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Das Preisausschreiben

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Ich saß am späten Vormittag in der Redaktion an meinem Schreibtisch und schrieb gerade an meiner Kolumne, als das Telefon klingelte. Ich nahm ab und hatte meinen Vermieter Mr. Jennings, eigentlich ein netter Mensch, in der Leitung.

Sofort schrie er los: „Mr. Willis! Ihr bellendes Kalb poltert schon wieder so wild, dass die Wände wackeln. Bis heute Abend 18 Uhr sind Sie und dieses Monster verschwunden, ansonsten können Sie sicher sein, dass ich die Polizei rufe, die Ihnen Beine machen wird.“

Mit „Monster“ und „Kalb“ war meine Hündin Baby gemeint und ein Geschenk von Hadley Jones, meines Chefredakteurs, dem sie zugelaufen war. Trotz intensiver Suche hatte sich niemand gemeldet, der sie vermisst und da er sie nicht behalten wollte, fragte er eben mich, ob ich den Dalmatiner haben möchte. Es stellte sich dann heraus, dass der „Dalmatiner“ in Wirklichkeit ein halbausgewachsener Dänischer Doggen-Welpe war und seine Körpergröße sich in den folgenden Monaten noch einmal locker verdoppelte.

Sie war aber ein so freundliches und gutmütiges Tier, dass es mir egal war. Ich liebte sie über alles und sie mich auch. Aber immer, wenn ich in der Reaktion war und sie zuhause allein lassen musste, fing sie an, ohrenbetäubend zu jaulen und Stühle durch die Wohnung zu schieben.

Ich versuchte, Mr. Jennings klar zu machen, dass es nicht möglich sein wird, bis zum Abend eine Wohnung zu finden und umzuziehen. „Dann ziehen Sie doch ins Tierheim oder Zoo!“ brummte er und knallte den Telefonhörer auf.

Ein Kaffee war jetzt genau das Richtige, fand ich und stand auf, um mir in der Pantry eine Tasse einzuschenken. In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und Hadley stand im Türrahmen. „Roseberg ist erkrankt“, sagte er schlecht gelaunt: „Sie müssen seine Arbeit übernehmen. Sind Sie über den Kinderwettbewerb, den er alle 14 Tage veranstaltet, im Bilde?“

Leider war ich darüber im Bilde. Er betreute unsere Tierrubrik und hatte mit einigen Leuten von der Stadtverwaltung eine Absprache getroffen. Man reservierte ihm im städtischen Tierheim die schönsten herrenlosen Hunde und er durfte sie als Preise für seine Kinderwettbewerbe in der Hundesparte verwenden.

Das letzte Preisausschreiben hatte das Thema „Warum ich mir einen Hund wünsche!“ und ausgerechnet an dem Tag, wo Roseberg erkrankte, sollte die Preisverleihung für das glückliche Gewinnerkind stattfinden. Hadley hatte schon einen kleinen Cockerspaniel mit seidigem braun-roten Fell ausgesucht, ich musste ihn nur noch aus dem städtischen Tierheim abholen und dem Kind vorbeibringen.

„Und wenn der Gewinner keine Cockerspaniel mag?“ fragte ich.

„Blödsinn! Solange es nur ein Hund ist. Der Rest ist doch egal“, meinte Hadley.

Verstehen Sie, was ich meine, wenn ich sage, dass es Schicksal war?

Kurzerhand rief ich beim Tierheim an, erzählte denen meinen Plan und fuhr dann mit Baby, die ich zuvor abgeholt hatte, zum Gewinner. Es ging in eine typische Vorstadtgegend und ich hielt vor einem hübschen Haus mit ein paar Birken im Vorgarten. Wir stiegen aus und als ich die Gartenpforte quietschend öffnete, kam aus dem hinteren Teil des Gartens ein kleiner Junge mit frechen Sommersprossen angelaufen. Er trug einen Cowboyhut und fuchtelte mit seinen Spielzeug-Revolvern wild in der Luft rum.

„Mama ist noch nicht zurück!“ schrie er schnaufend und blieb dann mit großen Augen und offenen Mund stehen. „Oh, was ist das denn für ein Hund?“

„Das ist eine Dänische Dogge“, antwortete ich. „Sie heißt Baby. Magst du sie leiden?“

Der Junge kam, offensichtlich von der respekteinflößenden Größe des Hundes beeindruckt, vorsichtig näher und fing dann aber schnell an, Baby zu streicheln, als er merkte, dass sie ihm freundlich gesonnen war und ihm nichts tun würde. „Und ob, aber ich bekomme schon einen Cockerspaniel.“

„Wie kommst du darauf? Wie heißt du eigentlich?“ fragte ich ihn. Hatte man ihn etwa schon benachrichtigt? Ich dachte, es sollte eine Überraschung sein.

„Ich bin Jasper. Weil ich der Zeitung geschrieben habe, dass ich einen brauche. Und ich gewinne bestimmt.“

„Die Zeitung dachte aber, dass dir dieser Hund viel besser gefallen würde, aber wenn du ihn nicht magst, nehme ich ihn wieder mit“, ich schnalzte mit der Zunge, Baby unterbrach ihre erste Erkundungstour durch den Garten und kam gehorsam angetrabt.

Ich wollte gerade die Gartenpforte öffnen, als ein durchdringendes „Halt, warten Sie!“ mich abbrechen ließ. „Einen Augenblick! Ich möchte doch 1000mal lieber diesen Hund haben!“

Jasper kam zu uns gerannt und zog mich an der Hand in den hinteren Teil des Gartens über die Terrasse ins Haus, damit ich auf die Wiederkehr seiner Mutter warten sollte.

Während Jasper sich im Garten mit dem Hund vertraut machte, sah ich mich ein bisschen im Haus um. Ich weiß, das ist sehr unhöflich, schließlich bin ich ein Fremder, aber ich wollte sichergehen, dass es „Baby-sicher“ war und nichts wertvolles kaputtgehen konnte, wenn sie mal wieder ihre esstellergroßen Pfoten beim Spielen durch die Gegend schmeißen würde.

Aber meine Sorge war unbegründet. Das Haus war sehr gemütlich eingerichtet und extrem kostbare Gegenstände konnte ich auch nicht entdecken. Meine Hündin würde es hier sehr gut haben.

Ewig wollte ich nun nicht auf die Mutter warten und so ging ich raus, um Jasper die letzten Instruktionen für Baby zu geben. „Der Hund muss sich erst an euch gewöhnen und merken, dass er jetzt hier wohnt, deswegen darfst du ihn einige Tage nicht allein in den Garten lassen, sondern möglichst im Haus, am Besten im Keller halten. In spätestens einer Woche seid ihr dann die besten Freunde.“

Jasper lachte. „Das sind wir jetzt schon!“

„Und du bist sicher, dass deine Mutter mit so einem großen Hund kein Problem hat?“

„Keine Sorge, sie hat große Hunde bestimmt sehr gerne.“

Ich konnte mein Glück kaum fassen. Aber damit war auch der Augenblick des Abschieds von meiner geliebten Hündin da. Baby hat ihren Kopf auf die Schulter ihres neuen Herrchens gelegt und blickte zu mir hoch. Ich seufzte, aber was hätte ich sonst machen können. Dass sie zu groß für eine kleine Wohnung ist, wie ich sie bewohne, war auch mir klar.

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