Читать книгу Fußball durch Fußball - Marco Henseling - Страница 6

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Einleitung

1 Wer kennt es nicht: Man will einen schlichten Pass spielen, erreicht aber das Ziel nicht, weil man einfach zu erschöpft ist. Man sieht einen Mitspieler im freien Raum, hat aber nicht die technischen Fähigkeiten, den Pass dorthin zu spielen. Oder aber man hätte die technisch notwendigen Anlagen, übersieht jedoch den freien Mann.

Anhand dieser einfachen Beispiele lässt sich erahnen, welch komplexe Anforderungen an einen Fußballer gestellt werden. Er muss in unterschiedlichen Intensitäten laufen und seine Kräfte regelmäßig über 90 Minuten abrufen können. Er muss in jeder Situation den Überblick behalten, Entscheidungen treffen und nebenbei noch den Ball verarbeiten. Wer auch nur einen dieser Aspekte nicht meistert, wird Probleme haben, die anderen zur Entfaltung zu bringen. Denn wer den Ball nicht kontrollieren kann, wird seine Entscheidung – und sei sie auch noch so gut – nicht umsetzen können. Wer schlechte Entscheidungen trifft, wird auch mit starker Technik nicht weit kommen. Und wer seine Mitspieler nicht sieht, wird erst gar keine Entscheidung treffen können.

Dementsprechend umfangreichen Herausforderungen sehen sich Trainer gegenüber, wenn sie die Spieler sowohl als Individuum als auch als Teil der Mannschaft weiterentwickeln möchten, damit schließlich die Mannschaft insgesamt eine positive Entwicklung nimmt. Dabei darf sich der Trainer nicht bloß auf ein Element des Fußballs, wie Technik oder Taktik, konzentrieren. Da alle Aspekte im Spiel in irgendeiner Weise zusammenhängen, muss entsprechend ganzheitlich trainiert werden.

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Dieses Buch will eine Hilfestellung für Trainer aller Alters- und Spielklassen sein.

Anders als bei herkömmlichen Trainingsbüchern sollen nicht bloß Übungen aneinandergereiht werden. Das Aufzeigen von Übungen ohne eine grundlegende Methodik ist nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam. Auf die komplexen und dynamischen Prozesse, die eine Mannschaft – aus welchen Gründen auch immer – stetig durchlebt, können sie jedoch nicht eingehen.

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Im Laufe des Lebens, einer Saison oder auch nur einer Woche ändern sich die Voraussetzungen und Anforderungen von Sportlern: Man lernt, vergisst, erschöpft, erholt, sammelt Erfahrungen; sogar die Persönlichkeit ändert sich. All dies wirkt sich ebenso auf die Mannschaft als Ganzes aus. Auf diese fortwährenden Änderungen muss entsprechend reagiert und sich methodisch angepasst werden.

Dieses Buch soll ein Fundament für Methoden liefern, die es erlauben, je nach Leistungsniveau, Reifegrad, körperlicher Verfassung und sogar Persönlichkeit ein effektives Training zu kreieren. Im Rahmen dieses Buches werden darum neuropsychologische, sport- und trainingswissenschaftliche Erkenntnisse, Ansätze aus der Praxis im Hochleistungssport sowie Eigenkonzeptionen geprüft, auf ihren Kern reduziert und aufeinander abgestimmt. Daraus entsteht ein enges Geflecht sich gegenseitig beeinflussender Trainings- und Übungsansätze, die eine ganzheitliche Ausbildung fördern sollen.

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Ebenso werden die einzelnen Anforderungen an Technik, Taktik, Physis und Psyche behandelt. Es wird aufgezeigt, wie die einzelnen Aspekte in Verbindung stehen, sich gegenseitig beeinflussen und letztlich im Spiel zur Anwendung kommen. Aus der Verbindung zwischen den Anforderungen und den vorgestellten Methoden werden Übungsformen abgeleitet, mittels derer ganzheitlich und leistungsadäquat trainiert werden kann. So können letztlich mehr Inhalte innerhalb einer Trainingseinheit vermittelt werden, sodass mehr Zeit für Regeneration bleibt, um so unter Berücksichtigung der Verletzungsanfälligkeit die Belastung der Spieler zu reduzieren.

