Читать книгу Die medial-historische Entwicklung des Damen-Skispringens - Luis Holuch - Страница 6
2. Untersuchungsgegenstand: Damen-Skispringen
ОглавлениеDieses Kapitel beschäftigt sich mit der Vorstellung des Abhandlungsgegenstandes, nämlich der Sportart Damen-Skispringen. Zu diesem Zweck werden zunächst die Regeln der Sportart ganz allgemein und der Wettkampf erklärt. Darauf folgend wird auf Regelspezifizierungen für das Skispringen der Damen eingegangen.
Es folgen detaillierte Ausführungen über die Geschichte des Damen-Skispringens, welche eine zentrale Komponente dieser Abhandlung ist. Neben Erläuterungen der Wettkampfsaisons wird auch eine Auflistung von Meilensteinen für das Damen-Skispringen vorgenommen, um so die Entwicklungsschritte bis zum Jahr 2017 darzustellen. Des Weiteren werden die ausgetragenen Wettkämpfe vorgestellt, sowie Veranstaltungsorte und teilnehmende Nationen thematisiert.
2.1 Der Ablauf eines Skisprungs und Wettkampfdurchführung
Dieses Unterkapitel beginnt mit einer Erläuterung der allgemeinen Regeln in der Sportart Skispringen.
Dabei geht es um die Wettkampfdurchführung per se, sowie die wichtigsten Regeln in Bezug auf die Ausrüstung der Springer und Springerinnen und Regularien für Skisprungschanzen. Das Reglement für die jeweiligen Geschlechter ist jedoch nicht identisch, sodass die Spezifizierungen für den Damen-Weltcup in einem gesonderten Unterkapitel dargestellt werden.
2.1.1 Allgemeine Regeln und der Ablauf eines Skisprungs
Grundsätzlich beschreibt der Begriff Skispringen das Springen von einer Schanze mit Ski an den Füßen. Die Aufgabe eines Skispringers sei es „mit möglichst wenig Anlauf möglichst wie zu springen“, sagt der deutsche Bundestrainer der Männer, Werner Schuster, in der ServusTV-Dokumentation Überflieger – die Kunst des Skispringens.
Und er ergänzt „und das in einer Situation, wo es zählt“ – genau das gilt für die weltbesten Skispringer und Skispringerinnen.
Jeder Skisprung während eines Wettkampfes wird bewertet und am Ende mit denen der Konkurrenten verglichen, um einen Sieger zu ermitteln. Die konkrete Benotung wird am Ende dieses Unterkapitels anhand von Beispielen erläutert. Der Ablauf eines Skisprungs unterteilt sich in die folgenden fünf Phasen:
Abbildung 1: Flussdiagramm zum Ablauf eines Skisprungs (Eigene Darstellung)
Wichtig für die folgenden Erläuterungen ist zunächst, dass die letzten drei Phasen Flugphase, Landung und Ausfahrt von Kampfrichtern bewertet werden. Für diese werden Stilnoten vergeben. Die Kriterien für die Benotung dieser werden an den gegebenen Stellen erläutert.
Mit Ausnahme des Anlaufs (aber auch nur in kleinen Details) läuft ein Skisprung grundsätzlich an jedem Ort und in jeder Wettkampfform identisch ab. Unterschiede im Anlauf gibt es deshalb, weil in unterschiedlichen Wettkämpfen unterschiedliche Arten von Freizeichen gegeben werden.
In den Wettkämpfen auf internationaler Ebene läuft die Anlaufphase folgendermaßen ab: der Springer oder die Springerin wartet auf die Freigabe des Anlaufs. Diese wird mittels einer Startampel vorgenommen, welche wie die normale Verkehrsampel drei Farben besitzt. Bei rot ist der Anlauf gesperrt.
Es folgt die Gelbphase, welche 45 Sekunden dauert. In dieser entscheidet der Assistent des Renndirektors (Assistent des RD), ob die Freigabe des Anlaufs und damit die grüne Phase erfolgen. Diese ist abhängig von der Wind-Situation.
Befindet sich der Wind innerhalb des vorher festgelegten Windkorridors, hat der Assistent des Renndirektors den Anlauf freizugeben. Die Windwerte kann er an einem Windmonitor an seinem Arbeitsplatz im Sprungrichterturm ablesen. Befindet sich der Wind nicht im festgelegten Korridor und der Assistent des RD schaltet die Ampel nicht auf grün, so schaltet sie nach 45 Sekunden automatisch auf Rot. Dabei handelt es sich um einen Sicherheitsmechanismus, bei dessen Eintreten der Springer oder die Springerin den Anlaufbalken zu verlassen hat. Schaltet der Assistent des RD die Ampel auf Grün, so hat der verantwortliche Trainer zehn Sekunden Zeit, seinen Athlet oder seine Athletin, den Anlauf hinunterzuschicken. Dies kann er mittels akustischen Signalen oder mittels Winken (mit Gegenständen, den Händen oder einer Fahne) tun. Begibt sich der Springer oder die Springerin innerhalb dieser zehn Sekunden den Anlauf nicht hinunter, so wird er oder sie augenblicklich disqualifiziert. Bei Springen, bei denen es eine solche Startampel nicht gibt, wird der Trainer damit betraut, die Athleten den Anlauf hinunterzuschicken. Dort gibt es diese zehn-Sekunden-Regel nicht.1
Der Springer oder die Springerin begibt sich dann in seine oder ihre individuelle Anfahrtshocke und fährt den Anlauf der Schanze hinunter. Dabei hat der Athlet vor allem ein Ziel: das Erreichen einer möglichst hohen Anfahrtsgeschwindigkeit.
Der ehemalige deutsche Skispringer Sven Hannawald beschreibt die Vorgänge in seiner Biographie wie folgt: „Dabei ist wiederum die Anfahrtsposition ein entscheidender Faktor. Um den Luftwiderstand gering zu halten, solltest du eine möglichst kleine Angriffsfläche bieten. Dabei spielt eine möglichst geringe Hockhöhe eine wichtige Rolle. Die Arme sollten nahezu parallel zum Oberkörper nach hinten angelegt sein. Während der Anfahrt wirken die Schwerkraft, in diesem Fall die Hangabtriebskraft, die dich beschleunigt; der Luftwiderstand und die Reibungskraft – zwei Widerstandskräfte, die wiederum deine Beschleunigung verringern. Deswegen ist eine stabile Anfahrt so wichtig, du solltest keinesfalls mit den Armen pendeln. Kurz vorm Schanzentisch solltest du den Körperschwerpunkt stabil halten, um beim Absprung ein vorwärts gerichtetes Drehmoment erzeugen zu können. Auf keinen Fall noch versuchen, Schwung zu holen oder vermehrt Druck auf die Zehen zu geben.“2
Die Anlauflänge und -neigung variiert von Schanze zu Schanze. Je nach Größe der Schanze resultieren daraus unterschiedlich hohe durchschnittliche Anlaufgeschwindigkeiten. Eine vermeintlich logische Regel gilt jedoch nicht: der Anlauf einer Skiflugschanze (ab HS 185) ist nicht zwingend länger als der einer Großschanze.
Der Anlauf der Paul-Außerleitner-Schanze in Bischofshofen (HS 140) ist beispielsweise länger als der der Kulm-Skiflugschanze in Bad Mitterndorf (HS 225).3
Was alle Schanzen jedoch gemeinsam haben, ist der Schanzentisch, an welchem die zweite Phase eingeleitet wird. Beim Absprung versucht der Athlet die Schanzentischkante mit den Füßen exakt zu erwischen, um dort maximale Kraft anbringen zu können.
„Der Absprung ist die wichtigste, aber zugleich auch schwierigste Phase beim Skispringen. Du bist jetzt über 90 Kilometer pro Stunde schnell, manchmal noch schneller. Für die eigentliche Absprungbewegung bleibt allerdings nur ein winziges Zeitfenster von gerade einmal 0,3 Sekunden. Das ist ungefähr die Zeitspanne, in der du „Ooohhh“ oder „Mist“ sagen kannst.
In einem [fünf] Meter engen Korridor auf dem Schanzentisch entscheidet sich, ob der Sprung gelingt – oder nicht. Ein optimales Timing ist also alles entscheidend.“4 Aus seiner persönlichen Sicht spielen sich die fünf Phasen (die Hannawald jedoch etwas anders benennt) folgendermaßen ab:
„1. Die Vorbereitung: In spätestens 20 Sekunden muss ich vom Absprungbalken losfahren. Ich greife noch mal zum Schuh, um zu kontrollieren, ob alles fixiert ist. Noch ein letzter Blick auf die Bindung vorn – und ab geht’s.
2. Die Anfahrt: Wenn ich mich vom Balken abstoße, gleicht mein innerer Computer noch mal alle wichtigen Details vom Ablauf des Sprungs ab. Anfahrtshockenhöhe, Schwerpunkt, Armhaltung, Kopfhaltung. Nach 3 bis 4 Sekunden visiere ich den Schanzentisch an.
3. Der Absprung: Meine Augen haben mit den Jahren gelernt, die aktuelle Anfahrtsgeschwindigkeit und den Weg, den ich für meine Absprungbewegung brauche, so zu berechnen, dass ich weiß, wann der richtige Moment des Absprungs da ist.
4. Der Flug: Nach dem Absprung fühle ich bis ins Kleinste nach, wie der Ski mir „entgegenkommt“. Der Drehimpuls, der nach dem Absprung aus den Beinen kommt, lässt dich „auf den Ski legen“. Du ahnst schon, ob es weit geht – oder nicht.
5. Die Landung: Ich hatte (hoffentlich) reichliche Sekunden Zeit, den Flug zu genießen. Jetzt gilt es: volle Konzentration auf die Telemark-Landung. Linker Fuß vor und beim Aufsetzen Gleichgewicht halten.“5
Mittels Bildmaterial wird nun zunächst der Absprungvorgang illustriert und erläutert. Zur Vereinfachung der Darstellung wurde hier eine Aufnahme eines Absprungs der Slowenischen Springerin Špela Rogelj verwendet und die einzelnen Phasen anschließend mittels Screenshots festgehalten.
Abbildung 2a) und b): Die Slowenin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Sommer Grand-Prix‘ 2015 in Courchevel (Frankreich) (© Ursprüngliches Videomaterial: Stane Baloh / Bearbeitung vom Autor).
In Bild 2a) sitzt die Slowenin in in ihrer Anfahrtshocke, welche sie in Bild 2b) langsam auflöst. Sie bereitet den Absprung vor, in dem sie Gesäß und Oberkörper beginnt aufzurichten und die Arme von ihrem Körper löst.
Abbildung 2c) und d): Die Slowenin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Sommer Grand-Prix‘ 2015 in Courchevel (Frankreich) (© Ursprüngliches Videomaterial: Stane Baloh / Bearbeitung vom Autor).
Rogelj hebt den Oberkörper parallel zur Hocke der Beine an. Langsam löst sich bei ihr der 90-Grad-Winkel der Schenkel auf. Sie versucht so, die Kniespitze auf Höhe der Schanzentischkante zu bringen. Ihr Körper formt in Abbildung 2d) eine Art Sigma. Die Arme werden nach hinten abgespreizt, damit diese den kurzmöglichsten Weg neben den Körper finden. Die Armhaltung ist während des Absprungs und dann auch während der Flughaltung von Bedeutung. Ein Rudern beim Absprung sollte tunlichst vermieden werden, ebenso wie in der Luft.
Abbildung 2e): Die Slowenin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Sommer Grand-Prix‘ 2015 in Courchevel (Frankreich).
Die Skispitzen haben die Schanzentischkante nun bereits passiert. Rogelj bewegt das Gesäß nach vorne, ebenso wie die Oberschenkel. Diese sollen beim Absprung die Unterschenkel überholen und den größten Kraftimpuls beim Absprung leisten. Der Kopf wird nach vorne in den Wind gestreckt, er gibt die Richtung des Absprungs und den Absprungwinkel vor.
Der Athlet steht beim Absprung gewissermaßen aus der Hocke auf, um in den Flug zu gelangen. Dabei ist es ratsam, den Oberkörper und den Ski möglichst flach und plan nach oben und vorne laufen zu lassen, um so geringstmöglichen Luftwiderstand zu bieten. Denn dieser kostet Geschwindigkeit und schlussendlich auch Weite.
„Alles ist perfekt, wenn es beim Absprung gelingt, eine möglichst große vertikale Absprunggeschwindigkeit mitzunehmen und den Körperschwerpunkt [KSP] und damit auch die folgende translatorische Flugbahn anzuheben, sowie einen möglichst großen, senkrecht zum Schanzentisch orientierten Kraftstoß zu erzielen.“6 Translation bezeichnet in der Physik indes eine „geradlinig fortschreitende Bewegung eines Körpers, bei der alle seine Punkte parallele Bahnen in gleicher Richtung durchlaufen“7.
„Dies erreichen die Springer durch eine explosive Streckung der Sprung-, Knie- und Hüftgelenke. Zugleich wird der Oberkörper nach vorne geschoben, um den KSP zu verlagern und das erforderliche Drehmoment vorwärts, bzw. auch den vorwärts gerichteten Drehimpuls erzeugen zu können (Schwameder 2008). Dies ermöglicht wiederum eine schnelle Einnahme der aerodynamisch günstigen Flughaltung der Flugphase. Generell kann man annehmen, dass ein höherer Drehimpuls eine schnellere Einnahme der optimalen Flughaltung begünstigt.8“
Hannawald bezieht sich in seinen Ausführungen auf die Studienarbeit „Biomechanik – Skispringen“ der Studentin Isabelle Glauner von der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg.
Glauner beschreibt in dieser Studienarbeit den Ablauf eines Skisprungs aus wissenschaftlicher (physikalischer) Sicht und erhielt dafür die Note 1,0 9.
Oder, wie Hannawald schreibt: „Sie erklärt wissenschaftlich, was wir Springer von den Trainern in jeder Trainingseinheit mit einfachen Worten auf den Weg bekommen und intuitiv längst wissen.10
Doch was ist die Folge, wenn der Athlet dieses optimale Timing nicht hat und deshalb zu früh oder zu spät – mehr Möglichkeiten gibt es ja nicht – abspringt? Auch diese Frage beantwortet Hannawald mit seinem Erfahrungsschatz aus zwölf Jahren Weltcup-Erfahrung11:
„Wenn du zu spät abspringst, ist das eine kleine Katastrophe, denn deine Kraft beim Absprung stößt ins Leere und der nach unten gerichtete Kraftstoß kann keine Gegenkraft erzeugen. Deine Flugkurve fällt flacher aus. Wenn du aber zu früh abspringst, ist das noch schlimmer. Der Ski bekommt im ersten Moment keine Anströmung. Du musst kurz warten, bis der Ski trägt. Dieser winzige Moment kann dich zig Meter kosten. Weltklasse oder Bruchlandung? Dies entscheidet sich am Schanzentisch. Wenn du deine Skier zu steil in den Wind stellst, raubt der größere Luftwiderstand zunehmend Weite. Wenn du die Skier zu flach in den Wind stellst, werden die „Tragflügel“, die der Körper und die Skier im Idealfall bilden, zerstört. Auch das kostet Meter.“12
Kurzum lautet „[d]ie Erfolgsformel für einen konkurrenzfähigen Skisprung […] also: hohe Absprunggeschwindigkeit plus optimaler Drehimpuls gleich große Weite.13“
Und wenn einer weiß, wie es geht, dann jemand wie Hannawald, schließlich ist die Liste seiner Erfolge lang. Da wären 18 Einzelsiegen im Weltcup14, der Team-Olympiasieg 2002 und eine Silbermedaille im Einzel im selben Jahr und Silber mit dem Team 1998 in Nagano15, zwei Weltmeistertitel mit dem Team, sowie einmal Silber und Bronze16 und der Sieg bei der Skiflug-Weltmeisterschaft 2000 im Norwegischen Vikersund und die folgenden Titelverteidigung im Tschechischen Harrachov zwei Jahre später17.
