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I. Die Entstehung des Islams

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Die Heimat des Islams ist Arabien. Diese Halbinsel, fast viermal so groß wie Deutschland, aber kaum von fünf Millionen Menschen bewohnt, ist in ihrem Innern noch heute eins der unbekanntesten Länder der Erde. Die Araber sind Nachkommen Ismaels, des ältesten Sohnes Abrahams. Sie haben also denselben Stammvater wie die Juden und gehören gleich diesen zu der semitischen Völkerfamilie. Die Bewohner Nordarabiens führten schon vor anderthalb Jahrtausenden ebenso wie heute meist ein Wanderleben und zogen mit ihren Herden von einem Weideplatz zum andern. Wo jemand sein Zelt aufschlug, da war er unumschränkter Herr. Ein festes Staatsgefüge war nicht vorhanden. Unter den einzelnen Stämmen herrschten unablässig Fehden, die nur durch gewisse heilige Monate eingeschränkt waren. Die Blutrache galt als unverbrüchliches Gesetz. Obwohl gastfrei, ritterlich und tapfer, waren die Araber anderseits auch grausam, gewalttätig und blutdürstig, dazu dem Trunk und Spiel ergeben. Die Frau galt nichts, und die Ehen konnten mit größter Leichtigkeit geschieden werden. Söhne galten als Segen, Töchter als Fluch. Ja, nicht selten wurden Töchter nach der Geburt lebendig begraben.

Ebenso tief wie die Sittlichkeit stand auch die Religion der Araber. Ursprünglich glaubten sie an Einen Gott, den sie Allah nannten. Dieser arabische Gottesname entspricht dem hebräischen Eloah, der neben der Mehrzahl Elohim im Alten Testamente vorkommt. Aber die Kenntnis des Einen Gottes Allah war sehr verdunkelt worden. Jeder Stamm verehrte seine besonderen Götter, und von dem Glaub an ein Jenseits fanden sich nur schwache Spuren. Als wichtigstes Heiligtum des Landes galt die sogenannte Kaaba in der Hauptstadt Mekka: ein würfelähnlicher, kunstloser Steinbau, nach dem jährlich große Pilgerfahrten stattfanden und dessen Hauptanziehungskraft ein schwarzer Meteorstein in der östlichen Tempelwand war.

In Mekka ward nun Mohammed (2) um das Jahr 570 unsrer Zeitrechnung geboren. Sein Vater Abd-Allah starb früh und hinterließ nur wenig. Seine Mutter Amina verlor Mohammed in seinem sechsten Lebensjahre. Nach ihrem Tode soll ihn zuerst sein Großvater zu sich genommen haben, und als auch der zwei Jahre später starb, kam er unter die Vormundschaft eines Oheims. Weil dieser aber mittellos war und eine große Familie zu ernähren hatte, so musste sich der junge Mohammed bei den reichen Bewohnern Mekkas sein Brot als Schaf- und Ziegenhirt verdienen.

Als er im 25. Lebensjahre stand, besserte sich ganz unerwartet seine äußere Lage: eine reiche, vornehme Witwe, namens Thadidscha, nahm ihn in ihre Dienste, und obwohl fünfzehn Jahre älter als er, schloss sie mit ihm die Ehe. Trotz, des großen Altersunterschiedes lebte Mohammed mit Thadidscha sehr glücklich. Sie gebar ihm sechs Kinder, zwei Söhne, die früh starben, und vier Töchter. Bei seinen Mitbürgern war Mohammed sehr geachtet, und wegen seiner Zuverlässigkeit erhielt er den ehrenvollen Beinamen „der Getreue“. Seine äußere Erscheinung wird als stattlich und anziehend geschildert. Den starken Kopf des mittelgroßen Mannes bedeckten schwarze, leicht gewellte Haare. Unter langen, schweren Lidern funkelte ruhelos ein schwarzes Augenpaar. Eine scharfe Adlernase sprang aus dem hellbraunen, von einem starken Vollbart eingerahmten Antlitz. Trotz seines kräftigen Körperbaus war Mohammed aber von Kindheit an nervenschwach, und er scheint öfter an epilepsieähnlichen Anfällen gelitten zu haben. Zur Schwermut neigend, war er doch im Verkehr liebenswürdig und beredt.

