Читать книгу Stalking - Margarithe W. Mann - Страница 4
Wie alles begann
ОглавлениеSeit meiner Kindheit wohne ich in einem kleinen Städtchen Sachsens, in der Nähe von Dresden. Hier bin ich zur Schule gegangen, habe später meinen Beruf erlernt und bin Gartenbauingenieurin geworden. Irgendwann habe ich geheiratet und zwei Kinder bekommen, ein Junge und ein Mädchen, beide sind noch zu Zeiten der DDR geboren. Im letzten Jahr ging nach meiner Tochter auch mein Sohn aus dem Haus. Es ist der Lauf der Welt, aber trotzdem war es eine Umstellung für mich, jetzt bin ich allein. Mein Mann ist vor ein paar Jahren durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Seither habe ich angefangen, in meiner freien Zeit nicht nur meinen Garten als Hobby zu betrachten, sondern ich habe damit begonnen Bücher zu schreiben.
Nun bin ich gerade beim Wohnungswechsel, für mich genügt jetzt eine kleine Zwei – Zimmerwohnung mit Balkon am Rande meiner kleinen Heimatstadt Bergau. Mein Garten befindet sich in unmittelbarer Nähe, ... den konnte ich behalten, weil ich innerhalb meiner Stadt nur um ein paar Straßen weiter in Richtung Bahnhof gezogen bin und meine große Wohnung gegen dieses kleine Domizil tauschen konnte. Meinen Umzug bewältige ich allein, ... bis auf das Aufstellen der Möbel. Ich habe mir neue Schränke gekauft und durch die Firma, die sie geliefert hat gleich aufbauen lassen. Für den Rest, also für ein paar Kleinigkeiten und meinen persönlichen Kram leistet mir mein Pick- up gute Dienste. Noch stehen überall in meiner Wohnung Kartons umher, die ich aber je nach Inhalt entsprechend sortiert und beschriftet habe, damit ich meine verpackten Habseligkeiten schneller wiederfinden kann. Während ich die letzte Kiste in mein neues, zukünftiges Zuhause schleppen will, nehme ich mir vor, für heute Feierabend zu machen. Auch die Lampen wurden bereits angebracht, nur die Fenster sehen noch ein wenig unbekleidet aus, wenn ich es so formulieren kann. Na, ja, bis morgen hänge ich eben eine Decke davor, die tut es, bis ich die Klemmrollos angeschraubt habe. Ich schließe mein Auto ab, schnappe die letzte Kiste, die ich dazu kurz auf dem Bürgersteig abgestellt hatte und freue mich auf ein heißes Bad. Wir haben bereits Mitte Oktober und es ist am Abend schon empfindlich kühl. Ich lasse mir Wasser ein und zerre aus einem Karton ein Handtuch, sowie ein paar Utensilien für das Badezimmer hervor. Es duftet angenehm würzig nach Fichtennadelbadezusatz. Während das Wasser einläuft und dabei dieses einladende Geräusch preisgibt, klingelt irgendwo mein Handy. Fast überhöre ich das Klingeln, ich drehe das Wasser wieder ab. Wo habe ich mein Telefon bloß hingelegt?, ... ach hier ist es, auf dem Fensterbrett in der Küche. Das Display leuchtet auf und zeigt eine mir unbekannte Nummer an. „Ja, ... hallo?, ... Susanne Werther am Apparat, ... wer ist denn da bitte?, mit wem spreche ich?“. „Ich bin es, ... Marlene“, antwortet die Stimme am anderen Ende. „Marli?, ... du?, na endlich meldest du dich bei mir, ich habe mir schon Sorgen gemacht“. „Hallo, grüß` dich Susanne, ... ja, ich bin` s Marlene“. „Mensch, Marli, ich habe ja schon ewig nichts mehr von dir gehört, ... wie geht es dir?, ... wo bist du gerade?“. „Du wirst es mir nicht glauben Susi, ... aber ich bin hier, ... hier in der Stadt!“. „Das ist aber schön, dass du mal wieder da bist, wie lange bleibst du denn hier ?, wie lange hast du diesmal Urlaub?“. „Ich bin für immer da Susi, ich bin zurück aus Schleswig Holstein, ... ich wohne jetzt wieder hier“. „Waaaas?, ... das gibt es doch nicht, wie lange bist du denn schon wieder da?“. „Susi, du, ich traue mich fast nicht, es dir zu sagen, ... eine halbe Ewigkeit schon“. „Na sag` mal, ... und da meldest du dich nicht einmal bei mir?, ... ich habe so oft versucht dich anzurufen, aber ich konnte dich unter deiner Nummer nicht erreichen, ... was ist denn los?“. „Du konntest mich auch nicht erreichen Susanne, ... ich habe schon eine Weile eine neue Telefonnummer“. „Sag` mir, was ist los Marlene?, geht es dir gut?, ... ist etwas passiert?