Читать книгу Perry Rhodan 2598: Tod einer Superintelligenz - Marc A. Herren - Страница 5

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Fuseki

In der Eröffnungstheorie des Spiels bezeichnet »Fuseki« die Phase, in der die Gebiete locker abgesteckt werden.

Aus einem altterranischen Nachschlagewerk zum Begriff »Go«

Perry Rhodan: an Bord von MIKRU-JON, 11. Mai 1463 NGZ, 18.09 Uhr Ortszeit Stardust City.

Rhodan zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. Er gab sich Mühe, nach außen hin ruhig zu bleiben; er wollte die Männer und Frauen in der Zentrale von MIKRU-JON nicht nervöser machen, als sie es bereits waren.

Oberstleutnant Tanio Ucuz, die Mutanten Lucrezia DeHall, Shanda Sarmotte und Rence Ebion saßen in ihren Pneumosesseln im Halbkreis um die große Holosphäre. In den Mienen erkannte Rhodan Angespanntheit, mühsam kontrollierte Angst, aber nicht zuletzt auch tiefes Staunen über die Ereignisse kosmischer Tragweite, die sich direkt vor ihren Augen abspielten.

Einzig Mondra Diamond wirkte relativ unbeeindruckt. Neben ihr auf dem Boden saß Ramoz, hatte seinen luchsähnlichen Schädel auf ihren Schoß gelegt und genoss ihre Streicheleinheiten. Rhodans Partnerin blickte unverwandt auf die Darstellungen in der Holosphäre.

Neben ihr saß das Konzept Lloyd/Tschubai. Es schien weit weniger konzentriert. Nachdenklich betrachtete es den Rücken seiner rechten Hand.

Rhodan atmete ruhig ein.

Vor wenigen Sekunden hatte VATROX-VAMU die Bühne betreten.

Das Geisteswesen war als diffuse energetische Erscheinung in einiger Entfernung zu ihrem Standort materialisiert. Die Orter und Messinstrumente zeigten eminent hohe Werte im UHF-Bereich des Hyperspektrums. Sie waren vergleichbar mit jenen, als VATROX-VAMU am Rand des Stardust-Systems materialisiert war; nur dass die Werte jetzt durchgängig um eine Zehnerpotenz höher lagen.

Lauernd schwebte das Geisteswesen im freien All und schien die Szenerie erst einmal zu analysieren, bevor es sich seine Beute nehmen würde: das PARALOX-ARSENAL!

MIKRU-JON, verschmolzen mit einer Silberkugel, hatte zusammen mit den anderen fünf Silberkugeln, in denen Icho Tolot, Kardo Tarba, Björn Saint-Germain, Sergio Pepporani und die Flottillenadmiralin Miranda Fishbaugh saßen, in jenem Raumgebiet Aufstellung bezogen, das dem ins natürliche Psionische Netz ausgelagerten Standort des PARALOX-ARSENALS entsprach. Sie bildeten das letzte Bollwerk gegen VATROX-VAMU.

Das Toben des hyperenergetischen Gewitters hatte in seiner Intensität etwas nachgelassen, trotzdem war nach wie vor ein Sektor von unglaublichen 200 Lichtjahren Durchmesser davon betroffen.

Vom PARALOX-ARSENAL selbst gingen beträchtliche Emissionen im ultra- wie auch im superhochfrequenten Spektrum aus. Piet Rawland hatte sein Möglichstes getan, um diese gewaltigen Emissionen mittels seiner Sektorknospe QUEEN OF ST. LOUIS abzuschirmen, aber Rhodan wusste nicht, wie erfolgreich die Mission des ehemaligen Banditen gewesen war.

Das All wurde von allen Bereichen des Strahlungsspektrums durchstrahlt. Abermals registrierten die Instrumente MIKRU-JONS rasant in die Höhe schießende Strangeness-Werte, als bröckelten die Wände zwischen den Universen.

Der Kosmos kreißt, dachte Rhodan grimmig, als wolle er bald etwas gebären, ein Monstrum – ein Psi-Monstrum!

Tief in seinem Innersten hielt er sich am Glauben fest, dass sie und insbesondere ES diese Krise überstehen würden, wenn sie bloß alles in ihrer Macht Stehende getan hatten und weiterhin tun würden. Dass alles wieder gut würde, wie immer.

