Читать книгу Einen Popstar liebt man nicht, Teil 1 - Maat Walde - Страница 8
Kapitel 1 Sydney, Australien
ОглавлениеDie schwarze Stretchlimousine hielt direkt vor dem Hoteleingang. Vier glatzköpfige Männer in dunklen Anzügen entstiegen dem Wagen und bewegten sich zu den Hintertüren. Sie trugen kleine, fast kaum sichtbare Ohrhörer, waren breitschultrig gebaut und sehr groß. Es war augenscheinlich, dass sie für den Sicherheitsdienst arbeiteten. Ein Hotelpage wollte ihnen höflich zu Hilfe eilen, doch einer der Leibwächter wies ihn schroff ab. „Sehen Sie nicht, was hier los ist? Sie erschweren uns bloß die Arbeit. Um das Gepäck können Sie sich auch nachher kümmern!“
Der Page nickte leicht eingeschüchtert, trat zurück und stellte sich wieder vor den Hoteleingang, von wo aus er das weitere Vorgehen stumm beobachtete.
Von der gegenüberliegenden Straßenseite drang blitzartig lautes Gekreische herüber. Mehrere Menschen, vorrangig Teenager und Frauen, Fotografen und Kameraleute diverser Fernsehstationen, befanden sich im Anmarsch. Einige von ihnen, mit schweren Objektiven und Mikrofonen ausgestattet, überquerten im Eiltempo die Straße. Für die wenigen Autos gab es kein Weiterkommen mehr. Zwei der Fahrer hupten wild durcheinander, da sie aufgrund hysterischer Fans, Journalisten und Paparazzi gezwungen waren, eine Vollbremsung hinzulegen. Doch die geldhungrige Medienmeute ließ sich nicht aufhalten und schlängelte sich frech zwischen den Autos hindurch zu ihrem Ziel. Zur selben Zeit machte sich von der linken Seite eine große Schar überwiegend weiblicher Fans dazu auf, den Leibwächtern auf den Pelz zu rücken. Einige der Mädchen hatten selbst gemalte Transparente mitgebracht, die sie nun stolz in die Höhe hielten. Auf den meisten Transparenten waren vorwiegend vergrößerte Bilder ihres Idols aufgedruckt. Aber auch mit Herzen ausgeschmückte Plakate samt Liebeserklärungen wurden hochgehalten. Dabei machten sie auch vor anzüglichen Angeboten keinen Halt. Das ohrenbetäubende und fast nicht auszuhaltende Gekreische machte den Bodyguards sichtlich zu schaffen; die Anspannung stand ihnen unschön ins Gesicht geschrieben.
Einer der Leibwächter murmelte genervt etwas Leises vor sich hin, während sein Blick auf die andere Straßenseite wanderte. Dort stand ein dunkelgrauer Van mit abgedunkelten Scheiben, in dem er noch ein paar weitere Kameraleute und Paparazzi vermutete.
In der Zwischenzeit hatten sich die Fotografen, Reporter und Fans dicht an die Limousine herangedrängt.
„Macht Platz!“, dröhnte ein weiterer Bodyguard und öffnete mit einem kräftigen Ruck die hintere Tür der Limousine. Unterdessen bildeten seine Kollegen eine Art Schutzmauer, um die prominente Person abzuschirmen.
Ein von einem Geschreie und Gezerre begleitendes Blitzlichtgewitter wurde auf den jungen Mann eröffnet, der in dunklen Jeans und einem hellblauen Shirt lässig dem Wagen entstieg; große Sonnengläser verhüllten seine Augen. Das Gedränge und Gekreische wurde so entsetzlich laut, dass die Leibwächter jede Menge zu tun hatten, um zu gewährleisten, dass er in ihrer Mitte gesichert war. Vor allem die Paparazzi versuchten nun – im Glauben daran, die besten Bilder zu erhaschen –, sich so nah es ging, an ihn heranzudrängen. Der junge Mann verschwand beinahe inmitten seiner Bodyguards, obwohl er selbst hochgewachsen war.