Abbildung 2f) und g): Die Slowenin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Sommer Grand-Prix‘ 2015 in Courchevel (Frankreich).
Im Standbild 2f) sieht man, wie exakt Rogelj den Absprung trifft. Die Fußspitzen sind exakt auf Schanzentischkantenhöhe, die Knie leicht versetzt dahinter. Sie hat demnach nur Zentimeter zu spät die Kante erwischt, aber dies ist naturwissenschaftlich in Bezug auf die Flugkurve kaum nachweisbar. Athleten merken oft nur bei deutlich zu späten oder zu frühen Absprüngen einen Unterschied im Gefühl. Mit ihrem Körper bietet Rogelj nur eine geringe Fläche und damit wenig Luftwiderstand. Die Arme schwingen weiter in Richtung Gesäß, welches sie sanft mit dem Rest des Oberkörpers nach vorne bewegt. Den Kopf bewegt sie langsam nach oben, um so Platz für den Oberkörper zu machen. Dieser richtet sich im Folgebild 2g) weiter auf und bewegt sich nach vorne, schräg hoch von der Schanzentischkante weg. Der Winkel in Lundbys Schenkel ist nun nahezu nicht mehr vorhanden. Ebenso wie die Beine sind nun auch die Arme nahezu gestreckt.
Zu erkennen ist auch, dass Rogelj bereits Absprungkraft hat anbringen können, denn die Ski und damit auch alles darüber befindet sich ein gutes Stück oberhalb des Schanzentischs.
In den Bildern auf dieser Seite ist schließlich das zu sehen, was Glauner und Hannawald als Drehimpuls bezeichnet haben: die Bewegungen gehen nun vermehrt nach vorne. Rogelj befördert den Oberkörper schräg nach vorne – er überholt ihre Beine. Der Kopf ist weiterhin leicht gebeugt, um weniger Luftwiderstand zu erzeugen. Dass Rogelj leicht zu spät abgesprungen ist, lässt sich an ihren Ski erkennen. Diese biegen sich nämlich leicht nach unten. Das spricht dafür, dass der letzte Kraftimpuls „ins Leere“ gegangen ist. Grundsätzlich ist ihr der Absprung jedoch sehr gelungen.
Das folgende Bild 2i) zeigt Rogelj etwa fünf bis zehn Meter nach dem Absprung. Der Kopf ist nun in der Verlängerung der Wirbelsäule, also gestreckt.
Der Oberkörper bewegt sich unterdessen weiter nach vorne und bildet nun bereits eine schöne Rundung im Bereich Hüfte bis Oberschenkel, unter der sich die Luft sammeln kann. Ähnlich wie bei einem großen Flugzeug (nähere Details zum Verhalten während des Fluges folgen). Das Gesäß bewegt sich ebenfalls weiter nach vorne, die Arme nähern sich der Hüfte nun an. Es ist bereits jetzt zu erkennen, dass die Füße und der unterste Teil der Unterschenkel die Körperteile sind, die sich während des Fluges am nächsten zu Schanzentischkante befinden. Zudem gehen die Beine auseinander, die V-Stellung ist bereits angedeutet.
Abbildung 2h) und i): Die Slowenin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Sommer Grand-Prix‘ 2015 in Courchevel (Frankreich) (© Ursprüngliches Videomaterial: Stane Baloh / Bearbeitung vom Autor).
Auf den Normal-, Groß- und Flugschanzen sollte der Athlet etwa zehn bis 15 Meter nach der Schanzentischkante idealerweise die optimale Flugposition erreicht haben und die Ski zu einem V geformt haben.
Auch hier versucht man, die Ski in einem möglichst geringen Anstellwinkel in der Luft zu transportieren, um dadurch aerodynamischer zu sein. Während des Fluges sollte der Abstand zwischen Ski und Körper so gering wie möglich, dabei aber trotzdem parallel, gehalten werden, damit Fliehkräfte eine möglichst geringe Angriffsfläche haben. Ratsam ist jedoch bei Aufwind (Wind von unten), dem Wind möglichst viel Fläche zu bieten, um so ein größeres Luftpolster zu erzeugen.
Bis 1992 war dieser so genannte V-Stil bei den Kampfrichtern absolut verpönt. Der prägende Mann für diesen neuen Stil, der Schwede Jan Boklöv, und seine Nacheiferer wurden für diese Art zu springen mit deftigen Punktabzügen bestraft18. Man sah darin die Ästhetik des Skispringens, das bis dato im Parallelstil ausgeübt wurde, gefährdet. Obwohl sich der V-Stil als effektiveres System erwies. Bis die Regelhüter schließlich ein Einsehen hatten und den V-Stil offiziell erlaubten. Das nutze Boklöv selbst schließlich nicht mehr allzu viel. Nachdem er 1988/1989 den Gesamtweltcup für sich entschied19, zogen seine Konkurrenten nach und schon in der Folgesaison war er nicht mehr in den Top 10 zu finden. Er beendete seiner Karriere nach der Saison 1992/1993, in der er lediglich vier Zähler im Gesamtweltcup sammeln konnte.
Doch warum war und ist der V-Stil dem Parallelstil (beide Ski werden parallel in die Luft gehalten) derart überlegen? Auch diese Frage kann mit physikalischen Erkenntnissen beantwortet werden. „Der V-Stil bietet dem Wind mehr Angriffsfläche und sorgt für mehr Auftriebskraft als der Parallelsprung. Um wie viel, berechnete der Biomechanik-Professor Gert-Peter Brüggemann von der Deutschen Sporthochschule Köln bei den Olympischen Winterspielen in Lillehammer (1994) anhand von dreidimensionalen Sprungaufnahmen. Sein erstaunliches Ergebnis: Das Luftpolster beim V-Stil trägt um satte 35 Prozent besser, verglichen mit der alten Technik. Je stärker du deine Ski nach außen drücken kannst, ohne sie übermäßig zu verkanten, umso größer wird die Spannweite. Und ähnlich wie bei einem Segelflugzeug verbessert sich so die Gleitfähigkeit, weil sich ein großes Luftpolster bildet – das dich trägt und das „Fliegen“ unterstützt.20“
Hinzu kommen verstärkend die Eigenschaften der Sprunganzüge, welche die Springerinnen und Springer bei jedem Sprung tragen: „Zusätzlich wird dieses Luftpolster durch den Balloneffekt der Sprunganzüge verstärkt. Diese sind an ihrer Vorderseite luftdurchlässig, wohingegen die Rückseite aus luftundurchlässigem Material besteht.21„
Ein Skisprung (allein vom Beginn der Anfahrt bis zum Erreichen der V-Position) ist also ein ungemein komplexer Ablauf, welcher sich innerhalb kürzester Zeit abspielt. Schon kleinste Fehler oder Verzögerungen können fatale Folgen haben und zu einem Sturz und in der Folge Verletzungen oder gar Schlimmerem führen. Nichtsdestotrotz ist die Zahl der Stürze und Verletzungen weitaus geringer als angenommen.
Dies spricht zum einen dafür, dass die Springerinnen und Springer ihren Sport beherrschen und, dass die Wettkampfleiter sehr vorsichtig beim Bewerten der Wetterverhältnisse sind. Schließlich ist ein Skispringer oder eine Skispringerin bei dieser Freiluftsportart Wind und Wetter mehr oder weniger ausgesetzt.
Abbildung 4j) und k): Die Norwegerin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Weltcup-Finals 2014 in Planica (Slowenien).
Mit diesen beiden Bildern von Špela Rogeljs Sprung beenden wir die Besprechung der Absprung- und Flugphase. Im linken Bild ist zu sehen, dass ihre Arme nun fast unmittelbar neben ihrem Körper gelangt sind. Mit dem Oberkörper nähert sie sich ihren Ski weiter an. Es ist schön zu erkennen, wie sie die Rundung zwischen Oberkörper, Hüfte und Oberschenkel ausprägt, damit sich darunter die Luft sammeln kann.
Zudem spreizt sie die Beine weiter, um in ihre individuelle V-Position zu gelangen. Im rechten Bild ist sie endgültig in ihrer Flugposition angekommen. Die Ski formen ein V, die Arme sind seitlich vom Körper angebracht und ihr Sprungsystem ist durch die Position der Beine und des Oberkörpers geschlossen. Der gesamte geschilderte Ablauf von der Auflösung der Sprunghocke über den Absprung bis hin zum Formen des Sprungsystems dauert in Realgeschwindigkeit in etwa 1,3 Sekunden. Bereits hier ist Rogelj mit einer Geschwindigkeit von etwa 95 km/h unterwegs. Der Vorgang erfordert dementsprechend ein höchstes Maß an Aufmerksamkeit und Reaktionsschnelligkeit, sowie einer guten technischen Ausbildung hinsichtlich der Sprungtechnik.
Abhängig von der Schanzengröße sind die Springerinnen und Springer bis zu acht oder neun Sekunden in der Luft. Als vorletzter Teil des Sprungs folgt die Landung. Bei dieser wird ein Fuß vor dem anderen in den Schnee oder im Sommer auf die Matten gesetzt. Der Abstand zwischen beiden Füßen sollte in etwa eine Fußlänge haben.
Hier zwischen wird die Weite des Sprunges manuell oder per Videoweitenmessung festgestellt. Wichtig ist zudem, ein leichtes Einknieen des hinteren Beins vorzunehmen und dabei den Oberkörper leicht aufzurichten. Die Telemarklandung wird ebenfalls anhand einer Bilderserie erläutert, allerdings in etwas anderer Form als der Absprung: zum Vergleich werden eine gelungene und eine nicht ganz gelungene Landung dargestellt und erklärt.
Diese Bilderfolge besteht aus insgesamt sieben Bildern. Zu sehen ist ein norwegischer Skispringer bei der Landung auf der K56 im slowenischen Planica. Da das ursprüngliche Videomaterial, das freundlicherweise vom norwegischen Springer Joakim Aune zur Verfügung gestellt wurde, bereits in Zeitlupenform vorhanden ist, wurde die Produktion der nun folgenden Screenshots vereinfacht.
Ebenso erleichtert die Zeitlupe das Einfangen von Details des Bewegungsablaufes.
Abbildung 3a) und b): Ein norwegischer Springer beim Landevorgang. © Ursprüngliches Videomaterial: Joakim Aune / bearbeitet vom Autor.
Der Springer löst seine V-Position auf und fährt die Arme seitlich aus, die später als Stabilisatoren dienen sollen. Die Athleten haben zumeist ein „Lieblingsbein“, welches sie bei der Landung nach vorne schieben. In den allermeisten Fällen ist das Vertrauen in das eine Bein größer als in das Andere, sodass die Entscheidung dementsprechend pro dieses Bein ausfällt.
Die Springerinnen haben zumeist ein „Lieblingsbein“, welches sie bei der Landung nach vorne schieben. In den allermeisten Fällen ist das Vertrauen in das eine Bein größer als in das Andere, sodass die Entscheidung dementsprechend pro dieses Bein ausfällt.
Bei den Springerinnen mit Verletzungshistorie in Bezug auf Bein oder Knie, entscheidet zumeist die Frage, welches das gesündere Bein ist. Schließlich wirken bei der Landung „Kräfte des 3-4fachen des Körpergewichtes auf die Springer ein.22„Da ist es nachvollziehbar, dass die Springerinnen versuchen, so wenig Risiko wie möglich einzugehen.
Noch sind beim Springer die Beine gestreckt, was sich im Verlaufe des Vorgangs ändern soll und wird. Glauners Theorie nach „[f]ür einen optimalen Landeanflug und Landevorbereitung versuchen die Springer möglichst spät ihren Oberkörper aufzurichten.23“ Der Springer hält in diesem Abschnitt Kopf und Oberkörper leicht geduckt, um mehr Stabilität zu gewinnen und die wirkenden Kräfte besser beherrschen zu können. Zudem reduziert diese Körperhaltung die Landegeschwindigkeit ein wenig, was den Vorgang ebenfalls gegebenenfalls erleichtern kann. Er hält sich also an den theoretischen Leitfaden.
Abbildung 3c): Ein norwegischer Springer beim Landevorgang.
Die Ski sind mittlerweile fast in einer Parallelstellung. Sämtliche Winkel, die zuvor in der Körperhaltung des Springers erkennbar waren, lösen sich allmählich auf. Noch ist nicht erkennbar, welches Bein der Springer zum Einknieen nutzen wird. Durch diesen Vorgang reduziert der Springer die Geschwindigkeit, mit der er unterwegs ist. Dies vereinfacht ihm das Landen zumindest zum Teil, da er mehr Zeit für seine weiteren Bewegungsabläufe hat.
Grundsätzlich soll dies jedoch so spät wie möglich geschehen. Denn es gilt: wer bremst, verliert – und zwar an Sprungweite. Schließlich wirkt sich die geringere Geschwindigkeit auch auf die Weite aus.
Abbildung 3d): Ein norwegischer Springer beim Landevorgang.
Die nun wesentlichen Bewegungsläufe finden ab sofort gleichmäßig und parallel zueinander statt. Der Springer führt die Arme gleichmäßig nach oben, um sich eine bestmögliche Balance und Stabilität bei der Telemarklandung zu verschaffen. Im Kniegelenk deutet sich bereits die 90-Grad-Winkelstellung an, die bei der Landung gefordert wird. Damit befolgt der Springer die zu bewertenden Kriterien bis und bei der ersten Bodenberührung in der Internationaler Wettkampfordnung (IWO) des Internationalen Skiverbands (FIS), die sich in jedem Dokument wie folgt lesen:
„- Harmonischer Übergang beim Öffnen der Anflughaltung zur Landung.
- Einnahme einer geringen Schritt- und Beugestellung bei der ersten Bodenberührung.24“
Abbildung 3e): Ein norwegischer Springer beim Landevorgang.
Die Arme verlaufen nun parallel zur Schulter, in diesem Winkel wird der Springer sie von sich strecken.
Gleichzeitig nimmt er die geforderte Schrittstellung beim ersten Bodenkontakt ein: das rechte Bein ist in etwa eine Schuhlänge vor dem Linken, das er bereits einkniet. Am Verhalten der Ski ist zu erahnen, welche Kräfte spontan bei der Landung wirken – sie biegen sich stark durch.
Abbildung 3f): Ein norwegischer Springer beim Landevorgang.
Der Telemark ist nun komplett: Schrittstellung, ein eingeknietes Bein, gestreckte Arme und eine parallele Skiführung.
Abbildung 3g): Ein norwegischer Springer beim Landevorgang.
Der norwegische Springer verteidigt eindrucksvoll den Ruf seines Heimatlandes als Erfinder dieser Landung und der gleichnamigen Skidisziplin.
Der Landevorgang ist nun abgeschlossen und für nun beginnt die letzte Phase des Sprungs: die Ausfahrt. In dieser kommt es hauptsächlich darauf an, die sogenannte Sturzlinie, die jede Schanze besitzt, zu überqueren, ohne vorher mit dem Körper und einem anderen Teil der Ausrüstung als den Ski den Boden (Matten oder Schnee, je nach Jahreszeit) aufzunehmen.
