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Schicksalsspiele

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Einleitung


Das Böse, die Manifestation aller negativen Gefühle, umkreist dich, so nah, dass du seinen heißen Atem spürst. So nah, dass das Dunkel einfach nach dir greifen und dich mit sich in den Abgrund ziehen kann. Du schreist die Angst aus dir heraus, doch kein Ton kommt über deine Lippen. Du willst die Hände abwehrend über dem Kopf zusammenschlagen, doch dein ganzer Körper ist wie gelähmt, ein Gefängnis, das deine Seele einschließt. Raum und Zeit, Zukunft, Vergangenheit, Erinnerungen. All das ist bedeutungslos geworden. Nur der Schrecken ist real. Doch dann entdeckst du ein Schlupfloch, eine kleine undichte Stelle zwischen den wirren Konstrukten deines Verstandes, eine Chance, endlich aufzuwachen, um dem Grauen zu entfliehen. Du siehst das Licht, rennst darauf zu, lässt die schwere Finsternis hinter dir und öffnest die Augen...


Nachdem er nur knapp dem Tod entrinnen konnte, aber das Drachenbündnis besiegelt und den Frieden in Eskandria hergestellt hatte, hofft Marcel auf ein ruhiges Leben mit seiner Gefährtin Tamina auf ihrem kleinen Anwesen in Smorland. Doch das Schicksal hat etwas Anderes mit ihm vor – nachdem Marcel, Tamina und Rodge mit ihren neuen Begleitern Koni und Dogo ein geheimnisvolles Rätsel in Galluria gelöst haben, erscheint Marcel ein sonderbarer Wandersmann. Er spielt gerne gefährliche Spiele – und Marcel ist seine Spielfigur! Selbsterfüllende Prophezeiungen, ein silbernes Horn, Wiedergänger und der drohende Verlust über die eigene Menschlichkeit und das Verwandeln in eine totbringende Bestie bieten die Prüfungen des Wanderers. Wird es dem Drachenprinzen auch dieses Mal gelingen die Schicksalsspiele zu gewinnen und Eskandria erneut von dem Untergang bewahren?



Kapitel 1 – Der Fluch des Schlosses


Es war einmal ein mächtiger König, dessen Bestreben über alle Maßen darin bestand, seine Güter und Besitztümer zu vermehren. Bald schon war seine Schatzkammer bis obenhin gefüllt. Mit Gold, Schmuck und wertvollen Steinen. Doch mit des Königs Vermögen wuchs auch die nagende Furcht, er könnte all dies eines Tages wieder verlieren, Opfer gemeiner Diebe werden. Also befahl er seinem obersten Magier, einen Zauber zu wirken, der das Gold für alle Zeit vor dem Rest der Welt beschützen sollte. Der Magier beschwor daraufhin einen mächtigen Drachen, Dragorak, der fortan verflucht war, die Schatzkammer zu bewachen. Doch das Leuchten des Goldes und das Glitzern all der Edelsteine vermochte die Finsternis in des Königs Herzen nicht vertreiben. Er misstraute allen Menschen, die ihn umgaben, sah in jedem einen Schurken, der es auf sein Allerheiligstes abgesehen hatte. Selbst dem Magier - dem einzigen, der den Bann des Drachen hätte aufheben können - unterstellte er bald die bösesten Absichten und steigerte sich schließlich so in seinen Wahn, dass er ihn ermordete. Der König wähnte sich glücklich, jetzt, da es niemanden mehr gab, der ihm hätte seines Schatzes berauben können. Leider ist das ganze Gold der Welt nur Staub in den Händen eines Mannes, dessen letzte Stunde schlägt. Der König starb - unendlich reich, aber einsam und verlassen. Zurück blieben Gerüchte, die sich um den größten Schatz rankten, den ein Mensch sich nur vorstellen konnte. Viele mutige Männer hatten seitdem versucht, die Kammer tief in den Eingeweiden des Schlosses zu finden, doch bezahlten sie alle ihre Tollkühnheit mit dem Leben. So kam es, dass das Königreich unterging und in Vergessenheit geriet. Dragorak, der Drache, fiel in einen tiefen Schlaf, der solange fortwähren sollte, wie das Siegel zur Kammer, die er bewachen musste, unversehrt blieb. Was jedoch die Jahrhunderte überdauerte, war die Legende von einem unermesslichen Schatz und die Warnung, jenen für alle Zeit an seiner verfluchten Lagerstätte ruhen zu lassen. Aber die Gier der Menschen ist stärker als ihre Furcht - und so geschah, was niemals hätte geschehen dürfen:

Räuber drangen in das Schloss ein, ignorierten alle Mahnrufe, umzukehren; und fanden sich schließlich vor dem Eingang der Schatzkammer. Sie brachen das Siegel - und erweckten die Bestie...