“. „Na,ja, Susi, ... wenn ich ehrlich sein soll, … es ging mir schon besser, … und du, was machst du?“. „Ich bin gerade umgezogen, allerdings nur ein paar Straßen weiter, … aber sag` mir lieber wo du gerade steckst, … wo wohnst du denn jetzt?“. „In der Nähe vom Bahnhof habe ich eine Wohnung bekommen, … in der Friedensstraße, ziemlich weit vorne , Nr.10“. „Marli, das gibt es doch wohl nicht, ich bin jetzt in die Gartenstraße gezogen, das ist ja fast um die Ecke, wie man sagt. Du bist schon so lange hier und auch noch in der Nähe, … und trotzdem haben wir uns nicht gesehen?. Die Kantstraße, wo ich vorher gewohnt habe ist ja auch nicht weit von der Friedensstraße entfernt“. „Ja, Susi, das stimmt schon, aber ich bin in letzter Zeit nicht sehr oft aus dem Haus gewesen“. „Was ist denn nur los Marli?, irgend etwas stimmt doch nicht, kann ich dir helfen?, … oder willst du reden?“. „Ja, ... gern, ... aber ich kann dir das alles nicht in ein paar Minuten erklären“. „Wollen wir uns treffen?, ganz so spät ist ja noch nicht, … soll ich zu dir kommen Marli?“. „Ja, das wäre schön, … wenn du Zeit für mich hast, ... immerhin bin ich diejenige, die sich so lange nicht gemeldet hat“. „Das ist doch keine Frage Marli, ich ziehe mir nur etwas über und komme vorbei, dann reden wir, … und wir haben uns ja auch lange nicht mehr gesehen. In der Nr. 10, in der Friedensstraße wohnst du, sagtest du vorhin?“. „Ja, das ist richtig, es ist schön Susi, dass du kommst, ich freue mich“. -
Klar hatte ich Zeit für Marlene, sie ist meine beste Freundin, wir sind schon während der Schulzeit durch Dick und Dünn gegangen und haben als junge Mädchen viel Zeit miteinander verbracht. Wir wurden im Sommer des selben Jahres, jeweils mit unserem ersten Kind Mutter und trafen uns nicht nur regelmäßig mit unserem Nachwuchs bei der Mütterberatung, die es als prima Einrichtung bei uns in der DDR gab. Dann ging Marlenes Ehe schief, sie zog eines Tages zu ihrem neuen Partner nach Wandelsand in Schleswig Holstein und heiratete noch einmal. Leider hatte sie mit ihrem neuen Mann auch kein Glück und litt sehr unter dessen Alkoholabusus. Ich vermisste sie sehr, es fiel mir schwer zu akzeptieren, dass sie aus ihrer Heimat fort ging. Natürlich ist unser Kontakt nie abgerissen, wir besuchten uns gegenseitig, schrieben uns und als es dann die Handys gab telefonierten wir auch regelmäßig miteinander. Es war das erste Mal, dass ich so lange Zeit nichts von Marlene gehört hatte, alle Versuche, sie telefonisch zu erreichen schlugen fehl. Nun war sie unerwartet am Ende der anderen Leitung und ich hatte das sichere Gefühl, es ist etwas nicht in Ordnung. Ich kenne Marlene schon ein halbes Leben lang und spüre genau wenn etwas nicht stimmt. Ich verschiebe also mein geplantes heißes Bad und krame in der Küche in einem Karton, von dem ich weiß, dass ich dort noch eine Flasche Rotwein finden würde. Ich ziehe meine Jacke an und mache mich auf den Weg. Ich lasse mein Auto stehen und gehe zu Fuß, es ist nicht weit von der Gartenstraße bis in die Friedensstraße, höchstens eine viertel Stunde werde ich für diese kurze Strecke benötigen. Auf dem Weg zu meiner Freundin überlege ich mir, was mit Marli nicht in Ordnung sein könnte. Normaler Weise hätte sie zu mir gesagt, als ich sie fragte, ob ich vorbei kommen soll: Nee, nee lass` mal, ich habe es genauso weit wie du, ich komme zu dir!. Aber so ruhig, wie sie gerade am Telefon war kenne ich sie nicht. Meine Freundin war immer lebhaft, aufgeschlossen und fröhlich. Es gab für sie nichts und niemanden, von dem sie sich hätte unterkriegen lassen, obwohl sie vom Leben nicht gerade gestreichelt wurde. Man kann durchaus sagen, dass es ihr oft übel mitgespielt hat. Marli ist ein Mensch auf den man sich immer verlassen konnte, eben jemand mit dem man Pferde stehlen kann. Sie war immer für mich da, besonders in der schweren Zeit damals, als mein Mann Daniel eines Tages von der Arbeit nicht mehr nach Hause kam. Ein betrunkener LKW – Fahrer hatte ihm die Vorfahrt genommen, … Daniel hatte keine Chance, sieben Jahre ist das jetzt her, … . Aber nun hört sich Marli so ungewöhnlich still an, so, als ob sie irgendetwas bedrückt, … es muss irgend etwas passiert sein was sie aus der Bahn geworfen hat, anders kann ich es mir nicht vorstellen, … es ist nicht Marlenes Art, sich einfach nicht zu melden. Nach ein paar Minuten erreiche ich Marlenes neue Wohnung und suche ihren Namen auf dem Klingelschild. Ach hier im Erdgeschoss wohnt sie, genau wie ich, denke ich bei mir und läute bei M. Maywald. Kurz darauf ertönt durch die Sprechanlage ein zögerliches. „Ja?, … wer ist da bitte?”