Читать книгу Die Casanova Frau - Lydia Höhl - Страница 4
Z W E I T E S K A P I T E L
ОглавлениеDie Eltern von Christa fuhren uns zum Frankfurter Flughafen. Meine Mutti kam auch mit um bye, bye zu sagen. Ich freute mich tierisch! Von unseren Elternteilen gab es noch hundert gute Ratschläge, schließlich verschwanden wir hinter der Passkontrolle und das große Abenteuer konnte beginnen !
Die Triebwerke wurden lauter und das Flugzeug hob ab. Ich spürte zum ersten Mal das göttliche Gefühl von Freiheit. Christa hielt sich tapfer, musste sich nicht übergeben, wie vorher befürchtet. Der Flug verlief ruhig und wir setzten zur Landung an. Damals dauerte die Kofferabfertigung noch etwas länger. Mit dem Bus fuhren wir an der Costa Brava entlang bis nach Callela de la Costa. Von unserem Hotelfenster konnten wir noch ein Stück Meer erhaschen. Christa war total aus dem Häuschen, sie sah das Meer zum ersten Mal. Unser Hotel gehörte nicht gerade zur Luxusklasse. Die Betten quietschten, auch ohne amore zu machen, der Kleiderschrank hatte schon bessere Tage gesehen und auf dem einzigen Stuhl nahm man besser nicht Platz, doch all diese Dinge störten uns herzlich wenig. Wir suchten die Sonne, den Strand und das Meer. Ich liebte es am Strand zu sitzen und den kleinen Wellen zuzusehen, wie sie sich im Sand verlieren und vor allen Dingen mit anzusehen wie die Sonne im Meer versank, ich fühlte mich dann der Unendlichkeit nahe …
Die Tage vergingen und wir lernten am Strand zwei Franzosen kennen. Der Größere entschied sich für blond, der Kleinere für mich. Schade, dass ich seinen Namen vergessen habe, er war wirklich süß! Tagsüber lagen wir faul am Strand herum und nachts ging es ab in die Disco. Wir tauschten liebevolle Küsse aus, zu mehr kam es nicht, was mir nur recht war, denn mein Unterleib regte sich nicht und als verliebt konnte man mich auch nicht bezeichnen. Nach neun Tagen reiste er ab und wir beiden Hübschen lagen wieder am Strand als ein blonder Typ auf uns zu kam. Er verwechselte Christa angeblich mit einem anderen Mädchen, wir schalteten natürlich sofort, der wollte uns anmachen. Er hieß Dieter und auch sein Freund war nicht weit, der kam ebenfalls zu uns, mit pechschwarzen Haaren, braungebrannt, nicht zu groß und mit einer super Figur ausgestattet, all dies sah ich auf den ersten Blick! Beide kamen aus Aachen und arbeiteten die komplette Saison in der besten Discothek von Callela, dem Scotch-Club. Dieter legte die Platten auf, Jose war der Geschäftsführer und gleichzeitig auch hinter der Bar. Beide luden uns am Strandrestaurant zum Essen ein, zudem sollten wir am Abend mal im Scotch-Club vorbeischauen. Vor Mitternacht sagten wir uns, o.k., besuchen wir die Zwei mal um „Hallo“ zu sagen. Der Laden war gerammelt voll, eigentlich schon zu voll. Jose freute sich uns zu sehen, hauptsächlich mich, soviel bekam ich schon mit, dachte mir aber nichts dabei. Wir tranken unsere spendierten Getränke nur halb leer und wollten gehen. Jose versuchte uns zu überreden doch noch eine Weile zu bleiben, aber wir benötigten frische Luft. Am nächsten Tag am Strand traf ich Jose wieder, er lud mich alleine zum Essen ein. Omelett mit frischen, spanischen Tomaten, das war damals mein Leibgericht. Wir scherzten und ich fragte ihn, ob er wirklich Portugiese sei, denn er sprach den typisch Aachener Dialekt. Ich erfuhr sein Alter, dreiunddreißig, und er gefiel mir immer mehr.
Mein letzter Abend stand vor der Tür, er meinte, ich solle ihn doch nachts gegen drei Uhr abholen, dann könnten wir noch etwas trinken gehen. An diesem Abend aß ich alleine, denn Christa war noch schwer mit ihrem Franzosen beschäftigt. Ich lief nochmals zum Strand, um dem Meer „Lebewohl“ zu sagen und legte mich früh schlafen. Zuvor stellte ich mir den Wecker auf zwei Uhr dreißig. Als er bimmelte, schreckte ich aus meinem Tiefschlaf hoch, überlegte hin und her. Erst fand ich es absurd noch zum Scotch-Club zu gehen, schließlich zog ich mich doch an. Auf der Straße kam mir warme Sommernachtsluft entgegen. Am Scotch-Club angekommen klopfte ich an die Tür, nichts rührte sich, ich klopfte ans Fenster, auch danach hörte ich nichts. Endlich kam ein Mädchen heraus, sie ließ mich hinein und Jose konnte es kaum fassen, er freute sich sehr, er dachte nicht mehr daran mich noch zu sehen. Er rechnete noch den Umsatz ab und raus ging es in die warme Sommernacht. In einem Bäckerladen wurde gerade frisches Brot gebacken, dieser Duft zog durch die schmale Gasse. An der nächsten Ecke blieb Jose stehen und meinte, „hier wohne ich, willst du noch auf einen Drink mit nach oben kommen“? Ich schmunzelte, nahm meine zehn Finger und zählte ab, ja, nein … er lachte. Somit lief ich also zu seinem Liebesnest empor und entdeckte ein mittelgroßes Zimmer, weiß getüncht, einen alten Schrank, ein Waschbecken, die Dusche auf dem Flur, aber ein großes Gitterbett. Da stand auch eine Flasche Martini, aber keine Gläser, dieser Filou !
Ich nahm einen Schluck aus der Flasche und dann passierte es … er fing an mich zu streicheln, zu küssen und legte mich ganz behutsam aufs Bett. Er schob mit das Kleid hoch, zog mir den Slip aus und liebkoste meinen Körper bis hinunter zwischen meine Beine. Er leckte mich lange und mir bis dahin unbekannten Innigkeit. Ich ließ alles mit mir geschehen, bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich eine solche Zärtlichkeit nicht. Mir schien als liebte er nicht nur meinen Körper. Ich fühlte ihn tief in mir, obwohl ich bis dahin noch nie einen Orgasmus hatte, empfand ich es als das Wunderbarste was mir je mit einem Mann widerfuhr.
Als ich am Morgen auf die Uhr schaute, fuhr mir der Schreck durch die Glieder, aber nur ein kleiner, denn ich war wie verzaubert! Der Bus zum Flughafen … ich zog mich schnell an und bevor ich dieses, für mich schönste Zimmer der Welt verließ, schaute ich zu ihm hin. Da lag er mit seinem schönen, braunen Körper und seinen pechschwarzen Haaren auf schneeweißem Laken quer im Bett. Ich konnte diesen Anblick lange Zeit nicht vergessen … Im Hotel angekommen stand Christa schon total aufgelöst in der Halle, glücklicherweise hatte sie schon meinen Koffer gepackt. In der Toilette zog ich mich schnell um, da kam auch schon der Bus. Nach der Landung in Frankfurt stand für mich fest, dass ich noch im selben Sommer ein zweites Mal nach Callela fliegen würde. Im Büro fragte ich gleich meinen Chef, ob er es erlauben würde, unbezahlt versteht sich, denn bezahlter Urlaub stand mir wegen meines Alters keiner mehr zu, er sagte „ja“.
Ich schrieb Jose, dass ich ihn im August nochmal beglücken wollte, er freute sich sehr. Außerdem schrieb ich im Spaß, dass er die anderen weiblichen Wesen in Ruhe lassen sollte. Eifersucht war mir schon damals fremd. In seinem Brief stand, dass es ihm am liebsten wäre, wenn ich gegen Ende August kommen würde. Na, ob da vor mir nicht noch eine Andere zu Besuch kam? Mein Wunsch erfüllte sich. Jose erwartete mich am Flughafen Gerona. Diesmal fuhr ich nicht mehr mit dem Bus, sondern mit seinem Mercedes an der Küste entlang. Sein Auto besaß den Luxus eines Plattenspielers und er legte Platten auf wie „adieu, jolie Candie“ von Joe Dassin. Mitten auf der Küstenstraße hielt er plötzlich an, nahm mich in die Arme und wir küssten uns.