„Habt ihr nicht auch das Gefühl, dass etwas nicht stimmt?“ Einer der fünf Männer blickte sich ängstlich und verstohlen um. „Wir dürften nicht hier sein. Ich habe euch doch eindringlich vor dem Fluch gewarnt.“

„Fluch! Pah! Welch ein Unsinn, Heydahl.“ Der Anführer der Räuberbande baute sich vor seinem Komplizen auf. „Reine Legenden und Märchen nenne ich so etwas. Märchen, um dumme Jünglinge wie dich vor dem größten Schatz des Reiches fernzuhalten.“

„Aber“, flüsterte Heydahl, „alle Menschen denen wir begegneten versuchten uns umzustimmen. Warum sollten sie sich irren?“

„Weil es naive Bauerntrottel sind“, grummelte der Anführer. „Aber gut, dann geh doch nach Hause und verkriech in deinem Nest, wie ein ängstlicher Takk. Hat auch für uns seine Vorteile, dann müssen wir schon nur noch durch vier, anstatt durch fünf teilen.“

Heydahl schwieg und blickte sich weiterhin um, während der Anführer mit dem Rest der Gruppe an die versiegelte Tür der Schatzkammer trat.

„Hier muss sein“, meinte er stolz. „Hinter dieser Tür muss er sich befinden.“

„Da könntest du Recht haben, Vater“, jubilierte ein anderer Mann des Quintetts. „Während vieles in diesem Gemäuer schon zu längst zu Staub verfallen ist, ist dieses Siegel vollkommen unversehrt. Wie durch Zauberei.“

„Richtig Kevdi, mein Sohn. Dann lass uns mal das Siegel öffnen.“ Mit einem mächtigen Hieb seines Schwertes zerschlug der Anführer das Siegel und öffnete die Tür. Der Inhalt der Kammer und dessen Glanz blendeten die Männer und beinahe ehrfürchtig betraten sie den Raum.

„Irgendwas stimmt hier nicht“, stammelte Heydahl. „Das ist der Fluch. Er wird uns treffen.“

„Halt die Schnauze!“ Der Anführer war drauf und dran Heydahl eine Ohrfeige zu verpassen. „Sieh dir das an. Von jeder einzelnen Münze in dieser Kammer könnte man sich ein halbes Königreich kaufen. Endlich raus aus unserem Bauernkaff.“

„Dann wären wir die reichsten Männer“, stimmte Kevdi ein. „Wir könnten uns Fürsten nennen. Die reichsten Fürsten Eskandrias. Die Frauen würden Schlange stehen.“

„Das ist eine gute Einstellung, Sohn. Mach dir die Taschen voll und nimm dir, so viel du tragen kannst.“

Der junge Mann war gerade dabei sich seinen Beutel mit Goldmünzen zu füllen, als aus der Ferne ein Rauschen und Brüllen zu hören war. Dragorak war, wie es der Zauber ihm befahl, in der Schatzkammer erschienen und nahm das Quintett ins Visier. Kevdi ließ seinen Beutel langsam sinken, doch es war zu spät – ein Feuerschwall kam aus dem Rachen des Untieres und ließ dem Räuber keine Chance. Die Hitze des Drachenfeuers schmolz den jungen Mann förmlich in die Marmorfließen der Schatzkammer.

Der Anführer schrie vor Trauer und Schmerz auf, als er bemerkte, dass sein Sohn getötet wurde. Der Drache vollführte seinen Zauberbann weiter. Heydahl war der nächste Schatzdieb, den er verbrannte.

„Lauf“, flüsterte der Anführer seinem Begleiter zu und sie eilten los. Dragorak bemerkte sie nicht. Ein weiterer Räuber, der seinen beiden Komplizen nicht folgen konnte, rannte zu spät los, ehe ihn die Feuerbrunst des Drachens in den Boden schmolz. Der Fluch Dragoraks war geweckt.


„Nimm das!“ Ein wuchtiger Schwertschlag prallte auf die gerüstete Frau, die den Schlag mit Mühe parierte. „Und das!“ Der nächste Schlag und die nächste Parade.

„Und so einer behauptet, er hätte Shandra, die Jägerin besiegt“, höhnte die Frau und setzte den Konter, den der junge Mann abwehren konnte.