. „Ich bin es, Susanne“. Der Summer der Sprechanlage ertönt und gleichzeitig öffnet sich die Haustür. Ich schalte das Licht im Hausflur an und stehe im nächsten Augenblick vor Marlenes Wohnungstür. Nach einem Moment, und erst als ich noch einmal direkt an ihrer Tür klingele, wird diese sehr vorsichtig von ihr einen Spalt breit aufgemacht, so als ob sie sich erst noch einmal davon überzeugen müsse, dass wirklich ich es bin, die da vor ihrer Tür steht. „Schön, dass du da bist Susanne, bitte komm` herein“. Gleichzeitig schiebt sich ein schwarzes Etwas zwischen uns, ein mittelgroßer Mischlingshund. Ich werde von ihm schwanzwedelnd begrüßt, so als ob er mich schon ewig kennt. Ich erwidere die Umarmung meiner langjährigen Freundin, die im nächsten Augenblick die Tür schnell wieder schließt und auch gleich den Schlüssel im Schloss umdreht. „Was ist denn nur los, Marli, so kenne ich dich doch gar nicht, sag` mal, das ist ja gerade so, als ob du vor irgendetwas Angst hättest?“. Sie schaut mich mit großen Augen an und ich weiß sofort: Ich habe den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich ziehe meine Schuhe aus und nehme den Rotwein aus meiner Tasche. Wir gehen in ihre winzige, aber gemütliche Stube. „Nun sag schon, Marlene, du hast doch Angst?, wovor denn?, ich habe es gleich gemerkt, als du die Tür aufgemacht hast!, … stimmt` s oder habe ich recht?,“. Sie holt zwei Weingläser und wir setzen uns auf das Sofa hinter dem kleinen Couchtisch. „Ja, du hast recht Susi, ich habe Angst und es geht mir auch nicht besonders gut“. „Menschenskind, Marli, jetzt sag` mir bitte, wie viel lange Jahre kennen wir uns mittlerer Weile schon?, … nun lass` dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen und rede endlich!, was ist denn?, …“. Ein paar Tränen kullern aus den großen dunklen, sonst so fröhlichen Augen meiner Freundin. „Susanne, … ich, ich, … ich wurde misshandelt und gestalkt“, würgt sie endlich hervor. „Was?!, wie bitte?, was sagst du da?“. Ich glaubte nicht richtig verstanden zu haben. „Das kann doch wohl nicht wahr sein!, warum hast du mich denn nicht längst angerufen Marli und mir das nicht schon eher einmal erzählt?, … wir sind doch Freundinnen?, … oder nicht?, … und dein Hund?, reagiert er denn nicht, wenn du angegriffen wirst?“. Sie wischt sich die Augen aus und schnäuzt ausgiebig in ihr Taschentuch, so als ob es ihr helfen würde, dadurch eine Art Befreiung zu erlangen und damit ihre Fassung zurück zu bekommen. „Du hast ja recht Susanne und es tut mir auch leid, … und ganz sicher bist du auch meine beste Freundin, aber ich habe gedacht, ich würde allein damit fertig werden und ich wollte es dir erzählen wenn alles vorbei ist. Aber dann, … ich hätte doch niemals geglaubt, was solche Dinge nach sich ziehen, … und dass es noch immer nicht vorbei ist, ich habe zwar zur Zeit Ruhe vor ihm, aber die Angst, die vergeht einfach nicht, na ja und mein Hund, … der hatte selber Angst, der bellt doch nicht einmal wenn es klingelt, er rennt auch gleich zu jedem hin“. „Sag` mal, wie ist das denn überhaupt dazu gekommen?, was ist das denn für ein Mistkerl?, hast du ihn nicht angezeigt?“. „Ja, klar habe ich ihn angezeigt, aber gebracht hat es mir letzten Endes nicht viel, ... um nicht zu sagen gar nichts!