Dieses Kernelement und weitere Pflichten der Athleten während der Ausfahrt hat die FIS in ihrer Internationalen Wettkampfordnung (IWO) in einem Kriterienkatalog für jede einzelne Phase (Flug, Landung und Ausfahrt) festgehalten und unter dem Paragraphen 431.2 „Haltungs- und Bewegungsvorschriften“ zusammengefasst, welcher nachfolgend zitiert wird:
„431.2.3 Ausfahren
Der Springer soll:
nach dem Abbremsen des Landeimpulses in der Schritt- und Beinstellung (Telemark-Beinstellung) kurze Zeit verbleiben und dabei
— den Oberkörper allmählich aufrichten und
— danach bei beliebiger Beinstellung und beliebiger Armhaltung aufgerichtet mit schmaler und sauberer Skiführung (gegebenenfalls in Pfeilstellung zum Abbremsen) sowie bei vollem Gleichgewicht standsicher bis über die Sturzgrenze ausfahren.
Bewertungs-Kriterien:
— Kurzzeitiges Verbleiben in der Telemark-Beinstellung (Fahrstrecke ungefähr 10 bis Meter) nach der Landung.
— Schmale und saubere Skiführung, siehe Art. 431.2.2 (Pfeilstellung ist statthaft).
— Standsicheres Ausfahren bei vollem Gleichgewicht in aufrechter Körperhaltung sowie bei beliebiger Beinstellung und beliebiger Armhaltung über die Sturzgrenze.
Punkteabzüge:
— Maximaler Abzug für den gesamten Bewegungsabschnitt 7,0 Pkt.
— Unsauberes und/oder unsicheres Ausfahren durch den Übergangsbogen bis zum Passieren der Sturzlinie 0,5 bis 3,0 Pkt.
— Durchfahren des Übergangsbogens mit Berühren der/des Ski/Schnee/Matte mit den Händen und/oder Körperteilen.
Dies gilt auch für das Passieren der Sturzlinie in dieser Position. 4,0 bis 5,0 Pkt.
— Sturz vor oder auf der Sturzgrenze
7,0 Pkt."25
Ist der Springer oder die Springerin gelandet, also mit beiden Füßen auf dem Aufsprunghang aufgesetzt, wird in der Mitte zwischen den beiden Füßen entweder per Augenmaß durch einen Weitenrichter oder bei mittels einer Videoweitenmessung die Sprungweite definiert.
Diese ist mit ausschlaggebend für die Gesamtbewertung eines Skisprungs. Abhängig von der Schanzengröße werden unterschiedliche Punktzahlen je Meter berechnet.
Was alle Schanzen jedoch gemeinsam haben, ist der sogenannte K-Punkt (Kalkulationspunkt), welcher 60 Weitenpunkte erbringt. Je mehr erzielten Meter mehr, erhält die Springerin eine festgelegte Punktgutschrift. Erzielt sie weniger Meter, erhält sie dementsprechend einen Abzug.
Zur Gesamtbewertung eines Skisprungs gehören zudem noch die Stilnoten, die durch fünf Sprungrichter vergeben werden. Die beste und schlechteste Note werden aus der Wertung gestrichen und die übrigen drei zu einer stilistischen Gesamtnote addiert. Seit der Saison 2010/2011 gibt es im Weltcup zudem noch die Wind-/Gate-Kompensation. Auch hier gibt es auf jeder Schanze einen anders festgelegten Wert pro Meter/Sekunde Auf- oder Rückenwind. Rückenwind bedeutet im Skispringen ein Nachteil, da die Springerin auf den Hang gedrückt wird und bewirkt daher Pluspunkte. Aufwind ist im Skispringen ein Vorteil, da sich ein zusätzliches Luftpolster bildet, welches die Springerin transportiert und dafür sorgt, dass sie weiter springen kann. Deshalb gibt es dafür Punktabzug. Bei Veränderungen der Anlauflänge gibt es ebenfalls Pluspunkte (Verkürzung) und Minuspunkte (Verlängerung).
Die Addition dieser drei Werte ergibt schließlich eine Gesamtnote, nach welcher die Springerinnen im Klassement eingestuft werden. Sortiert werden die Ergebnisse dementsprechend nach Höhe der Gesamtnote. Eine höhere Gesamtnote bedeutet also logischerweise eine bessere Platzierung.
Die Formel für die Gesamtnote für die Bewertung eines Skisprungs lautet also:
Abbildung 4: Formel für die Berechnung der Gesamtnote für die Bewertung eines Skisprungs. Eigene Darstellung.
Die Addition dieser drei Werte ergibt schließlich eine Gesamtnote, nach welcher die Springerinnen im Klassement eingestuft werden. Sortiert werden die Ergebnisse dementsprechend nach Höhe der Gesamtnote. Eine höhere Gesamtnote bedeutet also logischerweise eine bessere Platzierung.
Beispielhaft wird nun das Zustandekommen der Gesamtnote demonstriert. Dargestellt ist die Bewertung des Sprungs von Taylor Henrichs im WM-Wettkampf am 20. Februar 2015 auf der Normalschanze im Schwedischen Falun.
Abbildung 5: Die Benotung für Taylor Henrichs Sprung im ersten Durchgang bei der Weltmeisterschaftsentscheidung 2015 auf der Normalschanze in Falun (Schweden). Selbsterstellte Abbildung anhand der originalen Bewertung26.
Auf einer Normalschanze beträgt der Wert pro Meter 2,0 Punkte, ein halber Meter macht also 1,0 Punkte aus. Der K-Punkt der Normalschanze in Falun liegt bei 90 Metern, also erhält Henrich die 60 Punkte für das Erreichen des K-Punktes und einen zusätzlichen Punkt, da sie einen halben Meter weiter gesprungen ist. So kommen die dunkelblau umrandeten 61 Weitenpunkte zustande.
Für ihre stilistische Leistung erhält Taylor Henrich die Punktzahlen (auch Noten genannt) 18,0 – 17,0 – 17,5 – 17,5 und 17,5. Auch hier fallen die beste (18,0) und schlechteste (17,0) Note aus der Wertung, dreimal 17,5 werden addiert und ergeben die dunkelrot umrandete Stilnote von 52,5 Punkten. Die maximal erreichbare Punktzahl bei den Stilnoten ist übrigens 60. Die Gate-Kompensation spielt bei diesem Sprung keine Rolle, da es bis zu ihrem Sprung keine Anlaufverlängerung oder -Verkürzung gab. Sie hatte während ihres Sprungs Rückenwind und erhält für den kalkulierten Mittelwert von 0,26 Metern pro Sekunde eine Gutschrift von 2 Punkten.
Der Computer addiert also hier: 61 Weitenpunkte plus 52,5 Stilpunkte plus 2 Windpunkte und errechnet die Gesamtpunktzahl von 115,5 Punkten.
Nun bleibt abschließend noch die Frage, nach welchen Kriterien die Kampfrichter die Haltungsnoten vergeben (sollen) und wie Abweichungen von der Norm zu berücksichtigen sind. Auch diese Frage beantwortet der Paragraph 431.2 in der IWO der FIS.
„431.2 Haltungs- und Bewegungsvorschriften
431.2.1 Flug
Der Springer soll
— durch einen effektiven Absprung die Flugbahn anheben und
— nach Passieren der Absprungkante möglichst schnell die optimale Flughaltung einnehmen
— und zum richtigen Zeitpunkt die Landevorbereitung beginnen.
Bewertungskriterien
— Aktive Einflussnahme auf das Ausnutzen der Luftkraftwirkung.
— Verbindung von Körper und Ski zu einem ganzheitlichen Flug-System.
— Einnahme einer stabilen und hinsichtlich der rechten und linken Seite streng symmetrischen Ski-, Bein- und Armhaltung.
Punkteabzüge:
— Maximaler Abzug für den gesamten Bewegungsabschnitt 5,0 Pkt.
431.2.2 Landung
Der Springer soll
— aus einer stabilen Flughaltung den Kopf und Oberkörper aufrichten, die arme seitlich nach vorn/oben führen und die Skier in die Parallelstellung drehen;
— unmittelbar vor der Bodenberührung mit den Skienden eine leichte Schrittstellung einnehmen und in den Kniegelenken einbeugen;
— nach der Bodenberührung mit den Skienden das Abbremsen des Landeimpulses durch die elastischen Widerstandskräfte der sich durchbiegenden Skihinterteile durch Muskelkrafteinsatz unterstützen und dabei gleichzeitig
— die Schrittstellung weiter vergrössern [sic!] und mit dem hinteren Bein entsprechend tiefer einbeugen (Telemark-Beinstellung) sowie bei schmaler Skiführung den Landedruck gleichmässig [sic!] auf beide Seiten verteilen und zur Stabilisierung des Gleichgewichtes die Arme nach vorn/oben strecken.“
Anmerkung des Autors: In aller Regel erhalten die Springerinnen und Springer für die Flugphase keine Punktabzüge durch die Sprungrichter. Eine Regel aus dem Skispringervolksmund, die bisweilen an den Schanzen und auch von den Kommentatoren öfter zu hören ist, dass die Skienden überkreuzt sein müssten, damit ein Kampfrichter zum Punktabzug greift.
„Bewertungskriterien
— Harmonischer Übergang beim Öffnen der Anflughaltung zur Landung.
— Einnahme einer geringen Schritt- und Beugestellung bei der ersten Bodenberührung.
— Aktives Mitwirken beim Abbremsen durch die elastischen Widerstandskräfte der sich durchbiegenden Skier.
— Standsichere Bewältigung des Landestosses [sic!] durch optimales Einbeugen (nicht zu tief und zu lange beibehalten) und Vergrössern [sic!] der Schrittstellung.
— Voll ausgeprägte Telemark-Beinstellung am Ende der Bremsphase, d.h., mittlere Schrittstellung (Abstand von der Ferse des Vorderschuhes bis zur Spitze des Hinterschuhes annähernd eine Schuhlänge, zumindest die Spitze des Hinterschuhes noch hinter der Ferse des Vorderschuhes) und deutlich tiefere Beugestellung des hinteren Beins.
— Schmale und saubere Skiführung (Abstand zwischen den Skiern nicht grösser [sic!] als zwei Skibreiten sowie parallel geführt und vollflächig aufgesetzt).
Punkteabzüge:
— Maximaler Abzug für den gesamten Bewegungsabschnitt 5,0 Pkt.
— Keine Telemark-Beinstellung (parallele Fussstellung [sic!] am Ende des Landungsvorgangs als Einzelfehler)
mind, 2,0 Pkt.“
Abschließend seien noch die Vorschriften für das Ausfahren nach der Landung thematisiert, die ebenfalls entscheidend für die Stilnoten sind.
431.2.3 Ausfahren
Der Springer soll:
nach dem Abbremsen des Landeimpulses in der Schritt- und Beinstellung (Telemark-Beinstellung) kurze Zeit verbleiben und dabei
— den Oberkörper allmählich aufrichten und
— danach bei beliebiger Beinstellung und beliebiger Armhaltung aufgerichtet mit schmaler und sauberer Skiführung (gegebenenfalls in Pfeilstellung bis zum Abbremsen) sowie bei vollem Gleichgewicht standsicher bis über die Sturzgrenze ausfahren.
Bewertungs-Kriterien:
— Kurzzeitiges Verbleiben in der Telemark-Beinstellung (Fahrstrecke ungefähr 10 bis 15 Meter) nach der Landung.
— Schmale und saubere Skiführung, siehe Art. 431.2.2 (Pfeilstellung ist statthaft).
— Standsicheres Ausfahren bei vollem Gleichgewicht in aufrechter Körperhaltung sowie bei beliebiger Beinstellung und beliebiger Armhaltung bis über die Sturzgrenze.
Punkteabzüge:
— Maximaler Abzug für den gesamten Bewegungsabschnitt 7,0 Pkt.
— Unsauberes und/oder unsicheres Ausfahren durch den Übergangsbogen bis zum Passieren der Sturzlinie 0,5 bis 3,0 Pkt.
— Durchfahren des Übergangsbogens mit Berühren der/des Ski/Schnee/Matte mit den Händen und/oder Körperteilen. Dies gilt auch für das Passieren der Sturzlinie in dieser Position. 4,0 bis 5,0 Pkt.
— Sturz vor oder auf der Sturzgrenze 7,0 Pkt.“27
Mit diesen Ausführungen ist die Erläuterung der allgemeinen Regeln des Skispringens abgeschlossen. Nun folgen eine Spezifizierungen für das Skispringen der Damen – insbesondere für die Weltcup-Serie.
2.1.2 Spezifizierungen für den Skisprung-Weltcup der Damen
Vorweg sei angemerkt, dass sich die nachfolgenden Regularien nach dem Passus 11 auch auf den FIS Grand Prix beziehen, der erstklassigen Sommerserie im Skispringen. Diese, wie sämtliche weitere aufgeführte Regeln, entstammen dem offiziellen „Reglement FIS Weltcup Skisprung Damen 2015-2016“.28
Für den Grand-Prix ist zudem im Passus 11.1 die Preisgeldverteilung eigens geregelt: bei einem Einzelwettbewerb werden 6.000 Schweizer Franken an die ersten sechs Springerinnen ausgeschüttet (2.500 für die Siegerin, 1.500 für die Zweite, 1.000 für die Dritte, 500 für die Vierte und je 250 für Rang fünf und sechs)29.
Bei einem Team-Wettbewerb (welcher bis heute, Stand 1. Juni 2017, indes nie ausgetragen wurde) erhielten die Teams, die auf dem Podest stünden, insgesamt 6.000 Schweizer Franken (3.000 für Rang eins, 2.000 für Rang zwei und 1.000 für Rang drei) – die einzelnen Beträge würden gleichmäßig auf die teilnehmenden Athletinnen (vier pro Team) verteilt. Das meiste Preisgeld (in der Kategorie Teamspringen), nämlich 10.000 Schweizer Franken wird bei den Mixed Team-Bewerben ausgeschüttet. Auch hier werden die besten drei Nationen finanziell entlohnt: mit 5.000, 3.000 und 2.000 Franken. Die Preise (monetäre und materielle) für die Weltcup-Wettbewerbe sind in Artikel 5 festgelegt.
Die Preisgelder für jeden Einzelwettbewerb müssen demnach eine Summe von 19.890 Schweizer Franken umfassen.
Die Siegerin erhält davon 3.000, die Zweitplatzierte 2.400 und die Drittplatzierte 1.800 Franken. Generell gilt die Faustregel: 30 Schweizer Franken je Weltcuppunkt. Somit erhält die Zehntplatzierte 780, die 15. 480 und die 20. 330 Schweizer Franken. Die Springerinnen, die die Ränge 21-30 belegen, somit also ebenfalls den Sprung in die Weltcuppunkte geschafft haben, erhalten jedoch kein Preisgeld. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den Herren.
Dort umfasst das Preisgeld eine Summe von 71.800 Franken – der Sieger erhält 10.000 Schweizer Franken. Zudem erhalten die Springer nicht nur 30, sondern 100 Franken je gesammelten Weltcuppunkt. Und: jeder Springer, der einen oder mehr Weltcuppunkte – kurz: die besten 30 jedes Einzelspringens – erhält Preisgeld. Somit ist der 27. Platz im Einzelwettbewerb der Herren mehr wert als der 20. Platz bei den Damen. Diese Tatsache ergibt sich aus der FIS Weltcup-Punktewertung, die für beide Geschlechter gleichermaßen gilt.
