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Zweites Kapitel

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Ein Freund in der Not

„Was um alles in der Welt bringt denn dich in die City, alter Freund? Aber herzlich willkommen und doppelt willkommen, wenn ich dir dienen kann.“

Herzlichkeit klang aus jedem Wort des grossen Mannes, und Treuherzigkeit sprach aus seinem breiten, gutmütigen Gesicht.

„Setz dich, mein Junge und steck dir ’ne Zigarre an.“ Er schob ihm einen Kasten hin. „Das mildeste, was es gibt. Du frühstückst doch mit mir, was? Und wenn ich hier irgend etwas für dich tun kann, heraus mit der Sprache.“

Aby Lamman mit seiner jovialen Stimme und seiner mächtigen, ungeschickten Figur war die Verzweiflung der grossen Schneider in Bond Street, und sein Kontor war wie der Mann selbst unordentlich und gemütlich. In einer Ecke lagen Angelgeräte, in einer andern das Futteral mit den Golfschlägern. Sein Aussehen und seine Umgebung erweckten Vertrauen.

Phil Armitage fühlte nur zu gut den ermutigenden, erfrischenden Einfluss dieses Mannes.

„Es ist eigentlich eine Unverschämtheit von mir, Aby,“ sagte er, „überhaupt zu dir zu kommen, denn ich habe soeben herausgefunden, dass wir Rivalen sind.“

Einen Moment verdüsterte sich Lammans heiteres Gesicht und die Brauen zogen sich finster zusammen. Seine Selbstbeherrschung aber war bewundernswert. Er lächelte und fragte freundlich und ruhig: „Miss Lee?“

Armitage nickte.

„Das habe ich gefürchtet. Aber Phil, du kommst doch nicht etwa, um mich zu fordern? Oder um zu verlangen, dass ich alle Ansprüche aufgebe?“

„Das nicht gerade,“ antwortete Armitage. Er war froh, dass der andere die Sache so leicht zu nehmen schien. „Mich verlangt durchaus nicht nach einem Streit.“

„Das freut mich,“ rief Lamman fröhlich mit seiner lauten Stimme. „Freie Bahn, und der Beste gewinnt. Ich habe das kleine Mädel verzweifelt lieb, das begreifst du wohl, Phil.“

Bei den letzten, mit tiefem Ernst gesprochenen Worten fühlte Armitage einen leisen Stich, wie einen Gewissensbiss. „Du tust mir von ganzem Herzen leid, armer Kerl. Ich hatte keine Ahnung, dass dir die Sache so tief geht, aber ich bin mit Miss Lee verlobt.“

Diese Neuigkeit brachte Lamman offenbar ganz aus dem Gleichgewicht. Er barg sein Gesicht in den Händen und sass lange so. Dann sprang er auf und ging schweigend auf und ab.

„Phil,“ sagte er schliesslich und legte ihm die Hand auf die Schulter, „ich leugne nicht, dass mir das sehr nahe geht, aber wenn ich sie nicht haben kann, so gibt es keinen, dem ich sie eher gönnte als dir. Besten Glückwunsch, alter Junge. Wann wollt ihr heiraten?“

„Das weiss ich nicht. Offen gestanden, der Vater will mich nicht, er möchte lieber dich, oder vielmehr dein Geld haben.“

„Das kann ich begreifen,“ sagte Lamman langsam. „Du hast aber doch genug zum Heiraten.“

„Genug für Norma, gewiss — aber nicht für den alten Lee. Er verlangt als Mindestvermögen hunderttausend Pfund.“

„Das ist ja nicht so schwer zu erlangen,“ erwiderte Lamman etwas wegwerfend.

„Nicht für dich, dem alles, was er anfasst, zu Golde wird. Diese Gabe habe ich leider nicht.“

„Man kann nicht alles haben,“ sagte der andre bitter. „Du hast dein Teil. Ich würde gerne tauschen.“

Armitage schien die Bitterkeit nicht zu bemerken. „Sag mal, alter Freund,“ begann er zögernd, „ich kam zu dir, weil ich glaubte, dass du mir helfen könntest. Es ist freilich nicht ganz fair, das weiss ich wohl, aber da du sagtest, dass du mich allen andern vorziehen würdest, könntest du —“

„Was?“ fragte Lamman ungeduldig, als der andre stockte.