“. „Meine Güte, Marli, das ist ja dann wohl doch die Krönung in deinem Leben“. „Das kann man durchaus so sagen Susi, aber ich gehöre dafür zu den Menschen, die nichts in ihrem Leben ausgelassen haben“. Ein gewolltes, aber verzerrt,gequältes Lächeln huscht flüchtig über schmales Gesicht. „So kann man das natürlich auch bezeichnen, das ist wohl war, es ist dir nichts, aber auch gar nichts erspart geblieben. Aber nun erzähle mir endlich alles der Reihe nach, wer ist dieser Kerl?, was ist passiert?, warst du etwa wegen ihm zurück gekommen oder hängt es mit dem Verlust Deiner Praxis zusammen?, … du solltest sie doch räumen so viel ich weiß, weil der Vermieter auf Eigenbedarf geklagt hatte?“. Langsam findet meine Freundin wieder zu sich selber und beginnt zu erzählen. „Ja, ich habe mich entschlossen wieder in die Heimat zu kommen, weil ich die Praxis aufgeben musste, wegen Eigenbedarfsanspruch des Vermieters, mit dem ich nach meiner Scheidung erst kurz zusammen gewesen bin wie du weißt. Die Wohnung, die dazu gehörte habe ich auf meine Kosten renoviert und auch in die Praxis viel Geld investiert, auch für Dinge, die Aufgabe des Vermieters sind. Natürlich bin ich zu gutgläubig gewesen und habe keinen Vertrag gemacht gehabt mit diesem Herrn Scheffelmeier, also durfte ich mit leeren Händen wieder gehen. Ein erneuter Zuschuss oder ein kleines Darlehen, dessen Rückzahlung ich in Raten angeboten habe, wurde mir verwehrt. Ich wollte dann eben auf mobiler Basis weitermachen, aber ich habe nichts bekommen vom Staat, man braucht anscheinend keine Fachkräfte in und aus dem eigenen Land. Finanzielle Rücklagen als Alleinerziehende hat man nicht, also was bleibt übrig?, … Hartz IV, wenn man nicht mehr zwanzig ist, … ein wirklich prima Gefühl ist das“, beginnt sich Marlene in Rage zu reden. „Na ganz toll“ , meine ich zu ihr und frage: „Hast du denn dann wenigstens einen Teil des vielen Geldes zurückbekommen, was du jahrzehntelang für deinen geschiedenen Mann hingeblättert hast?, Du hattest doch geklagt über einen Rechtsanwalt?“. „Ach, geh mir bloß los, nichts habe ich bekommen, keinen Cent. Ich hatte es eingeklagt, freilich, schließlich waren es wie Du weißt einige Tausender in zweistelliger Höhe. Vier Anwälte hatte ich deshalb konsultiert, bei jedem von ihnen habe ich bloß eine nicht gerade kleine Gebühr bezahlt mit der Auskunft, dass eine Klage keinen Erfolg hätte. Von einem Anwalt habe ich sogar die Antwort bekommen: „Sie hätten ihn ja nicht zu heiraten brauchen!“. Der Gipfel war ein Anwalt, der für knapp fünfzehn Minuten Gespräch, während dem er auch noch mehrmals telefonierte, hundertfünfzig Euro von mir kassiert hat, ohne mit der Wimper zu zucken. Ein einziger Anwalt hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich auf Grund meiner finanziellen Lage Prozesskostenhilfe beantragen kann. Er hat es sogar erreicht, dass mein geschiedener Mann wenigstens einen Teil an mich zurückzahlen muss und ein Urteil zur Vollstreckung erwirkt, ...“ . „Ja, … und weiter?“. „Das will ich dir sagen, der sogenannte Drittschuldner war sein Betrieb, der mir dann mitteilte, dass der Herr Maywald außer mir noch weitere Gläubiger zu bedienen habe und ich quasi warten müsse, bis ich irgendwann an der Reihe bin, und das könnte noch eine Zeit dauern!“. „Na und jetzt?“ . „Auch das will ich dir sagen, vor kurzem habe ich die Mitteilung erhalten, dass der liebe Herr Maywald verstorben ist, … woran brauche ich dir ja nicht zu sagen, … tot gesoffen hat er sich eben!, entschuldige, aber anders kann ich es nicht bezeichnen!“. „Ach du liebe Zeit, na prima Marli, wirklich wahr, mehr kann ich nicht dazu sagen“. „Nee, Susi, … ich auch nicht, erst leiden wir, meine Kinder und ich ewige Zeiten unter dem Alkoholmissbrauch meines Mannes, dann darf ich die ganzen Schulden begleichen, die dadurch entstanden sind. Ich baue mir dann aus dem Nichts meine Med. Fußpflegepraxis mit Kosmetik auf. Als ich alle Schulden des Herrn Maywald in Raten abgezahlt hatte, das war vor zwei Jahren im März, da dachte ich, jetzt bleibt endlich das Geld, welches ich jeden Monat zur Schuldentilgung abgedrückt habe für mich übrig. Ja, denkst`e, einen Monat später im April ist die Praxis weg. Das alles war Grund genug, mich dazu zu entschließen, wieder in die Heimat zu kommen, … und was ist?, … ich tappe in die nächste Falle“.
