Читать книгу Freundeskrise - Louise Roholte - Страница 5

2. Kapitel

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Als sie mitten auf dem Schulhof stehen, hört der Gong auf zu läuten. Kurz darauf wimmelt es von Kindern.

„Voll krank, dass wir so viel auf haben“, murrt Signe. „Reden die überhaupt nicht miteinander oder was?“

„Glaub nicht, denn wenn sie das tun würden, hätte Karen uns nicht noch mehr aufgebrummt“, meint Michelle.

Ihre Haare kleben an der Kopfhaut. Sie fährt mit den Händen durch und schüttelt sie an ihren Platz. Normalerweise machen sie dienstags immer was zusammen, weil sie früh aus haben, aber Signe will heim und sich Mathe für morgen angucken. Das sollte Michelle auch tun. Sie hat bloß keine Lust. Oliver und Malthe stehen hinter dem Zaun und warten auf den Bus. Michelle wirft ihre Haare zurück und lächelt das Lächeln, das sie zu Hause vor dem Spiegel geübt hat.

„Vielleicht können wir nachher mal wegen Mathe telefonieren?“

Michelle begnügt sich zunächst mit einem Nicken, aber weil Signe in die andere Richtung guckt, muss sie dann doch antworten.

„Ja, können wir machen.“

Jetzt ist das Lächeln hin. Naja, ist auch egal, weil Oliver damit beschäftigt ist, mit Malthe zu reden und garantiert noch nicht gemerkt hat, dass sie da ist. Michelle war richtig fertig, als sie rausfand, dass er dabei war, mit Emma aus der Parallelklasse zusammen zu kommen. Sie hatte nämlich geglaubt, er würde sie mögen, und es war megahart, ihn und Emma händchenhaltend und quatschend im Flur zu sehen. Sie wirkten sehr verliebt, aber letzten Montag hatte sie Gerüchte gehört, dass sie am Wochenende Schluss gemacht hätten. Michelle hat sie beobachtet und das Gerücht scheint wahr zu sein, weil sie sie seitdem nicht ein einziges Mal zusammen gesehen hat. Sie weiß nicht, wer von beiden Schluss gemacht hat, und es ist auch egal. Das Wichtigste ist, dass Oliver Single ist. Signe schließt ihr Fahrrad auf. Michelle fummelt ein bisschen mit dem Schlüssel herum, während sie zu Oliver schielt, um zu sehen, ob er in ihre Richtung schaut.

„Was machst du heute noch so?” fragt sie abwesend.

„Ich muss doch diese bescheuerten Hausaufgaben machen!“ antwortet Signe sauer.

„Darüber haben wir doch gerade geredet, oder?“

„Ach ja.“

Michelle zögert die Zeit raus, weil sie hofft, dass Oliver zu ihr rüber kommt. Sieht aber nicht so aus, denn er steht gegen den Zaun gelehnt und blinzelt in die Sonne, während Malthe drauf los plappert. Seufz, wie gut er einfach aussieht, wie er so mit Sonne im Haar dasteht …

„Ich kapier einfach immer noch nicht, was du in ihm siehst“, zieht Signe Michelle auf und gibt ihr einen Klaps.

„Was meinst du?“

„Ja, was glaubst du denn?“

Signe grinst und Michelle gibt es auf zu lügen, weil sie weiß, dass Signe sie längst durchschaut hat.

„Ich kann doch nichts dafür.“

„The heart wants what the heart wants, und das war auch nur Spaß“, sagt Signe und steigt aufs Fahrrad.

„Ich ruf später an, wenn ich wegen Mathe ausraste.“

Michelle nickt und winkt.

„Das ist einfach ballig!”

Sie hatte gehofft, dass das Wort ’ballig’ Oliver dazu bringen würde zu gucken, aber er steht einfach da und ist mit seinem Handy beschäftigt.

Wie soll sie seine Aufmerksamkeit bekommen? Ohne darüber nachzudenken, fängt sie an, das Thema von ’Benjamin Blümchen’ zu pfeifen. Das war das erste, was ihr einfiel, und es ist merkwürdig genug, dass er sich umdrehen müsste. Mist, klappt auch nicht. Michelle versucht, ein bisschen lauter zu pfeifen, aber Oliver schaut sie nur kurz an, bevor er weiter auf seinem Handy liest.