In seinem 40. Lebensjahre geriet Mohammed - wir wissen nicht aus welchen Gründen - in innere Gewissensnot. Vor allem der Gedanke an das Weltgericht bewegte ihn gewaltig, und er fragte sich voll Angst: „Was muss ich tun, um dem Gerichte Gottes zu entrinnen und zum Leben einzugehen?“ Die Götter seines Volkes - das sah er deutlich - konnten ihm nicht helfen; sie verblichen ihm immer mehr zu wesenlosen Götzen, und ihre Verehrung erfüllte ihn mit Abscheu. Ruhelos durchstreifte er die wildzerrissenen Berge in der Nähe seiner Vaterstadt. Eines Nachts, im Monat Ramadan, ums Jahr 610 n. Chr., war er auf dem Berge Hirá. Da glaubte er plötzlich den Engel Gabriel zu sehen, der ihm mit einem Buche nahte und ihn aufforderte, es zu lesen. Er fragte den Engel: „Was soll ich lesen?“ Gabriel erwiderte ihm:


„Lies! Im Namen deines Herrn, der da schuf

Die Menschen schuf aus zähem Blut!

Lies! Denn allgütig ist dein Herr,

der das Schreibrohr zu gebrauchen lehrte,

Den Menschen lehrte, was er nicht wusste.“ (3)


Entsetzt und voller Furcht, ein böser Geist sei in ihn gefahren, eilte Mohammed hinweg und teilte seinem Weibe Chadidscha sein Erlebnis mit. Sie suchte ihn zu trösten und aufzurichten. Von trüben Gedanken gequält, wartete er nun auf eine neue Erscheinung des Engels. Doch weil die ausblieb, wurde er immer schwermütiger, und schon wollte er sich aus Verzweiflung von einem schroffen Felsen stürzen, als ihm, etwa drei Jahre später, Gabriel abermals in himmlischem Glanze erschien. Der Engel mahnte ihn, seine Landsleute zu warnen, Gott zu verherrlichen und in Geduld auf ihn zu warten. Nach dieser Offenbarung kam Mohammed innerlich zur Ruhe. Denn nun war er völlig davon überzeugt, dass ihn nicht böse Geister quälten, sondern dass ihn Allah selbst auf den rechten Weg geführt habe.

Es ist erklärlich, dass Mohammed ‚das Bedürfnis hatte, seine Erfahrungen auch andern mitzuteilen. Die erste, die ihm folgte, war sein treues Weib Chadidscha. Seine Töchter aber (die beiden Söhne waren damals schon gestorben) traten nicht sofort entschieden auf seine Seite. Dagegen folgten ihm zwei Hausgenossen, die er an Sohnes statt angenommen hatte: sein junger Vetter Ah und sein Freigelassener Said. Wichtig war für ihn der Anschluss des etwa fünfzigjährigen Abu Bekr, eines angesehenen Mekkaners, der durch seinen Einfluss andre Gläubige gewann.

Um das Jahr 613 n. Chr. trat Mohammed zum ersten Male öffentlich in Mekka auf. Er wollte noch kein Prophet, kein Gesandter Gottes sein; er nannte sich nur einen Prediger und Warner. Vor allem mahnte er die Reichen seiner Vaterstadt, die alle Macht in Händen hatten und die Armen und Geringen drückten, durch den Hinweis auf das Weltgericht und Allahs Vergeltung, von ihrem bösen Treiben abzulassen.

Die Mehrzahl der Mekkaner wollte aber nichts von Mohammed wissen. Zuerst hielten sie ihn für besessen, dann verspotteten sie ihn, endlich kam es zu offener Feindschaft. Dazu erlitt Mohammed um das Jahr 619 einen schweren Verlust: seine treue Lebensgefährtin Chadidscha starb und bald nach ihr auch sein Oheim, der ihn erzogen hatte. Und wenn auch ein andrer Oheim, namens Hamsa, ein einflussreicher, ritterlicher Mann, und der junge feurige Omar, bisher einer seiner größten Widersacher, um jene Zeit zu ihm übertraten, so wurde seine Lage doch immer schwieriger. Ja es schien, als sei es aus mit seiner Sache.