1. Rang = 100 Punkte
2. Rang = 80 Punkte
3. Rang = 60 Punkte
4. Rang = 50 Punkte
5. Rang = 45 Punkte
6. Rang = 40 Punkte
7. Rang = 36 Punkte
8. Rang = 32 Punkte
9. Rang = 29 Punkte
10. Rang = 26 Punkte
11. Rang = 24 Punkte
12. Rang = 22 Punkte
13. Rang = 20 Punkte
14. Rang = 18 Punkte
15. Rang = 16 Punkte
16. Rang = 15 Punkte
17. Rang = 14 Punkte
18. Rang = 13 Punkte
19. Rang = 12 Punkte
20. Rang = 11 Punkte
21. Rang = 10 Punkte
22. Rang = 9 Punkte
23. Rang = 8 Punkte
24. Rang = 7 Punkte
25. Rang = 6 Punkte
26. Rang = 5 Punkte
27. Rang = 4 Punkte
28. Rang = 3 Punkte
29. Rang = 2 Punkte
30. Rang = 1 Punkt
Abbildung 6: FIS Weltcup-Punktewertung nach Reglement FIS Weltcup Skisprung Damen 2015-2016. Selbsterstellte Darstellung anhand des originalen Dokuments. Quelle: siehe Endnoten.
Die Punkte werden also entsprechend der erreichten Platzierung zugeteilt. Bei Punktgleichstand in der Tageswertung (welche durch die Gesamtnoten einer jeden Springerin) zustande kommen, „erhält jede Springerin die dem Rang zugeteilten Punkte, und der folgende Rang wird ausgelassen.“30 Die Addition der bei jedem Springen erzielten Weltcup-Punkte ergibt schließlich die Weltcupgesamtwertung, welche dementsprechend nach jedem Springen neu berechnet wird. Diejenige, die nach dem finalen Springen die höchste Weltcupgesamtpunktzahl erzielt hat, ist die Weltcupgesamtsiegerin. Sie erhält von der FIS, wie in Artikel 5.2 festgelegt, die große FIS Weltcup Kugel. Die Springerinnen auf Rang zwei und drei erhalten eine FIS Weltcup Medaille. Nachfolgend sind alle Gesamtweltcupsiegerinnen, sowie die Zweit- und Drittplatzierte aller bisherigen Weltcupsaisons (Stand: nach der Saison 2016/2017) samt Nationenkürzel und erreichter Gesamtpunktzahl aufgelistet.
Saison | Siegerin | Zweite | Dritte |
2011/2012 31 | Sarah Hendrickson (USA) 1169 Punkte | Daniela Iraschko (AUT) 779 Punkte | Sara Takanashi (JPN) 639 Punkte |
2012/2013 32 | Sara Takanashi (JPN) 1297 Punkte | Sarah Hendrickson (USA) 1047 Punkte | Coline Mattel (FRA) 823 Punkte |
2013/2014 33 | Sara Takanashi (JPN) 1720 Punkte | Carina Vogt (GER) 806 Punkte | Yuki Itō (JPN) 759 Punkte |
2014/2015 34 | Daniela Iraschko-Stolz (AUT) 1007 Punkte | Sara Takanashi (JPN) 973 Punkte | Carina Vogt (GER) 672 Punkte |
2015/2016 35 | Sara Takanashi (JPN) 1610 Punkte | Daniela Iraschko-Stolz (AUT) 1139 Punkte | Maja Vtič (SLO) 908 Punkte |
2016/201736 | Sara Takanashi (JPN) 1455 Punkte | Yuki Itō (JPN) 1208 Punkte | Maren Lundby (NOR) 1109 Punkte |
Tabelle 1: Die drei besten Springerinnen jeder Weltcupsaison. Selbsterstellte Tabelle.
Prinzipiell vorgesehen, bisher aber bislang im Weltcup noch nicht ausgetragen, sind Teamwettkämpfe für die Damen. Diese laufen (wie bei den Herren) so ab, dass in umgekehrter Reihenfolge des Nationenrankings (siehe Folgeseite) gestartet wird.
Zunächst springen alle vier Athletinnen jeder Nation einen Durchgang, welcher in eben diese vier Gruppen unterteilt ist.
Die Zahl der Teams reduziert sich nach diesem Durchgang auf die besten Acht – sofern mehr als acht Teams am Start sein sollten.
Saison | Nation | Punktzahl |
2011/201237 | Vereinigte Staaten von Amerika (USA) | 2228 |
2012/201338 | Vereinigte Staaten von Amerika (USA) | 2260 |
2013/201439 | Japan (JPN) | 2981 |
2014/201540 | Österreich (AUT) | 1970 |
2015/201641 | Österreich (AUT) | 2886 |
2016/201742 | Japan (JPN) | 3357 |
Tabelle 2: Die Siegernationen im Nationencup. Selbsterstellte Tabelle.
Die Nationenwertung wird prinzipiell unabhängig von Teamwettkämpfen erhoben. Maßgeblich dafür ist „[d]ie Summe der erzielten WCS-D-Punkte aller Teilnehmerinnen einer Nation (Damen) – [sic!] einschliesslich der Punkte der Mannschafts- und den Anteil aus den Gemischten Mannschaftswettkämpfen – der laufenden WCS-D-Saison“43.
Die beste Nation einer Saison erhält indes ebenfalls einen eigenen Preis, den FIS Nationencup. Bislang waren drei verschiedene Nationen in der Lage, diesen zu gewinnen.
Natürlich muss für sämtliche Wertungen vorab geregelt werden, welche Athletinnen für Weltcups startberechtigt sind. Diese Vorschriften sind in Artikel 2 geregelt unter dem Titel „Startberechtigung für WCS-Wettkämpfe“44.
Die Anmeldung zu Weltcupspringen ist lediglich dann möglich, wenn die Athletin einen FIS-Code besitzt, also beim Internationalen Skiverband angemeldet ist. Zudem gibt es drei weitere Dinge, die einer Athletin die Startberechtigung verwehren könnten: das Geburtsjahr (also das Alter), die Leistungen im Weltcup und die Leistungen im Continental-Cup. Eine vierte Beschränkung wird nachfolgend ebenfalls thematisiert.
Startberechtigt sind nach Artikel 2.2: „a) Springerinnen, die […] 2000 oder früher geboren sind; b) Springerinnen, die bereits WCS-D-Punkte oder GP-D-Punkte erzielt haben; c) Springerinnen, die bei COCS-D-[…]Wettkämpfen aus der vergangenen Saison oder der laufenden Saison mindestens einen Punkt erreicht haben.“45
Diese Regeln gelten also für sämtliche Nationen, ebenso wie die letzte Startzulassungsbeschränkung, welche von der FIS ausgeht. In Artikel 2.3 heißt es nämlich: „[j]eder Nationale Skiverband ist berechtigt, bis zu einem Maximum von sechs (6) Springerinnen für einen WCS-D zu nennen.“46
Dies bedeutet also: unabhängig davon, wie viele Springerinnen einer Nation nach Artikel 2.2 startberechtigt sind – ob beispielsweise drei oder zehn – es dürfen maximal sechs von ihnen zu einem Weltcupspringen angemeldet werden. Eine Bewertung dieses Umstandes erfolgt im weiteren Verlauf dieses Buches.
Ausgenommen sind Veranstaltungen im eigenen Land.
Denn nach Artikel 2.5 des Reglements kann der Nationale Verband des Veranstalterlandes zusätzlich eine Nationale Gruppe mit bis zu sechs zusätzlichen Athletinnen nominieren47.
Doch auch in Bezug auf diese Nationale Gruppe hat die FIS den Veranstaltern Grenzen gesetzt und diese in Artikel 2.6 festgehalten.
Dort heißt es wörtlich: „Wenn in einem Veranstalterland mehr als zwei (2) Einzel-Wettkämpfe pro Serie (GP-L und WCJ-L) geplant sind, so ist der Nationale Verband des Veranstalterlandes nur zweimal (2x) berechtigt, eine nationale Gruppe pro Serie (WCS, GP) zu stellen.“48
Dazu ein praktisches Beispiel: Japan ist die einzige Nation, die in der Saison 2015/2016 vier Einzelwettkämpfe ausgerichtet hat – nämlich zwei in Sapporo (17. und 18. Januar 2016) und zwei in Zao (22. und 23. Januar 2016)49.
Das bedeutet für die Japanerinnen, dass sie trotzdem in lediglich zwei Wettkämpfen eine nationale Gruppe von bis zu zusätzlich sechs Athletinnen an den Start bringen dürfen. Oder anders ausgedrückt: in zwei der vier Wettkämpfe hatte Japan zwölf Startplätze zur Verfügung, in den anderen zwei sechs, weil dort die übliche Startberechtigungsregel griff. Die (monetären und materiellen) Preise, die Wertungen und die Startberechtigungen sind nun geklärt. Doch wie funktionieren Weltcup-Wettkämpfe genau und sorgen somit überhaupt für das Zustandekommen der Wertungen?
Diese Frage wird in Artikel 4 und seinen Unterpunkten unter dem Thema „Durchführung von WCS-D-Wettkämpfen“ geregelt und werden nachfolgend erläutert.
Da wären zunächst die drei Bestandteile eines Weltcup-Wettbewerbes. Nach Artikel 4.1 besteht eine Skisprung-Veranstaltung in der Regel aus dem offiziellen Training, einem Qualifikationsdurchgang und/oder einem Probedurchgang und zwei Wertungsdurchgängen50.
Der detaillierte Ablauf der Veranstaltungen wird nun dargelegt. „Für das offizielle Training, den Qualifikations- und den ersten Wertungsdurchgang werden in der Auslosung drei Gruppen gebildet. Die Gruppenreihenfolge ist wie folgt:
- Gruppe I des Veranstalterlandes
- Gruppe II ( Springerinnen ohne WCS-D-Punkte)
- Gruppe III (Springerinnen mit WCS-D-Punkten)“51
„Die Startreihenfolge innerhalb der Gruppe wird folgendermaßen ermittelt:
- Gruppe I: Auslosung oder Setzen durch das Veranstalterland
- Gruppe II: Auslosung
- Gruppe III: In umgekehrter Reihenfolge des aktuellen WCS-D-Standes.
Für den ersten WCS-D-Wettkampf der Saison ist der WCS-D-Gesamtstand der vorangegangenen Saison [sic!] massgebend. Sobald eine Athletin im laufenden WCS-D-Stand aufscheint, ist sie für die Gruppe III gesetzt.“52
Anhand der folgenden Beispiele sollen die Regeln der beiden dargestellten Artikel besser verständlich gemacht werden. Die Auszüge von Start- und Ergebnislisten entstammen der Saison 2014/2015 und sind auf der Website der FIS zu finden.
Abbildung 7: Auszug aus der Startliste für die Qualifikation zum ersten Einzelspringen in Ljubno (Slowenien) am 13. Februar 201553. Selbsterstellte Tabelle samt Bearbeitung.
In diesem Auszug sind die drei Startgruppen erkennbar und zur besseren Unterscheidung durch den Autor farbig gekennzeichnet. Die rot eingerahmten Springerinnen (Startnummer 1 bis 4) gehören zur Startgruppe I: den Starterinnen des Veranstalterlandes. Orange eingerahmt sind die Springerinnen der Startgruppe II.
Sie waren bis zum damaligen Zeitpunkt ohne Weltcuppunkte geblieben und wurden in ihrer Startreihenfolge ausgelost.
Mit den grün eingerahmten Springerinnen beginnt die Startgruppe III. Sie werden in umgekehrter Reihenfolge des Weltcupgesamtstandes sortiert (aufsteigende Punktezahlen). Nach Artikel 4.2 reduziert der Qualifikationsdurchgang „das Starterfeld auf 40 Wettkämpferinnen. Alle Wettkämpferinnen müssen, mit Ausnahme der besten zehn (10) anwesenden Athleten des aktuellen Weltcupstandes, am Qualifikationsdurchgang teilnehmen. Für das Ergebnis zählt die erreichte Gesamtnote. Eine Springerin, der [sic!] 95 % der Höchstweite der sich zu qualifizierenden Athletinnen erzielt, dabei aber stürzte, hat das Recht, zusätzlich zu den 40 am Wettkampf teilzunehmen. (Bei Verwendung der Wind/Gate-Kompensation dient die kompensierte Höchstweite als Basis).“54
Abbildung 8: Auszug aus der Startliste für das erste Einzelspringen in Sapporo (Japan) am 10. Januar 201555. Selbsterstellte Tabelle samt Bearbeitung.
Dieser Auszug verdeutlicht noch einmal das Zustandekommen der Startreihenfolge. Wie oben zu lesen, ist dies die Startliste zum zweiten Weltcupspringen der Saison 2014/2015. Das bedeutet, dass das Ergebnis des ersten Einzelspringens der Saison maßgeblich für die Startreihenfolge des zweiten ist. Jede Springerin erhält also ihrer Platzierung in der Weltcupgesamtwertung entsprechend ihre Startnummer (auch Bib genannt).
Die Siegerin des ersten Springens, Špela Rogelj aus Slowenien, erhält also die Nummer 40, respektive das „Trikot der WCS-D-Führenden“56. Die weiteren Springerinnen haben weniger Punkte als Rogelj gesammelt und erhalten dementsprechend niedrigere Startnummern, da sie ja im Gesamtweltcup hinter der Slowenin platziert sind.
Daniela Iraschko-Stolz als Zweite erhält die Nummer 39, Sara Takanashi als Dritte die Nummer 38 und immer so weiter. Die Reihenfolge derer ohne Weltcuppunkte wird per Los entschieden (siehe Seite zuvor).
Abbildung 9: Auszug aus der Weltcupgesamtwertung nach dem ersten Einzelspringen in Lillehammer (Norwegen) am 5. Dezember 2014. Selbsterstellte verkürzte Darstellung anhand des originalen Dokuments.57
Links rot eingerahmt sind die Platzierungen der Damen im Gesamtweltcup dargestellt. Sie ergeben sich aus der Zahl der erreichten Weltcuppunkte (Total), welche weiter rechts rot eingerahmt ist. Diese Wirkung wird durch den orangen Pfeil symbolisiert: Gesamtpunktzahl (Total) führt zur Platzierung im Weltcup (Rank).
Nun kommen wir zu den letzten drei Themen dieses Unterkapitels: dem Probedurchgang und den Wertungsdurchgängen eins und zwei. Für den Probedurchgang gilt nach Artikel 4.2.3 folgende Bestimmung: „[f]indet der Qualifikationsdurchgang nicht, oder nicht am Wettkampftage statt, wird vor dem ersten Wertungsdurchgang ein Probedurchgang durchgeführt. (Ausnahme siehe IWO Art. 452.2.2)58“.
Wie bereits erwähnt, besteht das Teilnehmerfeld im ersten Wertungsdurchgang aus 40 Springerinnen „[(]die anwesenden 10 Besten des aktuellen WCS-D-Standes plus die 30 Besten des Qualifikationsdurchganges[)]59“. Eine Ausnahme dieser Regel kommt jedoch bei Wettkämpfen auf Großschanzen oder dem Weltcup-Finale zum Tragen.
Denn dort sind nach Artikel 4.5 „nur die 30 besten Athleten des aktuellen Weltcupstandes startberechtigt. Sollten sich unter diesen 30 Athletinnen nicht bis zu vier oder mehr Athleten vom Veranstalterland befinden, so ist diese Nation berechtigt, zusätzlich bis zu vier Athletinnen anzumelden60“. Ansonsten ist die maximale Schanzengröße für Damen-Weltcups indes HS 11861.
Hinzu kommt jedoch bei sämtlichen Einzelspringen jedoch noch: „[b]ei Mehrfachbelegung des 30. Ranges im Qualifikationsdurchgang und/oder eines Sturzes bei mehr als 95 % der Höchstweite erhöht sich die Teilnehmerzahl entsprechend (siehe Art. 4.2).62“
Der zweite Wertungsdurchgang führt schließlich zum Endergebnis eines jeden Springens – außer er findet nicht statt – und ist darüber hinaus auch entscheidend in Bezug auf die Weltcuppunkte, die die Springerinnen erhalten. Denn: die Ergebnisse (Gesamtnoten) beider Durchgänge werden zusammengerechnet zur Gesamtpunktzahl, nach der die Springerinnen einsortiert werden und erhalten dementsprechend Platzierungen und Weltcuppunkte.
