Читать книгу Keimfrei - Luzi van Gisteren - Страница 3
Eins
Оглавление„Wie bedauerlich, dass die sechs Wochen schon um sind“, dachte Gertrude. Um viertel nach fünf sollte Walter planmäßig am Gleis sechs ankommen. Sie blickte zur goldenen Wanduhr und den mit wohl duftender Glanzpolitur behandelten Pendel. Erst kurz vor zwölf - also noch genügend Zeit, um noch die schamponierten Teppichfransen in der Diele mit dem Korkblock auszupressen. Nun, da ihr Mann aus der Kur zurückkehrte, würde sie sowohl ihren Zeitplan als auch ihre Reinheits-ansprüche anpassen müssen: Walter bestand seit er in Rente war auf einer warmen Mittagsmahlzeit, und aufgrund seiner Fleischgelüste waren diese jeweils mit besorgniserregenden Soßen- und Fettspritzern verbunden. Ein großer Küchenputz wie heute morgen würde ab morgen jeglicher Vernunft widersprechen.
Gertrude seufzte. Sie ging zur Küche und öffnete die in dieser Woche sechste Packung Wischtücher. Lustvoll strich sie mit dem getränkten Lappen über die blitzende Ceranplatte. Ihr Blick glitt automatisch zu den auf Hochglanz gebrachten Armaturen, schweifte von dort über den wunderbar funkelnden Kühlschrankgriff und strich besorgt über den Fußboden, wo sie einer unerwünschten Fluse den Garaus machte.
Gertrudes Magen rumorte. Unwillkürlich griff sie zu einem stahlfixgereinigten Messer und einem auf Hochglanz polierten Apfel. Mit diesen Utensilien begab sie sich zur Terrasse. Dort schälte sie den Apfel über die Hecke direkt in den Komposthaufen des Nachbars. Sie hatte ihren Haufen erst letzte Woche fein säuberlich mit blickdichtem Schnellkomposter abgeschottet, und da sie außerdem von März bis Mitte November dem Kampf gegen das unter der Hecke herauswachsende nachbarliche Unkraut standhalten musste, fand sie diese Art des Apfelschalen-Recyclings nur recht und billig.
Den Apfel vertilgt nahm Gertrude den Weg zurück in die Wohnung. Sie zog zunächst nur einen Gartenclog aus und machte mit dem nackten Fuß einen großen Schritt ins Wohnzimmer ehe sie den zweiten vor der Terrassentür abstreifte. Hochkonzentriert hielt sie sich bei diesem Unterfangen am Türgriff fest. Einmal, als das Wohnzimmer gerade frisch gebohnert gewesen war, war sie genau an dieser Stelle ausgerutscht und hatte sich einen doppelten Knöchelbruch zugezogen. Im Krankenhaus wollte sie erst dann bleiben, als Walter ihr hoch und heilig versprochen hatte, während ihrer Abwesenheit in ein Hotel zu ziehen.