Da trat mit einem Male eine überraschende Wendung ein: Unter den Pilgern, die die Kaaba zu besuchen pflegten, lernte Mohammed im Jahre 621 einige Bewohner der mehrere Tagereisen nördlich von Mekka gelegenen Stadt Jatrib kennen. Diese Leute nahmen seine Lehre auf und verbreiteten sie in ihrer Heimat. Schon im nächsten Jahre zählte Mohammed dort 75 Anhänger. Zugleich hoffte man in Jatrib, es werde Mohammed gelingen, eine blutige Fehde, die schon lange in der Stadt herrschte, durch seine Vermittlung beizulegen. So verließ denn Mohammed mit 69 ihm ergebenen Mekkanern seine ihm feindlich gesinnte Vaterstadt und begab sich nach Jatrib, wo ihm wenigstens eine freundliche Aufnahme sicher war. Diese Auswanderung von Mekka nach Jatrib heißt Hedschra, die man später auf den 16. Juni des Jahres 622 n. Chr. ansetzte. Damit beginnt die Mohammedanische Zeitrechnung. Man rechnet nach Mondjahren. Die Monate dauern abwechselnd 29 und 30 Tage; sie haben noch ihre alten arabischen Namen, obwohl heute auch schon unsre Monatsnamen gebraucht werden. Die Stadt Jatrib erhielt nach Mohammeds Einwanderung den Namen Medinat en-Nabi, „Prophetenstadt“, oder kurzweg Al-Medina, „die Stadt“.

Während Mohammed es in Mekka nicht gewagt hatte, offen als Gesandter Gottes aufzutreten, machte er in Medina diesen Anspruch vom ersten Tage an entschieden geltend, und sein Erfolg war so groß, dass in kurzer Zeit die Mehrzahl der Bewohner auf seiner Seite stand. Nun gab es in Medina auch eine kleine christliche Gemeinde und viele Juden. Von beiden hat Mohammed ohne Zweifel manches gelernt, was in seinen Bestimmungen über das Gebet, das Fasten und die Speisegebote deutlich zu Tage tritt. Aber bald schlug er eine neue Richtung ein: er wich nicht nur in Lehre und Leben wieder von den christlichen und jüdischen Gedanken ab, sondern führte sogar ein Stück des alten arabischen Heidentums als eine wichtige Verordnung. in seine Gemeinde. ein, indem er ihr den Besuch der Kaaba als heilige Pflicht auferlegte. Um dies Gebot zu begründen, behauptete er, Abraham und Ismael, die Stammväter der Araber, hätten mit Gottes Hilfe die Kaaba in Mekka erbaut, und Gott habe alle Menschen zur Wallfahrt dorthin eingeladen. Dadurch wollte Mohammed seine Anhänger zum Glaubenskriege gegen Mekka willig machen. Als er sich durch mancherlei Raubzüge eine ihm treu ergebene Kriegerschar schult hatte, begann er im Jahre 624 den. Offenen Kampf gegen seine Vaterstadt. Nach manchen Wechselfällen gelang es ihm, im Jahre 630 alle Bewohner Medinas zum Kriege gegen Mekka zu vereinigen, so dass er unerwartet mit einem starken Heere vor der Stadt erscheinen konnte. Es kam aber kaum zum Blutvergießen, denn die reichen Handelsleute in Mekka hielten es für das Beste, sich Mohammed zu unterwerfen. So zog er denn als Sieger in seine Vaterstadt ein. Sein erstes war, die Kaaba zu besuchen und dort zu beten. Dann bestätigte er in einer Ansprache an das versammelte Volk den alten Vorzug Mekkas, heiliges und unverletzliches Gebiet zu sein. Überhaupt bewies er aus Gründen der Klugheit große Milde und Mäßigung; nur etwa zehn Personen, die ihm besonders schuldig und gefährlich erschienen, erklärte er in die Acht und befahl die hinzurichten. Das Heidentum ward nach der Einnahme Mekkas überall in Arabien ausgerottet, während Juden und Christen als zinspflichtige Untertanen geduldet wurden.

Mohammed war etwa 60 Jahre alt, als er nach Eroberung seiner Vaterstadt auf der Höhe seiner Macht stand. Aber wie hatte er sich in den vergangenen zwanzig Jahren gewandelt! Aus dem von Gewissensangst gequälten Gottsucher, der sich und seine Stammesgenossen vor den Schrecken der Hölle bewahren wollte, war ein kalt berechnender, blutbefleckter Staatsmann geworden, der auch Betrug und Gewalttat nicht verschmähte, um seine Pläne durchzuführen.

Im März des Jahres 632 trat Mohammed seine letzte Pilgerfahrt von Medina nach Mekka an. Vielleicht in dem Bewusstsein, dass sein Ende nahe sei, hielt er bei dieser Gelegenheit vom Berge Ararat eine Ansprache an 40.000 Pilger, worin er sagte: „Heute habe ich meine Religion für euch vollendet und habe das Maß meiner Huld gegen euch erfüllt; und es ist mein Wille, dass der Islam eure Religion sei. Ich habe meine Sendung erfüllt; hinterlassen habe ich euch das Buch Allahs und deutliche Gebote; und wenn ihr sie haltet, werdet ihr nimmer irregehen.“ Nach Medina zurückgekehrt, erkrankte er an einem heftigen Fieber und um die Mittagsstunde des 8. Juni 632 n. Chr. entschlief er, etwa 62jährig, in dem Schoß seiner jungen Lieblingsgattin Aïscha. Tags darauf ward sein Leichnam von seinen nächsten Freunden gewaschen, angekleidet und für die Gemeinde zur Besichtigung aufgebahrt. Um Mitternacht begrub man ihn an derselben Stelle, wo ihn der Tod ereilt hatte.