„Im zweiten Wertungsdurchgang (Finaldurchgang) nehmen nur noch die besten 30 Bestplatzierten des ersten Wertungsdurchganges bzw. die 30 Besten plus Zusatzstarter bei Mehrfachbelegung des 30. Ranges teil. Die Startreihenfolge ergibt sich aus der umgekehrten Rangfolge der im ersten Wertungsdurchgang erzielten Gesamtnote.63“ Doch auch hier, wie beim Qualifikationsdurchgang, gilt: „[e]ine Springerin, die im ersten Wertungsdurchgang 95 % der Höchstweite des Durchganges erzielte, dabei aber stürzte, hat das Recht, zusätzlich zu den Bestplatzierten am Finaldurchgang teilzunehmen. (Bei Verwendung der Wind/Gate-Kompensation dient die kompensierte Höchstweite als Basis).64“
Will heißen: es starten die besten 30 (bei Mehrfachbelegung des 30. Platzes eben mehr) des ersten Durchganges in umgekehrter Reihenfolge. Die 30. zuerst, dann die 29., dann die 28. und so weiter. Die Beste des ersten Durchganges startet als Letzte.
Sollte eine Springerin mindestens 95 % der höchsten erzielten Weite erzielt haben und durch einen Sturz nicht unter die besten 30 gekommen sein, hat sie für den zweiten Durchgang trotzdem ein Startrecht und kann – so sie denn am Ende mehr Punkte als (eine) andere Springerin(nen) hat – ebenfalls Weltcuppunkte holen.
Dies waren die bedeutendsten Regelungen, die den Skisprung-Weltcup der Damen allein betreffen. Einige gelten so auch für die Herren, sind aber für das Verständnis von Weltcupspringen der Damen von großer Bedeutung.
Das nun folgende Unterkapitel beinhaltet eine detaillierte Chronologie des Damen-Skispringens und beschäftigt sich insbesondere mit den Meilensteinen in der sportlich-historischen Entwicklung der Sportart – einem zentralen Teilaspekt dieser Abhandlung.
2.2 Die Geschichte des Damen-Skispringens und ihre Meilensteine
Das Skispringen entstand in etwa zur gleichen Zeit wie das alpine Skifahren. Der erste aufgezeichnete, vermessene Sprung in der Geschichte wurde 1868 vom Norweger Leutnant Olaf Rye durchgeführt. Ryes Sprungweite betrug 9,5 Meter.
Stetige Aufzeichnungen und Messungen gab es erst nach der Einführung von Wettkämpfen Anfang des 20. Jahrhunderts. Zur gleichen Zeit fingen auch Frauen an, das Skispringen für sich zu entdecken. Insbesondere die „schwebende“ österreichische Gräfin Comtesse Paula Lamberg aus Kitzbühel machte sich einen Namen.
1911 nahm sie an einem Herren-Wettkampf teil und sprang eine inoffizielle Bestweite von 22 Metern65. Inoffiziell deshalb, da sie als Frau außer Konkurrenz sprang. Jedoch: damit sprang sie in etwa halb so weit wie die damals weltbesten Männer aus Norwegen und den USA.
Dieser Rekord hielt 15 Jahre, bis schließlich die Norwegerin Olga Balsted-Eggen 26 Meter sprang. 1931 sprang wieder eine Norwegerin, Johanna Klostad, 31 Meter und ließ dem Ganzen eine wahre Serie folgen: Sie verbesserte diese Marke schon ein Jahr später auf das Doppelte und setzte dem Ganzen im Jahre 1937 mit 71,5 Metern die Krone auf66. Ein Jahr zuvor war dem Österreicher Sepp Bradl im slowenischen Planica der erste Sprung auf über 100 Meter gelungen (101,5 Meter)67.
Bevor der heute unverzichtbare Weltcup entstand, gab es 1971 eine prägende Entscheidung: die FIS beschloss, Disziplinen voneinander abzugrenzen. Dies geschah im Wesentlichen durch die Einführung der Skiflug-Weltmeisterschaften.
Die erste Austragung dieses Wettbewerbs fand 1972 in Planica statt und auch diese Weltmeisterschaften finden im Zweijahresrhythmus statt (in den geraden Jahren).
Zwischen den heute noch geltenden Schanzengrößen Normalschanze, Großschanze und Skiflugschanze wurde also erst ab 1972 unterschieden, die Begriffe Normal- und Großschanze wurden bereits seit 1964 verwendet.
Die Einführung der Weltcup-Serie für die Herren folgte dann schließlich 1979. Jene für die Damen wurde erst zur Saison 2011/2012 eingeführt68, also 42 Jahre später.
Bis Ende der 1990er Jahre beschränkte sich sämtliches Damen-Skispringen zunächst lediglich auf ein Thema: den Weltrekord. Dies war auch anfänglich bei den Herren ein Schauspiel und rückte später etwas mehr in den Hintergrund, weil es dann Wettbewerbe wie die weltberühmte Vierschanzentournee gab.
Für die Skispringerinnen hingegen war es lange Zeit ein Kampf gegen die bloße Teilnahme außer Konkurrenz an Herren-Wettbewerben und der Versuch zu beweisen, dass man auch so weit springen könne wie die männlichen Kollegen.
Das beste Beispiel für dieses Streben lieferte die Norwegerin Anita Wold, die bei eben jener Vierschanzentournee als Vorspringerin agierte und bei einem Wettkampf im japanischen Sapporo die neue, inoffizielle Bestweite für Damen von 97,5 Meter aufstellte69.
Geschichte schrieb dann die Finnin Tiina Lehtola, die 1981 den ersten Satz über 100 Meter landete. 110 Meter sprang sie und damit stieß sie in eine für das Damen-Skispringen völlig neue Dimension vor70.
Jedoch gab es bis dato immer noch keine offiziellen Wettbewerbe für die Damen. Die (vermeintlichen) Gründe hierfür waren vielfältig: entweder gab es nicht ausreichend viele Teilnehmerinnen, man wurde schlicht und ergreifend nicht ernst genommen oder man hatte gar Angst, der weibliche Körper sei nicht für das Skispringen geeignet.
So war von Schäden der Gebärmutter, ausgelöst durch die harte Landung, die Rede. Wie sich im Nachhinein herausstellte: völlig unbegründet.
So ging die Rekordjagd also weiter. Abermals rückte eine Österreicherin in den Fokus. Eva Ganster, ebenfalls aus Kitzbühel, hatte nicht nur einen sehr engagierten Vater, sondern auch einen vollen Reisekalender.
1994 ging sie bei den Olympischen Winterspielen in Lillehammer (Norwegen) als Vorspringerin vom Lysgårdsbakken und verbesserte Lehtolas Rekord auf 113,5 Meter. Im Jahr darauf trat sie bei Springen in den USA an und entschied dort die Springen, unter anderem gegen Lindsey Van (bis 2014 selbst noch aktiv) und Karla Keck, für sich. Auch sie schaffte es in die Geschichtsbücher, denn nur drei Jahre später ging sie als allererste Frau der Welt von einer Skiflugschanze. Im österreichischen Bad Mitterndorf, am Kulm, flog sie am 9. Februar 1997 167 Meter weit und damit ins Guinness Buch der Weltrekorde71.
Lindsey Van indes ging 2004 ebenfalls von einer Flugschanze. Im norwegischen Vikersund flog sie im Rahmen des Continental Cups der Herren als Vorfliegerin auf 171 Meter. Dazu an späterer Stelle mehr.
Der erste hoch offizielle Wettkampf fand dann schließlich im Jahr 1998 statt. Im Schweizer Nobel-Skiort St. Moritz fand auf der Olympiaschanze die Junioren-Weltmeisterschaft statt. Dort hielt schließlich Dr. Edgar Ganster, Eva Gansters Vater, die Fäden entscheidend in der Hand.
Auf sein Drängen lud der Skiclub St. Moritz fast heimlich zum 22. Januar 17 Frauen und Mädchen aus sieben Nationen ein. Die Aufregung und Diskussionen waren groß, doch schließlich genehmigte der austragende Internationale Skiverband (FIS) ein Damen-Springen. Dieses Springen72 wurde von der Finnin Heli Pomell gewonnen. Eva Ganster belegte mit nur vier Zehntel Rückstand den zweiten Platz. Die einzige deutsche Starterin, Michaela Schmidt, belegte den Bronzerang.
Mit diesem Ereignis beginnt – langsam aber sicher – die Zeit der Meilensteine in der Geschichte des Damen-Skispringens. Diese Meilensteine sind im folgenden Zeitstrahl dargestellt und werden ferner schriftlich erläutert. Besonderer Fokus liegt hierbei auf den ersten internationalen Wettkämpfen, da diese in den Geschichtsbüchern kaum Erwähnung fanden und nur wenige offizielle Ergebnislisten existieren. Mit Hans-Georg Schmidt kommt in Kapitel 4, den Befragungsergebnissen, ein Zeitzeuge zu Wort, dessen Statements die Zeittafel fundiert belegen.
1998 | Erster internationaler Wettkampf bei der Junioren-WM in St. Moritz (Schweiz). |
Zwei einzelne COCs in Schönwald im Schwarzwald (Deutschland) | |
1999 | Erste Wettkampfserie für Damen: 1. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping |
1. Internationale Damen-Skispringen in Meinerzhagen (Deutschland). | |
2000 | 2. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping |
Erster offizieller Großschanzen-Wettkampf im Rahmenprogramm des Herren-Weltcups in Oslo am Holmenkollen. | |
2001 | 3. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping |
Springen bei den 5. European Youth Olympic Days (EYOWD) in Vukoatti (Finnland) | |
2002 | 4. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping |
1. FIS-Ladies-Sommer-Tournee, Ski Jumping | |
Springen beim 6. European Youth Olympic Festival (EYOF) (in Bled) in Planica (Slowenien) | |
2003 | 5. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping 2. FIS-Ladies-Sommer-Tournee, Ski Jumping |
Die Österreicherin Daniela Iraschko fliegt als erste Frau auf der Kulm-Skiflugschanze in Bad Mitterndorf/Tauplitz (Österreich) 200 Meter. | |
6. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping | |
2004 | Zum Winter wird der Continental Cup als wichtigste Serie neu eingeführt; der Grand-Prix wird in den Continental Cup implementiert und existiert weiterhin als eigene Serie. |
Die Norwegerinnen Line Jahr und Anette Sagen, sowie die US-Amerikanerin Lindsey Van und die Schwedin Helena Olsson sind im Rahmen des Continental Cups der Herren auf der Skiflugschanze in Vikersund im Einsatz. | |
2005 | Erstmals dürfen Skispringerinnen an den Studenten-Weltmeisterschaften (Universiade) teilnehmen. Daniela Iraschko wird in Innsbruck/Seefeld in Tirol (Österreich) erste Studenten-Weltmeisterin. |
2006 | Zum ersten Mal findet ein offizieller Wettbewerb um die Junioren-Weltmeisterschaft für die Frauen statt. Die Deutsche Juliane Seyfarth holt sich in Kranj (Slowenien) diesen Titel. |
Der FIS-Cup wird nun für die Frauen als zweite Wettkampfserie eingeführt. | |
2007 | Zum zweiten Mal sind die Damen bei der Universiade dabei. |
2008 | Die Damen werden in das Programm der Weltmeisterschaft 2009 in Liberec (Tschechien) aufgenommen. Im Sommer 2008 findet der obligatorische Testwettkampf auf der für die Damen ersten WM-Schanze statt. |
2009 | Lindsey Van aus den USA wird die erste Weltmeisterin in der Geschichte des Damen-Skispringens, die Deutsche Ulrike Gräßler holt Silber, Anette Sagen für Norwegen Bronze. |
Im selben Winter nehmen die Damen zum dritten Mal an der Universiade teil. | |
Zum letzten Mal bis heute werden Frauen als Vorfliegerinnen zugelassen. Neben den bereits erfahrenen Anette Sagen, Line Jahr. Lindsey Van und Helena Olsson ist mit der US-Amerikanerin Jessica Jerome ein Neuling mit dabei. Nachdem Sagen in ihrem vorletzten Versuch zu Sturz kommt, wird das Kapitel Frauen auf Skiflugschanzen vorerst beendet. | |
2010 | Der Kampf um eine Teilnahme an den Olympischen Winterspielen ist noch immer nicht gewonnen. In Vancouver starten weiterhin nur die männlichen Skispringer. |
2011 | In Oslo findet die Nordische Ski-WM statt und die Skispringerinnen sind zum zweiten Mal mit dabei. Daniela Iraschko gewinnt Gold, die Italienerin Elena Runggaldier holt Silber und Iraschkos Landsfrau Jacqueline Seifriedsberger Bronze. Zum mittlerweile vierten Mal sind die Damen bei der Universiade dabei. |
Im November findet das allererste Weltcupspringen der Damen statt. Über 30 Jahre nach der Einführung des Weltcups für die Herren gibt es nun auch die Damen diese vollwertige Winterserie. | |
Anfang des Jahres findet in Innsbruck und Seefeld in Tirol die erste Ausgabe der Youth Olympic Winter Games statt. | |
2012 | Nach dem Weltcup als höchste Winter-Serie wird nun auch bei den Damen der Sommer Grand-Prix eingeführt. Rein vom Namen der Serie sind Damen und Herren im Skispringen nun gleichberechtigt. Im Dezember wird in Sochi der Weltcup als Generalprobe für die Olympischen Spiele 2014 ausgetragen. |
Für den mitteleuropäischen Nachwuchs wird der Alpen Cup als Serie eingeführt (fünf Jahre nach den Herren). | |
2013 | Bei der dritten Teilnahme der Damen bei der Nordischen Ski-WM (in Val di Fiemme, Italien) gibt es erstmals auch ein Mixed-Teamspringen, das Japan vor Österreich und Deutschland gewinnt. Einzel-Weltmeisterin wird die US-Amerikanerin Sarah Hendrickson. |
In Oslo gibt es zum ersten Mal ein Weltcup-Springen auf einer Großschanze. Zur Feier dieses Ereignisses springt ein Großteil des Feldes mit dick aufgetragenem rotem Lippenstift. | |
Das EYOF findet in Râșnov (Rumänien) statt und nach zehn Jahren Pause sind auch wieder Skispringerinnen startberechtigt. Auch dort wird ein Mixed-Teamspringen ausgetragen. | |
2014 | Der Kampf ist gewonnen: die Damen sind in Sochi bei den Olympischen Winterspielen mit dabei. Carina Vogt aus Deutschland wird die erste Olympiasiegerin in der Geschichte, Silber holt die mittlerweile mit einer Frau verheiratete Daniela Iraschko-Stolz und Bronze geht an die Französin Coline Mattel. |
Die nicht rechtzeitige Fertigstellung der neuen Skiflugschanze im Slowenischen Planica bewirkt, dass die Herren auf die dortige Großschanze ausweichen müssen. Kurzerhand werden auch die Damen mit in das Programm genommen, auch ihr Saisonfinale findet auf der HS 139 statt. Sie ist die zweite Großschanze im Weltcup für die Damen und erstmalig finden während einer Saison gleich zwei Springen auf einer solchen Großschanze statt. | |
2015 | In Falun (Schweden) nehmen die Damen zum vierten Mal an der Nordischen Ski-WM teil. Carina Vogt holt nach Olympia auch WM-Gold. Auch im Mixed sind sie und ihre Teamkollegen aus Deutschland die Besten. |
Zudem folgen die Teilnahmen sechs an der Universiade und vier am EYOF. | |
2016 | Die zweiten Youth Olympic Winter Games werden in Lillehammer (Norwegen) ausgetragen. |
2017 | Erstmals finden, wie bei den Herren üblich, zwei reguläre Weltcup-Großschanzenspringen an ein und demselben Wochenende statt. Schauplatz dieses historischen Ereignisses ist die Arena in Oberstdorf, in der eine Woche zuvor der Auftakt der Vierschanzentournee stattfand. |
In Lahti gelingt Carina Vogt die doppelte Weltmeisterschafts-Titelverteidigung: sie wird sowohl im Einzel als auch im Mixed Weltmeisterin und damit die erste Skispringerin, der es gelingt einen oder sogar beide Titel zu verteidigen. Ihre WG-Genossin Svenja Würth darf sich ebenfalls Mixed-Team-Weltmeisterin nennen. | |
Für den Weltcup-Winter 2017/2018 stehen erstmals zwei Teamspringen für die Damen im Wettkampfkalender. |
Abbildung 10: Die Geschichte des Damen-Skispringens und ihre Meilensteine in einem Zeitstrahl. Eigene Darstellung.