„Shandra konnte ich durch eine List töten. Jedoch war ich es der die Drachen geeint hat und Goor in die ewigen Jagdgründe geschickt hat.“

„Und jetzt ist aus dem Drachenprinzen ein Sekretär des Königs Kanzlers geworden“, spöttelte die junge Frau.

„Nun ja. Eine lebenslange Leibrente als Drachenprinz war der königlichen Schatzkammer wohl doch zu viel“, entgegnete Marcel.

„Dafür hast du eine im wahrsten Sinne des Wortes bezaubernde Frau an deiner Seite, die nun die Waffen vor diesem tollkühnen Schreibtischrecken streckt.“ Die Frau ließ ihr Schwert und Schild sinken und trat auf Marcel zu.

„Das stimmt, Tam“, erwiderte Marcel. „Ich hätte echt mal wieder Lust unsere Freunde zu treffen.“

„Was hältst du davon, wenn du morgen Abend Balon und Rodge zum Essen bei uns einlädst und ich uns was Leckeres koche. Zurzeit ist es eh sehr ruhig an der Akademie und als Dozentin kann ich mir meine Dienste gut selbst einteilen.“

„Es ist echt toll, dass König Edrapos euch erlaubt hat Folriks Magierschule neu zu eröffnen.“

„Ja. Rackturan ist ein toller Schulleiter und Lehrmeister. Vielleicht nicht so gut, wie Tumar in Tyrrell, aber ein ganz anderer Mensch, wie Folrik es war“, berichtete Tamina stolz.

„Ihn würde ich gerne mal kennenlernen“, seufzte Marcel.

„Irgendwann wird das bestimmt mal klappen“, flüsterte Tamina. „Was hältst du davon, wenn wir ins Haus gehen?“

„Ins Haus?“

„Na ja, die Sonne geht unter und wir müssen Morgen wieder früh raus“, entgegnete Tamina grinsend. „Und ich könnte noch ein wenig Nachhilfe im Nahkampf gebrauchen.“

Zärtlich küsste Tamina Marcel auf die Stirn, während er sie umarmte und ihren Kuss erwiderte. „Einverstanden, holde Maid. Aber zuerst bereite ich dir dein Leibgericht aus meiner Welt zu.“

„Kordel blö? Korden blöd?“ Leicht hilflos blickte Tamina mich an. „Es ist ein Gericht der Götter, aber schwieriger auszusprechen als sämtliche Dämonen der Unterwelt.“

„Cordon bleu“, erwiderte ich lachend. „Keine Ahnung, warum wir nicht auf die Idee gekommen sind dem Gericht einen leicht auszusprechenden Namen zu geben.“

„Gegrilltes Schwein mit Schinken und Käse gefüllt?“, schlug Tamina grinsend vor. „Das andere klingt einfach nur blöd.“

„Also zwei Portionen gegrilltes Schwein gefüllt mit Schinken und Käse.“ Ich küsste sie auf die Lippen. „Kommt sofort. Machst du uns einen leckeren Wein dazu auf?“

„Natürlich mein Küchenmeister.“


Am nächsten Tag hatte ich Balon und Rodge eine Zusage abgerungen, uns zum Essen zu besuchen. Die beiden waren auch der Meinung, dass es mal wieder an der Zeit war, sich zu treffen. Gemeinsam mit Tamina stand ich in der Küche und bereitete die drei Gänge zu. Als Vorspeise hatten wir eine leckere Fleischsuppe vorbereitet. Zum Hauptgang bereiteten wir Lammkoteletts mit grünen Bohnen und Ofenkartoffeln zu und als Nachtisch gab es Arme Ritter mit Zucker und Zimt. Alle Rezepte stammten aus dem Kochbuch, das ich aus meiner Welt mitgebracht hatte. Zunächst war Tamina leicht verwirrt, doch die ehemalige Zauberschülerin fand im Laufe der Zeit Gefallen daran ihre Welt mit der meinen zu vermischen. Den großen Tisch hatten wir einigermaßen festlich eingedeckt und kaum hatten wir uns frischgemacht, sahen wir unsere Freunde schon die Auffahrt hinauflaufen.

„Ich öffne schon mal unseren Gästen die Tür“, rief ich Tamina zu.

„Alles klar, dann schenke ich schon mal den Wein ein“, antwortete sie.

Kaum hatte es an der Tür geklopft, öffnete ich unseren Freunden die Tür.