„Benjamin, du lieber Elefant”, singt ein kleiner Junge, der an der Hand einer alten Dame auf dem Bürgersteig vorbei geht. „Törööö! Oh, ich liiiebe Benjamin!“

Malthe grinst und schüttelt den Kopf. Michelle öffnet die Tasche und kramt darin, um ihre roten Wangen zu verbergen. Jetzt kann sie nichts mehr machen, wenn sie nicht verzweifelt wirken will, daher schließt sie die Tasche und stellt sie zusammen mit dem Sportbeutel zurück in den Fahrradkorb. Michelle wünscht sich nichts sehnlicher, als mit Oliver zusammen zu kommen, aber tief im Inneren weiß sie, dass das niemals passieren wird. Jedenfalls nicht so lange er auf Mädchen wie Emma steht, die ein ganz anderer Typ als Michelle ist. Emma ist beliebt, sie hat lange, tolle Haare und ein süßes Gesicht. Ihr Körper ist klein und zierlich, Signes Mutter würde dazu sicher ’petit’ sagen, und sie kann Klamotten tragen, in denen Michelle wie SpongeBob Schwammkopf aussehen würde. Michelle hat versucht, Fehler an ihr zu finden, als sie nach dem Sport gemeinsam in der Dusche waren, aber Emma ist einfach perfekt mit ihren langen, schlanken Beinen, einem flachen Bauch und schönen Brüsten.

Es ist nicht fair, dass jemand sowohl hübsch ist als auch einen tollen Körper hat. Trotzdem ist es schwer, Emma zu hassen, weil sie auch noch supernett ist. Emma war in einer Zahnpastawerbung zu sehen, und einmal hatte sie gesagt, dass sie sich bei ’Topmodel’ anmelden wolle, wenn sie alt genug sei. Jetzt, wo Michelle darüber nachdenkt, ist Emma wohl der Typ aller Jungs, aber aus irgendeinem Grund haben sie und Oliver ja Schluss gemacht. Wenn Oliver derjenige war, der die Entscheidung getroffen hat, dann vielleicht, weil Emma zu sehr klammerte. Oder weil man sich nicht mit ihr unterhalten konnte? Es kann auch sein, dass es einfach nicht gefunkt hat, als es darauf ankam, und jetzt sucht er nach etwas ganz anderem? Michelle nickt. Kann schon sein, dass sie selbst nicht das nächste Topmodel ist, aber wenn sie einen guten Tag hat, kann sie ganz witzig sein. Und hoffentlich wirkt sie cooler, als sie sich fühlt. Sonst ist alles verloren, so viel steht fest.

Der Bus trifft langsam auf dem Platz ein. Oliver stößt sich vom Zaun ab und hebt die Tasche auf. Michelle lächelt ihr Lächeln, aber er steigt ein, ohne zurück zu schauen. Enttäuscht schiebt sie das Fahrrad auf die Straße. Scheiß aufs witzig sein. Gerade würde sie mit Freuden das und alles Mögliche andere für einen sexy Körper und ein hübsches Gesicht verkaufen. Sie seufzt leise und rollt am Schulhof und den hohen Bäumen vorbei. Signe hat bestimmt schon ihren Taschenrechner rausgeholt, aber Michelle wird allein bei dem Gedanken daran schon total müde. Mathe ist nicht gerade ihre Stärke, und sie erträgt es nicht, da zu sitzen und darüber deprimiert zu sein, wie dumm sie ist. Da sind ja auch noch die ganzen Aufgaben im Dänischbuch, aber darin ist sie auch nicht besonders gut. Was kann sie eigentlich? Ihre Mutter sagt immer, dass sie scheißen, fressen und sich beklagen kann. Michelle ist gewohnt, das zu hören, aber einmal war es ihr richtig peinlich, als ihre Mutter es vor Signe sagte. In dem Moment wünschte sich Michelle, ihre Mutter würde von einem Kugelblitz getroffen und tot umfallen, aber Signe nahm es locker. Sie zuckte nur mit den Schultern und sagte, dass Michelle abgesehen von der Sache mit dem Scheißen und Fressen eigentlich auch eine supergute Freundin wäre.

Michelle tritt langsam in die Pedale und fährt noch langsamer, als sie zu den Höfen kommt. Es sind drei in einer Reihe und sie weiß, dass Liva aus der 5A mit ihren Eltern in dem größten davon wohnt. Ihr Vater ist Landwirt und sie haben massenweise Kühe und zwei kleine Pferde. Michelle kann eins davon auf der Koppel sehen. Niemand aus der Klasse reitet. Die meisten denken, dass es irgendwie lachhaft ist, ein ’Pferdemädchen’ zu sein. Michelle hat einmal in Knuthenborg auf einem Pferd gesessen, aber daran kann sie sich nicht erinnern, weil sie erst fünf war. Hinter ihr sind klappernde Hufe zu hören. Sie dreht den Kopf und sieht ein zerzaustes, schwarzes Pferd. Liva sitzt obendrauf mit einem riesigen Helm auf dem Kopf und lächelt zu ihr runter.