Aber der Gedanke um die unermesslich großen Mengen Psi-Materie ließ ihn erschaudern. Nicht nur eine Superintelligenz, sondern auch ein hoch potentes Geisteswesen und Figuren der niedrigeren Zwiebelschalen stritten sich darum, versuchten alles, um ihrer habhaft zu werden.

Dabei reichten wenige Gramm aus, um eine Sonne zur Supernova zu zünden. Das PARALOX-ARSENAL wies einen Energiewert auf, der das bekannte Universum buchstäblich aus den Angeln heben konnte. So etwas durfte es eigentlich gar nicht geben. Es war immaterielle Gigantomanie, potenzierte Hybris jener, die es gewagt hatten, ein solches Projekt überhaupt in Angriff zu nehmen.

Rhodan fühlte die Bedrohung, die dieser Ort ausatmete, als beinahe körperlich spürbare Schwingung. Als Druck, der auf seine Brust drückte.

Die nächste Etappe seiner Mission schien klar zu sein: Rhodan musste das ARSENAL via raumtemporalem Saugtunnel nach TALIN ANTHURESTA befördern.

Ein an sich simpler Plan, der in seiner Wirkung aber viele Unbekannte aufwies. War ein solcher Transport so ohne Weiteres überhaupt möglich? Wie würde sich die Versetzung ins Innere der Sphäre des »Wunders« auswirken? Drohte diesem dadurch gar der Untergang?

Durfte Rhodan überhaupt mit solchen Kräften hantieren, wenn es auf einem Niveau geschah, wie Kinder mit Bauklötzchen spielten? Konnte man die verstofflichte Psi-Materie beherrschen – oder löste man mit dem ersten Handgriff eine kosmische Katastrophe aus?

Der Terraner wischte sich über die brennenden Augen. Das Gefühl der Gefahr ließ sich nicht einfach so übergehen oder beiseitewischen.

Ramoz fauchte.

Rhodan sah auf und blickte direkt in Mondra Diamonds Augen. Ein seltsamer Ausdruck lag in ihnen. Sie analysierte ihn, als wolle sie seine nächsten Schritte antizipieren. Da war aber noch etwas anderes. Etwas Nachdenkliches. Unwillkürlich erinnerte er sich an seine Auseinandersetzung mit KOLTOROC, die er nur hatte überstehen können, indem er seine kosmokratische Ritter-Aura opferte.

Dachte Mondra gerade an dasselbe wie er?

Nahte die endgültige Entscheidung in der Auseinandersetzung zwischen VATROX-VAMU und der sterbenden Superintelligenz ES?

Das luchsähnliche Tier, das bis vor Kurzem entspannt Mondras Streicheleinheiten genossen hatte, sprang auf und fauchte erneut.

»Perry!« Mikrus dunkle Stimme klang alarmiert.

Rhodan sah hinüber zur großen Holosphäre, wo der Avatar MIKRU-JONS stand. Die junge Frau deutete auf das Symbol für VATROX-VAMU, das in der Sphäre schwebte.

»VATROX-VAMU hat einen Sprung gemacht!«

»Wie nahe kam er an das ARSENAL heran?«

»Das ist es ja, Perry«, antwortete Mikru. »Er ist nicht etwa näher gerückt – er hat sich zurückgezogen!«

Perry Rhodan erhob sich, ignorierte Mondras Blick und Ramoz' Knurren und besah sich die Lage, wie sie in der Holosphäre dargestellt wurde, aus der Nähe.

VATROX-VAMU hatte sich über annähernd zwanzig Lichtjahre entfernt und in einer Distanz von 145 Lichtjahren zum PARALOX-ARSENAL Stellung bezogen.

»Ein Sicherheitsabstand«, murmelte Rhodan gerade so laut, damit Mondra es hörte. »Er ist sich nicht sicher, was er von der Lage halten soll.«

Wie Rhodan wusste, hatte VATROX-VAMU schon einmal versucht, sich das PARALOX-ARSENAL zu schnappen. Damals hatte er sich ganz gehörig die geistigen Fühler verbrannt.

Hatte ihn diese Erfahrung vorsichtig werden lassen? Ängstlich?