„Balon. Rodge“, begrüßte ich meine beiden Gefährten aus unserem letzten Abenteuer höflich. „Schön, dass ihr euer Kommen einrichten konntet.“

„Es ist schon so lange her, dass wir einen netten Abend verbringen konnten in unserer trauten und fröhlichen Runde“, erwiderte Balon. „Schön euch wiederzusehen. Wie geht es euch beiden?“

„Wirklich gut“, antwortete ich, lächelnd und schob Balon in den Salon unseres Hauses, während mich Rodge umarmte.

„Wie geht es dir?“, fragte ich den Adjutanten des Hauptmanns.

„Danke, es geht mir echt gut, seit der Erneuerung des Drachenbündnisses und dem neuen Frieden“, antwortete er, doch ich ahnte, dass das nur die halbe Wahrheit war. Während unseres Abenteuers wurde seine Freundin Sarisse von einer Kopfgeldjägerin durch einen Giftanschlag ermordet. Auch wenn Rodge nie darüber redete, so war ich mir sicher, dass ihn die Sache noch sehr beschäftigte. Sarisse hatte aus dem bärbeißigen Soldaten die weiche Seite hervorgebracht.

„Habt ihr beide denn schon Pläne für eure gemeinsame Zukunft?“, versuchte Balon das Thema zu wechseln.

Tamina und ich wechselten mulmige Blicke. „Was meinst du?“

„Ich sehe bei niemandem von euch einen Verlobungsring am Finger“, antwortete Balon lächelnd.

„Das hat noch ein wenig Zeit“, beschwichtigte ich. „Als Sekretär sehe ich ja, wie viel ihr Krieger verdient und was ich erhalte. Und Tamina sollte schon eine ihr angemessene Hochzeit erhalten.“

An meiner Seite errötete Tamina und sie entschuldigte sich, dass sie nach dem Essen schauen müsste.

„Ihr seid so ein süßes Paar“, flüsterte mir Balon zu, als wir uns an den Tisch setzten. „Ich glaube Tamina ist es nicht wichtig, ob die Hochzeit irgendwelchen Pomp und Gloria bereithält. Deine Treue ist ihr das Wichtigste.“

Ich nickte zustimmend, als Tamina den ersten Gang servierte. In tiefen Holzschalen dampfte die Fleischsuppe. Etwas zögernd probierten die beiden Soldaten und mit jedem Löffel veränderten sich ihre Mienen.

„Das ist echt gut. Besonders mit dem vielen Fleisch“, stellte Rodge lobend fest. „Was ist das für ein Rezept?“

Tamina deutete auf mich. „Es ist ein Rezept aus der Welt unseres Drachenprinzen.“

„Kompliment“, lobte Balon und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. „In Sachen Essen ist deine Welt der Unseren mindestens ebenbürtig. Ich bin schon auf die weiteren Gänge gespannt.“

Der Rest des Abendessens verlief unterhaltsam und feucht fröhlich. Schuld daran war auch ein wenig das Fass Sakour-Bier, das Rodge als Gastgeschenk mitgebracht hatte.


Im Schatten einer Baumreihe beobachtete der Mann in dem schwarzgrünen Mantel und dem schwarzen Spitzhut die Gesellschaft durch das Fenster und lauschte den Wortfetzen, die durch das offene Fenster an sein Ohr drangen. Wie unvorsichtig sie doch waren. Doch wer konnte in Zeiten, wie diesen an Feindseligkeiten denken? Es war einfach zu wenig passiert. Er lauschte den Unterhaltungen, strich sich ab und an durch den akkurat geschnittenen Vollbart. Sein Plan hatte gerade erst begonnen. Er verschmolz mit der Dunkelheit der Nacht und verschwand genauso lautlos, wie er gekommen war.


„Und was gibt es bei euch so Neues?“, fragte ich Balon und Rodge.

„Ich breche Morgen für zwei Wochen in die benachbarte Provinz nach Basrafort auf, um die dortigen Truppen auszubilden“, berichtete Balon.

„Das ist der Vorteil, wenn man einfacher Soldat ist und nicht Hauptmann der königlichen Truppen ist“, entgegnete Rodge und streckte sich genüsslich. „Ich werde meinen mühsam angesparten Truppenurlaub nutzen, um meine Wohnung herzurichten.“

„Vielleicht können wir dir ein wenig zur Hand gehen“, bot ich dem Adjutanten unsere Hilfe an.

„Danke, das hört sich gut“, an meinte Rodge freundlich.

Tamina und ich boten später unseren Freunden an, doch bei uns zu übernachten, doch die beiden lehnten dankbar ab. Den kurzen Weg zu ihren Häusern würden sie auch alleine schaffen.


Die Chroniken von Eskandria

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