Ich sah es wieder, dass kleine, weißgetünchte Zimmer, im Süden ist solch ein Raum romantisch, hier im Norden wäre es eine Bruchbude. Ich konnte ihm seine Freude über mein Wiederkommen richtig ansehen, er strahlte über beide Backen! Ohne ihn wirklich zu kennen, fühlte ich mich bei ihm geborgen. Oft fuhren wir hoch in die Berge auf eine Pferderanch, zwar nur für Touristen, doch es gefiel mir sehr. Er zeigte mir Barcelona, den Hafen, mit dem nachgebauten Schiff von Christoph Columbus, der Santa Maria, ebenso die lange Promenade Las Ramblas im Herzen der Stadt, mit seinen endlosen Blumenständen und Vogelkäfigen. Langsam konnte ich bei mir eine leichte Verliebtheit feststellen. Der September nahte, somit regnete es ein paar Tage. Für die Spanier ein Segen, für die Touristen hieß das meistens Hotelaufenthalt, nicht so für uns. Jose kannte fast alle Kneipenbesitzer, eine Kneipe trug den Namen „Saint-Tropez“, dort hielten wir uns am Nachmittag auf, wenn wir nicht gerade im Bett lagen und unsere Körper miteinander spielten. Wir saßen stets eng beieinander, Jose küsste mich hemmungslos vor allen Leuten, war mir schon etwas unangenehm, doch eigentlich gefiel es mir. Viele, die ihn kannten, erzählten mir, dass sie ihn noch nie so verliebt gesehen hätten. So sollte es ja auch sein, dachte ich bei mir und freute mich darüber.
Diese vierzehn Tage waren bis dato die schönsten meines Lebens! Der Abschied nahte und ich flog nachhause.
Wir verabredeten, uns nach der Saison in Aachen wiederzusehen. Zuvor wollte er noch seine Eltern in Lissabon besuchen. Ich schrieb ihm eine Postkarte dorthin und er mir eine zurück. Der Herbst zog ins Land und ich wartete auf einen Anruf von ihm. Ende Oktober klingelte endlich das Telefon, ich freute mich wahnsinnig seine Stimme zu hören. Am darauffolgenden Wochenende sanken wir uns freudestrahlend in die Arme. Er wohnte etwas außerhalb von Aachen, ich war gespannt auf sein Apartment, bei einem Junggesellen weiß man ja nie, oberflächlich sauber war es schon, doch den restlichen Staub konnte man nicht übersehen. Eingerichtet war es mit einem roten, französischen Bett, welches schon ein paar Flecken aufwies, ein schwarzer Fernsehsessel, ein runder Glastisch, einem weißen Schreibtisch und dem Fernseher, das war es. Kaum im Apartment warf er mich aufs Bett, zog mir die Kleider aus und liebte mich mit der gleichen Zärtlichkeit und Begierde wie in Callela …
Irgendwie sah ich, dass er nicht mehr so strahlte wie in Spanien, doch ich dachte mir weiter nichts dabei.
Wieder folgte ein Abschied mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen. Ich wartete vergebens, es folgte kein Anruf mehr und auch kein Brief. Ich rief bei ihm an, doch er nahm nicht ab. Was konnte nur passiert sein? Ich schrieb ihm einen Brief, worin stand, dass ich sein Verhalten nicht verstehen könnte, auch daraufhin kam kein Lebenszeichen von ihm.
In den folgenden Monaten machte sich eine große Traurigkeit bei mir breit, immer mit der Hoffnung, dass er sich doch noch melden würde. Der Winter verabschiedete sich und schließlich kam der Sommer zurück, die traurigen Gedanken verflogen. In all diesen Monaten ging ich ab und zu mit Günther aus, doch meistens blieb ich zuhause. Meine Mutter und ich planten einen Urlaub in Benidorm.Im Reisebüro teilte man uns mit, dass zu diesem Zeitpunkt, in dem meine Mutter ihren Urlaub nehmen musste, nur noch ein Platz frei sei. Wir berieten uns und entschieden, dass meine Mutter alleine nach Benidorm fliegen sollte und ich alleine nach Playa de Aro, fünfzig Kilometer vor Callela, damals ein mondäner Badeort. Drei Wochen Urlaub, was würde mich wohl erwarten. Ich hatte da schon so eine Idee! Das kleine Hotel in dem ich wohnte lag direkt am Strand, mit nur drei Etagen. Mehr wie acht Quadratmeter besaß mein Zimmer nicht und nach drei Tagen wechselte ich in ein Doppelzimmer, teilte es mir mit einem anderen Mädchen, so war ich nicht alleine und wir konnten zusammen am Strand liegen.
Nach vier Tagen schrieb ich eine Postkarte an Jose zum Scotch-Club, ohne zu wissen ob er da noch arbeiten würde. Nach weiteren drei Tagen saß ich beim Mittagessen, als einer der Kellner zu mir kam um mir mitzuteilen, dass draußen jemand auf mich wartete. Ich dachte bei mir, das müsse ein Missverständnis sein, lief nach draußen und wer stand da in voller Lebensgröße … Jose. Er strahlte mich an, ich ihn ebenso, konnte es noch nicht so wirklich fassen. Gleich folgte die nächste Überraschung. Er wollte mich direkt nach Callela mitnehmen. Mein Essen ließ ich stehen, eilte die Treppen hoch, packte meine sieben Sachen zusammen und konnte mein Glück kaum fassen.
Das kleine, weiße Zimmer fand ich nicht mehr vor, sondern ein großes Apartment mit mehreren Zimmern und eine Terrasse mit Blick aufs Meer. Zwei Räume, durch eine Tür getrennt, hatte er vermietet. Beim Kofferauspacken erzählte mir Jose, warum er sich nicht mehr gemeldet hatte, er fand für die Wintermonate keinen guten Job und besaß somit auch kein Geld, er wollte mir so nicht gegenübertreten. Kaum, dass ich mit dem Auspacken fertig war zog er mich aufs Bett und beim ersten Blick in unsere Augen spürten wir wieder diese Vertrautheit und auch die unserer Körper. Mir kam alles vor wie ein Traum. Abends ging Jose zum arbeiten in den Scotch-Club, später besuchte ich ihn dort. Die Angestellten erkannten mich alle wieder. Länger wie elf Uhr morgens konnte ich nicht schlafen, so ging ich schon mal vor zum Strand. Jose kam dann so gegen dreizehn Uhr nach. Dicht beieinander liegend aalten wir uns in der Sonne, saßen im Strandcafe, tranken etwas Kühles und ich verspeiste wieder Omelett mit Tomaten, wie gehabt. So vergingen vier schöne Tage.
An einem anderen Tag lag ich noch alleine am Strand, als ein gutaussehender, dunkelblonder Franzose auf mich zukam. Ich erkannte ihn, denn zwei Tage zuvor begrüßte er Jose, da er fast jeden Abend im Scotch-Club vorbeischaute. Seine Blicke bemerkte ich schon eine geraume Zeit, jetzt kam er zu mir, obwohl er wusste, dass ich zu Jose gehörte. Dieser Schlawiener! Da ich von der Schule her einigermaßen französisch sprach konnte ich mich mit ihm unterhalten. Er kam aus Orleans, südlich von Paris. Ich war die Natürlichkeit und Unbekümmertheit in Person. Neunzehn Jahre jung, sehr, sehr hübsch, lange, braune Haare, fast bis zur Hüfte, blaue Augen, mit mädchenhafter Figur und wie man mir oft bestätigte, aus der Masse heraus sehr auffallend. Das war wohl auch der Grund, warum sich die Männer immer in mich verliebten und nicht nur mit mir ins Bett wollten.
