Читать книгу Gemeinsame Zeit am Boden - Lukas Umbach - Страница 16

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Natürlich darfst du trotzdem ein wenig reflektieren, in welcher Ebene du dich selbst und auch dein Pferd am ehesten wiederfinden kannst. Vielleicht ergibt sich hieraus schon eine kleine Erkenntnis für dich, die die Gestaltung eurer Bodenarbeit beeinflussen wird. Überlege dabei gern, wie du die Sätze „Ich bin …“ und „Mein Pferd ist …“ vervollständigen würdest. Du kannst dich hierzu auch im Alltag bei inneren Monologen oder in Gesprächen mit anderen beobachten. Häufig benutzen wir limitierende Adjektive, die sehr viel über das gesamte Sein von einem selbst oder dem eigenen Pferd aussagen. Schau genau hin, ob sich solch limitierende Adjektive wirklich richtig anfühlen oder ob du sie lieber mit konkreten Situationen verknüpfen möchtest.

Ein Beispiel wäre das Adjektiv „ängstlich“.

„Ich bin ängstlich“ trifft eine Aussage über eine Eigenschaft, die offenbar immer und ständig zum eigenen Sein gehört.

„Wenn es stürmt, fühle ich mich im Gelände ängstlich.“ Das ist eine Aussage, die das eigene Empfinden in einer bestimmten Situation schildert. Dadurch presst man sich selbst aber noch keinen limitierenden Stempel auf, sondern spricht lediglich über eine Situation, die man mit der Zeit verändern kann. Du öffnest dadurch keine der oben erwähnten Schubladen, sondern bleibst aktiver Gestalter deiner Realität.

Es kann sehr erhellend sein, einmal zu beobachten, ob und welche Eigenschaften man „so nebenbei“ sich selbst oder dem vierbeinigen Partner zuspricht und damit die eigenen Handlungsmöglichkeiten limitiert.

Falls dir eine Schublade begegnet, kannst du sie dir anschauen und überlegen, wie du die Eigenschaften ins Positive wandeln könntest. Aus „ängstlich“ könnte so vielleicht„wachsam“ werden. So wandelst du gedanklich eine vermeintliche Schwäche in eine Superpower.

In den folgenden Kapiteln wirst du weitere Anregungen zu deinen bisherigen Gedanken finden.

Wenn Bodenarbeit auf die Stärken sowie die körperlichen, mentalen und seelischen Themen von Pferd und Mensch ausgelegt ist, beeinflusst sie letztlich immer alle Ebenen positiv, sodass sich vieles mit der Zeit wandelt und man sich immer mehr gemeinsame Freiheiten schafft. Diese Freiheiten zeigen sich dann unter anderem darin, dass alle Zugangswege möglich und Grenzen gemeinsam aufgelöst werden können, wenn es an der Zeit dafür ist.


Daniyal wird von Kati angefeuert und wirkt sehr konzentriert. Lukas hingegen begleitet Masun liebevoll und läßt ihn die Pylone selbst erkunden.

Welche unterschiedlichen Trainingsansätze gibt es?

Nachdem wir uns die drei verschiedenen Ebenen in unser Bewusstsein gerufen haben, möchten wir nun auf das Wie der Bodenarbeit zu sprechen kommen. Im Zusammenhang mit der Arbeit am Boden werden Pferd und Mensch immer wieder mit dem Thema Lernen konfrontiert. Genau genommen lernt jedes Lebewesen in jeder Sekunde seines Lebens. Lernen findet immer und überall statt, nur sind wir uns dessen meist nicht bewusst. Wir oder unser Pferd nehmen einen Eindruck wahr, das Gehirn verarbeitet ihn, und „zack!“ haben wir wieder eine Information dazugewonnen und somit etwas gelernt.

Aus diesem Grund halten wir es für außerordentlich wichtig, sich auch mit dem Lernverhalten von Pferden auseinanderzusetzen, um ein möglichst guter pädagogischer Begleiter und Freund zu sein. Letzteres ist uns wichtig, denn wir möchten uns nicht über das Pferd stellen. Dennoch wollen wir in der Bodenarbeit Dinge zusammen erforschen und entdecken, die einen Lernprozess benötigen. Um Frustration und Stress vorzubeugen oder zu minimieren, sollten wir uns also überlegen, wie wir unserem Pferd die einzelnen Lernschritte näherbringen möchten.

Konditionierung ist in diesem Zusammenhang das Zauberwort, das sehr unterschiedliche Empfindungen hervorruft. Letztlich bedeutet es einfach nur, dass man einen Reiz mit einer Reaktion verknüpft (klassische Konditionierung) oder eine Verhaltensweise mit einer Konsequenz (operante Konditionierung).