In seiner letzten Ansprache nennt Mohammed selbst seine Religion mit dem Namen Islam. Islam heißt Hingabe, Ergebung, und zwar Hingabe an Gott und Ergebung in Gottes Willen. Einer, der sich völlig in Gottes Willen ergeben hat, ist ein Muslim. Muslims, nicht Mohammedaner, nennen sich deshalb auch Mohammeds Anhänger; denn sie wollen solche sein, die sich ganz dem Herrn der Welten ergeben. Mohammed sagt dann weiter in seinen Abschiedsworten an seine Gläubigen, er habe ihnen das Buch Allahs hinterlassen. Dies Buch ist der Koran. Das Wort bedeutet Vorlesung, einer von den vielen Ausdrücken, womit Mohammed die ihm zuteil gewordenen göttlichen „Offenbarungen“ bezeichnete. Der Koran enthält ausschließlich Worte Mohammeds von seinem ersten Auftreten an bis zu seinem Tode. Da aber Mohammed manche seiner ursprünglichen Äußerungen später weggelassen, verändert und ergänzt hat, so finden sich im Koran zahlreiche Widersprüche, die bis zum heutigen Tage den mohammedanischen Gelehrten große Schwierigkeiten machen; denn es ist ein Glaubensgrundsatz, der Koran enthalte nichts als göttliche, von allen Widersprüchen freie, durchaus unfehlbare Wahrheit. Wenn auch der Koran schon zu Mohammeds Lebzeiten niedergeschrieben sein mag, so ist er doch erst nach seinem Tode zu einem Ganzen vereinigt und im Einzelnen geordnet worden. Er besteht aus 114 Suren oder Abschnitten, die jedes Mal wieder in eine Reihe von Versen zerfallen. Sie Suren folgen sich aber nicht nach ihrer Entstehungszeit, sondern nach ihrem äußeren Umfange, so dass nach einer nur aus wenigen Versen bestehenden Eingangssure, die man als „die Öffnende“ bezeichnet, die längsten zuerst und die kürzesten zuletzt folgen. Jede Sure wird nach einem in ihr vorkommenden Stichwort benannt; so heißt z.B. Sure 2 „die Kuh“, Sure 3 „das Haus Imrän“, Sure 4 „die Weiber“, Sure 5 „der Tisch“. Die rätselhaften Buchstaben vor einer größeren Anzahl Suren spotteten bisher einer zuverlässigen Deutung: wahrscheinlich sind diese Buchstaben Merkzeichen, wodurch Gruppen von zusammenhängenden Suren kenntlich gemacht werden sollen. Als Ganzes betrachtet, ist der Koran ein unzusammenhängendes Buch; er enthält bunt durcheinandergewürfelte religiöse, sittliche, bürgerliche und staatliche Vorschriften, daneben Verheißungen, Mahnungen und Drohungen, langatmige, mit mancherlei Fabeln durch setzte jüdische, christliche und arabische Erzählungen, malerische Schilderungen der Hölle, des Paradies und des Weltgerichts und Reden über Gottes Einheit, Allmacht und Vorsehung. Dabei fehlt es aber nicht an wirklich schönen Stellen, die von dichterischer Begabung und Gestaltungskraft zeugen. Der Koran, nicht ganz so umfangreich wie unser Neues Testament, will das ganze religiöse, sittliche und bürgerliche Leben der Muslims ordnen; er ist also die Quelle, aus der wir zu schöpfen haben, wenn wir jetzt die Lehre des Islams in ihren Hauptpunkten kurz darzulegen versuchen. Dabei ist indes zu beachten, dass es eine von allen Mohammedanern ohne Unterschied anerkannte Lehre des Islams ebenso wenig gibt, wie eine von allen Christen anerkannte Kirchenlehre. Wie aber die Bibel die Quelle für die wahre christliche Lehre ist, so müssen wir auch aus dem Koran lernen, welche Lehre nach Mohammeds Absicht für den Islam bindend sein sollte.

Der Islam

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