Also, jetzt gab es plötzlich diesen Franzosen. Er hieß Jacques. Wir hatten viel Spaß miteinander, denn mir fehlten stets ein paar Vokabeln, bis ich manchmal verstand was er sagte, das dauerte schon mal, wir lachten uns kaputt. Bevor Jose kam verzog er sich auf seinen Platz zu seinem Freund. Jacques kam nun jeden Abend zum Scotch-Club. Jose musste hinter der Theke stehen und arbeiten. Ich hingegen amüsierte mich, vergab massenweise Körbe und tanzte alleine bis Jacques zu mir kam, von da an tanzte ich nur noch mit ihm. Ich kam gar nicht auf die Idee, dass Jose sauer sein könnte. Nach der zweiten Disconacht allerdings bekam ich was von Jose zu hören, ihm platzte der Kragen. Ich konnte seine Aufregung nicht verstehen, ernsthaft, ich tanzte doch nur, weiter nichts! Allerdings muss ich zugeben auch bei langsamer Musik und engumschlungen. Also, Jose hatte mich gewarnt und mich gebeten, damit aufzuhören.
Am Strand erklärte ich Jacques, dass wir nicht mehr zusammen tanzen könnten, da Jose eifersüchtig sei. Daraufhin fragte er mich ob wir uns denn nicht woanders treffen könnten. Ich erwiderte, dies sei nicht möglich, da ich ja schließlich bei Jose wohnen würde und er mich eingeladen hatte. Also trafen wir uns wieder nachts im Club. Ich reagierte Jose gegenüber trotzig und tanzte doch wieder mit Jacques. Dabei beobachtete ich Joses Gesicht, welches ziemlich finster dreinschaute. Es würde schon wieder vorübergehen, dachte ich, doch da täuschte ich mich gewaltig. Da Jacques sehr verliebt in mich war, fragte er ständig, ob wir uns nicht davonschleichen könnten, in ein anderes Lokal. Ich überlegte hin und her, so kam es, dass wir uns einzeln nacheinander an Eric, dem Portier, vorbeischlichen. Wir fanden ein romantisches Gartenlokal und setzten uns in die hinterste Ecke. Dicht beieinander sitzend, sagte er mir, wie sehr er mich mag, und dass er mich nach dem Urlaub unbedingt wiedersehen müsse. Wir tauschten unsere Adressen aus und ich lief alleine zum Club zurück. Joses Gesichtsausdruck hellte sich nicht auf. Ich wartete bis zum Schluss. Auf dem Weg zum Apartment erklärte er mir dann, dass es so nicht weitergehen könnte, er sei kein Trottel der mir alles bezahlt und ich vor seiner Nase mit einem Anderen rummachte. Er wollte mich am nächsten Tag für drei Tage nach Playa de Aro zurückbringen, da hätte ich mal Zeit über alles nachzudenken. Er würde mich dann wieder abholen. Ich dachte natürlich, dass ich ihn am kommenden Morgen umstimmen konnte, doch dem war nicht so. Ich war traurig, aber schließlich selber schuld und versuchte mein Verhalten zu analysieren, es lag wohl daran, dass ich mir nichts vorschreiben lassen wollte und reagierte mit Trotz.
Welch eine Überraschung als Jose schon am übernächsten Tag zurückkam um mich wieder mit nach Callela zu nehmen. Wir liebten uns und alles war vergessen.
Am folgenden Vormittag lag ich wie immer alleine am Strand und schaute ein wenig in der Gegend herum. Plötzlich entdeckte ich Jacques, er war immer noch nicht abgereist, auch er sah mich und kam zu mir. Sein Freund sei schon weg, er hatte aber noch Lust zu bleiben. Ich erklärte ihm, dass es das Beste sei, wenn er in eine andere Disco gehen würde, dann gäbe es keine Probleme mehr. Er meinte dazu, er könne hingehen wo er wolle. Die kommenden Tage mit Jose verliefen sehr harmonisch, denn Jacques verschwand aus meinem Blickfeld. Doch wie es der Teufel wollte …
Nach vier Tagen kam Jacques mit Freunden wieder in den Club und setzte sich glücklicherweise an einen Tisch, der sich nicht in meiner Blickrichtung befand. Nach einer Weile kam er doch wieder auf mich zu und wollte mit mir tanzen. Du lieber Himmel, was jetzt? Ich schaute zu Jose, doch der schaute weg. Also tanzte ich mit Jacques, aber nur einmal, setzte mich danach wieder an die Theke. Ich war wirklich sehr unbekümmert als ich Jose fragte ob ich nochmal mit Jacques tanzen könne, der schaute mich nur verärgert an. Ich war wohl schon damals ein unzähmbares Mädchen.
Für Jacques war es sein letzter Abend und so tanzte ich mit ihm bei langsamer Musik ein letztes Mal. Schon vor Schließung des Clubs ging ich zurück zum Apartment. Am nächsten Morgen stand Jose früher auf als gewöhnlich, dadurch wurde ich wach. Ich fragte ihn, was denn los sei, er antwortete, er hätte die Schnauze voll und würde mich zum Hotel zurückfahren. Nicht ich, sondern er packte meine Klamotten. Ich versuchte ihn zu beruhigen und fing an zu weinen. Ich schluchzte vor mich hin, ich würde auch nicht wissen was mit mir los sei, dass ich noch zu jung sei um alles richtig zu machen, und dass ich ihn lieb hätte. Es ging noch hoch her, doch trotz allem befand ich mich auf dem Weg nach Playa de Aro, unendlich traurig. Was hatte ich mir bloß bei all dem gedacht, ich musste verrückt gewesen sein …
Vor dem Hotel fragte ich ihn ob er es sich nochmal überlegen wolle, ich hätte doch noch zwei Tage Zeit bis zu meiner Abreise, doch er ließ sich nicht umstimmen. Ich küsste ihn auf die Wange und stieg schweren Herzens aus. Er wendete seinen Wagen und ich sah ihm mit verweinten Augen nach. Auf meinem Zimmer lag ein anderes Mädchen, mit ihr und deren Freunde verbrachte ich meine letzten beiden Tage. Mit ihnen fuhr ich nach Palamos, wir schossen ein paar Fotos, auf denen man später meine große Traurigkeit erkennen konnte …
Zurück in Hanau fand ich meine Mutter in einem glücklichen Zustand vor. Sie lernte in Benidorm einen Holländer kennen, der dort mit seinem Sohn Urlaub machte. Für meine Begriffe hatte sie die rosa Brille auf. Im Urlaub sieht ja bekanntlich alles anders aus, doch ich konnte sie verstehen. Fünf Jahre lebte sie jetzt schon ohne Mann und eine Tochter ist da ja kein Ersatz. Von Beruf war er Lotse, ursprünglich Kapitän, bereiste schon die ganze Welt und wohnte in einem Reihenhaus zwischen Amsterdam und Zandfort. Dies alles hörte sich natürlich gut an. Ich lehnte diesen Mann natürlich ab, obwohl ich ihn gar nicht kannte. Demnächst wollte er zu Besuch kommen.
Ich meinerseits erzählte meiner Mutter die Geschichte mit Jose, ich konnte ihr alles anvertrauen, sie war meine beste Freundin. Einen einzigen Brief schrieb ich noch an Jose, aber es kam keine Antwort mehr, ich fand mich schnell damit ab, dann eben nicht!
Die Arbeit im Büro fand ich auf Dauer langweilig und erkundigte mich beim Arbeitsamt nach dem Ausbildungsförderungsgesetz. Ich wollte auf der Berlitz-Sprachenschule meinen Dolmetscher in Englisch und Französisch abschließen. Für zwei Jahre sollte ich ein Bafög in Höhe von DM 450,- bekommen, was ich nie mehr zurückzuzahlen brauchte, das waren noch Zeiten. Die Schule sollte im Oktober beginnen, bis dahin hatte ich noch einen Monat Zeit.
Ich schrieb Jacques einen Brief, daraufhin antwortete er mir, dass er immer noch in mich verliebt sei und lud mich für eine Woche nach Paris ein. Ich jubelte … PARIS, mon amour, davon konnte ich im Fernsehen und Kino nicht genug bekommen. Ich denke, ich war der größte Fan von Romy Schneider und Alain Delon, ich verschlang alles der Beiden, was ich in den Zeitschriften zu lesen bekam. Film und ins Kino gehen waren meine größten Hobbys, diese Welt faszinierte mich und zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass auch mein Leben wie ein Film ablaufen würde. Vollkommen unbekümmert lebte ich meine Träume und träumte nicht nur mein Leben.
So kam es dazu, dass ich im Zug nach Paris saß. Als er im Gare du Nord einlief nahm mich Jacques in seine Arme. Wir fuhren mit seinem Auto durch halb Paris, am Place de la Concorde vorbei, über eine Brücke der Seine auf den Boulevard Saint-Germain bis hinunter zum Place Saint Michel. Schon während der Fahrt verliebte ich mich in diese Stadt. Sie wurde meine erste große Liebe !