Oder steckte etwas anderes dahinter?

Auf welche Art und Weise würde VATROX-VAMU das PARALOX-ARSENAL überhaupt nutzen? Obwohl sich das Geisteswesen neben VATROX-DAAG an 700 Millionen Vatrox gelabt hatte, verfügte es keineswegs über die Kapazität einer Superintelligenz. Wenn es für ES schwierig sein mochte, das riesige Reservoir aus Psi-Materie aufzunehmen und sich konstruktiv einzuverleiben, dürfte diese Aufgabe für VATROX-VAMU wahrscheinlich kaum zu bewältigen sein. Oder unterlag er einem grundlegenden Irrtum bei der Beurteilung der Situation?

Das PARALOX-ARSENAL schützte sich – wie VATROX-VAMU aus eigener schmerzlicher Erfahrung wusste – durch umfangreiche Sicherheitsvorrichtungen. Das Geisteswesen würde alles tun, um zu verhindern, dass sich das PARALOX-ARSENAL erneut seinem Zugriff entzog.

Ein kalter Schauer rieselte Rhodans Wirbelsäule hinunter.

Was, wenn es VATROX-VAMU nur darauf anlegte, dass jemand für ihn die Kohlen aus dem Feuer holte? Etwa ein williger und naiver Helfer einer angeschlagenen Superintelligenz?

Ein armer Narr aus der Welt der Körperlichen?

Ein armer Narr wie Rhodan?

Er fühlte, wie es ihm die Kehle zuschnürte.

Bisher hatte es nur den Anschein, dass VATROX-VAMU das PARALOX-ARSENAL – besser gesagt: dessen Inhalt – zu seinem eigenen Nutzen verzehren wollte. Aber stand ES nicht automatisch zwischen ihm und dem ARSENAL?

Würde es nicht so oder so auf einen direkten Zweikampf zwischen VATROX-VAMU und ES hinauslaufen?

Welche Rolle war ihm, Rhodan, in diesem Spiel zugedacht? Verfolgte ES einen Plan, den er zu diesem Zeitpunkt nicht begriff? Oder war es vielmehr so, dass die Superintelligenz auf der in Hyperkälte erstarrten Kunstwelt Wanderer schlicht gar keinen Plan mehr verfolgte?

Lief es nur darauf hinaus, wie schnell ES sich die Psi-Materie zuführen konnte?

Rhodan blickte auf die Stelle in der Holosphäre, an der das PARALOX-ARSENAL stand. Der mondgroße, grob kugelförmige Riesendiamant, der dank Myriaden von Facetten in allen Farben des Spektrums leuchtete und glomm, stellte ein Gefahrenpotenzial sondergleichen dar. Ultimative Zerstörung oder ultimative Rettung – dazwischen blieb nichts.

Vor dem PARALOX-ARSENAL schwebte die QUEEN OF ST. LOUIS, in der Piet Rawland auf neue Anweisungen wartete. Die Sektorknospe – immerhin mit einem Durchmesser von stattlichen 23 Kilometern – sah vor dem riesigen funkelnden Mond aus Psi-Materie vergleichsweise klein und harmlos aus.

Wie kannst du dir bloß so viel Psi-Materie zuführen wollen, alter Freund?, dachte Rhodan.

Unvermittelt drängten sich ES' Worte in seine Gedanken.

Du weißt, dass meine Mächtigkeitsballung nicht nur die Lokale Gruppe, sondern auch die Fernen Stätten umfasst. Ich bin nicht imstande, beide Bereiche zu halten. Sie sind extrem weit voneinander entfernt. Ich muss mich quasi aufteilen. Das droht mich zu zerreißen. Ich werde es eventuell nicht überleben. Und deshalb benötige ich deine Hilfe, Perry Rhodan. Ich brauche als Stärkung in absehbarer Zukunft Bewusstseinssubstanz – und zwar in großer Menge!

Die Superintelligenz hatte die Worte am 24. Januar bei Rhodans Besuch auf Wanderer geäußert – und sie hatten sich in sein Bewusstsein eingebrannt.

Was geschah mit der Superintelligenz, falls es sie »zerriss«?

