Читать книгу Usbekisches Reisetagebuch - Ludwig Witzani - Страница 7

Оглавление

Statue des islamischen Universalgelehrten

Al Chwarizmi vor den Stadttoren von Chiwa

Soll man in den Zeiten des islamistischen Terrors

in ein islamisches Land fahren?

Ich habe als noch relativ junger Mann die meisten moslemischen Länder bereist, ausnahmslos selbstorganisiert und in Eigenregie. Die Bekanntschaften und Erlebnisse, die ich auf diesen Reisen mit den Menschen vor Ort gemacht habe, gehören für mich zu den schönsten Erinnerungen meines Reiselebens. Zugegeben, überall besitzt die Welt eine besondere Färbung, jede Ecke unseres Planeten enthüllt dem Reisenden eine andere Facette des Menschseins, aber das, was der Orient zu bieten hat, ist doch einzigartig. Seiner Romantik, seinen Stimmungen und Geräuschen, seiner Musik und Architektur kommt nichts gleich, und auch wenn es sich übertrieben anhören mag, so war mir oft, als würde ich dem Leben in einer dichteren Konsistenz teilhaftig, wenn ich durch die Altstädte von Lahore, Isfahan oder Marrakesch lief. So habe ich es immer wieder empfunden, ganz egal, welche Provinz der islamischen Welt ich bereiste. Allerdings, das muss ich von heute aus hinzufügen, vollzogen sich die meisten dieser Reisen in einer Zeit, in der der Islam noch nicht die kampfbereite Abwehrstellung gegen alles Westliche eingenommen hatte, in der er sich heute oft gefällt. Damals war er mir erschienen wie ein romantischer Bruder meiner eigenen Kultur, der in seiner Zivilisation einen gemeinschaftlichen Zauber entfalten konnte, nachdem sich der individualistische Mensch des Westens insgeheim verzehrt.

Auf der nach oben offenen Skala meines Fernwehs fehlten mir für den islamischen Kulturraum eigentlich nur noch drei Städte: Chiwa, Buchara und Samarkand, die Perlen Zentralasiens. Seit meiner Knabenzeit waren diese Städte für mich gleichbedeutend mit der Stimmung von Tausendundeiner Nacht, einer Ahnung von Karawanen und Kamelmärkten, Abenteuer und Orient - so weit weg, dass niemand wirklich wissen konnte, was dort vor sich ging und gerade deswegen wie eine große freie Leinwand der Fantasie, auf der ich malen konnte, was mir gefiel.

Schon mehrfach hatte ich angesetzt, nach Usbekistan zu reisen, aber immer war mir etwas dazwischengekommen. Ein Reisepartner, der woanders hinwollte, eine Scheidung, eine Erkrankung oder Ebbe in der Reisekasse. Im Jahre 2015 war es dann endlich soweit. Doch dann kam der Terror.

Über dem Sinai zerriss eine Bombe einen russischen Ferienflieger und brachte 221 unschuldigen Männern, Frauen und Kindern den Tod. In Tunesien landeten islamistische Mörder an einem Badestrand und begannen, Touristen mit ihren Schnellfeuergewehren zu erschießen. In Istanbul drängte sich ein Islamist in eine deutsche Reisegruppe und zündete seine Bombe. Zehn Tote, zahllose Verstümmelte.

Schlagzeilen aus einem Horrorfilm? Keineswegs, lauter blutige Tatsachen aus den letzten Monaten. Und ein Ende der Massaker war überhaupt noch nicht abzusehen. Fast täglich gingen neue Schreckensmeldungen über den Ticker, und es war, als hätten sich fundamentalistische Kräfte innerhalb des Islams dazu entschlossen, die Welt in einem Veitstanz ohnegleichen mit in den Abgrund zu reißen. Der islamistische Terrorismus hatte dem Tourismus den Krieg erklärt, daran konnte es keinen Zweifel mehr geben. Nicht mehr Geheimpolizisten oder Diktatoren waren nun ihre Angriffsziele, sondern Menschen, die sich gerade für die islamische Kultur interessierten und deren Ausgaben diesen Länder zugute kamen.


Dieser Krieg des islamistischen Terrorismus gegen den Tourismus zeigt inzwischen die ersten Erfolge. Der Tourismus in Ägypten und Tunesien ist praktisch zusammengebrochen, in der Türkei ist er schwer angeschlagen. Was aber ist mit Usbekistan? Usbekistan liegt in der Nähe von Pakistan, wo der Geheimdienst der Terrororganisation Al Qaida jahrelang Unterschlupf gewährt hatte. Usbekistan besitzt eine gemeinsame Grenze mit Afghanistan, wo die NATO einen völlig sinnfreien Krieg führt und die Taliban gerade dabei sind, die Macht zurückzugewinnen. Außerdem wurde Usbekistan von einer autoritären Regierung beherrscht, die zwar die Islamisten jagte, wo immer sie sich zeigten, aber zugleich das Ihre dazu beitrug, dass der Druck im Kessel ständig stieg.

Aber kein islamisch

es Land ist wie das andere, weder was seine Kulte, seine Menschen oder seine Regierung betrifft. Wenn man dem Auswärtigen Amt glauben durfte, war die Sicherheitslage in Usbekistan insgesamt zufriedenstellend, allenfalls im Ferghanatal oder an der Grenze zu Afghanistan war erhöhte Sorgfalt angebracht. Aber so etwas las man immer, bevor der erste Terroranschlag oder die erste Entführung stattfand. Was war also zu tun?

Zuerst verabschiedete ich mich von dem Gedanken, wie ursprünglich geplant, das Land selbstorganisiert zu bereisen. Als Individualtourist taucht man ein in Millionenstädte, ohne eine Spur zu hinterlassen, man fährt in Bussen und kein Hahn kräht nach einem, wenn er in eine Schlucht fällt - und wenn man krank wird und in einem einheimischen Hospital landet, dann gnade einem Gott. Alleine unterwegs zu sein, ist der Königsweg, den Menschen ganz nahe zu kommen, aber in Krisenregionen bedeutet es auch, das Schicksal herauszufordern.

Aber auch eine organisierte Bildungsreise kam für mich nicht in Frage. Ohne irgend etwas gegen bildungsreisende Pauschalurlauber gesagt zu haben, geht mir einfach die Anpassungsfähigkeit ab, die mit einer Reisegruppe von zwanzig bis dreißig Personen notwendig verbunden ist. Das ist alleine mein Problem und spricht nicht gegen diese Reiseart als solcher.

Die Lösung war einfacher als gedacht. Nach einer kurzen Recherche im Netz nahm ich Kontakt mit einer usbekischen Agentur auf, die schon seit Jahren vorgeplante oder maßgeschneiderte Touren für Einzelreisende vermittelt, Hotels und Fahrzeuge organisiert und bei Bedarf auch Reiseführer vor Ort stellt. Und bequemer als eine Individualreise war es außerdem.

Die latente Bedrohung, die vom islamistischen Terror ausgeht, war mir trotzdem an jedem Punkt meiner Reise in Usbekistan bewusst. Sie war bei mir als eine diffuse Stimmung, wenn ich über die Märkte lief, in die Busse oder Züge stieg oder Sehenswürdigkeiten besichtigte. In meinem Fall jedoch war sie verbunden mit dem festen Entschluss, zwischen denen, die mich möglicherweise bedrohten, und denen, die mir in ihrem Land eine beglückende Gastfreundschaft entgegenbrachten, strikt zu unterscheiden.


Usbekische Mutter mit ihren Kindern im Ferghanatal

Usbekisches Reisetagebuch

Подняться наверх