Knappe zwei Monate nach dem Springen in St. Moritz (1998) fand ein Continental Cup (die zweite Liga im Skispringen) in Schönwald im Schwarzwald statt. Ursprünglich mit zwei Springen für die Herren vorgesehen, erhielten auch hier die Damen eine eigene Starterlaubnis. Auch auf der Adlerschanze siegte Heli Pomell, und zwar in beiden Wettbewerben. Ihre Landsfrau Kristiina Suokas belegte am ersten, Eva Ganster am zweiten Tag den zweiten Platz. Rang drei ging am ersten Tag an Lokalmatadorin Michaela Schmidt, am Folgetag sprang die heute immer noch aktive und erfolgreiche Daniela Iraschko auf eben diesen dritten Rang73.
Im folgenden Sommer wurden die Damen immerhin ins Vorprogramm der Sommer Grand-Prix-Serie der Herren eingebunden und sprangen in Hinterzarten im Schwarzwald, Stams in Tirol und Predazzo im Val di Fiemme. Eine wirkliche, eigene, durchgehende Serie von Wettkämpfen gab es jedoch immer noch nicht. Doch auch hier sollte der Aktivismus der Skispringerinnen-Väter Abhilfe schaffen.
Mit Hans-Georg Schmidt, dem Vater von Michaela Schmidt, sollte sich ein weiterer Vater einer Springerin um das Damen-Skispringen verdient machen. Er war gut mit Dr. Edgar Ganster befreundet, sodass diese Beiden die Entwicklung vorantrieben. Sie wurden bei der FIS vorstellig und erwirkten schlussendlich die Entstehung des 1. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping. Eine Serie von fünf Springen auf Schanzen in Deutschland und Österreich.
Im Februar 1999 trafen sich bei diesen fünf Springen insgesamt 29 Athletinnen aus neun Nationen, inklusive zweier Japanerinnen74.
Michaela Schmidt dankte ihrem Vater für seinen Einsatz, indem sie das historische erste Springen dieser Serie für sich entschied. Im Wetterchaos von Braunlage im Harz gewann sie nach nur einem Durchgang75. Für die übrigen vier Springen war Schmidt jedoch durch eine Trainingsverletzung außer Gefecht gesetzt76.
Stattdessen erklomm die Österreicherin Ganster bei den drei Springen auf deutschem Boden in Baiersbronn, Schönwald und Rastbüchl das Podest77. Zum Abschluss der Serie wurde im Rahmen der Nordischen Ski-WM in Ramsau am Dachstein gesprungen. Wieder konnte lediglich einer von zwei Durchgängen ausgetragen werden (wegen der durchweichten Anlaufspur).
Als dritte Springerin in diesem Winter konnte die Amerikanerin Karla Keck ein Springen für sich entscheiden78. Die Gesamtwertung der Tournee gewann jedoch Sandra Kaiser mit einem deutlichen Vorsprung von 25,9 Punkten auf Karla Keck. Dritte wurde Kaisers Teamkollegin Daniela Iraschko79.
Interessant bei dem Ganzen ist das Alter der jeweiligen Athletinnen, denn es handelt sich tatsächlich fast ausschließlich um Mädchen.
Das Alter lässt sich anhand der Einträge in die Datenbank der FIS nachvollziehen und somit ergibt sich folgende Altersstruktur:
Siegerin Sandra Kaiser wurde am 2. Februar 1983 geboren80 und war somit gerade einmal 16 Jahre alt, als sie die Gesamtwertung des 1. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping gewann. Dass die zweitplatzierte Karla Keck (30. Juli 1975)81 mit 23 Jahren die Älteste der sechs Bestplatzierten ist, spricht für die Jugend der Sportart. Vielleicht macht es dadurch die Vorbehalte der FIS-Offiziellen erklärlicher, aber das Alter allein kann keine Rechtfertigung für die Restriktionen sein, die die Damen jahrelang erfahren mussten. Die Drittplatzierte Daniela Iraschko ist die Jüngste von allen in den Top 6 mit ihren 15 Jahren, geboren am 21. November 198382.
In ihrem Jahrgang sind zudem noch die fünftplatzierte Schwedin Helena Olsson (15. November)83 und auch Michaela Schmidt (27. November)84, die durch ihre Verletzung bedingt im Endklassement im hinteren Feld landete.
Bleiben noch Eva Ganster, die Vierte und die Sechste, Izumi Yamada aus Japan. Yamada ist die Drittälteste mit damals 20 Jahren (28. August 1978)85, Eva Ganster wurde kurz nach Saisonende (am 30. März 1978)86 21 Jahre alt.
Da das Skispringen ja auch im Sommer ausgeübt wird, stellte sich nun die Frage, was nach Beendigung des Ladies-Grand-Prix sein würde. Wettkampfpause? Oder war die Serie im Winter bloß ein kurzes Auflodern einer Flamme, die so manch Funktionär bei der FIS nicht entzündet haben wollte? Die nationalen Skiverbände versuchten die Entwicklung voranzutreiben.
Allen voran der Österreichische Skiverband (ÖSV). Angetan von den Leistungen der jungen Damen entschied man sich, einen Nationalkader für die Frauen ins Leben zu rufen. Die erste Frauen-Skisprung-Nationalmannschaft der Welt bestand aus Eva Ganster, Sandra Kaiser und Daniela Iraschko87.
Und Wettkämpfe im Sommer gab es auch: der Skiklub Meinerzhagen (im Sauerland) veranstaltete am 4. und 5. September 1999 Einladungsspringen auf der größten Klub-eigenen Schanze, einer K65.
Die Namen, die in den Ergebnislisten auf den ersten drei Plätzen zu finden sind, sind an beiden Tagen dieselben – lediglich in anderer Reihenfolge88:
Das erste Springen gewann Daniela Iraschko vor Eva Ganster und Karla Keck. Am zweiten Tag behielt Ganster die Oberhand und siegte vor Keck und Iraschko. Einen Monat später fand ein ähnlicher Event auf der Olympiaschanze in Lake Placid (USA) statt, an dem 15 Damen aus unterschiedlichen Nationen teilnahmen89.
Der Hauptfokus sollte jedoch zunächst auf dem Winter und damit auf dem Ladies-Grand-Prix bleiben. Am 5. Februar 2000 gab es eine weitere Weltneuheit im Damen-Skisprung: den ersten Team-Wettbewerb. Heutzutage ist es im Skispringen üblich, in Vierer-Teams an den Start zu gehen.
Doch, was sich an diesem 5. Februar im Niederbayrischen Rastbüchl auf der Baptist-Kitzlinger-Schanze, einer K75, abgespielt haben muss, würde heute so manche Augenbraue hochgehen lassen. Zumindest bei Kennern der Szene. Denn beispielsweise die Japanerinnen auf dem dritten Platz sind lediglich mit drei Springerinnen an den Start gegangen. Ob eine der drei Damen ein zweites Mal gesprungen ist, lässt sich anhand der vorliegenden Ergebnisliste leider nicht nachvollziehen.
Das Siegerteam kam aus Österreich mit Magdalena Kubli, Sandra Kaiser, Eva Ganster und Daniela Iraschko) vor Deutschland mit Kristin Schmidt, Stefanie Krieg, Michaela Schmidt und Heidi Roth. Der Vorsprung der ÖSV-Damen betrug sage und schreibe 199,9 Punkte90.
Da jede Athletin zweimal gesprungen war, bestand das Springen aus insgesamt acht Durchgängen. Den Österreicherinnen hätten auch sieben Durchgänge gereicht, um vor den Deutschen zu siegen, die über die volle Distanz gegangen wären.
Auch in den Einzelkonkurrenzen waren die Österreicherinnen nicht zu schlagen; insbesondere Daniela Iraschko. Sie gewann nach Eva Gansters Auftaktsieg in Rastbüchl am Tag nach dem Teamspringen die Springen in Saalfelden, Schönwald und Baiersbronn und damit auch logischerweise die Gesamtwertung des 2. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping. Zweite wurde ihre Landsfrau Ganster, den dritten Platz belegte die Deutsche Heidi Roth91.
Nur gut einen Monat später gab es eine weitere Weltpremiere: das erste offizielle Springen auf einer Großschanze. Und das gleich am berühmt-berüchtigten Holmenkollen in Norwegens Hauptstadt Oslo92.
Der folgende Sommer war eine wettkampffreie Zeit für die Damen, jedoch gab es erfreuliche Neuigkeiten aus den Reihen der nationalen Skiverbände. Zwei weitere Verbände eiferten dem ÖSV nach und nominierten eine Skisprungnationalmannschaft für die Damen, nämlich Japan und das Mutterland des Skispringens, Norwegen.
Wie inzwischen gewohnt, ging es dann mit dem Ladies-Grand-Prix weiter, der in der dritten Ausgabe im Jahr 2001 jedoch aus lediglich drei Springen bestand: zwei in Schönwald und dem Abschluss in Rastbüchl. Erneut siegte Daniela Iraschko, doch dahinter tat sich Neues auf: die Nominierung eine offiziellen Mannschaft zahlte sich für die Norwegerinnen direkt aus, denn Henriette Smeby belegte in der Gesamtwertung Rang zwei.
Erstmals tauchte auch ein neuer Name aus den amerikanischen Reihen auf, nämlich die bereits erwähnte Lindsey Van. Sie sprang in Schönwald beim ersten Springen auf Rang zwei und wurde Vierte im Endklassement des Grand-Prix.
Und auch in diesem Winter sollte es eine Premiere für die Damen geben: denn erstmals durften sie im Rahmen der European Olympic Winter Days (EOWD) – heute European Youth Olympic Festival (EYOF) – an den Start gehen. Und das in einem eigens für sie veranstalteten Wettkampf.
„Im finnischen Vuokatti holte sich Daniela Iraschko am 13.03.2001 auf der K-90 […] die erste offizielle Goldmedaille für eine […] Skispringerin vor der Schwedin Helena Olsson und Anette Sagen aus Norwegen.“93 Rang vier belegte die Finnin Kristiina Suokas vor der Österreicherin Magdalena Kubli und ihrer Landsfrau Heli Pomell, die punktgleich den fünften Rang belegten.
Daniela Iraschko gewann auch die vierte Ausgabe des Ladies-Grand-Prix, bestehend aus vier Einzelspringen und einem Teamspringen, und machte damit ihren persönlichen Siegeshattrick perfekt. Das Teamspringen gewannen erneut die vier Österreicherinnen, vor Deutschland und den Norwegerinnen.
Doch immer noch blieb die Frage, was mit den bisher fast ausnahmslos wettkampffreien Sommermonaten passieren würde. Hier war es erneut Dr. Edgar Ganster, der das Heft des Handelns in die Hand nahm. Er rief eine Sommerserie ins Leben, die auf etwas kleineren Schanzen stattfand. Hauptsächlich um den Nachwuchs zu fördern und langsam an die Normalschanzen (80-110 Meter) heranzuführen. So wurden vier Einzel- und ein Teamspringen auf deutschen Schanzen ausgetragen. Um nur 0,3 Punkte Vorsprung entschied Daniela Iraschko wieder einmal die Gesamtwertung für sich. Undankbare Zweite wurde Eva Ganster, den dritten Platz belegte die Amerikanerin Jessica Jerome.
Der folgende Winter begann mit gleich drei Springen im Slowenischen Planica: zunächst fanden am 11. und 12. Januar 2003 zwei FIS-Springen auf der K90 statt.
Die ersten beiden Plätze waren an beiden Tagen klar verteilt: die Norwegerin Anette Sagen gewann jeweils vor Lindsey Van. Rang drei belegten am ersten Tag Eva Ganster und am zweiten Tag die Schwedin Helena Olsson. Das dritte Springen fand im Rahmen des
6. European Youth Olympic Festival (EYOF) statt. Wieder siegte Anette Sagen und das mit einem überaus deutlichen Vorsprung von 81 Punkten auf die Deutsche Ulrike Gräßler. Dritte wurde die Österreicherin Katrin Stefaner, die nur 1,5 Punkte hinter Gräßler lag94.
Quasi zeitgleich schrieb Daniela Iraschko Skisprunggeschichte: sie wurde beim Skiflug-Weltcup der Herren auf der Kulm-Skiflugschanze in Bad Mitterndorf (Österreich) als Vorfliegerin eingesetzt. In ihrem dritten Versuch flog sie dort auf die magische 200-Meter-Marke und stellte damit einen neuen Weltrekord für die Damen auf95, welcher bis heute Bestand hat. Seitdem waren lediglich vier weitere Damen auf einer Skiflugschanze aktiv: im Rahmen des Continental Cups der Herren im Jahre 2004 wurden die Norwegerinnen Anette Sagen und Line Jahr, die Schwedin Helena Olsson und die US-Amerikanerin Lindsey Van ebenfalls als Vorfliegerinnen eingesetzt. 2009 kam noch ihre Landsfrau Jessica Jerome dazu.
Den Schanzenrekord der Frauen in Vikersund von 174,5 Metern teilen sich bis heute Helena Olsson, die heute Helena Olsson Smeby heißt und norwegische Staatsbürgerin ist und Anette Sagen.
Sagen sollte jedoch die dominierende Athletin des Winters 2003 bleiben, denn sie entschied auch die Gesamtwertung des Ladies-Grand-Prix für sich und durchbrach damit die Siegesserie von Daniela Iraschko.
Iraschko gewann ihrerseits drei der vier Einzelspringen der Serie, doch das reichte nicht zu einem Top-6-Resultat in der Gesamtwertung. Ein Novum gab es im Teamwettbewerb: erstmals gewannen die USA und nicht das Team aus Österreich. Auf der K85 in Saalfelden (Österreich) standen am Ende Karla Keck, Alissa Johnson, Jessica Jerome und Lindsey Van ganz oben auf dem Podium. Noch beeindruckender waren Sagens Leistungen im Sommer 2003: sie gewann alle vier Einzelspringen und stand auch in einem der beiden Teamspringen ganz oben auf dem Treppchen. Logischerweise ging damit auch die Gesamtwertung erneut an die Norwegerin.
Die Einzelsiege während des 6. FIS-Ladies-Grand-Prix Ski-Jumping im Jahre 2004 teilten sich Sagen (zwei) und die Amerikanerinnen Lindsey Van und Jessica Jerome (je einen) auf. Dennoch ging die Gesamtwertung erneut an Anette Sagen, die damit in zwei aufeinanderfolgenden Sommern und Wintern Rang eins in den Gesamtwertungen belegte.