Unser Hotel befand sich in einer winzigen Seitenstraße, ein altes Haus, so wie viele dort. Die Treppen knarrten und der Lift wackelte bedenklich. Oben angekommen, musste ich feststellen, dass er zwei Einzelzimmer gebucht hatte, dies fand ich ziemlich sonderbar, es törnte mich total ab, meine romantische Stimmung zwischen mir und ihm war unmittelbar dahin. Die Zimmer befanden sich direkt unter dem Dach, sodass kaum ein Sonnenstrahl zu erhaschen war, aber egal, ich befand mich in Paris, dass war die Hauptsache! Jacques teilte mir mit, dass er nur an den Wochenenden bei mir sein könnte, da er keinen Urlaub mehr bekam, eben zu lange in Callela. Davon war ich nicht sehr begeistert, denn ich kannte mich überhaupt nicht aus und wie das mit der Metro funktionierte, wusste ich auch nicht. Das konnte ja heiter werden! An diesem ersten Wochenende zeigte mir Jacques ein paar Sehenswürdigkeiten. Eigentlich hätte ich viel lieber seinen Körper besichtigt, ich wusste nicht so recht, was ich von ihm halten sollte. Wir besuchten Notre Dame, den Eiffelturm, Sacre Coeur und den Montmartre. Dort aßen wir zu Mittag. Ich beobachtete die vielen Maler und genoss es, ihnen zuzuschauen. Hier pulsierte das Leben. Am Sonntagmittag lagen wir in meinem Zimmer auf dem Bett. Wir umarmten und küssten uns, ich verspürte große Lust mit ihm zu schlafen, musste jedoch feststellen, dass er von faire l’amour keine Ahnung hatte. Er wusste überhaupt nicht wie er mich anfassen sollte, nach einer Weile des Herumprobierens war ich so genervt, dass ich die Lust verlor und ihm erklärte, dass wir noch etwas Zeit brauchten, verletzen wollte ich ihn auch nicht.
Wie war das nur möglich, in Callela ein richtiger Draufgänger und jetzt ein Verhalten, als sei er noch Jungfrau. Ich konnte es kaum fassen. Ich wusste nur, dass die meisten Franzosen Katholiken sind und auf dem Land alles ziemlich verklemmt gehandhabt wird. Die Frauen machen es nur im Dunkeln und in der Missionarstellung, da hat sich bis heute nicht viel geändert. Dies gilt sicherlich nicht für Paris, denn Paris hat nichts zu tun mit dem restlichen Frankreich. In diesem Moment, als ich so dalag, musste ich an Jose denken, wie er mich nahm, ohne, dass ich etwas tun musste. Der Abend nahte und Jacques fuhr zurück nach Orleans. Hätten wir die Gelegenheit gehabt eine Woche gemeinsam zu verbringen, hätte ich ihm schon gezeigt, wo es lang geht.
Nun befand ich mich also alleine in dieser schönen Stadt, ich nahm mir vor, sie auf eigene Faust zu entdecken. Dafür hatte ich schon vorgesorgt, denn vor meiner Abreise erfuhr ich von einer Bekannten, dass sich deren Schwester Heidi während dieser Woche ebenfalls in Paris aufhielt, zwecks Lederwarenmesse. Ich rief in Hanau an und erhielt die Telefonnummer ihres Hotels. Es war das berühmte „George V“, welches sich in einer Seitenstraße der Champs-Elysee befand, eines der schönsten und teuersten der Stadt. Sie musste es ja nicht bezahlen, ich blickte da noch nicht durch, aber sie würde es mir schon erzählen. Ich rief sie an und glücklicherweise nahm sie ab. Sie freute sich über meinen Anruf und wir verabredeten uns für den nächsten Tag, ich konnte es kaum erwarten. Mit einem Taxi fuhr ich ins Hotel, wer weiß, wo ich mit der Metro gelandet wäre. Im „George V“ angekommen fragte ich nach ihrer Zimmernummer, daraufhin gab man erst einmal meinen Namen durch, bevor ich die heiligen Gemächer auch betreten durfte. Heidi öffnete mir und ich sah die ganze Pracht der Inneneinrichtung, sie wohnte zudem in einer Suite, na, da war ich sehr neugierig wie es dazu kam. Sie erzählte mir, dass der Chef der Lederfirma, für den sie schon zwei Mal als Mannequin gearbeitet hatte, sie nach Paris einlud, jedoch nicht zum vorführen, er wollte mit ihr ins Bett. Heidi dachte nicht im Traum daran, jedenfalls wollte sie mich das glauben machen … Deshalb verbrachte sie jetzt vier traumhafte Tage in diesem Hotel, nicht schlecht.
Ich muss noch erwähnen, dass Heidi auch ein sehr hübsches Mädchen war. Also machten wir zwei Hübschen uns auf um die Stadt zu erobern. Zuerst zeigte mir Heidi wie die Metro funktionierte, ich begriff schnell, im Grunde ganz einfach. Damals machte es noch Spaß Metro zu fahren, heute viel zu gefährlich. Wir spazierten den Boulevard Saint Germain rauf und wieder runter, konnten uns nicht sattsehen an den vielen Schuhgeschäften und Boutiquen. Am Abend lud uns Heidis Italiener zum Essen ein. Er konnte sich noch sehen lassen, braungebrannt, mit grauen Schläfen und Halbglatze, aber viel zu alt für uns. Nachdem wir das Restaurant verließen nahm ich mir ein Taxi und entschwand zu meinem Hotel. Am kommenden Tag reiste Heidi ab und wie ich später erfuhr, spielte sich wirklich nichts ab zwischen den Beiden.
Ich schlief mich aus und frühstückte in einem Cafe am Place Saint Michel. Das Wetter meinte es gut mit mir, die Sonne schien und es wehte ein warmes Lüftchen. Ich ließ mir den Milchkaffee und die Croissants schmecken. Danach wollte ich den Stadtteil Saint Germain de Pres noch besser kennenlernen, spazierte den Boulevard Saint-Michel hoch bis zum Park „Jardin du Luxembourg“. Durst plagte mich, ich setzte mich in eines der kleinen Cafés. Einen Tisch weiter saßen zwei junge Franzosen, algerischer Herkunft, zwei Studenten.
Einer von Beiden sprach mich auf witzige Weise an, was bei uns ja so gut wie nie vorkommt. Wir plauderten darüber, was ich denn in Paris schon alles besichtigt hätte und Abid, so hieß der Ältere, bot mir an, Paris bei Nacht zu zeigen. Als hübsch konnte ich ihn nicht bezeichnen, doch er war witzig, charmant und zuvorkommend. Der Nachmittag verging wie im Flug. Zum Abendessen führte er mich in eines der vielen algerischen Restaurants, die es damals in Saint Germain zuhauf gab. Ich probierte zum ersten Mal Cous Cous, das algerische Nationalgericht, man konnte es essen, jedoch für meinen Geschmack zu trocken und zu scharf, ich bekam einen fürchterlichen Durst. Sein Freund leistete uns Gesellschaft. Nach Verlassen des Restaurants fragte er mich ob ich Rock and Roll tanzen könnte, ich verneinte, da meinte er, dass ich es an diesem Abend lernen würde und im wahrsten Sinne des Wortes, ich lernte es tatsächlich, und wie !!!
Er führte mich in ein ehemaliges Kino mit großer Bühne, dort spielten jedes Wochenende andere Bands. Er traf einige seiner Freunde und strotzte vor Stolz mich an seiner Seite zu haben. Ich durfte keinen einzigen Drink bezahlen, das ist der Stolz der Araber, die würden sich schämen, wenn eine Frau ihren Drink selber bezahlen wollte. Er selber besaß nichts und lieh sich Geld von seinen Freunden, das rührte mich …
Auf der Tanzfläche ging es schließlich zur Sache! Mein lieber Mann, konnte der tanzen, ich ja auch, aber keinen Rock and Roll. Zuerst brachte er mir einfache Schritte und Drehungen bei und nach einer halben Stunde war ich richtig gut drauf. Es funktionierte großartig, mir wurde ziemlich heiß dabei. Danach tanzten wir noch in einer anderen Discothek weiter, es wurde ziemlich spät. Draußen warteten wir auf ein Taxi, er fragte mich ob ich mit zu ihm kommen würde, auf die nette Tour gab ich ihm zu verstehen, dass ich das nicht wollte. Er gab dem Taxifahrer trotzdem seine Adresse an, doch ich änderte das wieder. Wir knutschten ziemlich heftig rum, ich stieg aus und wir verabredeten uns für den kommenden Nachmittag.
