei aller Bescheidenheit insgeheim sehr stolz war.

Die junge hübsche Lisa sortierte gerade etwas in ihrer Vorratskammer, während Karl und Hella intensiv über eine Kornart diskutierten. Karl hatte wie so oft etwas auszusetzen. Er war der Ansicht, dass das Korn ungenießbar sei; Hella hielt dagegen, dass es nach einer gewissen Lagerungszeit anders schmecken würde.

Nur Artur saß ein wenig abseits auf einem Stein und hatte vor sich ein kleines Notizbuch aufgeschlagen. Eigentlich war er sehr ungestüm und hatte Lust, durchs Feld zu flitzen, aber heute war Mittwoch, und an dem Tag widmete er sich als Erstes immer seiner »Berufung«, wie er es im Stillen nannte.

Artur wollte Schriftsteller werden. Deshalb hielt er jeden Mittwoch die besonderen Ereignisse der vergangenen Woche fest. Das Dumme war nur, dass nicht sehr oft etwas Besonderes passierte. Deshalb waren die Seiten seines Notizbuchs noch ziemlich leer. Das wurmte Artur hin und wieder. Aber da sein Vater früher immer gesagt hatte: »Von nichts kommt nichts«, fand Artur, dass er sich zumindest regelmäßig in schriftstellerischer Bereitschaft halten müsste.

dachte er in diesen Momenten über etwas nach, das ihn in letzter Zeit zunehmend beschäftigte. Genau konnte er es noch nicht fassen, aber irgendetwas störte Artur an seinem Leben. Eine gewisse Monotonie durchzog die Nächte, und immer öfter überkam ihn ein Gefühl der Leere. Manchmal war er so verzweifelt, dass er weder aus noch ein wusste.

Unterdessen war die Dämmerung weit vorangeschritten und bot den Hamstern Schutz vor ihren Fressfeinden. Maxi kehrte schon mindestens zum vierten Mal mit vollen Backen zu ihrem Bau zurück, und auch Fridolin war inzwischen aktiv.

Aufgrund der Dunkelheit hatten die Hamster nicht bemerkt, dass sich der Himmel verdüstert hatte. Pechschwarze Wolken türmten sich förmlich übereinander, die Luft wurde schwer.

Erst als vom Himmel ein unheimliches Rollen ertönte, gefolgt von einer peitschenden Windbö, hielten die Hamster erschrocken inne und richteten witternd ihre Oberkörper auf.

»Achtung, ein Unwetter!«, rief Karl heiser, doch das Tosen des Himmels verschluckte seine Worte. Wobei es auch keiner weiteren Erklärung bedurft hätte: Blitzschnell flohen die Hamster zu ihren Bauten und sausten in die Tiefe hinab.

Es war keine Sekunde zu früh.

Über ihnen tobte ein Sturm, wie ihn selbst die alte Hella noch nicht erlebt hatte. Ein Krachen, Rauschen, Heulen, Sausen, Donnern, Beben, Grollen und Prasseln erfüllte die Luft – es war, als würde jemand die Welt aus den Angeln heben.

Zum Glück waren die Hamsterbauten tief in den Erdboden eingelassen, und während sich die einen ganz klein in ihrem Nest zusammenrollten, fühlten sich die anderen in ihrer Vorratskammer sicherer.


Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, herrschte draußen plötzlich Stille. Artur war der erste, der die Schnauze vorsichtig aus seinem Bau hob und in die Luft schnupperte. Irgendetwas war anders. Verdächtig anders.

Da ertönte neben ihm ein Rascheln und Karls Kopf tauchte aus der Erde auf; kurz darauf erschienen auch Lisa, Maxi und Fridolin. Stumm blickten die Hamster um sich. Im Licht des Mondscheins bot sich ihnen ein Anblick heilloser Zerstörung.

Wo sich vor wenigen Stunden noch goldener Weizen in der Abendsonne gewiegt hatte, war ein Hagelsturm auf das Feld niedergegangen und hatte eine Wüstenei aus Schlamm und abgeknickten Halmen zurückgelassen.

Da fragte Maxi plötzlich: »Wo ist eigentlich Hella?«

Erschrocken liefen sie zu Hellas Bau. Er war vom Hagelsturm besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden, und Hella schaffte es nur mühsam, an die Oberfläche zu krabbeln. Erschöpft schüttelte sie sich und hustete ein paarmal, bevor sie den Blick schweifen ließ. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Dann blickte sie die anderen Hamster fest an und sagte: »Wir müssen reden.«

Arturs Geheimnis

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