Im Sommer 2004 stand die nächste große Neuerung an. Der 1998 als Einzelevent ausgetragene Continental Cup (COC) wurde nun als feste Serie eingeführt.
Für den Ladies-Grand-Prix bedeutete das jedoch nicht das Aus.
Im Gegenteil: die Serie erfuhr eine Aufwertung, da die Terminierung der hinzukommenden Springen am Verlauf des Grand-Prix vorgenommen wurde.
So wurden aus den bisher üblichen vier Einzelspringen im Grand-Prix ein Team- und vier Einzelspringen, die in sich noch einmal (wie bislang auch) eine eigene Gesamtwertung umfassten. Hinzu kamen im Winter Springen in Slowenien, Italien und Norwegen.
Diese Serie und zwei Sommer-Wettkämpfe auf der Olympischen Normalschanze von 2002 in Park City im US-Bundesstaat Utah bildeten die erste Continental Cup-Saison für die Damen. 13 Springen wurden terminiert, lediglich eines in Planica fiel aus.
Gewertet wurde hier jedoch wie in allen saisonalen Serien üblich nach dem Punktesystem für die jeweiligen Platzierungen, (siehe Kapitel 1.2). Die beiden erwähnten Sommer-Wettkämpfe wurden von Daniela Iraschko gewonnen, die damit einen perfekten Start in die COC-Saison hinlegte. Bei diesen Wettbewerben in Übersee waren immerhin 24, beziehungsweise 25 Athletinnen am Start, darunter mit Jenna Mohr und Ulrike Gräßler zwei Deutsche.
Die Altersspanne betrug beträchtliche 16 Jahre: Karla Keck (Jahrgang 1975) war mit 29 Jahren die Älteste, ihre Landsfrau Avery Ardovino (Jahrgang 1992) mit 13 die Jüngste. Und das, wohlgemerkt, auf einer 100-Meter-Schanze.
Der Auftakt des ersten COC-Winters verlief zunächst holprig.
Nachdem das angesetzte erste Springen von Kranj nach Planica (beide in Slowenien) verlegt werden musste, wurde es zunächst abgesagt. Der neue Termin am Sonntag, den 16. Januar, erwies sich dann als günstig und so konnte das Springen ausgetragen werden. 28 Springerinnen aus sieben Nationen waren am Start. Mit zwei Sprüngen jenseits der Hillsize-Marke von 100 Metern, auf 104,5 und 102,5 Metern siegte Anette Sagen deutlich (16 Punkte Vorsprung) vor Lindsey Van und Lokalmatadorin Monika Pogladič, zwischen denen lediglich ein halber Punkt lag. Vierte wurde Daniela Iraschko vor der US-Amerikanerin Jessica Jerome. Ulrike Gräßler belegte als beste Deutsche Position sechs.
Die Jüngste in den Top 10 war die Österreicherin Jacqueline Seifriedsberger auf Rang neun, die an diesem 16. Januar 2005 gerade einmal 13 Jahre alt war.
Die viel erwähnte Eva Ganster belegte mit 200 Punkten den 14. Rang, vor der besten Italienerin, Lisa Demetz.
Die letzte noch nicht erwähnte Teilnehmernation ist Tschechien. Für die tschechische Republik startete die Jüngste im gesamten Feld, Vladena Pustková (12 Jahre alt), die den 27. Rang belegte.
Drei Tage später fand in Toblach/Dobbiaco in Südtirol das zweite Springen statt. Diesmal waren bereits 31 Athletinnen am Start, somit hätte bei normalem Wettkampfverlauf eine Springerin den zweiten Durchgang verpasst, da sie ausgeschieden wäre.
Doch dieses Szenario trat nicht ein, da mit der Deutschen Jenna Mohr und der Italienerin Roberta d'Agostina zwei Springerinnen von der Jury disqualifiziert wurden. Dies war eine (unrühmliche) Premiere im Damen-Skispringen.
Die Beste war erneut Anette Sagen, die dieses Mal vor den beiden Amerikanerinnen Lindsey Van und Jessica Jerome siegte. Die Slowenin Monika Pogladič belegte zwei Punkte hinter Jerome den vierten Rang. Beste Italienerin war erneut Lisa Demetz, diesmal als Fünfte. Eva Ganster war auch in Toblach beste Österreicherin, sie wurde Neunte. Auch Ulrike Gräßler war wieder die stärkste ihres Teams als Zehnte. Die weiteren Pionierinnen Daniela Iraschko (14.) und die Amerikanerin Karla Keck (21.) waren nicht ganz vorne zu finden. Vladena Pustková erzielte als 26. fünf Punkte für die Continental Cup-Gesamtwertung und erzielte damit ihr bestes Karriereresultat.
Auch beim dritten Springen in Oberaudorf war Anette Sagen nicht zu schlagen. 21 Punkte, also umgerechnet 10,5 Meter, betrug ihr Vorsprung auf Rang zwei. Diesen belegte Ulrike Gräßler und erzielte somit ihren ersten Podestplatz im Continental Cup. Sie hatte einen Punkt Vorsprung auf Lindsey Van, die ihrerseits ihren dritten Podestplatz in Folge erzielte.
In Schönwald im Schwarzwald durchbrach Daniela Iraschko die Siegesserie von Anette Sagen. Sie siegte mit sechs Punkten Vorsprung vor Lindsey Van, hinter der Sagen Rang drei belegte. Ulrike Gräßler wurde als Vierte abermals beste Deutsche.
Die junge Juliane Seyfarth kam in Schönwald offenbar gut zurecht und wurde gute Sechste. Mit Jenna Mohr (21.), Carina Hils (23.), Magdalena Schnurr (25.), Angelika Kühorn (28.) und Anna Häfele (29.) kamen fünf weitere Deutsche in die Punkteränge.
Aufgrund der bislang höchsten Teilnehmerzahl im COC mussten acht Springerinnen nach dem ersten Durchgang zuschauen. Dieses Springen war zugleich auch der Auftakt in die Grand-Prix-Serie, die nun im Februar 2005 fortgesetzt und beendet wurde.
Dritte Station des Grand-Prix‘ war Baiersbronn, ebenfalls im Schwarzwald. Dort trumpften die Sloweninnen groß auf und zwar in Form eines Doppelsiegs: Monika Pogladič siegte vor Maja Vtič, welche bis dato noch nicht groß in Erscheinung getreten war. Lindsey Van setzte ihre Podestserie fort und komplettierte das Podium als Dritte. Die Norwegischen Spitzenspringerinnen um Anette Sagen und Line Jahr nahmen nicht am Wettkampf teil.
Dies bescherte Lindsey Van die Gesamtführung im Grand-Prix vor den beiden Sloweninnen Pogladič und Vtič. Erstmalig war Ulrike Gräßler (6.) nicht beste Deutsche, sondern Juliane Seyfarth, die mit Rang fünf ihr bestes Karriereresultat erneut toppte.
Nennenswert sind ebenfalls Izumi Yamada aus Japan (7.), Elena Runggaldier aus Italien (8.) und Jacqueline Seifriedsberger aus Österreich (9.), die ebenfalls erstmalig die Besten ihres Landes wurden.
Im nächsten Austragungsort Rastbüchl (in der Gemeinde Breitenberg) fanden ein Teamspringen und ein Einzelspringen statt. Lediglich Letzteres hatte Einfluss auf die Gesamtwertung des COC. Das Teamspringen erhielt allein deshalb keine offizielle Anerkennung, da nicht, wie in den Regularien (siehe Kapitel 4.1) vorgeschrieben, acht unterschiedliche Nationen am Start waren. Es waren zwar neun Mannschaften gemeldet, jedoch stellten Slowenien und Deutschland jeweils zwei Teams.
Gewonnen hat das Springen jedoch das Team aus Österreich, bestehend aus Tanja Drage, Eva Ganster, Jacqueline Seifriedsberger und Daniela Iraschko. Sie erzielten zusammen in zwei Durchgängen 35,8 Punkte mehr als das Slowenische Team, bestehend aus Anja Tepeš, Petra Benedik, Maja Vtič und Monika Pogladič. Rang drei, mit dem knappen Rückstand von nur einem halben Punkt, belegten die Amerikanerinnen Karla Keck, Alissa Johnson, Jessica Jerome und Lindsey Van.
Vierte wurden die Norwegischen Rückkehrerinnen Henriette Smeby, Line Jahr und Anette Sagen, die von Mari Backe verstärkt wurden, die an sämtlichen Springen bis dato teilgenommen hatte.
Das erste deutsche Team belegte den fünften Rang und bestand aus: Lisa Rexhäuser, Jenna Mohr, Juliane Seyfarth und Ulrike Gräßler.
Dahinter folgen die Teams aus Italien (Barbara Stuffer, Roberta d’Agostina, Elena Runggaldier und Lisa Demetz) und Japan (Seiko Koasa, Rieko Kanai, Ayumi Watase und Izumi Yamada), die jedoch bereits beträchtlichen Rückstand auf das Team des Deutschen Skiverbands (DSV) hatten.
Dass man sie schlagen muss, um zu gewinnen, sofern sie denn antritt, stellte Anette Sagen am Folgetag einmal mehr unter Beweis: sie siegte mit 9,3 Punkten Vorsprung vor Daniela Iraschko und ihrer Landsfrau Line Jahr. Lindsey Van stand erstmals in der Saison 2004/2005 nicht auf dem Podest und wurde hinter Ulrike Gräßler Fünfte. Und auch das inoffizielle Finale des Grand-Prix‘ entschied Sagen für sich. Die Reihenfolge auf dem Podest war hierbei identisch mit der in Rastbüchl.
Und auch bei den drei Abschlusswettkämpfen in Norwegen war Sagen nicht zu schlagen. Sie siegte zunächst in Vikersund vor Lindsey Van und Ulrike Gräßler (am 5. März) und am 6. März vor Line Jahr und Van. Das letzte Springen in Oslo war das erste offizielle Springen im Rahmen einer saisonalen Serie, welches auf einer Großschanze stattfand: dem berühmten Holmenkollen. Auch hier bestand kein Zweifel an Anette Sagens Klasse.
Sie sprang mit 128 Metern im ersten Durchgang auf die Hillsize-Marke und legte im zweiten Durchgang 122 Meter nach und war somit die Einzige, die in beiden Durchgängen den K-Punkt von 115 Metern übersprang. Ihr Vorsprung betrug deutliche 50 Punkte auf die Zweitplatzierte Lindsey Van (114 und 106 Meter). Dritte wurde Jessica Jerome aus den USA, die 106 und 102 Meter sprang. Izumi Yamada wurde als Fünfte beste Japanerin (106 und 98 Meter); Maja Vtič mit 101,5 und 102,5 Metern als Sechste beste Slowenin.
Dahinter landete die beste Österreicherin, Daniela Iraschko, mit 105 und 97 Metern auf dem siebten Rang. Eva Ganster wurde zum Abschied mit 97 und 94 Metern noch einmal gute Achte.
Sie beendete nach diesem Springen ihre sportliche Laufbahn. Mit Eva Ganster trat zudem die Frau zurück, die als Erste überhaupt einen Flug auf einer Skiflugschanze absolviert hat. Sie darf ohne jeden Zweifel als Pionierin der Sportart Damen-Skispringen bezeichnet werden. Somit waren die beiden Töchter der Hauptaktivisten Dr. Edgar Ganster und Hans-Georg Schmidt nicht mehr aktiv.
Insgesamt zwölf Springen waren nun ausschlaggebend für die Gesamtwertung der COC-Serie. Anette Sagen nahm an elf von ihnen teil und belegte lediglich zweimal nicht(!) den ersten Rang. Folgerichtig ging der Gesamtsieg mit einer Punktzahl von 1020 in ihre Hände. Rang zwei belegte die konstant auf dem Podium anzutreffende Lindsey Van aus den USA mit 740 Punkten. Den dritten Platz sicherte sich die Österreicherin Daniela Iraschko mit 620; auch dadurch, dass sie die beiden Sommerspringen in Park City gewann. Auf Rang vier befand sich Line Jahr (567 Punkte) vor Jessica Jerome (525).
Ulrike Gräßler fand sich am Ende als beste Deutsche auf Position sechs wieder mit einer Punktzahl von 519. Mit Juliane Seyfarth (292 Punkte) auf dem zehnten Platz landete noch eine zweite deutsche Springerin in den Top 10. Vor ihr landete mit Alissa Johnson (304) die dritte Amerikanerin unter den besten Zehn. Diese werden von den beiden konstanten Sloweninnen Maja Vtič (374 Punkte) auf Acht und Monika Pogladič (478 Punkte) auf Sieben komplettiert.
Insgesamt haben im Verlauf der Saison 2004/2005 54 Springerinnen aus zehn verschiedenen nationalen Skiverbänden Punkte holen können96. Die Verteilung ist nun aufgelistet:
• | USA: | Zehn Springerinnen (10) |
• | Deutschland: | Neun Springerinnen (9) |
• | Slowenien: | Acht Springerinnen (8) |
• | Italien und Norwegen: | Je sechs Springerinnen (je 6) |
• | Japan und Österreich: | Je fünf Springerinnen (je 5) |
• | Kanada: | Drei Springerinnen (3) |
• | Schweden und Tschechien: | Je eine Springerin (je 1) |
So stellt sich die erste Continental Cup-Saison der Damen aus statistischer Sicht dar. Für die sportliche Entwicklung ist die Einführung dieser Serie mit Sicherheit ein Meilenstein gewesen.
Was nun folgte, waren Jahre der Etablierung und der konstanten Verbesserung des sportlichen Niveaus.
Um den geschichtlichen Abriss in einem lesbaren Rahmen zu halten, wird der Fokus im weiteren Verlauf des Kapitels auf den im Zeitstrahl festgehaltenen Meilensteinen gerichtet.
Neuland betraten die Skispringerinnen am 13. Januar 2005, als sie zum ersten Mal an der Universiade, den Studenten-Weltmeisterschaften, teilnahmen. Sechs Damen fanden sich in Seefeld auf der Olympiaschanze von 1974 ein, um erstmals die beste studentische Skispringerin der Welt zu finden. Auch diesen Titel holte sich die Österreicherin Daniela Iraschko vor der Slowenin Monika Pogladič und Seiko Koasa aus Japan97. Auch zur Universiade gibt es ein eigenes Unterkapitel (2.3.1.5).
Im Februar 2006 fand erneut eine Weltpremiere statt: die Damen nahmen zum ersten Mal offiziell an einer Junioren-Weltmeisterschaft der FIS teil. Diese fand im Slowenischen Kranj statt und kürte als erste Siegerin die Deutsche Juliane Seyfarth.
Mit Sprüngen auf 109 und 109,5 Metern sicherte sie sich überlegen den Titel vor der Kanadierin Atsuko Tanaka (105,5 und 95,5 Meter) und den drei Italienerinnen Elena Runggaldier (96 und 100 Meter), Lisa Demetz und Roberta d'Agostina auf den Plätzen 3, 4 und 598.
Im Jahr 2015 fand feierten die Damen ihre zehnte Teilnahme an einer Junioren-WM. Eine Liste der Medaillengewinnerinnen und weitere Details zum Event gibt es im Kapitel 2.3.1.3.
Eine weitere Neuerung im Jahr 2006 ist die Einführung des FIS-Cups, der zweiten Serie für die Damen. Er fungiert zunächst als Ergänzung zum COC, heute ist er Unterbau für Nachwuchsspringerinnen und dort Punkte zu holen ist zwingend notwendig, um eine Starterlaubnis für den COC zu bekommen. Auch er wird in einem Unterkapitel (2.3.1.2) genauer thematisiert.
