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Vorwort

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„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Diese bekannte Aussage von Theodor Wiesengrund Adorno verschafft existentiellen Fragestellungen Raum: Gibt es ein „richtiges“ Leben in schwierigen Verhältnissen? Gibt es innere Freiheit in der Diktatur, unter Zwang und im Gefängnis? Gibt es gelebte Menschenwürde in Zeiten der Verachtung und des Hasses? Kann Liebe inmitten von Gewalt und Terror gelebt und verwirklicht werden? Gibt es ein Leben in der Wahrheit inmitten der Verblendungen und Ideologien? Wo leuchten Versöhnung und Frieden auf, wenn der Krieg als Naturgesetz betrachtet wird?

Zehn Jahre nach der Seligsprechung von Franz Jägerstätter im Linzer Mariendom am 26. Oktober 2007 sind in diesem Band Predigten, Betrachtungen und Meditationen zu Glaubenszeugen gesammelt, die im Kontext der Gedenkkultur in den Diözesen Innsbruck und Linz stehen. Es ist eine Spurenlese des Ausschau-Haltens nach dem ausgesetzten Menschen, nach dem leidenden Gott angesichts des Wahnsinns, des Terrors in der Zeit des Nationalsozialismus. Opfer, Zeugen und Märtyrer haben der Barbarei standgehalten, wollten das Unrecht nicht mitmachen, leisteten ihm Widerstand und haben unschuldig Verfolgten geholfen. Es gab in der damaligen Zeit Gerechte, die sich nicht vom Sog der Ideologie haben mitreißen lassen. Sie mussten ihr Leben lassen, weil sie kleine Zeichen der Solidarität mit Kollegen gesetzt haben. Sie haben ihr Leben für die Rettung anderer riskiert.

Anhand von Opfern, Zeugen und Märtyrern wird auf die Quellen der Widerstandskraft geschaut. Was war das Prinzip und Fundament ihres Lebens und Glaubens in dunklen Zeiten, und wie haben sie einen Richtungssinn, eine Orientierung gewonnen? Wie haben sie in der Verfolgung, im Angesicht des Todes ihre innere Kraft gestärkt? Was stärkt das Rückgrat gegen die Übermacht der Not? Wie konnten sie Resignation und Zynismus entgegenwirken?

Der wichtigste Beitrag des christlichen Glaubens für eine Kultur der Erinnerung ist das Wachhalten der Frage nach den Toten und ihrem Geschick. Christen erinnern sich der Toten, nicht damit sie leben, sondern weil sie leben. Sie hoffen auf Leben und Gemeinschaft mit den Verstorbenen über den Tod hinaus. In der „memoria passionis“ geht es um die Verweigerung, sich damit abzufinden, dass die Toten in alle Ewigkeit tot bleiben, die Besiegten besiegt und die Durchgekommenen und Erfolgreichen in alle Ewigkeit oben bleiben. Wir gedenken der Opfer und Zeugen, weil die Beziehung zu den Verstorbenen nicht fertig ist, vielleicht noch offene Rechnungen da sind, weil es noch Wunden gibt, Verletzungen heilen sollen oder noch Abschied von Trübungen heilsam ist. Wir gedenken derer, die durch ihr moralisch-ethisches Handeln und durch ihren Tod den Namen Gottes geheiligt haben: „Kiddusch Haschem“, d. h. die Heiligung des Namens Gottes (Lev 22,32; Lev 21,6). Es dient dem Frieden, das Gedächtnis vergangener Leiden wachzuhalten in dem Sinn, dass die Schreckensbilder der Vergangenheit davor abhalten sollen, in der Gegenwart die Hölle des Krieges zu entfachen.

Linz, im Frühjahr 2017+ Manfred Scheuer

Kraft zum Widerstand

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