Nun begann für die Security der schwierigste Teil des Unterfangens. Einer der Männer, von dem ohrenbetäubenden Gekreische genervt, schritt voran in die Menge hinein, seine Hand schützend vor den Star haltend. „Geht aus dem Weg!“, brüllte er und versuchte mit seinen Kollegen die hysterischen Mädchen mit bloßen Händen nach hinten zu schieben, was jedoch nicht einfach war. Rabiat fuhr er einen Paparazzo an, der sich mit einem großen Objektiv nun direkt vor seiner Nase platzierte: „Verschwinde! Siehst du nicht, dass wir hier Platz brauchen?“
Doch dieser ließ sich nicht einschüchtern. Stattdessen blitzte er ungeniert weiter und verteidigte sich lautstark: „Ich mache nur meinen Job, so wie du deinen auch – also stell dich nicht so an!“ Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Kamera.
Das Stelldichein vor dem Hotel hatte in der Zwischenzeit unzählige Schaulustige angezogen, die fasziniert auf das jagdhungrige Treiben starrten. Sie erkannten den Popstar auf Anhieb: Pete Blummers!
Ein etwa sechzehnjähriges Mädchen hatte es mit letzter Kraft gerade noch geschafft, sich in die erste Reihe vor Pete zu kämpfen. Ihr blondes Haar klebte verschwitzt an der Stirn und ihre Wangen glühten hellrot, während ihre apathisch wirkenden Augen verrieten, wie es tatsächlich in ihr aussah. Dann brach es endgültig aus ihr heraus. Tränen kullerten über ihre überhitzten Wangen. Aufgeregt hielt sie ihm eine Autogrammkarte mit seinem Abbild darauf vor die Nase und zückte einen schwarzen Stift.
Pete wurde vom Blitzlichtgewitter dermaßen geblendet, dass er das Mädchen zunächst gar nicht wahrnahm.
„Kleine, geh zur Seite!“, ermahnte sie der Bodyguard. Um die junge Frau nicht zu verletzen, versuchte er sie mit leichtem Druck nach hinten zu bugsieren, was ihm aber nicht gelang. Die Menge hinter und neben ihr schien sich keinen Zentimeter zu bewegen. „Mädchen, er hat jetzt keine Zeit für Autogramme!“, machte er ihr erneut unmissverständlich klar. Ohne jede emotionale Regung im Gesicht verrichtete er seinen Job. Auch dem Rest der Security war der Stress nun deutlich anzusehen. Ihre zerknirschte Miene ließ vermuten, dass sie es gar nicht erwarten konnten, Pete so schnell wie möglich ins sichere Hotel zu schaffen.
„Pete, nur EIN Autogramm, … bitte!“, bettelte das Mädchen.
Der Leibwächter von vorhin seufzte laut, kleine Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. „Jetzt sei vernünftig und mach endlich Platz!“, fuhr er den weiblichen Fan abermals an.
Doch das ließ die Blondine mit dem hübschen Gesicht nicht von ihrem Vorhaben abhalten. Trotz zittriger Knie blieb sie hartnäckig, was sich schließlich bezahlt machte. Denn erst jetzt registrierte Pete das süße Mädchen. Für einen Augenblick musterte er sie schmunzelnd. Sie hatte ihre Haare mittlerweile aus dem aufgeheizten Gesicht gewischt und trug – im Gegensatz zu dem aufgetakelten Rest, der sich um ihn scharrte – nur dezentes Make-up.
„Wartet mal!“, meldete Pete sich zu Wort und gab den Bodyguards mit Handzeichen zu verstehen, dass er dem Wunsch des Mädchens nachkommen würde.