Die Zeit verflog schnell bis ich Abid wiedersah. Wir fuhren mit der Metro zur Champs-Elysee, bummelten herum, tranken einen Kaffee und fuhren danach zum Sacre Coeur. Dort genossen wir den traumhaften Blick über Paris und Abid zeigte sich als netter Begleiter. Jacques fehlte mir nicht, er wollte am Freitagnachmittag zurückkommen, also am folgenden Tag. Wie am Abend zuvor aßen wir zusammen, fuhren in dieselbe Disco, dort küsste er mir meine Lippen wund, seine Küsse schmeckten zuckersüß! Später standen wir wieder auf der Straße und warteten auf ein Taxi, dasselbe Spielchen wie am Abend zuvor. Ich machte ihm klar, dass man mich zu nichts überreden konnte, wenn ich es nicht selber wollte. Er versuchte sein Bestes mich umzustimmen. Ich kam zu dem Entschluss, dass ich niemandem etwas schuldig war und fuhr mit zu ihm. Er wohnte im Studentenwohnheim, ich hatte ja keinen blassen Schimmer, wie dort ein Zimmer aussah, nun wusste ich es! Ein Bett, 90 cm breit, ein schmales Schreibtisch, ein Stuhl und eine Dusche. Da ich mich etwas erfrischen wollte, musste er mal kurz zu seinem Nachbarn um ein frisches Handtuch zu besorgen. Nachdem ich mich erfrischt hatte, kam er sofort auf mich zu, zog mich aus, küsste voller Gier meinen Körper ab und drang in mich ein, ich konnte kaum reagieren, kaum zum Zuge kommen. Durch dieses zu schmale Bett spürte ich sein Glied nur einen Hauch, ich hätte ihn unterbrechen müssen, um mich auf dem Stuhl mit ihm zu vergnügen. Er liebte mich eine endlose Zeit, mit einer mir bis dahin unbekannten Ausdauer, eben mit Araberblut, da kann kein Europäer mithalten. Er liebte mich ein zweites Mal, spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ich die Initiative ergreifen müssen, ich war einfach noch zu unerfahren. So konnte ich Abid und seine Ausdauer nicht wirklich genießen, ansonsten hätte ich ihn bestimmt wieder besucht, natürlich auch wegen meinem geliebten Paris. Wir dösten enganeinanderliegend bis elf Uhr vormittags. Er schrieb mir seine Adresse mit Telefonnummer auf, ich sollte mich wieder bei ihm melden. Diese zwei verrückten Tage und Nächte habe ich immer noch mit einem Schmunzeln in meiner Erinnerung.
In meinem gelben Miniabendkleid spazierte ich zum Hotel zurück. Ich genoss die warmen Sonnenstrahlen. Kaum, dass ich auf meinem Zimmer war klopfte es an meine Tür, ich öffnete und mich traf der Schlag, da stand Jacques, am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Er wollte mich überraschen und reiste bereits Donnerstagabend an. Ich sah seine Enttäuschung, es tat mir furchtbar leid, aber so ist das mit den Überraschungen. Ich erzählte ihm, dass ich bei einer Freundin aus meiner Heimatstadt im „George V“ übernachtet hätte, konnte aber nicht feststellen ob er mir glaubte. Wir verbrachten noch zwei Tage zusammen und durch meinen Humor und meine Spontanität konnte ich ihn wieder versöhnen. Die Nacht vor meiner Abreise wollte er bei mir verbringen. Es änderte sich nichts, wir küssten und streichelten uns, und wenn ich bei ihm Leidenschaft entdeckt hätte, wäre auch etwas passiert, aber er törnte mich einfach ab. Trotzdem ließ ich ihn diese Nacht neben mir schlafen, ich denke, er besaß keinen Trieb.
An einem Sonntag saß ich im Zug nach Frankfurt, nahm Abschied von meinem geliebten Paris, winkte Jacques noch zu und hoffte kein Herz gebrochen zu haben. Meine Mutti freute sich mich wiederzusehen. Ich erzählte ihr, wie schön es gewesen sei und auch von Abid. Sie meinte daraufhin „Kind, Kind, hoffentlich bist du nicht schwanger geworden“. Ihr Holländer meldete sich abermals bei uns an, meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Am Abend seiner Ankunft verspätete ich mich absichtlich. Ich schaute ins Wohnzimmer, da saß er. Durch meine hohe Sensibilität spürte ich, dass meine Mutter mit diesem Mann nicht glücklich werden würde, was sich im Nachhinein bestätigen sollte. Ich begrüßte ihn und verschwand nach fünf Minuten auf mein Zimmer. Als ich mitbekam wie meine Mutter ihr Bettzeug ins Wohnzimmer brachte, wusste ich, dass er bei uns übernachten würde. Ich fand das unmöglich und verhielt mich ziemlich bockig. Sie bat mich um ein bisschen mehr Verständnis, doch ich blieb uneinsichtig. Joop reiste ab, ohne dass wir uns näher gekommen wären. Drei Wochen später fuhr meine Mutter zu ihm nach IJmuiden. Sie wollte sehen wie er lebt und um sich die Stadt anzuschauen, zu dieser Zeit noch eine hässliche Industriestadt. Ich verstand sie ja, aber ich wollte auch, dass sie glücklich wird.
Wieder zurück von ihrer Reise, erzählte sie mir, wie gut es ihr gefallen hatte. Ein Reihenhaus mit Garten, das Meer und der weite Strand, der sie bestimmt an ihre Heimat Ostpreußen erinnerte. Ich dachte noch gar nicht daran, dass ich dann ja immer die Möglichkeit hatte ans Meer zu fahren, blieb aber skeptisch …
Inzwischen besuchte ich die Berlitz-Schule in Frankfurt auf der Kaiserstraße, inmitten der Sodom und Gomorras, doch bei Tage sah man nichts davon. Vier Stunden pro Tag nahm ich am Unterricht teil, nachmittags bummelte ich meistens durch die Innenstadt und setzte mich in ein Cafe. Das war ein Leben genau nach meinem Geschmack.
Vier Wochen später kam Joop wiederholt zu Besuch, ich bemühte mich, etwas freundlicher zu sein, denn zu diesem Zeitpunkt stand schon fest, dass Beide heiraten wollen. Ich fand das viel zu früh, aber da war nichts mehr zu ändern. Während dieser Zeit schrieb ich mal wieder einen Brief an Jose. Es kam keine Antwort.
Ende November heiratete meine Mutti ihren Joopi, gefeiert wurde in einem Restaurant in der Innenstadt. Die komplette Verwandtschaft aus Holland reiste an und es wurde richtig lustig. Am Morgen darauf fühlte ich mich traurig. Jetzt konnte ich meine Mutter nur noch besuchen. Gleich nach Weihnachten wollte ich dies tun.
So zog mein Vater wieder in seine alte Wohnung zu mir, wir feierten zusammen Weihnachten. Wie immer schrieb ich viele Festkarten, unter anderem auch eine an Jose, nur mit einem kurzen Gruß, weiter nichts. Am zweiten Weihnachtsfeiertag lief im Fernsehen gerade „Sissi“, ich liebte diese Filme sehr, da klingelte das Telefon. Über diese Störung war ich sehr verärgert, hob widerwillig den Hörer ab. Jemand fragte mich „rat mal, wer hier spricht“? In einer Sekunde wusste ich es auch schon, Jose … So sieht eine echte Überraschung aus.
Er fragte mich was ich denn so treiben würde und erzählte mir, dass er seit November in einer tollen Disco als Barmann und Geschäftsführer arbeitete, zwei Kilometer außerhalb von Aachen. Ein Freund von ihm erhielt Geld von seinem Vater um einen alten Bauernhof in eine Disco umzubauen. Wir verabredeten uns fürs übernächste Wochenende … Am Bahnhof nahm er mich in seine Arme. Wir freuten uns wie die Schneekönige und konnten es kaum glauben, dass wir uns gegenüberstanden. In seinem Apartment fand ich alles so vor wie gehabt, doch diesmal konnte ich keinen Staub entdecken! Er betrachtete meinen Körper und meinte, er sei so schön wie ein Gemälde, das schmeichelte mir sehr.