»Du musst das ARSENAL unter allen Umständen finden. Und zwar schnell. Denn ohne dessen Hilfe bin ich nicht mehr lange überlebensfähig …«, hatte die Superintelligenz damals gesagt.

Perry Rhodan war sich nie sicher gewesen, wie viel ihm der Alte von Wanderer verschwiegen hatte.

Und was würde geschehen, wenn ES »gerettet« werden konnte? Würde ES den nächsten Schritt der Evolution gehen und sich sowie seine gesamte Mächtigkeitsballung in eine Materiequelle verwandeln? Wäre es unter diesem Gesichtspunkt nicht vielleicht sinnvoller für die Menschheit, wenn ES verlöre?

Nein. ES und die Menschheit waren miteinander verbunden, und Perry Rhodan weigerte sich zu glauben, dass der Unsterbliche von Wanderer ihnen je bewusst Schaden zufügen wollte. Welchen Sinn sollte es sonst haben, in Anthuresta einen Zweig der Menschheit angesiedelt zu haben? Was, wenn …

Nein.

Legte es die Superintelligenz vielleicht darauf an, zerrissen zu werden, um zumindest einen Teil der Menschheit zu retten? Nur einen Teil der Mächtigkeitsballung in den Umwandlungsprozess einzubeziehen?

Oder würde ES sich opfern, um den Schritt zur Materiequelle überhaupt nicht vollziehen zu müssen?

Aber wie passte das zu Ernst Ellerts Aussage, ES benötige Kraft für einen »nächsten Schritt«?

Rhodan drehte sich langsam um. Mondra Diamond sah ihn unverwandt an. Ein stummer Vorwurf stand in ihr aufregendes Gesicht geschrieben: Weshalb handelst du nicht?

Der Zellaktivatorträger ging zurück zu seinem Sessel und setzte sich.

Die letzten Gedankengänge ließen ihn nicht mehr los. Benötigte ES den Inhalt des PARALOX-ARSENALS, um sich zu retten oder um sich zu zerstören?

Hatte die Superintelligenz deshalb diese ganze Geheimniskrämerei veranstaltet? Wollte sie ihre Pläne bewusst verbergen – aber nicht vor Rhodan und der Menschheit, sondern vor viel mächtigeren Wesen, nämlich den Kosmokraten?

Sie sähen es nur allzu gerne, wenn sich ES in eine Materiequelle verwandeln würde.

Und genau dies galt es zu verhindern. Koste es, was es wolle.

*

Kitai Ishibashi, Tako Kakuta, Ralf Marten, André Noir, Wuriu Sengu und Tama Yokida:

Die Mutanten saßen eng aneinandergedrängt in einer Ecke des Forschungszentrums von TZA'HANATH. Sie rechneten damit, dass sie der Tod jeden Moment ereilte, wie es bei ihrem Freund und Weggefährten Son Okura geschehen war.

Der Frequenzseher hatte sich mit ihnen zusammengeschlossen, um die Flucht von Atlan und Gucky zu unterstützen.

Plötzlich hatte sich Okura zusammengekrümmt, etwas Unverständliches gemurmelt und war dann … gestorben.

Einfach verweht. Die sechs verbliebenen Mutanten hatten ihre gesamte Kraft und Routine aufbringen müssen, um im Angesicht des unumkehrbaren Endes nicht einfach die Konzentration zu verlieren und Atlan und Gucky ihrem Schicksal zu überlassen.

Gestorben. Verweht.

Sie hatten eine derart unwahrscheinlich lange Zeit als potenziell Unsterbliche gelebt. Im Jahr 2909 waren sie zwar in Folge der sogenannten Second-Genesis-Krise gestorben, ihre Bewusstseine hatten aber dank eines Parablocks im Hyperraum weiterexistiert. Später fanden sie dann im PEW-Block und im Asteroiden WABE 1000 eine neue Heimat und operierten sogar von PEW-haltigen Trägerrobotern und später von Personen aus, denen man eine PEW-haltige Substanz gespritzt hatte. Im Jahr 3587 waren sie dann in ES aufgegangen.

In terranischen Maßstäben hatte Son Okura 3105 Jahre in verschiedenen Zustands- und Bewusstseinsformen gelebt.

Nun war er endgültig gestorben, ohne ein letztes Wort.