Einfach unglaublich, was mir meine Freundin Marli da berichtete, … aber noch unglaublicher sollte das sein, was sie mir eine Nacht lang erzählte:
„Ich begann also im Sommer 2011 meine Praxis schweren Herzens in Schleswig Holstein aufzulösen und mich gleichzeitig in der alten Heimat nach Wohnraum umzusehen. Ich hegte die Hoffnung, eventuell in meinem Beruf vielleicht doch noch einmal Arbeit zu finden, auch wenn es nur ein paar Stunden sein würden. Ich bin nicht mehr jung genug, um es noch einmal mit Selbständigkeit zu versuchen, nein das ist zu spät, das schaffe ich nicht mehr. Du weißt selber, mit knapp sechzig ist der Zug in diese Richtung dann doch abgefahren. Auf dem Weg zum Wohnungsamt begegnete mir Gisela, eine Schulkameradin und Freundin aus der Teenyzeit. Wir hatten uns ewig nicht mehr gesehen. Wir gingen in das Kaffeehaus am Markt und kramten Erinnerungen aus. Als ich ihr von meiner geplanten Rückkehr nach Bergau erzählte und dabei den Wunsch äußerte, dass es schön wäre, wenn ich auch wieder einen Garten irgendwo bekommen könnte, meinte sie, dass sie mir in dieser Beziehung helfen könne. Allerdings wäre es ein Pachtgarten der Stadt und ich müsse mich bei der Liegenschaftsabteilung melden, weil dort auch immer hinterlegt ist, wieviel Ablösegebühr der jeweilige Besitzer bei dessen Abgabe haben möchte. Also ging ich zuerst zum Wohnungsamt,stellte einen entsprechenden Antrag und machte mich anschließend gleich auf den Weg zur Stadtverwaltung. Ich hatte Glück, der Garten war noch nicht vergeben und ich konnte vor meiner vorläufigen Heimfahrt nach Wandelsand noch schauen wo der Garten ist und dann Bescheid sagen, ob ich diesen pachten möchte oder nicht. So machte ich es auch, der Garten befindet sich in einer schönen Lage am Stadtrand, eine kleine Holzhütte steht darauf und er ist sogar eingezäunt. Ein Stückchen hinter dem Zaun ist ein See, hinter diesem See sieht man ebenfalls Gartenanlagen. Natürlich wollte ich diesen Garten haben, auch wenn ich nicht alles sehen konnte, weil ich ja noch keinen Schlüssel hatte. Verwildert war er, deshalb war die Ablösegebühr so niedrig. Aber Du weißt, ich bin schon mit ganz anderen Wüsten fertig geworden und ich habe mich gefreut, auch für meinen Hund Betty, dass es geklappt hatte. Ich rief also wie vereinbart die Stadtverwaltung zurück und bestätigte die Übernahme des Gartens. Es wurde so abgemacht, dass ich, wenn ich im Oktober wieder hier sein würde, die Pachtgebühr entrichte und im gleichen Zuge den Gartenschlüssel ausgehändigt bekomme“, berichtete meine Freundin und fuhr fort: „Im Oktober 2011 fahre ich wie geplant mit Betty in meinen neuen Garten, der gewünschte Wohnungswechsel wurde für das Jahr 2012 geplant. Eigentlich sucht man sich wohl erst eine Wohnung und dann den passenden Garten, aber wie du siehst, ist es bei mir gerade umgekehrt gewesen ...”.