„Na, ich dachte, vielleicht würdest du mir einen Tip für die Fondsbörse geben. Ich habe über zwanzigtausend Pfund, die ich morgen in irgendwas, wozu du rätst, anlegen kann. Ich habe nie den Wunsch nach Geld gehabt, aber jetzt sehne ich mich fast krank danach, um den alten Lee zufriedenstellen zu können.“

Lamman betrachtete ihn aufmerksam, während ein seltsames Lächeln um seine festgeschlossenen Lippen spielte. „Na, an übergrossem Zartgefühl scheinst du nicht zu kranken. Du verlangst von mir, dass ich mir einfach die Gurgel abschneide und dir zu dem verhelfe, was ich selbst erreichen möchte.“

„Du hättest doch keine Chancen. Norma sagte mir, dass sie dich unter keinen Umständen heiraten würde.“

„Das mag wohl sein, aber junge Mädchen ändern zuweilen ihren Sinn. Wenn sie aber dich geheiratet hat, ist das nicht mehr möglich, und dazu soll ich noch helfen?“

„Nein, das sollst du nicht, wenn du es so auffassest,“ gab Armitage steif zurück. „Ich werde mein Heil allein versuchen.“

„Immer langsam voran,“ sagte der gutmütige Lamman. „Ich habe weder gesagt, dass ich dir nicht helfen will, noch dass ich es will; so etwas will reiflich überlegt sein. Heute isst du erst mit mir, dann gehen wir ins Theater und morgen um zwölf erneuern wir die Sitzung. Bis dahin kein Wort weiter von der ganzen Geschichte.“

Armitage fand in Lamman den freigebigsten und angenehmsten Wirt wie bei früheren Gelegenheiten, und als sie nach dem ausgezeichneten Frühstück, eine gute Zigarre im Munde, Pall Mall hinunter schlenderten, fühle Armitage sich voller Zuversicht. —

Am nächsten Tage, als Armitage zur bestimmten Stunde im Kontor erschien, war Lamman gemessen und ernst. Schweigend reichte er ihm die Zigarrenkiste. Lammans Zigarren waren mit Recht berühmt, und schweigend rauchten sie wohl fünf Minuten lang. Dann sagte Lamman langsam: „Hör mal, mein Junge, ich wünschte, du liessest mich mit der Geschichte in Ruhe.“

„Wie du willst,“ sagte Armitage kurz.

„Ich bin nur in Sorge deinetwegen.“

„O, um mich mach dir keine Gedanken. Ich sehe, dass du etwas Gutes weisst.“

„Etwas, das ich für gut halte. Das ist aber immerhin noch keine Garantie für absolute Sicherheit.“

„Gibt es denn die überhaupt an der Fondsbörse?“

„Nein, das wohl nicht, wenigstens nicht bei grossen Sachen.“

„Lässt du dich selbst darauf ein?“

„Selbstverständlich.“

„Dann tue ich es auch; das heisst, wenn du es erlaubst.“

„Bitte, sei nicht böse, wenn ich dich darauf aufmerksam mache, dass ein Verlust, den ich leicht verschmerzen kann, dich ruinieren würde.“

„Ich werde die Folgen tragen.“

„Dann meinetwegen,“ sagte Lamman, „des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Ehrlich gestanden,“ fügte er wie widerstrebend hinzu, „glaube ich nicht, dass ein grosses Risiko dabei ist. Aber ich mache eine Bedingung.“

„Schiess los.“

Der grosse Mann war augenscheinlich verlegen. „Armitage,“ begann er schliesslich, „ich sage dir ganz ehrlich, ich habe noch nicht alle Hoffnung auf Norma Lees Hand aufgegeben und werde das auch nicht tun, bis ihr verheiratet seid. Wenn dieser Coup gelingt, willst du sie dann vom Fleck weg heiraten?“

Der andere nickte.

