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|25|Arius
ОглавлениеDieser Arius, dessen elendes Ende wir bereits kennengelernt haben, wurde um 260 geboren, war also wesentlich älter als Athanasius, der wohl um 300 zur Welt kam. Arius entstammte einer wohlhabenden christlichen Familie. Er besaß sicherlich eine gute philosophische Bildung, wie man sie in Alexandria erwerben konnte, war also im Platonismus bewandert. Er gehörte zu einer Gruppe, die bei Lukian von Samosata (240–312), der als Priester in Antiochia tätig war, studiert hatte. Wie bei philosophischen Lehrern nicht selten, schlossen sich die Schüler zu einem Freundeskreis zusammen, in diesem Fall waren dies die Mit-Lukianisten, zu denen Arius gehörte und die ihn zeitlebens unterstützten. Es war ein Kreis, den man heute Netzwerk nennen würde.6 Arius ging nach seinem Studium nach Alexandria, wo ihn Petrus zum Diakon und später dessen Nachfolger Achillas (311–312) zum Presbyter weihte; diese Priesterweihe trug Achillas seinen schlechten Ruf in der Geschichte der alexandrinischen Bischöfe ein. Als der nach ihm benannte Streit ausbrach, war Arius Priester der Baukalis-Kirche (Hirten-Kirche) in Alexandria, die in einer der östlichen Vororte der Metropole lag, wo es Flächen für Herden gab.
Die Gemeinde des Arius war bekannt für ihre Sympathie gegenüber asketischen Strömungen. In der Baukalis-Kirche wurde des Martyriums des heiligen Markus gedacht. Der Evangelist und angebliche Begründer des alexandrinischen Christentums soll in der Stadt den gewaltsamen Tod gefunden haben; in der Nähe der Baukalis-Kirche verehrte man sein Grab. Daher entstanden in dieser Gegend östlich Alexandrias auch große christliche Gräberfelder. Der berühmte Antonius soll hier seine monastische Karriere begonnen haben, ehe er sich in die Einsamkeit zurückzog (S. 124). Auch Arius war für seine asketische Lebensweise bekannt. Als er von seinem Bischof exkommuniziert wurde, sollen über 700 Jungfrauen mit ihm vertrieben worden sein.7 Wenn man sich vor Augen führt, was Athanasius später über ‚seine‘ Jungfrauen schreibt, kann man sich die ‚Werbung‘ der 700 Jungfrauen des Arius für dessen Glauben vorstellen. „Denn nur bei uns Christen wird diese ehrwürdige und himmlische Lebensweise gepflegt. Und dies ist ein großer Beweis, dass wir die wirkliche und wahre Gottesfurcht haben.“8 Das schreibt Athanasius über die Jungfrauen |26|seiner Kirche, aber es gilt gleichermaßen für alle anderen christlichen Glaubensrichtungen.
Arius, ohne dessen Leben und Wirken das Schicksal des Athanasius gänzlich anders verlaufen wäre, war also Presbyter, als er mit seinen Ideen die Diskussion um das Verhältnis von Gott-Vater zu Gott-Sohn eröffnete. Eine neutrale Berichterstattung über ihn ist nicht vorhanden; es scheint aber sicher zu sein, dass Arius die in breiten christlichen Kreisen geläufigen Gottesprädikate allein auf den Vater beziehen wollte. Gott-Vater ist ungezeugt, ewig oder anfangslos, unsterblich, weise und so fort; er allein ist unwandelbar und unveränderlich sowie der Ursprung aller Dinge. Dieser Vater hat seinen Sohn vor aller Zeit gezeugt. Die Bestimmung vor aller Zeit entrückt diesen Vorgang zwar allen menschlichen und irdischen Dimensionen, es bleibt aber ein Vorgang, was zur Folge hat, dass der Vater vor dem Sohn war.
Um die unbedingte Göttlichkeit des Vaters und damit eines Gottes zu sichern, betont Arius, dass Gott-Vater allein der Höchste ist und es niemanden gibt, der ihm gleich ist. Nur Gott-Vater ist ungezeugt und ohne Anfang. Arius beschreibt eine Differenz zwischen Vater und Sohn, grenzt und setzt den Sohn vom Vater ab. Am klarsten wird dies, wenn man betont, dass der Sohn, weil gezeugt, nicht ewig ist und somit einen Anfang hat. Daraus folgt, dass Gott-Vater und Gott-Sohn in keiner Weise gleich sind; sie sind nicht, um einen späteren Streitbegriff zu verwenden, von gleicher Substanz und nicht „wesenseins“. Es konnte keinen besseren Sohn geben, der Sohn war das Beste, was möglich war, und vieles Vergleichbares mehr; doch mochte man den Sohn auch mit noch so vielen Ehrungen bezeichnen – die Differenz zwischen Vater und Sohn blieb.
Gott-Sohn ist gezeugt, und diese Zeugung hat den Vater nicht verändert, dessen Sein ist bei der Zeugung unbeeinträchtigt geblieben, die Zeugung hat von seinem Sein nichts abgezogen. Daraus wiederum folgt, in einer unmissverständlichen Aussage, dass der Sohn aus dem Nichts gezeugt wurde. Wenn der Sohn aber aus dem Nichts gezeugt wurde, gab es eine Zeit, in der er nicht war: „Gott ist nicht immer Vater gewesen, es hat vielmehr einmal eine Zeit gegeben, in der Gott nicht Vater war. Einen Anfang hat der Sohn, Gott (Vater) aber ist ohne Anfang. Der Logos (Sohn) ist in jeder Beziehung dem Wesen des Vaters fremd und unähnlich. Es gab eine Zeit, in der er nicht vorhanden |27|war, und er war nicht vorhanden, bevor er wurde.“9 So beschreibt Bischof Alexander die Ansichten seines Priesters. Etwas anders ausgedrückt: Arius bestand darauf, zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn bestehe keine Wesenseinheit.
Wenn damit auch der Sohn als Geschöpf bezeichnet werden konnte, betont Arius jedoch, dass er keineswegs auf der Ebene aller übrigen Geschöpfe stehe. Dieser Jesus Christus ist von allen anderen Geschöpfen unendlich unterschieden, er ist ein in jeder Hinsicht vollkommenes Geschöpf, das, und dies macht es eben einzigartig, in einem uns nicht nachvollziehbaren Vorgang vor aller Zeit ins Sein trat. Das Entscheidende der Vorstellungen des Arius ist, dass er die absolute Göttlichkeit des Vaters und damit den einen Gott sichern will. Wenn man seinen Ansatz fortdenkt, steht der Sohn in der Sphäre der Geschöpfe, wobei Arius sofort hinzugefügt hätte: Aber er ist ein einzigartiges Geschöpf. Die klassische biblische Belegstelle für alle derartigen Ansätze war im Buch der Sprüche gegeben: „Der Herr schuf mich, seines Waltens Erstling, als Anfang seiner Werke. Von Ewigkeit her bin ich gebildet, von Anbeginn, vor dem Ursprung der Welt. Noch ehe die Meere waren, wurde ich geboren, noch vor den Quellen, reich an Wasser.“10 Den Text, der im Denken und Argumentieren des Athanasius eine große Rolle spielen wird, bezogen die Christen allgemein auf Christus.