Jose fuhr am Abend zur Arbeit und ich später mit dem Taxi nach. Alle, die Jose kannten, und das waren viele, fragten sich, wer ich wohl sei? Jose klärte sie auf. Ich lernte Willi, den Besitzer kennen, damals erst vierundzwanzig Jahre alt, ein sehr gutaussehender Junge, schwarze Haare mit hellblauen Augen. Auch lernte ich Winfried kennen, ebenfalls an der Disco beteiligt, der hatte so seine Probleme mit dem Finanzamt. Alle Drei verdienten richtig gutes Geld und hatten einen riesen Spaß mit den Weibern, jetzt allerdings ohne Jose, der schenkte mir sein Herz. Wie ich erfuhr, trieb es Jose ebenfalls ziemlich doll und zwar in der Zeit vor Spanien, als er sich das Apartment mit einem Freund teilte, na ja, und natürlich genauso in Callela, da saß er ja an der Quelle.
Nun war und ist Aachen nicht gerade eine Stadt wo die hübschen Mädchen auf den Bäumen wachsen und ein Exemplar wie ich schon gar nicht, Jose wurde sehr um mich beneidet. Die Komplimente flogen mir nur so um die Ohren. Der Eine war fasziniert von meinen langen, dunkelbraunen Haaren, der Andere von meinen tiefblauen Augen und die Meisten von meiner ganzen Persönlichkeit. Auch Willi und Winfried verhehlten nicht ihre Zuneigung zu mir. Wochen und Monate zogen ins Land und wir trafen uns öfter an den Wochenenden. Die meiste Zeit verbrachten wir im Bett. Ich entwickelte eine Unersättlichkeit, konnte nicht genug bekommen und Jose nicht genug von mir. Ich war diejenige, die das Liebesspiel dirigierte und erfuhr durch ihn, wie erregend meine Art zu lieben für einen Mann war. Ich spürte mehr und mehr, dass ich für die Liebe geschaffen wurde.
Alles, was selbstbewusste Männer damals wollten, war spontane Erotik, ich spreche nicht von Sex, denn Sex ist x-beliebig. Leidenschaftliche Erotik bedeutet sich hinzugeben, damals hatten Männer noch keine Probleme damit, heute sind fast vierzig Prozent impotent und dreißig Prozent aller Männer leben wie Bruder und Schwester mit ihrer Ehefrau. Die Männer in unseren Breiten sind nicht mehr relaxt, besitzen wenig Selbstbewusstsein und alles nur, weil wir Frauen selbstständig und unabhängig geworden sind. Die fragen sich natürlich, wozu sie noch gut sind, wenn sich eine Frau heutzutage auch künstlich befruchten lassen kann.
Ab und zu schwänzte ich schon mal zwei Tage Schule, um länger in Aachen bleiben zu können, mein Vater sah das nicht gerne. Endlich besuchte mich Jose mal in Hanau. Als ich meinem Herrn Papa dies mitteilte, und dass er doch im Wohnzimmer übernachten könnte, kam seine Eifersucht zum Vorschein, er meinte, er würde sich ja der Kuppelei schuldig machen. Ich setzte mich trotzdem durch und im Nachhinein fand er ihn sehr sympathisch. Der Sommer zog ins Land und ich freute mich auf den Urlaub mit Jose. Sechs Wochen zuvor kaufte er sich sein Traumauto, einen Mercedes 250 SE Coupé in metallic Gold, gebraucht, aus erster Hand und sehr gepflegt. Unsere Reise sollte nach Südfrankreich gehen, dummerweise buchten wir kein Hotel im Voraus.
In Saint-Tropez angekommen waren alle Hotels ausgebucht. Wie konnten wir nur so blöd sein Ende Juli ohne Buchung draufloszufahren, dasselbe in Nizza und Cannes. Nur die Luxushotels hatten noch Zimmer frei. Wir schliefen wenigstens für eine Nacht in einem Hotel hinter Saint-Tropez, total müde und ausgehungert. Der Portier versuchte wirklich alles um noch ein Zimmer aufzutreiben, doch alles ausgebucht. Wir hätten so gerne unseren Urlaub dort verbracht, auch wäre uns dadurch viel Kummer erspart geblieben …
Ich schlug Jose Allassio an der italienischen Riviera vor. Dort angekommen von Romantik weit und breit nichts zu entdecken, kein Vergleich zu Saint-Tropez, damals noch der absolute Hit. Wir buchten für eine Nacht um uns am nächsten Tag den Ort anzuschauen. Was wir entdeckten war ein Strand so breit wie ein Handtuch, mit Liege an Liege, nichts für zwei Verliebte.
Wir schauten uns die Landkarte von Italien an und ich schlug Bibione bei Venedig vor, doch das war zu weit weg. Mir kam noch Rimini in den Sinn, dabei blieb es dann … leider!
Auf der Autobahn fuhren wir an Genua vorbei, es wurde bergig und ich bewunderte die Landschaft. Nieselregen setzte ein und dann passierte es …
Wir fuhren in einen Tunnel und beim hinausfahren in einer langgezogenen Kurve kam unser Wagen ins Schleudern. Der schwere Mecedes rutschte vorne weg, schleuderte mit der rechten Hinterseite an die gemauerte Bergkante, durch diesen Schlag rutschte der Wagen mit hoher Geschwindigkeit die Straße entlang und knallte mit voller Wucht gegen die Leitplanke. Jose rief nur noch „Kopf runter“, da war es auch schon passiert. Das Auto traf die Leitplanke nicht frontal sondern seitlich, das war unser Glück! Wäre es nicht ein Mercedes gewesen, wer weiß, was hätte passieren können.
Die komplette Vorderfront war seitlich verschoben, samt dem Motor, der, welch ein Wunder, nichts abbekam. Jose begutachtete sein geliebtes Auto und war fassungslos, Tränen standen in seinen Augen. Beim Kauf schloss er eine Vollkaskoversicherung ab, das war seine Rettung. Kurz danach sahen wir, dass schon fünf Autos vor uns verunglückt waren. Ein Polizist kam zu uns gerannt, typisch Italiener, anstatt sich schon vor den Tunnel zu stellen um die Autofahrer zu warnen, warteten diese Kerle hinter dem Tunnel um abkassieren zu können. Alle Autos kamen nur deshalb ins Schleudern, weil durch den Regen Erde auf die Straße gespült wurde. Ein 2 CV war total demoliert, die Fahrerin mit Schnittwunden im Gesicht, auch die Anderen sahen nicht gut aus. Da standen wir Beiden nun und warteten bis die Polizei alles aufnahm. Der Abschleppwagen kam, davor tröstete ich Jose so gut ich konnte.
In einem winzigen Ort angekommen wurde der Mercedes an einer Tankstelle mit kleiner Werkstatt abgestellt. Wäre er bloß schon Mitglied im ADAC gewesen, die hätten den Wagen zurück nach Aachen gebracht, man hätte uns einen Leihwagen zur Verfügung gestellt, alles ohne noch mehr Stress.