„Das passt mir nicht in meinen Plan; ich verlange auch eine Chance für mich. Junge Mädchen ändern ihren Sinn.“

„So ist Norma nicht.“

„Um so besser für dich, das erleichtert dir die Bedingung. Willst du versprechen, wenn du dies Spiel gewinnst, sechs — na, sagen wir drei Monate zu warten?“

Einen Augenblick zauderte Armitage. „Es gilt,“ sagte er und streckte die Hand aus.

Lamman erfasste sie mit kräftigem Druck. „Nun ans Geschäft,“ sagte er munter. „Nach meinen Informationen muss man jetzt Amalgamated Gold Shares kaufen. Du hast doch von der Gesellschaft gehört?“

„Offen gestanden nein!“

„Na, du kümmerst dich ja auch nicht um die Börse. Amalgamated Gold gehört seit vielen Tagen zu den begehrtesten Papieren an der Börse. Eine Anzahl Amerikaner haben ein paar Minen, gute und schlechte, alte und neue, zusammengefasst und treiben sie in die Höhe. Die Fünfdollaranteile standen nach acht Tagen auf zehn, nach einer Woche fielen sie allerdings wieder auf fünf. Ich glaube aber, dass sie nur um so höher wieder steigen werden.“

„Ich verstehe,“ sagte Armitage, „die Minen erweisen sich als besser, als man erwartete.“

Lamman betrachtete ihn mit gutmütigem Spott. „Du bist sehr grün, mein Junge! Die Minen oder das Gold sind ganz nebensächlich, die Leute auf dem Markt, die reichsten und besten in den Vereinigten Staaten, bereiten, wie ich glaube, eine neue Hausse vor, und ich will von Anfang an dabei sein.“

„Ich auch.“

„Du auch, wenn du’s riskieren willst. Jetzt heisst es kaufen, kaufen und nochmal kaufen. Hier ist das Telegramm für meinen Agenten in Amerika. Die Chiffres sind ganz einfach, wenn man den Schlüssel hat. Ich will die Nachricht gleich selbst aufgeben, denn jetzt bedeuten Minuten vielleicht schon Tausende.“

„Kannst du auch für mich kaufen?“

„Nein, du musst dich an deinen eigenen Makler halten. Aber sei vorsichtig, dass du mich nicht verrätst, sonst geht am Ende die Karre in den Dreck.“

„Du kannst dich auf mich verlassen. Wann soll ich anfangen?“

„Am besten sofort.“

Sie gingen zu einem ruhigen kleinen Telegraphenbureau, wo Lamman das Telegramm aufgab. Armitage sah mit grossem Erstaunen, dass der Beamte, der es in Empfang nahm, eine merkwürdige Ähnlichkeit mit ihm selbst hatte. Armitage war glatt rasiert und der Beamte trug einen kleinen Schnurrbart und spitzen Backenbart. Immerhin war die Ähnlichkeit so auffallend, dass es ihm sonderbar erschien, dass weder Lamman noch der Beamte sie bemerkten.

Lamman trennte sich dort von ihm, und er ging allein zu seinem Makler.

Mr. Samson, ein ernster, gewissenhafter, silberhaariger Mann, war sehr erstaunt, als Philip Armitage ihn beauftragte, für ihn bis zu zwanzigtausend Pfund Amalgamated Gold Shares zu kaufen.

„Das ist eine grosse Summe,“ warnte er väterlich, „Amalgamated Gold gilt für ein Spekulationspapier.“

„Ich trage die Verantwortung,“ erwiderte Armitage.

„Sie haben mir aber keinen genauen Auftrag gegeben. Wie weit soll ich gehen? Soll ich gegen bar oder auf Rechnung kaufen?“

„Davon verstehe ich nichts, Mr. Samson. Kaufen, kaufen und weiterkaufen, so weit die zwanzigtausend reichen. Alles andre überlasse ich Ihnen.“

„Er scheint seiner Sache sehr sicher,“ dachte Mr. Samson. „Da will ich auch ein bisschen was riskieren.“ So kaufte er erst einmal ein gutes Teil der bezeichneten Aktien für sich, ehe er Phil Armitages Auftrag ausführte.

Paul Becks Gefangennahme

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