Ich schloss die etwas klemmende Gartentür auf , Betty stürzte sogleich voraus und begutachtete ebenfalls unsere neue Errungenschaft. Zunächst sah man eigentlich nur Unkraut und die alte Holzhütte, sonst nichts. Ein mächtiges Stück Arbeit wird es werden, bis man das alles hier als Garten bezeichnen kann. Ich nahm mir vor, zuerst die Hütte ein wenig auf Vordermann zu bekommen, damit ich mein Nachtlager am Abend aufschlagen konnte. Ich stelle meine große Reisetasche auf eine kleine Holzbank, die rechter Hand in der Hütte steht. Ich brauche unbedingt heißes Wasser damit ich hier zunächst ordentlich sauber machen kann. Wasser dafür gibt es im nahe liegenden See genug und für Kaffee habe ich ausreichend Wasser mit genommen. Aber Strom, der Kollege aus der Stadtverwaltung meinte, im Nachbargarten sei eigentlich immer jemand da und es gäbe dort einen Hauptschalter, auch für diese kleine Hütte hier. Ich betätigte den Lichtschalter, aber es funktioniert nicht, also ist der Hauptschalter nicht eingeschaltet, nebenan habe ich niemanden gesehen. Ich mache mir eine Flasche Wasser auf, ich möchte mir erst einmal einen schönen Kaffee kochen. Ich habe vorsichtshalber noch den alten Teekessel und einen Spirituskocher mitgenommen, beides hatte ich vor Kurzem auf dem Flohmarkt erstanden. Den alten Wasserkocher kann ich nehmen, wenn ich heißes Wasser zum sauber machen brauche oder auch zur Körperreinigung. Während ich den Kaffee genieße und dabei überlege, in welcher Ecke der Hütte ich am besten beginnen sollte klar Schiff zu machen, vernehme ich Geräusche aus der Nachbarlaube, die unmittelbar neben meinem Domizil gleich jenseits des Zaunes steht. Gefolgt von meiner Hündin Betty versuche ich sogleich mein Glück wegen der Stromeinschaltung, die von besagter Nachbarschaft aus getätigt werden muss. „Hallo?, ist jemand da?”, rufe ich über den etwas schief geratenen Gartenzaun zu meinen bisher unbekannten Nachbarn hinüber. Nachdem ich dreimal recht lautstark gerufen hatte, erscheint ein nicht allzu großer, aber kräftiger Mann, so etwa um die Mitte fünfzig und tritt zu mir jenseits des Zaunes heran. „Hallo, guten Tag, haben Sie nach mir gerufen?, Sie sind wohl meine neue Nachbarin?, kann ich Ihnen helfen?”, fragt er freundlich. „Ja, hallo, guten Tag, … ich hoffe es zumindest, dass Sie mir helfen können. Man sagte mir, dass bei Ihnen der Hauptschalter betätigt werden müsse, damit ich hier auf meiner Seite in der Hütte auch Strom habe”, entgegne ich. „Oh, ja, das ist richtig, da muss ich mal schauen. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht so genau Bescheid, um diese Dinge kümmert sich immer mein Kompagnon, mit dem ich hier den Garten teile, der ist gerade nicht da, aber ich sehe mal nach, vielleicht schaffe ich es auch, diesen Schalter ausfindig zu machen”, meint er hilfsbereit. „Ach, das wäre schön, schon wegen des Wasserkochers und es ist ja nun auch schon ziemlich früh dunkel, da wäre es schon gut, wenn ich Licht hätte”. „Na dann gehen Sie mal in Ihre Hütte und ich mache mich auf Schaltersuche, Sie rufen dann zu mir herüber, ob das Licht bei Ihnen brennt oder nicht, o.k.?”. Betty, die während des Gespräches stiller Zuhörer war, kommt natürlich wieder mit mir mit als ich zu meiner kleinen Unterkunft zurückgehe, um zu schauen, ob mein Nachbar den richtigen Hauptschalter gefunden hat. Nach ein paar Fehlversuchen seinerseits kann ich dann endlich auf die Frage: „Geht Ihr Licht jetzt an?”, mit ja antworten. „Vielen Dank, ich freue mich, dass ich jetzt auch Strom habe, was bekommen Sie denn von mir?, ich meine, da ist doch sicher irgendwo ein extra Zähler für die Hütte hier auf meiner Seite?”