Die sechs Männer, die so eng aneinandergedrängt dasaßen, gaben sich Mühe, diesen ständigen Gedanken an ihre Sterblichkeit zu verdrängen. Hartnäckig blieb er aber bei ihnen, wartete in dunklen Ecken und an unwegsamen Stellen, an denen sie ihre Gedankengänge vorbeiführten.

»Freunde«, sagte André Noir. »Konzentrieren wir uns auf unsere Aufgabe. Es muss sein.«

»Wuriu«, fragte Ralf Marten, der Teleoptiker. »Siehst du den Energieknoten, den wir aushebeln müssen?«

Der Späher schloss die Augen. »Ich bin mir nicht sicher«, gab er zur Antwort. »Ich kann mich kaum konzentrieren.«

Tako Kakuta lächelte tapfer. »Wir werden dir helfen, Wuriu.«

Tama Yokida, der Telekinet, machte sich bereit. Sobald Sengu den Energieknoten gefunden hatte, war es Yokidas Aufgabe, ihn zu manipulieren.

Die Mutanten rückten noch ein Stück näher aneinander.

*

Perry Rhodan:

Mit unbewegter Miene berichtete Mikru über starke Strukturerschütterungen, die in einer Entfernung von 150 Lichtjahren angemessen worden waren.

Der Schiffsavatar ließ eine zweite Holosphäre entstehen. In relativer Nähe zum Standort von VATROX-VAMU materialisierte ein Dutzend Kegelstumpfraumer, der bevorzugte Schiffstyp der Jaranoc.

Die Vorhut der Hilfstruppen VATROX-VAMUS war eingetroffen!

Im Sekundentakt kamen weitere Kontingente der triceratopsähnlichen Wesen an. Mikru blendete ein Zählwerk ein. Die Zahl vergrößerte sich in beängstigender Schnelligkeit. Die Hundert waren schnell überschritten, fünfhundert gleich darauf.

800.

1200.

2100 Kegelstumpfraumer.

Rhodan erhob sich. »VATROX-VAMU scheint seine Armee in diesem Sektor zusammenzuziehen«, sagte er, ohne den Blick von der Holosphäre zu nehmen. »Entweder hat er gewartet, dass sie sich in seiner Nähe sammeln, oder er versetzt seine Kampfverbände aus eigener Parakraft!«

Er blickte zu Mikru. »Stell mir sofort eine Verbindung mit Piet Rawland her!«

Gleich darauf erschien das wettergegerbte Gesicht des ehemaligen Revolverhelden in der großen Holosphäre. Er nickte nur, als Rhodan ihn bat, eine Polyport-Funkverbindung nach TALIN ANTHURESTA zu schalten.

Das Bild wechselte erneut und zeigte nun den Schattenmaahk Pral, der sich zusammen mit dem Halbspur-Changeur Akika Urismaki und dem Stalwart Agrester im Zentrumskörper des Handelssterns befand.

»VATROX-VAMU ist in unserer unmittelbaren Nachbarschaft materialisiert«, berichtete Rhodan. »Derzeit sammelt er seine Truppen – bisher sind fast zwölftausend Kegelstumpfraumer der Jaranoc eingetroffen; und die Zahl nimmt beständig zu!«

Es dauerte zwei Sekunden, bis Pral reagierte. Die dünnen, hornartigen Lippen klappten aufeinander, mit drei seiner vier Augen blinzelte er nervös. »Soll ich die beiden Silberkugeln anfunken und sie zurückkehren lassen?«

»Das ist nicht nötig«, gab Rhodan zurück. »Sie haben ihre eigene Mission. Lass sie aber wissen, dass VATROX-VAMU in der Nähe des PARALOX-ARSENALS aufgetaucht ist.«

Der Schattenmaahk machte Anstalten, sich zum Stalwart Agrester umzudrehen, doch dieser schnarrte bereits: »Die Informationen sind weitergeleitet.«

Rhodan nickte. »Pral, ich bitte um eine kurze Bestandsaufnahme der aktuellen Geschehnisse in TALIN ANTHURESTA.«