Neben dem COC und dem FIS-Cup findet im Winter 2007 erneut die Universiade statt. Sie ist neben der zweiten Junioren-WM-Teilnahme das Highlight des Winters.
Bahnbrechend sollten die beiden Folgejahre werden: nachdem bekannt wurde, dass die Damen erstmals im Programm der Nordischen Ski-WM Platz finden sollten, wurde im Sommer 2008 auf der WM-Schanze in Liberec (Tschechien) der obligatorische Test-Wettkampf ausgetragen.
Und am 20. Februar 2009 war es dann so weit: die erste Weltmeisterin in der Geschichte des Damen-Skispringens wurde ausgesprungen. Erste Springerin bei einer WM überhaupt war die Norwegerin Maren Lundby, die die Startnummer 1 trug.
Die US-Amerikanerin Lindsey Van, die zuvor davon gesprochen hatte, dass in Liberec Geschichte geschrieben werde99, wurde mit 243 Punkten erste Weltmeisterin im Skispringen, nachdem sie nach dem ersten Durchgang noch Vierte war. Die nach dem ersten Durchgang noch führende Deutsche Ulrike Gräßler holte Silber, COC-Seriensiegerin Anette Sagen aus Norwegen gewann Bronze100.
Ein großer Wunsch wurde den Damen jedoch nicht erfüllt: die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen. Diese fanden im Februar 2010 in Vancouver statt, allerdings ohne Beteiligung der Skispringerinnen.
Ein Sport sei nur dann vollwertig, wenn er auch bei den Olympischen Spielen einen Platz finde und die Damen seien reif für die Teilnahme, so lauteten die Argumente der Befürworter und der Athletinnen selbst. Doch bei den Entscheidern stieß man auf wenig Gegenliebe.
Seitens des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hieß es, dass es nicht genug aktive Springerinnen gebe, um eine Aufnahme in das Olympische Programm zu rechtfertigen. Zudem hatte der Präsident des Internationalen Skiverbandes (FIS) Gian Franco-Kasper im Jahr 2005 einem Radiojournalisten gesagt, dass Skispringen aus „medizinischen Gründen keine Frauensache“ sei. Die Skispringerinnen argumentierten dagegen, dass mit Ski Cross und Snowboard Cross zwei Sportarten neu im Programm seien, die noch jünger und damit noch weniger entwickelt als das Damen-Skispringen seien.
Mit Vic Method, einem Befürworter und in seiner Rolle als Vize-Präsidenten des US-Amerikanischen Frauen-Skisprungverbandes nicht unbedeutenden Mann, erhielten die Entscheider weiteren Gegenwind. Der FIS seien mehr als 160 Springerinnen aus 18 Nationen gemeldet und mehr als 30 Springerinnen hätten seit der Einführung des COC als erste Liga des Damen-Skispringens Top-6-Platzierungen erreicht. „An sich ist es ein breites und dichtes Feld“, so Method.
Um die Unterstützung wissend und nach dem Motto „alle oder keine“ waren die Skispringerinnen bis dato vorgegangen und waren nicht dazu bereit, bei den Olympischen Spielen 2010 als Vorspringerinnen zu agieren. Sie sahen die Rolle dieser als im übertragenen Sinne Knechte der eigentlichen Athleten. „Es ist doch ein Widerspruch in sich, warum kämpfen wir an vorderster Front?“, beklagte die US-Skispringerin Alissa Johnson in der New York Times. Nicht nur von ihr war zu hören, dass, wenn die Organisatoren wirklich der Überzeugung seien, die Skispringerinnen seien in der Lage, die Schanze zu bewältigen, dann solle man sie auch ins Programm mit einbeziehen.
Das Ganze wurde zu einer rechtlichen Angelegenheit: 15 Skispringerinnen waren bis vor den obersten Kanadischen Gerichtshof gegangen, doch dort wurde im Dezember 2009 ihr Antrag auf Aufnahme ins Olympische Programm abgelehnt. Und so blieb den allermeisten Springerinnen nur die Zuschauerrolle. Dieses Szenario sorgte auch unter den Skispringerinnen für Verdruss und Streitigkeiten.
Denn: mit Atsuko Tanaka und Nata de Leeuw waren zwei kanadische Skispringerinnen als Vorspringerinnen bei den Olympischen Spielen in Vancouver im Einsatz. Alissa Johnson ist der Meinung: „Das zeigt ihnen [den Entscheidern] doch, dass es für uns okay ist, wenn wir kleine Nebenrollen spielen“. Auch Katie Willis äußerte sich in der renommierten US-Tageszeitung New York Times kritisch gegenüber der Teilnahme ihrer Teamkolleginnen: „Ich war sehr überrascht, dass Atsuko als Vorspringerin dabei war.“
Im Herbst 2009 habe es ein Treffen von Skispringerinnen gegeben, bei dem darüber abgestimmt wurde, ob ein Einsatz als Vorspringerinnen in Frage käme.
Bei diesem Treffen habe Tanaka ihrer Teamkollegin Willis gegenüber geäußert, sie werde nicht als Vorspringerin dabei sein.
Für Willis selbst war die Sache klar: „Mir war klar, dass, nach all‘ dem, was passiert ist, ich nicht springen werde. Ich wäre aus den falschen Beweggründen in Vancouver dabei gewesen“, sagte sie. Atsuko Tanaka indes selbst war nicht unter den 15 Springerinnen, die rechtliche Schritte eingeleitet hatten, ihre Teamkollegin Nata de Leeuw schon. Diese äußerte sich ebenso wenig in den Medien, wie ihre bevormundete Mutter. Tanaka sagte der New York Times: „Jeder Athlet träumt davon, bei Olympia dabei zu sein. Und selbst wenn man nur ein kleiner Teil davon ist, es fühlt sich einfach großartig an.“
Das Angebot an die Damen, als Vorspringerinnen zu fungieren, kam vom verantwortlichen Schanzenchef John Heilig. Dieser intendierte damit jedoch nicht, die Damen in irgendeiner Art und Weise anzugreifen. „Alle wissen, dass es hier nicht um mich geht. Ich bin nicht der, der die Regeln macht.“ Zudem sei die ebenfalls in den Medien kritisierte Nata de Leeuw nur in der ersten Woche als Vorspringerin aktiv gewesen.
Was am Ende blieb, war ein Zugeständnis, das IOC-Sprecherin Emanuelle Moreau verkündete: Die Damen dürfen bei den ersten Youth Olympic Winter Games 2012 starten und zum frühestmöglichen Termin, im nächsten Jahr (2011) gebe es eine Abstimmung darüber, ob die Damen bei den nächsten Olympischen Winterspielen 2014 im Russischen Sochi teilnehmen dürfen101.
Umso erfolg- und auch ereignisreicher wurde das Jahr 2011. Bei der Nordischen Ski-WM in Oslo sind die Skispringerinnen zum zweiten Mal mit dabei. Daniela Iraschko fügt ihrer ohnehin beeindruckenden Siegessammlung die WM-Goldmedaille hinzu. Elena Runggaldier holt mit Silber die erste Skisprungmedaille bei einer WM für Italien überhaupt und Iraschkos Teamkollegin Jacqueline Seifriedsberger gewinnt Bronze102.
Ein weiterer Meilenstein wird schließlich im November gelegt: über 30 Jahren nach Einführung des Weltcups als vollwertige Winterserie, findet in Lillehammer das erste Weltcupspringen für die Damen statt.
Die US-Amerikanerin Sarah Hendrickson gewinnt dieses Auftaktspringen vor Coline Mattel (Frankreich) und der Deutschen Melanie Faißt.
Einen Monat später gewinnt Sabrina Windmüller als zweite Frau das erste von zwei Springen in Hinterzarten, bis heute ist es der einzige Weltcupsieg für die Schweiz. Die weiteren Siegerinnen im Weltcup in der Saison 2011/2012 sind Daniela Iraschko und Sara Takanashi aus Japan.
Sarah Hendrickson wird erste Gesamtweltcupsiegerin mit fast 400 Punkten Vorsprung auf Daniela Iraschko. 53 Springerinnen aus 14 Nationen sammeln in diesem Winter Weltcuppunkte, darunter auch die Niederländerin Wendy Vuik (54 Punkte)103.
Noch während dieser ersten Weltcupsaison findet die bereits erwähnte erste Ausgabe der Youth Olympic Winter Games in Innsbruck und Seefeld statt. Erste Jugend-Olympiasiegerin wird die Japanerin Sara Takanashi, die beiden anderen Medaillen gehen an die Slowenin Urša Bogataj und die Deutsche Katharina Althaus104. Das Mixed-Team gewinnt Deutschland vor Slowenien und, überraschend, Kanada105.
Auch die Youth Olympic Winter Games finden gemeinsam mit dem EYOF Platz in einem eigenen Unterkapitel (2.3.1.4).
Ein weiterer Schritt zur Gleichberechtigung von Skisprungdamen und -herren folgt im Sommer mit der Einführung des FIS Sommer Grand-Prix' als höchst einzustufende Sommerserie. Rein vom Namen her, sind Damen und Herren nun auf einer Stufe.
Auch in Sachen Nachwuchsförderung tut sich etwas: fünf Jahre nach dem Alpen Cup für Herren wird nun auch der Alpen Cup für Damen eingeführt, um den mitteleuropäischen Nachwuchsspringerinnen bis zu einem Alter von 20 Jahren eine Möglichkeit zu geben, sich mit Gleichaltrigen zu messen. Ebenso wie zum FIS-Cup gibt es im Kapitel 2.3.1.2 Näheres zur Alpen Cup-Serie.
Kurz nach dem Auftakt der zweiten Weltcup-Saison finden in Sochi die Test-Wettkämpfe zu den Olympischen Spielen 2014 statt.
Der Entscheid im Jahr 2011 über die Teilnahme der Damen bei Olympia fiel positiv aus und somit stieg bei tropischen Temperaturen von über 15 Grad im Kaukasus die Olympia-Generalprobe.
Alles Wissenswerte zu den ranghöchsten Wettkämpfen (Weltcup, Weltmeisterschaften, Sommer Grand-Prix und Olympische Winterspiele) ist im Kapitel 2.3.1.1 zu finden.
Nach dem Gesamtweltcupsieg in der ersten Weltcupsaison 2011/2012 legt die US-Amerikanerin Sarah Hendrickson bei der dritten WM für Frauen noch den Einzel-Weltmeistertitel oben drauf. Mit gerade einmal 19 Jahren ist sie bereits zu diesem Zeitpunkt eine der erfolgreichsten Skispringerinnen in der Geschichte. Im Val di Fiemme findet zudem die Weltmeisterschaftspremiere des Mixed-Team-springens statt, das zuvor bereits zweimal im Rahmen des Weltcups in Lillehammer ausgetragen wurde. Japan wird vor Österreich und Deutschland erster Mixed-Team-Weltmeister.
Râșnov in Rumänien hat ein nagelneues Schanzenzentrum und ist auf Anhieb Ausrichter des EYOF und nach zehn Jahren Abstinenz sind auch wieder Skispringerinnen startberechtigt. Auch dort findet ein Mixed-Teamspringen statt.
Eine weitere Premiere gibt es zum Saisonfinale in Oslo: das erste Großschanzenspringen im Weltcup findet statt. Zur Feier des Tages springt ein Großteil des Feldes mit dick aufgetragenem roten Lippenstift. Wie auch heute üblich, springen dort die besten 30 Athletinnen des Gesamtweltcups.
Der Turnus der Universiade wurde aufgrund von Terminkollisionen verändert und so findet diese nun am Ende der ungeraden Kalenderjahre und damit nach den Weltmeisterschaften statt. Die Damen sind zum fünften Mal dabei und treffen sich erneut in Val di Fiemme, das damit gleich beide Weltmeisterschaften ausrichtet.
Das Jahr 2014 sollte schließlich den bis heute letzten großen Meilenstein bereithalten: die Olympia-Premiere im Russischen Sochi Mitte Februar.
Als erste Skispringerin in der Geschichte geht Sarah Hendrickson bei diesen Olympischen Spielen von der Normalschanze in Sochi. Ein Jahr zuvor hatte sie eine schwere Knieverletzung erlitten und fiel lange aus. Der Olympische Wettbewerb war der einzige, an dem sie in der Saison 2013/2014 überhaupt teilnahm. Die Deutsche Carina Vogt wird die erste Olympiasiegerin in der Geschichte des Damen-Skispringens und überrascht damit alle Favoritinnen.
Für den nächsten großen Titel reichte es für Daniela Iraschko-Stolz in Sochi nicht, sie gewinnt dennoch Silber. Coline Mattel holt für Frankreich mit Bronze die erste Olympiamedaille im Skispringen überhaupt.
Zu einer weiteren besondere Gegebenheit kommt es am Saisonende: die Skiflugschanze in Planica wird nicht rechtzeitig für das Saisonfinale fertiggestellt, sodass dieses auf die Großschanze verlegt wird.
Kurzerhand werden auch die Damen dort ins Programm genommen und haben somit in einer Saison gleich zwei Großschanzenspringen, da zwei Wochen zuvor in Oslo gesprungen wurde. Am Wochenende dazwischen sind in Falun zwei Test-Wettkämpfe für die WM im Jahr 2015 angesetzt. Einer fällt dem starken Wind zum Opfer.
Nach dem Olympiasieg wird Carina Vogt bei der WM in Falun auch Weltmeisterin im Einzel und hat somit zeitgleich zwei der drei wichtigen Einzeltitel inne. Den dritten Einzeltitel, nämlich den Gesamtweltcup, gewinnt Daniela Iraschko-Stolz. Damit fehlt der Österreicherin lediglich Olympiagold, um einmal alle veranstalteten Einzelevents zu gewinnen. Vogt ergänzt ihre Titelsammlung gemeinsam mit ihren Teamkollegen Katharina Althaus, Richard Freitag und Severin Freund, der ebenfalls Einzelgold (von der Großschanze gewinnt) um das Mixed-WM-Gold.
In der Saison 2014/2015 folgen zudem noch die sechste Teilnahme an der Universiade (diesmal wieder vor der WM) und die vierte Teilnahme am EYOF.
Der Winter 2015/2016 ist weitestgehend ein weiterer Schritt zur Konsolidierung und weist als einziges Highlight die zweite Austragung der Youth Olympic Winter Games, diesmal in Lillehammer (Norwegen) auf.
Kurz vor Beginn der Saison 2016/2017 wird bekannt, dass die für den 7. und 8. Januar 2017 terminierten Springen in Oberstdorf auf der Großschanze stattfinden werden. Es sind die ersten beiden Großschanzen-Wettbewerbe, die ohne die Top 30-Regel ausgetragen werden. Sara Takanashi gewinnt an beiden Wettkampftagen.
Bei der Nordischen Ski-WM in Lahti ist es wieder Carina Vogt, die die begehrteste Medaille, nämlich Gold, gewinnt. Und nicht nur das, sie gewinnt auch noch beide Goldmedaillen, die eine Skisprungdame gewinnen kann – im Einzel und im Mixed. Sie wiederholt ihren Triumphzug von Falun und ist die erste Springerin, der es gelingt einen oder sogar beide Weltmeisteritel zu verteidigen. Im Mixed steht sie mit ihrer WG-Genossin Svenja Würth und Markus Eisenbichler (Bronze von der Normalschanze) und Andreas Wellinger (Silber auf Normal- und Großschanze auf der höchsten Stufe des Podiums. Severin Freund fiel indes mit einem Kreuzbandriss verletzt aus.