Читать книгу Der feuchte, amerikanische Traum - Lucian Vicovan - Страница 4
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ОглавлениеDer Idiot konnte dies, im Gegensatz zu mir selbst, natürlich nicht wissen - er kannte mich nicht. Also interpretierte er es auf seine eigene Weise.
„Dem Himmel sei Dank! Luczizcki, Gottes Gnade ist groß genug! Er hat meinem Namensvetter verziehen und wird auch Ihnen verzeihen. Sie können nicht ewig davonlaufen. Schöner als mein Namensvetter kann man es kaum ausdrücken. Es war Gottes Stimme, die mir zugeflüstert hat, dass ich Ihnen aus den abertausenden Bibelversen genau diese zu rezitieren habe.
„Jetzt hören Sie mal zu lieber Mann! Ich habe mir ihr Kaspertheater lange genug angehört. Wenn Sie noch ein Wort von sich geben, werden Sie sowohl Zähne wie auch alle Glasscheiben an Ihrem Wagen einbüßen! Haben wir uns verstanden?”
Sein Frohmut verwandelte sich innerhalb von Zehntelsekunden in Entsetzen, Schweißperlen traten auf seine Stirn. Ich genoss diesen Anblick und die sadistische Seite in mir verlangte nach mehr.
„Ich bin auf der Flucht wegen Mord und Totschlags, mir ist es gleich noch eine weitere Person auf die Liste meiner Opfer einzutragen. Sie lenken also das Taxi zur Adresse, die ich Ihnen nannte und zwar so leise, dass man förmlich die Schritte des Teufels bei seinem Spaziergang über die Erdoberfläche vernehmen kann. Ist das klar genug?”
„Ja, Herr Luczizcki, ich werde für Sie beten.”
Ich richtete mich scheinbar wütend auf, er vergrub seinen Kopf zwischen den Schultern.
Die restliche Fahrt könnte man schon fast als angenehm bezeichnen. Obwohl wir nur im Schritttempo vorwärtskamen, so konnte ich doch die Silhouette der Skyline der Downtown Miamis näherkommen sehen. Die Wolkenkratzer, welche in Brickell und der City standen, wurden immer größer, die komische Bebauung Little Havannas konnte ich von der Überführung des Highways aus beobachten. Ich war trotz der Müdigkeit sogar noch imstande über die Diskrepanz zwischen arm und reich zu sinnieren. Umso näher wir auf die Wolkenkratzer zusteuerten, umso eingehender fragte ich mich, ob mein Ziel wohl eins dieser Glaskästen sei, die scheinbar dem Turm von Babel Konkurrenz machen wollten. Dann musste ich den Kopf schütteln, angewidert von dem Erfolg, den der Namensvetter von König David verbucht hatte - ich dachte schon in biblischer Terminologie.
Ich brauche Bier! Sofort, und nicht wenig davon!
Schon fast im Schatten der Hochhäuser fuhr das Taxi endlich vom Highway ab. Ich sah einen Supermarkt und schrie: „Halt!” Es war mir auf Deutsch rausgerutscht und der Idiot, der bis dahin schweigsam und artig gefahren war, erschrak und bremste so hart, als käme dieser Befehl vom Führer höchstpersönlich. Die Reifen quietschten, auch bei den Autos, die hinter uns fuhren.
„Was ist los, Herr Luczizcki?”
Der Wagen hinter uns hupte wie verrückt.
„Wir müssen bei 7-Eleven stehenbleiben.”
Er drehte sich wieder um, kopfschüttelnd. Andere Wagen stimmten in das Hupkonzert ein.
Die Kassiererin war eine immens große, dunkelhäutige Frau. Ihr T-Shirt war weiß, auf der Brust wurde ein rotes Herz von den Worten Jesus loves you! umrundet.
„Was hält Jesus davon, dass Sie mir Alkohol verkaufen?”
„Scheren Sie sich zum Teufel, Sie Penner.”
Ich öffnete eine Bierflasche vor ihr.
„Sie dürfen hier drinnen nicht trinken, draußen auf der Straße auch nicht.”
Ich setzte die Flasche an und trank sie aus.
„Ich kann Ihnen auch den Kauf verweigern!“
Ich nahm eine weitere Flasche, auch diese trank ich aus.
„Um Sie wird sich Jesus schon noch kümmern, zahlen Sie und verschwinden Sie endlich.”
Da der Name Jesus nun schon zum dritten Mal gefallen war, musste ich auch die dritte Flasche leeren. Dann zahlte ich und nahm die drei verbleibenden Bierflaschen, sowie die Flasche Rum und ging gemächlichen Schrittes aus dem Laden.
„Sie werden in der Hölle schmoren, wenn Sie Ihre Wege nicht ändern.”
Die Wärme, die mich außerhalb des Ladens empfing, war eine sehr gute Übung darauf, was mich in der Hölle angeblich erwarten sollte.
Das Taxi wartete vor dem Eingang, der Idiot hatte die Augen geschlossen, seine Lippen bewegten sich. Er schien seinem Versprechen von vorhin Folge zu leisten und betete.