Der Schattenmaahk straffte sich. »ES scheint in größter Verzweiflung zu handeln. Die Superintelligenz stieg in Gestalt einer eindrucksvollen goldorangefarbenen Kugel zu zwei der Scheibenwelten und führte sich dort große Mengen Psi-Materie zu. Mitsamt den Zerstörungseffekten wurde ein Loch von hundertzwanzigtausend Kilometern Durchmesser in die Sphäre gerissen. Wenn ES nicht in seinem Tun innehält, wird TALIN ANTHURESTA innerhalb kürzester Zeit zerstört werden! Vor wenigen Minuten kam es dann zu einem neuen Effekt: Wanderer begann zu … zu blinken.«

»Zu blinken? Was soll ich mir darunter vorstellen?«

»In einem regelmäßigen Takt von fünf Sekunden wird Wanderer vom Bild einer Wasserwelt überlappt.« Der Schattenmaahk deutete kurz zum Halbspur-Changeur, der mit steinernem Gesicht im Hintergrund stand. »Akika Urismaki hat in dem fremden Planeten seinen Heimatplaneten Markanu wiedererkannt – mitsamt der Endlosen Stadt.«

Rhodan sog langsam Luft ein. »Kannst du mehr zu dem Vorgang des ›Überlappens‹ sagen?«

»Es sieht ganz danach aus, als würde Markanu durch den von ES eingeleiteten Zapfvorgang quasi mitgerissen und würde Wanderer über kurz oder lang vollständig ersetzen. Eigenartig ist nur …«

»Ja?« Rhodan zwang sich, ruhig zu atmen.

»Eigenartig ist nur, dass Talanis trotz der Wechsel zwischen Wanderer und Markanu ständig sichtbar bleibt.«

»Als würde Talanis auf beiden Welten existieren?«

»Genau das. Große Bereiche des Nebels lösen sich auf, Blitze und gewaltige Entladungen tauchen Talanis in unheilvolles Licht – aber das Bild verändert sich nicht, während die Insel einmal in Markanus und einmal in Wanderers Ozean treibt.«

In diesem Augenblick zuckte der Halbspur-Changeur zusammen und zeigte auf einen Punkt außerhalb des Erfassungsbereichs der Aufnahmeoptiken.

Pral drehte sich um, folgte dem ausgestreckten Arm Urismakis. »Über der Maschinenstadt entsteht ein goldenes Leuchten«, berichtete der Schattenmaahk. »Es verdichtet sich zu einer Lichtsäule, die bis zum Zenit von Wanderers Schutzschirm reicht.«

Pral blickte einige Sekunden wortlos in dieselbe Richtung, bevor er sich wieder der Aufnahmeoptik zuwandte und Rhodan direkt ansah. »Das Leuchten ist ebenfalls auf Markanu zu sehen. Und zwar genau dort, wo sich offenbar die Plattform mit dem Transferkamin befindet und wo ES' Zapfstrahl mündet!«

»Was ist mit Bettys und Eritreas Silberkugeln?«, fragte Rhodan.

»Sie halten einen Sicherheitsabstand von etwa zwanzigtausend Kilometern zu Talanis ein. Dafür …« Der Schattenmaahk unterbrach sich mehrere Sekunden lang, bevor er anfügte: »Soeben melden die Silberkugeln die Ankunft zweier Netzweber.«

Rhodan nickte langsam. »Weitere Informationen?«

»Wir erhielten vom Polyport-Hof DARASTO in Andro-Beta die Meldung, dass der diffuse Schleier, der den Planeten Gleam einhüllt, weder optisch noch per Hypertaster zu durchdringen ist.«

Pral blickte an der Aufnahmeoptik vorbei, als läse er die Meldung ab. »Schlieren zeugen von der stark beschleunigten Rotation von inzwischen fünf Umdrehungen pro Minute. Welche hyperphysikalischen Kräfte exakt wirksam werden, lässt sich nicht sagen – fest steht allerdings, dass die Polachse des Nebelbereichs nur rund viertausend Kilometer erreicht, während der Äquatordurchmesser auf annähernd dreißigtausend Kilometer angewachsen ist. Inwieweit diese Maße auch für Gleam selbst gelten, kann nicht festgestellt werden.«

Überall sind die Dinge in Bewegung, dachte Rhodan. Sie streben einem Ereignis entgegen …

»Die Silberkugeln sind im Nebeldom von Talanis verschwunden«, fuhr Pral fort. »Soweit wir dies von hier aus beobachten können, sind ihnen die beiden Netzweber gefolgt …«

Rhodan kniff die Augen zusammen. Er fühlte mehr, als dass er aus der fremden Mimik des Schattenmaahks herauslesen konnte, dass gleich noch eine Überraschung folgen würde.