Jose sprach mit seinem Freund von der Versicherung, der meinte, er sollte ihn dort unten reparieren lassen, wenn der gewusst hätte … Diese Entscheidung entpuppte sich als großer Fehler. So ein Auto hatten die noch nie gesehen, geschweige denn, repariert. Wie sollten wir jetzt bloß nach Rimini kommen. Um ein wenig Ruhe zu finden aßen wir zu Mittag, danach vertraten wir uns die Beine als an einer Kreuzung ein Mopedfahrer direkt in ein Auto fuhr. Dieser flog durch die Luft und landete so glücklich auf dem Boden, dass er sofort wieder aufstehen konnte. Unglaublich! Der Tankstellenbesitzer kam auf uns zu um uns mitzuteilen, er würde kostenlos nach Rimini fahren, diese gute Nachricht überraschte uns doch sehr. Wir packten unsere Koffer um und los ging es Richtung Rimini. Die Autobahn verlief immer geradeaus, da konnte ja nichts passieren, dachten wir …
Nach ungefähr zweistündiger Fahrt überholte uns ein Auto, just in diesem Moment zog unser Fahrer nach links, er war eingeschlafen. Hätte der Überholende nicht wie wahnsinnig gehupt, wäre ein zweiter Unfall unausweichlich gewesen. Der Schrecken fuhr uns durch alle Glieder … Endlich sahen wir das Ausfahrtschild „Rimini“, nur, unser Fahrer fuhr voll daran vorbei. Wir warteten auf die nächste Ausfahrt, weit und breit nichts zu sehen. Plötzlich merkten wir, dass mit dem Auto etwas nicht stimmte. Wir schauten nach, der Tank verlor Benzin. Langsam hatten wir die Nase gestrichen voll, das Pech wollte nicht weichen. Nachdem wir eine Werkstatt fanden und der Tank notdürftig zugestopft wurde, ging es endlich Richtung „Rimini“. In der kleinen Innenstadt stiegen wir vor einem Hotel aus, verabschiedeten uns vom Fahrer, der direkt zu einer richtigen Werkstatt fahren wollte, um einen neuen Tank einbauen zu lassen. Im Hotel stellten wir unser Gepäck ab und schauten uns sicherheitshalber erstmal ein Zimmer an. Wir trauten unseren Augen nicht, der Raum hässlich wie die Nacht und winzig klein. Ich setzte mich aufs Bett und heulte eine Runde, das war zu viel des Guten. Jose tröstete mich, schlug vor etwas essen zu gehen und danach ein schönes Hotel zu suchen. Wieder in der Hotelhalle fragte mich Jose nach den Pässen um das Gepäck dort stehen lassen zu können.
Ich erstarrte, wo war meine Handtasche, ich war am Ende meiner Kräfte. Meine Handtasche lag noch bei unserem Fahrer und der war jetzt wo? Wir bestellten sofort ein Taxi und erzählten diesem Fahrer unsere Misere. Der fuhr los. An der ersten Werkstatt kein Erfolg. Auf dem Weg zur nächsten entdeckten wir ihn an einer Tankstelle, mama mia, konnte man da bloß sagen. Wir übernachteten in einer anderen Bruchbude um am nächsten Tag in Ruhe eine schöne Bleibe zu suchen. Tagsüber genossen wir zuerst den schönen, breiten Strand, es reisten 1971 nur wenige Touristen nach Italien, hervorgerufen durch einen enormen Preisanstieg, uns war es nur recht. Abends nach dem Essen bummelten wir über die Haupteinkaufsstraße und fanden was wir suchten. Einen alten Palazzo, umgebaut zu einer kleinen Pension mit guter, italienischer Küche. Drumherum entdeckten wir einen wunderschönen Garten mit blühenden Akazienbäumen. Hier waren wir richtig. Der Besitzer der Werkstatt, wo unser Auto stand, teilte Jose mit, dass er seinen Wagen in drei Wochen abholen könnte.
Ohne unser schöner Auto konnten wir in dieser Zeit keine Ausflüge in die Umgebung unternehmen und genossen umso mehr die Liebe. Besonders die späten Nachmittage machten wir zu einem Fest … Nach drei Wochen hieß es in der Werkstatt, die Ersatzteile seien in Mailand nicht vorrätig, sein Auto sei noch nicht repariert. Da wurde es Jose zu bunt. Er setzte sich in den Zug und fuhr in dieses kleine Nest, der arme Kerl. Dort angekommen entdeckte er die Bescherung. Sein Auto stand tatsächlich total verstaubt und genauso kaputt in der Ecke, Jose bekam einen Wutanfall.
Nachdem er sich beruhigte, rief er wieder seine Versicherung an, die empfahlen ihm, den Wagen auf den Autozug zu bringen, aber dann wäre unser Urlaub zu Ende gewesen, zudem saß ich ja auch noch in Rimini fest. Nach langem hin und her fuhr Jose mit dem Werkstattbesitzer nach Mailand um die Ersatzteile zu holen, was ein großer Fehler war. Anstatt, dass der Typ zugegeben hätte, dass er keine Ahnung vom Innenleben eines Mercedes hatte, hielt er seinen Mund um abkassieren zu können und Jose ging ihm auf den Leim. Wieder an seinem Wagen bekam er den nächsten Wutanfall als er es endlich bemerkte. Er stand während der Reparatur ständig daneben, dabei hatte er selber keinen Schimmer.
Bevor er von dort wegfuhr, rief er mich an um mir die ungefähre Ankunftszeit mitzuteilen. Dieser Zeitpunkt nahte, doch kein Jose in Sicht. Die Uhr zeigte bereits nach Mitternacht, nichts von ihm zu sehen oder zu hören. Die Besitzer der Pension bangten mit mir. Endlich rief er an, fix und foxi teilte er mir mit, dass er nur mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h fahren konnte, da der Wagen ständig nach links oder rechts ausschwenken würde. Also mit anderen Worten, dieses Auto war nicht fahrtüchtig und für Jose lebensgefährlich. Er wollte ein paar Stunden im Auto schlafen und in den Morgenstunden stand er endlich in unserem Zimmer. Insgesamt verbrachten wir fünf Wochen dort, das reichte nun wirklich, nie mehr Italien!
Mit dem Autozug fuhren wir nachhause. Er verdankte es seinem Freund in der Versicherung, dass der Wagen ein zweites Mal repariert wurde. Jose konnte nach der zweiten Reparatur einen Liebhaber für dieses Auto finden, trotz Unfall. Danach kaufte er sich einen Ford, leider! Zwei Monate nach diesem abenteuerlichen Urlaub zog ich zu Jose. Meinem Vater bereitete diese Nachricht großen Kummer. Kaum hatte er seine Tochter wieder bei sich, wollte sie ihn schon wieder verlassen. Natürlich besprach ich mich vorher mit ihm und auch mit meiner Mutter und auch darüber, dass ich nicht zur Lufthansa gehe. Beide meinten, es sei mein Leben und sie wollten mir nichts vorschreiben. Das fand ich klasse, auf der anderen Seite wäre es nicht schlecht gewesen, mal zwei Jahre als Stewardess bei der Lufthansa gearbeitet zu haben.
Also packte ich meine Sachen und mein Vater fuhr mich schweren Herzens zu Jose. Er half noch mein Gepäck nach oben zu tragen, dabei entdeckte ich Tränen in seinen Augen. Er blieb nicht lange, es fiel ihm sehr schwer mich zurückzulassen.
Das Apartment zeigte sich in einem komplett neuen Design. Er zog mich aus und wir vernaschten uns gegenseitig. Die ersten Wochen vergingen. Am Sonntag, Montag und Dienstag blieb die Disco geschlossen. Wir unternahmen viel, fuhren nach Paris, zu meinem Vater oder nach Holland. Unsere Bekannten und Freunde mochten mich sehr, doch ich fühlte mich oft allein. Ich hatte keine Freundin, der ich mich hätte anvertrauen können. Wir stritten uns öfters um Kleinigkeiten, denn schon damals besaß ich meinen eigenen Kopf und meistens auch das letzte Wort. Nach diesen Streitigkeiten mussten wir allerdings schnell wieder lachen. Die Stunden, die wir zuhause verbrachten liebten wir uns, ich konnte nicht genug davon bekommen, nahm ihn mir so wie ich es wollte, das törnte ihn richtig an. Ich probierte alles mit ihm aus, er meinte, so etwas hätte er noch nie erlebt, trotz seiner mindestens einhundert Frauen vor mir, man hätte es mir wohl in die Wiege gelegt, doch erst durch ihn kam dies alles zum Vorschein, also auch ein Kompliment an ihn. Endlich kam der Tag an dem ich meinen ersten Orgasmus spürte, endlich … Jose spürte ihn auch, er sah ein überglückliches Mädchen oder besser gesagt, Frau! Von diesem Tag an verspürte ich eine noch größere Lust auf Erotik. Ich flüsterte ihm meine Phantasien ins Ohr, zeigte mich verrucht, dominant, lasziv oder lüstern. Ich zelebrierte die Liebe, Jose fand jeden Tag eine neue Frau vor, alles ohne Berechnung, mit einem natürlichen Instinkt.