Wenn wir mithilfe von Lob und Strafe arbeiten, sprechen wir also von operanter Konditionierung. Lob soll im Allgemeinen das vorherige Verhalten verstärken, also dazu führen, dass dieses in Zukunft häufiger gezeigt wird. Strafe bewirkt eine Hemmung des zuvor gezeigten Verhaltens. Was Lob und Strafe bedeuten, entscheidet letztlich das Pferd und wird in der Lernpsychologie daran gemessen, ob die zuvor erläuterte Verhaltensänderung tatsächlich stattfindet oder ausbleibt. Es kann also sein, dass ein Pferd eine Berührung, die du mit einer lobenden Intention ausführst, nicht als Lob empfindet oder es andersherum einen Tadel deinerseits unter Umständen lustig findet und als Spielaufforderung auslegt. Dazu später mehr.

Schauen wir ein bisschen genauer hin, begegnen uns die Begriffe der positiven und negativen Verstärkung und der Begriff der Strafe. Positiv und negativ sind hier mathematisch zu sehen,, im Sinne von hinzufügen und entfernen. Sie enthalten keine emotionale Wertung im Sinne von „positiv entspricht gut“ und „negativ entspricht schlecht“.

Positive Verstärkung meint also, dass ein angenehmer Reiz hinzugefügt wird und dass das Pferd in Erwartung dieses angenehmen Reizes das gewünschte Verhalten zeigt. Negative Verstärkung bedeutet das Wegnehmen eines unangenehmen Reizes, wenn das Pferd sich wie gewünscht verhält.

Das Training mit der positiven Verstärkung wird häufig mit dem Clickertraining gleichgesetzt, das im Prinzip eine Übertragung der allgemeingültigen lerntheoretischen Grundlagen in die Tierwelt, in unserem Fall die Welt der Pferde, darstellt. Es beruht üblicherweise auf der Basis der positiven Verstärkung. Dabei wird ein erwünschtes Verhalten des Pferdes belohnt (zum Beispiel durch Futter oder Kraulen), um es dadurch zu motivieren (es wird wahrscheinlich von unserem Pferd wieder gezeigt). Genau das ist, sehr verallgemeinert, der Schlüssel für diese Form des Trainings. Ein Satz, den du dir in diesem Zusammenhang unbedingt merken solltest: Ein Verhalten wird von seinen Konsequenzen bestimmt. So kann Clickertraining auch in Kombination mit negativer Verstärkung eingesetzt werden. Dann würde das Pferd aufgrund des unangenehmen Reizes, den wir häufig Druck nennen, das gewünschte Verhalten zeigen und man würde dieses Verhalten dann zusätzlich mit einem Click und Futter belohnen. Da das Pferd aber nicht in Erwartung des Futters (positiver Reiz) handelt, sondern dem unangenehmen Reiz entkommen möchte, spricht man von negativer Verstärkung in Kombination mit anschließendem Futterlob. Uns ist an dieser Stelle nur wichtig zu betonen, dass der Einsatz von Futter nicht immer mit positiver Verstärkung gleichzusetzen ist. Das Training auf Basis von positiver Verstärkung ist jedoch eine Methode, die wir sehr schätzen und dir ans Herz legen möchten.

Brauchst du dafür einen Clicker? Der Clicker ist im Prinzip nichts anderes als ein Knackfrosch, auf den man drückt, damit ein markantes „Click-clack“ ertönt, mit dem das Pferd nach kurzer Zeit die angenehme Konsequenz der Futtergabe assoziiert. Du musst nicht unbedingt einen Clicker benutzen, denn das Ganze funktioniert auch mit einem Zungenschnalzen, einem Pfiff oder einem kurzen und prägnanten Markerwort, wie zum Beispiel „Top, Yipp, Jo“ usw. Dabei ist es sehr wichtig, dass du dich für ein Wort entscheidest und bei diesem Wort bleibst, ansonsten sollte es nicht in eurem Alltag verwendet werden, denn es ist an ein Versprechen gebunden.

Neben den beiden vorgestellten Lobformen gibt es auch die Möglichkeit der Strafe, um ein gezeigtes Verhalten zu reduzieren. Positive Strafe meint das Hinzufügen eines unangenehmen Reizes (oder die „Androhung“ davon), um ein Verhalten zu reduzieren. Negative Strafe ist der Entzug eines angenehmen Reizes.

Gemeinsame Zeit am Boden

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