. „Ja, das stimmt schon, ich lese den gegenwärtigen Stand ab und schreibe es auf für Sie, das andere macht wie gesagt der Franzl wenn er kommt, wann das ist, das weiß ich allerdings nicht”, informiert er mich. „Ich bin nur ein paar Tage hier, Herr Nachbar, ich komme erst im nächsten Jahr wieder. Ich gebe Ihnen schon mal 20, - Euro als Abschlagszahlung und dann sehen wir weiter, ist das in Ordnung?”. „Ja, sicher, das ist o.k. … warten Sie!”. Etwas zögerlich steckt er das Geld weg und bringt mir gleich darauf den Zettel mit dem Zählerstand. Ich bedanke mich und gehe an meine Arbeit zurück. Bald darauf hörte ich ein Motorrad aufheulen, dann ist es wieder still nebenan. Ich schaffe es noch am gleichen Tag das Nachtlager für mich und Betty herzurichten, den kleinen Kühlschrank zu säubern und einzuräumen, ich hatte mir genug Proviant für zwei Tage mitgebracht, damit ich nicht gleich zum Einkaufen fahren muss. Auch die kleine Ecke, in der man sitzen kann ist aufgeräumt, sauber und recht gemütlich. Es fehlt nur eine kleine Heizung und es ist am Abend bereits empfindlich kühl. Ich esse eine heiße Suppe und belasse es bei einer sogenannten Katzenwäsche. Mit dem Gedanken, ich muss im Frühjahr unbedingt den kleinen Radiator von zu Hause mitbringen, breite ich über Betty ihre dicke Decke aus und krieche dann selber im Schlafanzug, in Form eines Trainingsanzuges in zwei Schlafsäcke. Am nächsten Morgen, nachdem ich eigentlich recht gut geschlafen und nicht gefroren habe, schlage ich mich zunächst in die Büsche, … es fehlt eine Toilette, na ja die paar Tage wird es schon gehen. Ich werde mir eine Biotoilette besorgen, denke ich bei mir während ich mich am See, mittlerer Weile doch etwas fröstelnd, frisch mache. Auch Betty folgt mir in die Büsche, um dann gleich noch einmal ins Bett zu schlüpfen, … in meine Schlafsäcke, die sind noch schön warm. Ich bereite mir ein ausgiebiges Frühstück mit einem schönen heißen Kaffee. Nun kommt die Sonne heraus und um die Mittagszeit ist es angenehm warm draußen, sodass ich bei der Arbeit meine dicke Jacke ausziehen kann. Der Garten ist nicht unbedingt sehr groß, aber wie gesagt recht verwildert. Umso mehr staune ich, als ich unter dem Unkraut vor der Hütte Terrassenplatten zu Tage fördere, die vollständig zugewuchert waren. Ebenso blieb bisher ein kleiner Teich von mir unentdeckt, der jetzt auch zum Vorschein kommt. Ich lege eine Pause ein, wärme mir eine Büchse Bohneneintopf und fülle auch Bettys Napf mit Futter. Im gleichen Moment ertönt wieder das Motorradgeräusch und mein Nachbar erscheint kurz darauf am Gartenzaun. Diesmal bellt Betty, sicher weil ich nicht dabei bin. Sie bellt sehr selten, meistens nur dann, wenn sie mir sagen will: Komm` mal, da ist jemand. Ich stehe auf und trete an den Zaun heran. „Guten Tag, junge Frau, beißt der Hund eigentlich?, gestern hat er nicht gebellt”, begrüßt mich mein Gegenüber. „Schönen guten Tag!, nein, nein, Betty tut niemanden etwas, sie hat mich nur gerufen, weil Sie gekommen sind”. „Ist alles in Ordnung?, mit dem Strom meine ich, … und der Kühlschrank funktioniert auch?”, erkundigt sich der Mann fast fürsorglich. „Ja, sicher, es ist alles prima, alles gut und alles ist in Ordnung, danke der Nachfrage”. „Na schön, sagen Sie es nur ruhig wenn Sie Hilfe brauchen, ich fahre wieder los, aber vielleicht komme ich später noch einmal wieder”, meint er und ruft noch ein „Tschüss bis später” hinterher, steigt wieder auf das Motorrad und fährt weg. Ich setze meine Arbeit fort. Der Nachbar lässt sich nicht noch einmal sehen und der Abend, sowie auch der nächste Morgen laufen so ab wie am Vortag. Am Vormittag bellt Betty kurz und kündigt damit den Nachbarn wieder an. Er kommt wieder an den Zaun heran. „Hallo, hallo, … Sie haben aber schon allerhand geschafft in der kurzen Zeit. Ich