„Hi, Michelle!“

Das Pferd hat einen weißen Streifen auf dem Maul und der schwarze Pony ist so lang, dass er die Augen verdeckt. Es sieht richtig süß aus.

„Hi, Liva.“

Das Pferd schnaubt Michelle ins Gesicht. Vorsichtig streckt sie die Hand aus und streichelt den Schopf. Liva lacht.

„Fasst du zum ersten Mal ein Pferd an?“

„Hmm.“

„Es braucht schon einiges, um so eins umzuwerfen.“

Michelle lehnt sich etwas weiter nach vorne und klopft dem Pferd auf den Hals. „Hallo, kleines Pferd.“

„Er heißt Laban, und der da drüben heißt Pelle“, sagt Liva und nickt in Richtung Koppel.

Michelle streicht mit dem Zeigefinger über Labans rosa Maul. Es ist ganz weich und sie lacht, als er die Oberlippe kräuselt und einen Kussmund macht.

„Willst du mir beim Striegeln und Absatteln helfen?“ fragt Liva.

„Okay.“

Liva lässt Laban auf den Hof trotten und Michelle schiebt das Fahrrad nebenher. Es ist lange her, dass es geregnet hat, aber die Löcher im Kiesweg sind so tief, dass immer noch Wasser auf dem Grund ist. Die Kühe stehen auf beiden Seiten hinter einem Zaun und glotzen sie an. Sie rümpft die Nase, als sie an einer großen Herde vorbeigehen, die beim Wassertrog liegt und kaut. Michelle schielt zu Liva, und sie tut ihr richtig Leid, weil sie in dem Gestank wohnen muss. Oliver sagt immer ’Muh’ und hält sich die Nase zu, wenn Liva auf dem Flur vorbeigeht, aber Michelle findet eigentlich nicht, dass Liva nach Kuh riecht. Kaum zu glauben, weil die Kühe wirklich ziemlich doll stinken.

„Machst du die Tür auf?“

Liva zeigt auf eine grüne Stahltür. Michelle stellt das Fahrrad ab und hebt den Riegel an. Sie kann die Kühe fast nicht mehr riechen und denkt, dass es mit den Kühen so wie mit den Kippen ihrer Mutter ist. Die Nase gewöhnt sich nach einiger Zeit daran. Der Unterschied ist nur, dass der Rauch in den Augen beißt, der Kuhgestank nicht. Liva springt von Labans Rücken, zieht ihm die Zügel über den Kopf und führt ihn in den Stall.

„Jetzt striegeln wir ihn und machen die Hufe sauber. Dann kommt er auf die Koppel zu Pelle.“

Liva nimmt eine Bürste aus der Kiste und streicht sie über Labans Fell. „Du machst das einfach so.“

Michelle schnappt sich eine Bürste, die zu Livas passt, und versucht, das Gleiche zu machen.

„Hast du ein Haustier?“ fragt Liva.

„Nee, aber mein älterer Bruder hatte mal 'ne Schildkröte, die auf dem Balkon gewohnt hat. Eines Tages war sie weg. Ein Jahr später haben wir sie dann zwischen den Sträuchern gefunden.“

Liva hört auf zu striegeln. „War sie tot?“

Michelle schüttelt den Kopf. „Sie war am Leben, aber sie war irgendwie ein bisschen schlaff und der Schild war ganz weich.“

„Wie viele Brüder hast du?“

„Zwei“, antwortet Michelle. „Nicki ist 22 und Kenny ist letzten Monat 20 geworden. Nicki hat eine richtig nette Freundin, die Malene heißt. Sie ist schwanger, das Kind kann jeden Moment kommen.

„Geil, dann wirst du Tante”, stellt Liva fest.

Michelle lächelt. Sie freut sich wie verrückt. „Nicki und Malene wissen schon, dass es ein Junge wird, aber sie halten den Namen bis zur Geburt geheim.“

Sie striegeln weiter. Liva nimmt ein merkwürdiges Ding aus der Kiste und hält es vor sich.

„Das ist ein Hufkratzer.“ Liva lässt ihre Hand an Labans Bein runtergleiten. Michelle macht große Augen, als er es hebt. Sie kann nicht fassen, dass Liva sich traut, mit dem Rücken zu seinem Kopf zu stehen, aber sie scheint überhaupt keine Angst zu haben, und innerhalb kürzester Zeit hat sie alle Hufe geputzt.

„So, jetzt kann er auf die Koppel.“

Michelle öffnet die Tür auf der anderen Seite des Stalles. Pelle hebt den Kopf und wiehert, als Laban rauskommt. Sie laufen aufeinander zu, als ob sie sich begrüßen wollen. Michelle und Liva setzen sich ins Gras und schauen sie an.

