Читать книгу Mrs. Seymour-Woystershire, ihre Söhne und die Schwiegertöchter - Mar El - Страница 3
ОглавлениеProlog
Als Mrs. Seymour-Woystershire erstes Kind, ein Sohn, in einer exquisiten Privatklinik in London geboren wurde, gab es auf dem Landsitz Leamington Hall ein riesiges Freudenfeuer; drei Fässer Teer und ein gewaltiger Holzstoß ging dabei drauf und – wie sich später zeigte – auch die gesamte Vegetation des Hügels, der an dem Park des Landsitzes angrenzte, denn die Flammen bahnten sich so schnell ihren Weg durch den von der Sommerhitze vertrockneten Ginster, dass die ohnehin schon betrunkenen Pächter, die auf das Wohl des Neugeborenen kräftig angestoßen hatten, keine Chance hatten, es noch löschen zu können.
Kurz nachdem die frischgebackene Mutter die Privatklinik verlassen konnte, reiste sie mit ihrem kleinen Söhnchen zum Landsitz, wo an der Dorfstraße viele Flaggen wehten. Das Eingangstor zum Landsitz war von den Dorfbewohnern mit einem Triumphbogen aus Immergrün geschmückt worden.
Sogleich fand zu Ehren des Stammhalters der Familie ein großes Festessen statt, zu dem sämtliche Pächter eingeladen wurden, die alle für einen silbernen Präsentierteller als Taufgeschenk zusammengelegt hatten.
Die Taufe wurde mit einem großen Gartenfest gefeiert.
Eine Prinzessin – sie ließ sich vertreten – war Patin, als der Knabe auf die Namen Sebastian Theodore Mountjoy St. Taylor, alles glorreiche Namen aus der langen Familienchronik, getauft wurde.
Seine Gelassenheit während der Taufzeremonie war von einer so beeindruckenden phlegmatischen Würde, dass man sogleich eine hohe Meinung von seinen Fähigkeiten als fernzukünftiges Familienoberhaupt bekam.
Das Gartenfest fand seinen Abschluss mit einem verschwenderischen Feuerwerk, welches den Gärtnern eine besonders arbeitsreiche Woche bescherte, um den Garten von den Hinterlassenschaften der Feuerwerkskörper zu befreien und ihn wieder in gewohnter Ordnung herzustellen.
Nach den anstrengenden Tauffeierlichkeiten stellte sich relativ schnell für Mrs. Seymour-Woystershire das ruhige und normale Landleben wieder ein, bis sie nach fast 2 Jahren zu ihrer großen Verärgerung feststellte, dass sie wieder ein Kind erwartete.
Das Kind wurde im August in einem großzügigen Ferienhaus an der Seeküste geboren, welches man über dem Sommer gemietet hatte, damit dem kleinen Sebastian die gute Seeluft zugute kam. Mrs. Seymour-Woystershire war bei einem Arzt in ihrer Nähe in Behandlung, dessen ungebildete Sprechstundenhilfe sie zwar oft entsetzte, sich aber dann bei der Entbindung des Kindes als eine wesentlich geschicktere Geburtshelferin erwies, als der berühmte Spezialist in der Londoner Privatklinik.
Die anstrengende Schwangerschaft hat Mrs. Seymour-Woystershire nur mit der Hoffnung auf eine kleine Tochter mehr recht als schlecht überstanden.
Auf Sebastian, der von Anfang an eine bei Kindern eher selten ausgeprägte Gleichgültigkeit an den Tag legte, hätte eine kleinere zarte und seelenverwandte Schwester einen guten Einfluss gehabt, weil sie vielleicht in ihm einen Beschützerinstinkt geweckt und ihn aus seiner Parallelwelt herausgeholt hätte.
Gerade wenn er dann zum Studieren nach Cambridge käme, würde man die 2 Jahre jüngere Schwester in die Gesellschaft einführen und ihn davor bewahren, seine Freunde in so schrecklichen Gruppen wie Stubenhocker oder Saufkumpane zu suchen. Und die Schwester würde mit einer netten Freundin zum jährlichen Universitätsball gehen.
Mrs. Seymour-Woystershire hatte sich alles genau überlegt und bis ins kleinste Detail geplant. Als sie dann schließlich von einem Sohn entbunden wurde, war sie sehr enttäuscht und noch mehr verärgert. Das Baby erhielt den Namen Michael.
Die beiden Brüder entwickelten sich zu kräftigen, wenn auch wenig auffälligen kleinen Jungs, deren große äußerliche als auch charakterliche Ähnlichkeit aber über das unter Geschwister übliche Maß weit hinausging.
Beide hatten rotblonde Locken, waren ausgesprochen selbstbewusst und zeigten nur manchmal gute Manieren. Zart besaitet oder empfindlich waren sie auf keinen Fall.
Zur großen Enttäuschung der Mutter erwiesen sich ihre Söhne auch eher als künstlerisch unbegabt.
Beide sind von Anfang an mit der Tatsache aufgewachsen, dass Sebastian als der Ältere an Wichtigkeit den kleinen Bruder überragte. Und seine körperliche und geistige Überlegenheit war ebenso eine Tatsache, die niemandem verborgen blieb.
Obwohl Mrs. Seymour-Woystershire stets bemüht war, beide gleich zu behandeln, wurde Sebastian als der ältere Sohn immer strenger bestraft, wenn sie Unfug angestellt hatten.
Michael war verständlicherweise über diese Zurücksetzung nicht besonders erbost, sondern sah im Allgemeinen seine Vorteile darin, weil er von vielen Pflichten befreit war, die Sebastian ohne Wenn und Aber zu erfüllen hatte.