Mit einem unübersehbaren Unmut gaben diese sich geschlagen. Es war der Albtraum jedes Sicherheitsmannes, wenn sich der VIP in einer Menschenmenge dazu entschied, Autogramme zu geben oder Selfies zu machen. Vor allem dann, wenn es vorher nicht abgesprochen worden war; sie hatten alle Hände voll zu tun, denn das, was sie zuerst mit großer Sorgfalt hatten verhindern wollen, trat langsam ein. Die hinteren Reihen begannen stärker nach vorne zu drücken, sodass die muskulösen Bodyguards nur noch schwer der drängenden Menge standhielten. Sie waren für Petes Sicherheit zuständig und trugen die Verantwortung, dass ihn die hysterische Meute nicht erdrückte. Gleichzeitig mussten sie jedoch dafür sorgen, dass den Fans nichts passierte.
Es war Pete gerade noch möglich, in dem ganzen Getümmel seine Hände anzuheben und nach dem Stift zu greifen, den ihm das Mädchen mitsamt einer Autogrammkarte von ihm freudestrahlend entgegenstreckte. Ihr blondes Haar schimmerte im Blitzlichtgewitter und ihre niedlichen Sommersprossen waren im grellen Licht verstärkt zu sehen.
Hastig kritzelte Pete seine Unterschrift und ein Herz auf das Bild und schenkte ihr ein ehrliches Lächeln. Vor lauter Freude über das handsignierte Autogramm, begann das Mädchen zu springen und hielt sich dabei hysterisch eine Hand vor den Mund. Von ihren Mitstreiterinnen erntete sie dafür bloß neidische Blicke, die nun ebenfalls versuchten, so nah wie möglich an ihr Idol heranzukommen und ein Foto mit ihren Handykameras zu machen. Genau das hatten die Leibwächter zuvor verhindern wollen. Mit diesem Autogramm hatte Pete eine Lawine losgetreten, die sich nur schwer wieder stoppen ließ. Die anderen Mädchen und jungen Frauen fühlten sich nun automatisch dazu aufgefordert, ebenfalls ihr Recht einzufordern. Geduldig ließ Pete sich noch dazu hinreißen, ein paar Selfies mit seinen Fans zu schießen, und auf das eine oder andere Autogramm seine begehrte Signatur zu setzen. Als er jedoch merkte, dass es in der Menschentraube kein Weiterkommen mehr gab, entschied er sich, seinen Leibwächtern Folge zu leisten. Nach ein paar letzten Autogrammen ließ er sich von den vier Männern langsam, aber sicher, nach vorne zum Hoteleingang geleiten.
Pete liebte den direkten Kontakt zu den Fans und suchte ihn für gewöhnlich auch. Neben der Musik waren es seine natürliche Art, sein Humor und sein Charme, was ihn so beliebt machte. Sein bodenständiges Naturell hatte ihm auch bei zahlreichen Journalisten, denen er in regelmäßigen Abständen Interviews gab, einen guten Ruf eingebracht. Er war ein leicht umgänglicher Mensch mit Anstand, gab sich stets gut gelaunt, was ihn bei all den existierenden Rüppel-Stars beinahe schon zu etwas Besonderem machte. Seine unangefochtene Beliebtheit bescherte ihm allerdings auch Neid seitens einiger Kollegen. Damit konnte er allerdings leben.
Kurze Zeit später befanden sie sich endlich in der Hotellobby. Einige Fans und Paparazzi wollten sich durch den Hoteleingang hindurchdrängeln, was ihnen allerdings nicht gelang, da der Sicherheitsdienst des Luxushauses schneller war und ihnen geschickt den Zutritt verwehrte. Den Fotografen und Kameraleuten gelang es gerade noch, ein paar letzte Bilder von Pete und seinen Gefolgsleuten, die im Hotel bereits auf ihn gewartet hatten, einzufangen. Eilig schossen sie ein Foto nach dem anderen, wie Pete – von seinem Team umgeben – zum Fahrstuhl lief.
Jene Fans, denen es gelungen war, sich bis zur gläsernen Drehschwingtür zu drängen, hauchten ihrem Star noch herzliche Handluftküsschen zu. Ein letztes Mal drehte Pete sich in ihre Richtung, winkte ihnen mit einem müden Lächeln zurück und stieg dann in den Aufzug, um nach oben in seine Suite zu fahren.