Zu kochen brauchte ich nicht, denn wir speisten drei bis vier Mal die Woche im Restaurant, die restlichen Tage kochte er, ich vielleicht zwei Mal die Woche, ich hasste es zu kochen und hatte auch nicht vor es zu lernen. Irgendwann platzte ihm schließlich der Kragen als er dies erkannte, auch aus diesem Grund stritten wir oft.
Irgendwann kam der Tag, an dem ich misstrauisch wurde. Plötzlich hatte er nachmittags in der Disco zu tun, angeblich sei der Maler da. Beim ersten Mal dachte ich mir noch nichts dabei, doch beim zweiten Mal wurde ich hellhörig. Nachdem er mit dem Auto wegfuhr bestellte ich mir ein Taxi und fuhr zum Club. Wie ich mir schon dachte, die Tür war verschlossen und keiner da. Ich fühlte mich miserabel, wo ich doch bis dato Vertrauen zu ihm hatte. Gegen achtzehn Uhr kam er nachhause, ich wartete schon nervös um ihn zur Rede zu stellen. Er fühlte sich ertappt und meinte, er hätte es mir verschwiegen aus Angst vor einer riesen Szene, er rückte mit der Sprache heraus.
Eine Frau seines Alters, mit der er mal eine Bettgeschichte hatte, versuchte, sich wieder an ihn ran zu machen, dies war meine Version! Nach seiner Version wollte die auf Mallorca eine Bodega eröffnen und er sollte Geschäftsführer spielen, womöglich auch noch ihren Liebhaber. Ich fragte ihn, wo er sie denn getroffen hätte, ich traute meinen Ohren nicht, nämlich bei ihr zuhause. Da wurde ich ungemütlich, bekam einen Wutanfall und heulte. Ich schimpfte ihn aus, er hätte mein Vertrauen missbraucht. Daraufhin erklärte er mir, dass er an seine Zukunft denken müsse, er wollte nicht ewig in Aachen bleiben und diese Frau sei eine Chance für ihn. Zwischen ihm und ihr, das sei rein geschäftlich, er müsse sich noch ein paar Mal mit ihr treffen, ein Architekt sei auch dabei. Damals erkannte ich noch nicht, wie naiv er war und auch ein bisschen dumm. Ich riss mich zusammen, wusch mir das Gesicht ab, zog mich an und fuhr zu einem Freund in die Stadt, zu Jürgen, er besaß ein Möbelgeschäft, ich wusste, dass er mehr für mich empfand als nur Freundschaft. Ich erzählte ihm von unserem Streit und wenn er nichts anderes vorhätte, könnten wir doch zusammen essen gehen. Er wollte lieber zuhause für mich kochen, war ihm wohl zu riskant sich mit mir draußen blicken zu lassen. Ich fuhr schnell nochmal nachhause um nachzuschauen ob Jose da sei. Ich wartete bis einundzwanzig Uhr, doch er kam nicht, so nahm ich mir wieder ein Taxi und fuhr zu Jürgen. Ich erklärte ihm, er solle es bitte nicht falsch verstehen, wenn ich zu ihm in die Wohnung kommen würde, er sei im Moment der einzige Freund für mich, den ich bitter nötig hätte. Er bemühte sich seine Enttäuschung über diese Aussage nicht anmerken zu lassen.Gegen ein Uhr in der Nacht war ich zuhause, Jose nicht da. Er kam und kam nicht. Er hatte seinen freien Abend, ich wusste nicht, wo er hätte sein können, er kannte ja Gott und die Welt. Wahrscheinlich bei Willi … Ich rieb mir meine Nerven auf, war über ihn schwer enttäuscht und todtraurig. Er blieb die ganze Nacht weg, wie konnte er mir das antun! Gegen neun Uhr früh erschien er endlich auf der Bildfläche. Ich musste weinen und fragte ihn wo er denn geschlafen hätte, er antwortete, „bei Willi im Apartment“. Meine Hellsichtigkeit war damals schon ausgeprägt. Ich erklärte ihm, dass ich wegen ihm mein zuhause verlassen hätte, meinen Vater alleine ließ, meinen Job bei der Lufthansa habe sausen lassen und er würde sich so daneben benehmen. Ich packte ein paar Sachen zusammen um zu meinem Vater zu fahren, da kam er zu mir und nahm mich in die Arme, doch mein Vertrauen war ab diesem Zeitpunkt dahin! Ich überprüfte oft, wann der Club nachts geschlossen wurde, das variierte von Tag zu Tag, Freitag und Samstagnacht hielt ich mich sowieso dort auf. Die meisten Männer trauten sich nicht mit mir ein Gespräch anzufangen, wegen Jose, doch einer traute sich! Er hieß Manfred, ein Freund von Willi, er gefiel mir, und dass er mich gut fand wusste ich schon lange. Eines Abends unterhielten wir uns stundenlang, war ja auch nichts dabei. Wie so oft wartete ich auf Jose, der noch mit der Abrechnung beschäftigt war. Einige Wochen später erfuhr ich, dass Jose diesen Manfred zur Rede gestellt hatte, ihm klarmachte, er solle gefälligst die Finger von mir lassen, sonst würde was passieren. Ich erfuhr es von Jürgen, der gab Jose den guten Rat, mir meine Freiheit zu lassen, mir nicht alle Männer vom Leibe halten zu wollen, sonst würde er mich auf Dauer verlieren, da hatte er wohl recht!
Jose nahm sich diesen Ratschlag sehr zu Herzen und in der Zukunft konnte ich mich unterhalten mit wem ich wollte. Er kapierte, dass er nicht der einzige Mann auf dieser Welt war. So wurde ich langsam aber sicher die Stärkere in unserer Beziehung, so jung wie ich war.
Nach einem Jahr kam Jose aufs heiraten zu sprechen, er sagte es im Spaß, doch er meinte es ernst. Ich antwortete ihm, dass ich noch viel zu jung sei, und dass es doch auch so schön ist. Ich wusste damals schon, dass ich nie heiraten werde, dieses Wort kam in meinem Wortschatz nicht vor …!
Im Sommer desselben Jahres flogen wir nach Teneriffa, nach Puerto de la Cruz. Das Hotel befand sich auf einer Anhöhe, so konnten wir die komplette Bucht überblicken. Dort feierten wir meinen einundzwanzigsten Geburtstag. Um Mitternacht klopfte es an die Tür, ich öffnete und ein Page überreichte mir einundzwanzig rote Rosen von Jose. Danach tanzten wir in den Morgen …
Aus dem Urlaub zurück lief alles so weiter wie gehabt, doch wir stritten uns immer öfter. Er kam gegen mich nicht mehr an, ich wurde stets aufmüpfiger und eines Tages reichte es ihm endgültig. Er meinte, es müsse Schluss sein, er könnte diesen Nervenkrieg nicht mehr länger ertragen, nahm meinen Koffer und packte meine Klamotten zusammen, wie war das noch in Callela? Ich traute meinen Augen nicht, er meinte es bitterernst, doch ich wollte nicht weg von ihm und heulte, das half auch nichts. Mit Tränen war da nichts zu machen. Der Koffer war gepackt, und er befahl mir mit ihm zum Bahnhof zu fahren. Ich weigerte mich, so fuhr er alleine, ließ mir noch Geld für die Fahrkarte da … das war es dann …
Da saß ich nun wie eine begossene Pudeldame und wusste nicht was ich tun sollte. Er kam nicht zurück. Ich fuhr zwar zum Bahnhof, aber nur um meinen Koffer wieder abzuholen, doch der befand sich schon auf dem Weg nach Hanau … Schöne Bescherung! Die Nacht über blieb ich alleine. Am Morgen schloss er dann die Tür auf, sah mich und fragte, wieso ich nicht abgereist sei. Ich erwiderte, dass es mir leid täte wie ich mich manchmal benahm und gelobte Besserung, ging auf ihn zu und wir umarmten uns. Um meinen Koffer zurückzuholen mussten wir meinen Papa besuchen, der schüttelte nur mit dem Kopf über diese Geschichte. Ab und zu fuhren wir nach Düsseldorf, in die damals bekannteste Disco des Westens, ins „New Orleans“, kurz auch „Neff“ genannt. Dort lernte Jose einen Typen kennen, der in der Altstadt ein Lokal besaß oder besser gesagt, gepachtet hatte. Dies geschah in der Zeit als der Vater von Willi Geld benötigte, und das „Number One“verkauft werden sollte. Deshalb musste sich Jose einen neuen Job suchen.