„Ich träume davon, Bereiterin zu werden und jeden Tag mit Pferden zu arbeiten“, sagt Liva. „Was willst du gerne werden?“

Michelle zupft ein paar Grashalme aus der Erde und wirft sie weg. „Vielleicht Friseurin oder Verkäuferin in einem Modeladen? Ich weiß eigentlich nicht wirklich, was ich will, weil ich nichts richtig kann.“ „Das glaub ich nicht“, meint Liva. „Was wärst du gerne, wenn du alles sein könntest, was du willst?“

„Hmm, dann wäre ich gerne Selena Gomez.”

„Wenn das wirklich eine Möglichkeit wäre, würde ich dafür fast auch meinen Traum als Bereiterin aufgeben“, grinst Liva. „Ich wär dann gerne die, die Bella in Twilight spielt.

Sie reden über Miley, Selena und andere Promis und Michelle merkt, dass sie die gleichen Dinge mögen. Das hätte sie nicht gedacht, weil Liva doch so viel jünger ist.

„Ich find einfach, es gibt zu viele Promis, die Fotos oder Musikvideos aufnehmen, auf denen sie nicht viel anhaben“, sagt Liva. „Schade, dass sie so wenig Vertrauen in ihr Talent haben und stattdessen halb nackt sein müssen.“

Michelle sieht sie überrascht an. Sie hört wohl nicht richtig. Aber es klingt so, als ob Liva es ernst meint. Natürlich singt niemand besser, nur weil er einen Bikini oder sexy Unterwäsche trägt, aber darum geht es ja auch nicht. Es geht darum, Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie würde es lieben, wenn die Jungen sie scharf fänden. Dann wäre sie jemand. Kann schon sein, dass es merkwürdig ist, so zu denken, aber das tut sie nun mal, und sie ist sich ziemlich sicher, dass viele das genauso sehen. Irgendwie hat sie sich ja wohl deswegen auch nach dem Sport vor den Spiegel gestellt. Das will sie nur Liva gegenüber nicht zugeben. Oder irgendwem anders. Laban wiehert aus der hintersten Ecke der Koppel. Er wirbelt herum und rennt Pelle in vollem Galopp entgegen. Das sieht gefährlich aus, aber Liva grinst und sagt, das sei nur ein Spiel.

„Wie wird man denn Bereiter?“ fragt Michelle.

Hauptsächlich fragt sie, um über etwas anderes zu reden, aber sie will es auch gerne wissen, und Liva blüht total auf, wenn sie über Pferde und Reiten spricht.

„Das ist eine Ausbildung, die das Pferd in den Mittelpunkt stellt. Vieles handelt davon zu lernen, was das Beste für das Pferd ist und sowas“, erklärt sie.

„Wenn ich in Betracht kommen soll, erfordert das, dass …“

Michelles Handy klingelt. Sie zieht es aus der Tasche und schaut aufs Display. Es ist Signe. Sie steht auf und gibt ein Handzeichen, dass sie gleich zurückkommt. „Hier ist Michelle.“

„Hi Süße, ich bin’s“, sagt Signe. „Ich sitz hier mit dem Scheißmathekram und kapier von dem Zeug auf Seite 18 nur das Minus. Wie weit bist du?“

„Ich hab noch gar nicht angefangen“, erwidert Michelle.

„Was machst du dann?“

Liva schaut sie von ihrem Platz im Gras neugierig an. Michelle dreht sich um und geht noch ein Stückchen weiter weg.

„Öhm, ich hatte Lust ein bisschen Fahrrad zu fahren, weil das Wetter so gut ist, und bin gerade erst auf dem Heimweg.“

„Okay, aber rufst du an, wenn du die Bücher rausgekramt hast?“

„Klar, mach ich.“

Sie legen auf und Michelle geht wieder zu Liva. „Ich muss los“, erklärt sie.

„Passt schon“, nickt Liva. „Bis morgen in der Schule.“

Michelle winkt, als sie durch den Stall geht. Sie springt aufs Fahrrad und rollt an den hässlichen Kühen vorbei. Es war richtig gemütlich mit Liva, aber davon muss Signe nichts wissen. Am liebsten wäre ihr, dass es einfach zwischen ihr und Liva bleibt, weil sie weiß, was die anderen denken werden. Niemand aus der Klasse trifft sich außerhalb der Schule mit den Jüngeren, und Liva ist bestimmt keine von den Angesagten aus der Fünften. Und dann ist da ja noch die Sache mit Oliver. In seinen Augen ist Liva ein Loser, und wenn er erfährt, dass sie was zusammen gemacht haben, wird ihn das nicht gerade darin bestärken, mit Michelle zusammen kommen zu wollen.

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