Zur Arbeit mit diesem Buch

Um den Ansprüchen eines solch komplexen Sports und seiner Vermittlung gerecht zu werden, ist es unerlässlich, Definitionen zu formulieren und Verbindungen zwischen den einzelnen Themenbereichen herzustellen.

Für Querverweise werden über das gesamte Buch fortlaufende Randnummern (Rn.) verwendet. Diese sind jeweils fett am linken Rand einzelner respektive inhaltlich zusammenhängender Absätze angeführt. Wird im Text also auf eine Randnummer verwiesen, finden sich bei der entsprechenden Textstelle weiterführende Inhalte. Randnummern erlauben exakte Querverweise innerhalb des Buches und tragen so zu einem leichteren Lesen und Verstehen bei.

Zum Weiterlesen und Vertiefen sind für Besitzer von Smartphones und Tablets an passenden Stellen QR-Codes im Buch platziert. Sie verlinken direkt auf entsprechende Beiträge auf Spielverlagerung.de. Über den Titel der Beiträge lassen sie sich ebenso mit Hilfe der einschlägigen Suchmaschinen im Internet finden.

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Für ein verständliches und flüssiges Lesen ist es ferner unabdingbar, dass gewisse Grundbegriffe eine einheitliche Definition erhalten. Während die im Laufe des Buches auftauchenden Fachausdrücke sogleich erläutert und in einem Glossar nochmals aufgelistet werden, erfolgt hier vorab eine Beschreibung der Termini „Taktik“, „Strategie“, „Defensive“ und „Offensive“. Die hier gewählten Definitionen haben keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit. Weder im Fußball selbst noch in den Sportwissenschaften gibt es einheitliche Definitionen zu den einzelnen hier vorgestellten Begriffen. Die vorliegend genutzten Begriffsauslegungen werden jedoch für dieses Buch als verbindlich angesehen.

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Bei der Taktik handelt es sich um alle organisierten Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, die Spielziele situationsorientiert zu erreichen.1 Die Situationsorientierung bezieht sich auf die durch den Gegner beeinflussten Umstände von Raum- und Zeitdruck während des Spiels. Die taktische Fähigkeit ist die Qualität, in der jeweiligen Situation die richtige Handlung vorzunehmen beziehungsweise eine angemessene Entscheidung zu treffen.2 Man unterscheidet bei der Taktik – die fälschlicherweise oft mit der Defensive gleichgesetzt wird – zwischen Individual-, Gruppen- und Mannschaftstaktik.

Die Individualtaktik beschreibt die Maßnahmen, die ein einzelner Spieler für bestimmte Handlungen in Offensive und Defensive zur Verfügung hat und auswählt (etwa Dribbling, Finten, Zweikampfverhalten). Bei der Individualtaktik geht es quasi um die spezielle Anwendung technischtaktischer Aktionen des einzelnen Spielers und die dabei – beispielsweise im Zweikampf – erzeugten Wechselwirkungen mit dem Gegner.

Bei der Gruppentaktik handelt es sich um Maßnahmen, bei denen das Handlungsfeld durch andere Spieler erweitert wird (wie Passspiel, Raumverengung, Doppeln). Die Mitspieler treten in eine Wechselbeziehung und agieren gemeinsam.

In der Mannschaftstaktik werden die Maßnahmen aller Spieler und Gruppen aufeinander abgestimmt (etwa Verschieben im Block, Positionsspiel). Hierbei geht es um die kollektive Spielumsetzung und von allen Spielern grundsätzlich angewendeten Aspekte sowie die Wirkung auf das gesamte gegnerische Team.

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Die Strategie ist die grundsätzliche (langfristige) Orientierung der Mannschaft, die ohne Berücksichtigung des speziellen Gegnerverhaltens vorgegeben wird. Bei der Strategie geht es vor allem darum, grundsätzlich festzulegen, welche Gewichtung besondere Pressingvarianten (Pressingintensität / -höhe), bestimmte Räume, Stile des Spielaufbaus und Deckungsarten (Mann- oder Raumorientierungen) erhalten. Anstelle von Strategie können auch die Begriffe (Spiel-)Stil, Ausrichtung oder Plan verwendet werden. Manchmal ist auch von „Philosophie“ die Rede, obgleich in diesem Wort eher eine idealisierte Wertung strategischer und taktischer Möglichkeiten liegt.

