Читать книгу Robins Garten - Marc Späni - Страница 5
ОглавлениеProlog
In der traditionellen chinesischen Gartenkunst ist die ideale Grundstücksform ein Quadrat. Wird dieses gleichmässig in drei mal drei Abschnitte geteilt, ergibt sich ein sogenanntes Ba Gua-Raster. Der Bereich im Zentrum, das Iching oder Tai Chi, symbolisiert die Mitte der Erde beziehungsweise das Zentrum der Lebenskraft des Gartens, den acht äusseren Bereichen werden verschiedene Aspekte des Lebens zugeordnet: Zhen (Familie, auch Gesundheit und das Verhältnis zu Vorgesetzten), Dui (Kinder und Kreativität), Li (Ruhm und Ansehen), Gen (Wissen, Intuition), Xun (Reichtum und Besitz), Kan (Karriere), Kun (Partnerschaft, Liebe und Ehe), und Qian (hilfreiche Freunde und Reisen). Feng Shui, die Lehre von der Gestaltung von Wohnräumen und Gärten, kennt zahlreiche Accessoires wie Statuen, Brunnen, Pflanzen, Bilder und Symbole, mit denen die Funktion des entsprechenden Abschnittes positiv beeinflusst werden kann.
Seit sich Robin Fahrni, Landwirt, Hobbygärtner und Leiter einer spirituellen Interessengemeinschaft, hinter seinem Bauernhaus einen grossräumigen Feng Shui-Garten angelegt hatte, beschäftigte ihn die Frage, wie es um diese Relation zwischen den neun Bereichen des Gartens und den Aspekten des Lebens bestellt sei. War es so, dass man, indem man sich um einen bestimmten Abschnitt seines Gartens kümmerte, unbewusst diesem Aspekt auch im richtigen Leben mehr Bedeutung zumass? Oder verbarg sich dahinter doch ein ursprünglicheres Prinzip, das seine Wirkung auch dann tat, wenn man die dahinterstehende Lehre nicht kannte?
Nachdem ihn weder das Studium der Arbeiten von Meister Yap Cheng Hai noch die Pflege des eigenen Gartens einer Antwort näher gebracht hatte, begann Robin Fahrni langsam den Verdacht zu hegen, seine Frage könnte der verräterische Ausdruck einer tiefen Verwurzelung im westlichen Rationalismus sein, den er zeitlebens mit aller Kraft zu überwinden versucht hatte. Ein wahrer Feng-Shui-Meister würde wahrscheinlich nachsichtig lächeln und ihn mit einer dieser Zen-Paradoxien abspeisen: «Erst ist ein Berg ein Berg, dann ist der Berg kein Berg, dann ist der Berg wieder nur ein Berg.» Ja, ja, mit solchen Sprüchen konnte man natürlich auch bei völliger Ahnungslosigkeit sehr, sehr weise erscheinen!