»Ein Netzweber – Radyl, wie mir scheint – ist wieder da! In seinem Gefolge befinden sich die hundertfünfundzwanzig Perlkugelraumer der Elfahder und hundertfünfzig Stardust-Raumschiffe!«

In den kleinen Halbspur-Changeur Akika Urismaki kam neues Leben, er eilte zu einem Terminal. Gleich darauf flammte ein Holo auf, in dem das Abbild des Oberprotektors Bellyr erschien.

Rhodan wusste, welch wichtiger Moment dies für Bellyr und seine Artgenossen sein musste, die als Suchkommando jahrtausendelang den unterschiedlichsten Spuren gefolgt waren, um ihre Ahnen zu finden. In der Gestalt von Akika Urismaki hatten sie nun sozusagen einen Vor- und Nachfahren in einem vor sich.

»Perry Rhodan«, ergriff Pral erneut das Wort, »wie ich gerade erfahre, führen die terranischen und maahkschen Truppen, die im Distribut-Depot ESHDIM angekommen sind, drei Krathvira mit sich! Falls du die Vamu-Kerker gegen VATROX-VAMU zum Einsatz bringen möchtest, könnten sie via Transferkamin in genau sechzehn Minuten zu dir gebracht werden!«

»Gut mitgedacht, Pral!«, sagte Rhodan anerkennend. »Bitte veranlasse sofort den Transport! Die Krathvira werden uns tatsächlich sehr gelegen kommen – falls sie rechtzeitig eintreffen!«

»Verstanden, Perry Rhodan. Es wird alles so geschehen.«

»Sehr gut. Ich werde beizeiten zwei Silberkugeln entsenden, um die Vamu-Kerker abholen zu lassen.«

Der Schattenmaahk vollführte mit einem seiner Tentakelarme eine kreisende Bewegung. Pral hatte ihn verstanden.

Unwillkürlich blickte Rhodan auf die Zeitanzeige. Mittlerweile war es 18.15 Uhr nach Stardust-Standard-Zeit. Falls die Überführung der Vamu-Kerker tatsächlich verzögerungsfrei stattfinden sollte, würden sie kurz nach halb sieben eintreffen.

Die Frage war nur, ob VATROX-VAMU ihnen so viel Zeit zugestehen würde. Rhodans Blick wechselte zum Zählwerk in der taktischen Holosphäre. Mittlerweile waren über 35.000 Jaranoc-Kampfraumer eingetroffen, und die Zahl stieg weiterhin in rasender Schnelligkeit an.

Rhodan hoffte, dass VATROX-VAMU mit seiner Offensive so lange wartete, bis seine Armee komplett materialisiert war und sich zum Angriff geordnet hatte.

Zum aktuellen Zeitpunkt ließ sich eine offene Raumschlacht gegen die Jaranoc – unterstützt durch das gewaltige geistige Potenzial von VATROX-VAMU – nur schwerlich gewinnen. Selbst wenn die JULES VERNE, die den Handelsstern umkreisenden 6000 Einheiten, ihre Silberkugeln und die Sektorknospe gemeinsam agierten, konnten sie sich nicht lange halten. Da würde sich die Waagschale trotz der soeben hinzugekommenen Elfahderraumern und Stardust-Einheiten nicht zu ihren Gunsten neigen.

Rhodan fühlte einen sanften Druck auf seiner linken Schulter. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Mondra an seine Seite getreten war.

»Worauf wartest du, Perry?«, fragte sie.

Rhodan drehte sich halb zu seiner Partnerin, ergriff ihre Hand. Sie fühlte sich kühl an.

»Vertrau mir, Mondra«, sagte er nur.

In seiner rechten Hand fühlte er den warmen Ur-Controller der Anthurianer.

Perry Rhodan 2598: Tod einer Superintelligenz

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