Strategie und Taktik stehen in einem engen Verhältnis. Einzelne Positionsänderungen, die Besetzung spielrelevanter Räume, die Wahl bestimmter Passwege oder die Ausführung eines Dribblings sind allesamt (taktische) Maßnahmen, die situativ dafür sorgen sollen, die zuvor festgelegte Strategie umzusetzen. Umgekehrt gibt die Strategie vor, wie in bestimmten Situationen taktisch agiert werden sollte (Rn. 37f.). Während also die Strategie eine Art Katalog möglicher Entscheidungen für die einzelnen Spielmomente vorgibt, beschreibt die Taktik die Auswahl der letztendlichen Entscheidung für die jeweilige Situation.

„Der Taktiker muss wissen, was er zu tun hat, wenn es etwas zu tun gibt; der Stratege muss wissen, was er zu tun hat, wenn es nichts zu tun gibt.“ – Savielly Tartakower (1887-1956), Schachgroßmeister

10 Entgegen der sonst oft oberflächlichen und ungenauen Verwendung der Begriffe „Offensive“ und „Defensive“ werden hier klare Definitionen genutzt. Die Offensive ist der Moment des eigenen Ballbesitzes; die Defensive der Moment des gegnerischen Ballbesitzes. Diese beiden Termini beschreiben also keine Positionen oder Orte auf dem Feld, sondern geben nur Auskunft darüber, welche Mannschaft im Besitz des Balles ist. Andernfalls käme es unweigerlich zu Missverständnissen: Ist ein offensiver Mittelfeldspieler von Abwehraufgaben befreit? Gibt es offensive Räume, wenn der Gegner den Ball hat? Kann ein „Sechser“ mit den meisten Ballkontakten innerhalb seines Teams ein defensiver Mittelfeldspieler sein?

Wenn im Folgenden also von offensiven Spielern (Angreifern) die Rede ist, sind damit all diejenigen Akteure gemeint, deren Mannschaft gerade im Besitz des Balles ist. Dementsprechend befinden sich die defensiven Spieler (Verteidiger) bei derjenigen Mannschaft, die nicht in Ballbesitz ist. Im Falle von Räumen und Positionen werden statt „offensiv“ / „defensiv“ die Worte „vorne“ / „hinten“ respektive „hoch“ / „tief“ verwendet.

Geschlecht

11 Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind wegen des Körperbaus nicht unerheblich. So haben Frauen eine zwei- bis achtmal höhere Verletzungsrate als Männer, die den gleichen Sport betreiben. Weibliche Fußballer erleiden etwa 2,8-mal häufiger einen Kreuzbandriss als männliche. Obwohl bisher keine gesicherten Feststellungen über die Ursachen dieser Ungleichverteilung an Verletzungen vorliegen, werden neben Hormonen auch anatomische Unterschiede diskutiert.

In den Wissenschaften dominiert die Betrachtung männlicher Athleten, sodass hinsichtlich weiblicher Sportler nur wenige gesicherte Erkenntnisse vorliegen. Dies bezieht sich insbesondere auf die konditionellen Aspekte. Zumindest im Hinblick auf technisch-taktische Aspekte können jedoch die gleichen Schwerpunkte gesetzt werden. Im Sinne eines flüssigen Lesens wird im Folgenden nur die männliche Schreibweise genutzt.

Zum Schluss möchten wir noch denjenigen danken, die uns bei der Erstellung dieses Buches mit Rat und Tat unterstützt haben. Verpflichtet fühlen wir uns insbesondere unseren Interviewpartnern Tobias Langner und Stefan Sevecke, Martí Perarnau, Roger Schmidt und Robert Matosevic. Unser Dank gebührt aber ebenso den Kollegen von Spielverlagerung.de, insbesondere Martin Rafelt.

Anmerkungen:

1Bisanz / Gerisch 2008, S. 377.

2Lopes 2011, S. 66.

Abbildungslegende:


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