komme gern einmal zu Ihnen herüber, wenn ich darf, ich helfe Ihnen, die abgestochenen Rasenbatzen beiseite zu schaffen, … das ist doch zu schwer für Sie”, meint er. „Ich schaffe das schon, vielen Dank, lassen Sie nur, Sie haben ja sicher auch selber genug zu tun”, antworte ich. „Ist schon in Ordnung, hier drüben ist alles soweit fertig bis zum nächsten Frühjahr, lassen Sie sich ruhig ein wenig helfen”, verteidigt er seinen Standpunkt. „Na, gut, dann kommen Sie mal herüber, … das ist aber nett von Ihnen”, meine ich, obwohl ich es auch gut allein geschafft hätte und es eigentlich nicht sehr gern habe, wenn man mir in punkto Garten in das Geschehen eingreift. Ich öffne meine Gartentür und Betty begrüßt den Nachbarn so wie es ihre Art ist, schwanzwedelnd und freundlich. Manchmal denke ich, sie ist zu aufgeschlossen Fremden gegenüber und fast könnte man sagen: sie hilft einem Einbrecher auch noch beim Heraustragen der geklauten Gegenstände. Kurz darauf kommt eine Frau mittleren Alters, geschätzte Ende Fünfzig auf uns zu und begrüßt erst den Nachbarn mit den Worten: „He, Jacob, ich habe Dich schon paarmal angerufen, die hatten aber nicht solche Latschen, die Du haben wolltest, die gibt es erst nächstes Jahr wieder!”. Dann reicht Sie mir die Hand mit einem fragenden „Hallo?” während mein Nachbar Jacob etwas schroff zu ihr meint: „Na, ja, da kann man es auch nicht ändern, es ist sowieso bald zu kalt dafür, … das ist unsere neue Nachbarin, … seit ein paar Tagen, … Du kannst auch mithelfen, komm` rein!, … das ist Rosi”, stellt er mir die Frau vor im gleichen Atemzug vor. Im nächsten Augenblick standen alle beide auch schon bei mir im Garten und wurden von Betty, wie sie es immer tut freundlich begrüßt. Ich selber kam mir schon etwas überrumpelt vor, weil man mir die angebotene Hilfe förmlich aufdrängte. Es entging mir auch nicht, dass diese Rosi eine „Fahne” hatte. Gegen Mittag waren die abgestochenen Rasenteile auf den von mir neu angelegten Komposthaufen gebracht. Ich bedanke mich, das Pärchen verabschiedet sich und verschwindet in der Nachbarhütte. Ich setze mir Wasser für eine Suppenterrine auf und versorge Betty. Nebenan ist alles still und eine Weile später höre ich das Motorrad des Nachbarn wegfahren. Ich mache eine längere Mittagspause und gehe dann wieder an die Arbeit. Ich möchte die gröbsten Arbeiten bis zum Frühjahr geschafft haben, damit ich den Boden bepflanzen, bzw. bestellen kann. Am späten Nachmittag kehrt der Herr Jacob, den Nachnamen kenne ich bis dato nicht, zurück. Er stellt sein Motorrad ab und winkt zu mir herüber: „Sie kennen wohl gar keinen Feierabend?!” und kommt an mein Gartentor heran. Er begutachtet alles, was ich in der Zwischenzeit seiner Abwesenheit geschafft habe und sagt: „Sie sind aber wirklich fleißig, Sie haben wohl keine Ruhe bevor Sie nicht alles fertig haben?”. „Ja, genau, ich möchte es soweit schaffen, dass ich im Frühjahr mit der Bepflanzung anfangen kann, … in drei Tagen muss ich wieder los”, gebe ich ihm Auskunft. Er nimmt den Motorradhelm ab und meint : „Sagen Sie es mir, wenn Sie Hilfe brauchen, ich habe Zeit, ich helfe Ihnen wirklich gerne”, er macht eine Gedankenpause und fügt hinzu: „Kommen Sie ruhig mal rüber auf meine Seite, ich zeige Ihnen meinen Garten, … und natürlich von meinem Kumpel”. Ich stelle meinen Spaten beiseite und folge seiner Aufforderung, auch Betty trottet hinterher. Es stimmte, der Nachbargarten ist soweit winterfest gemacht und etwas größer als mein Grundstück nebenan. In der Nähe der Hütte befindet sich auch ein Teich, allerdings um einiges größer als bei mir. „Das ist aber ein schöner Teich den Sie da haben, der sieht gut aus, ich habe ja auch einen kleinen Teich, aber ich weiß noch nicht, ob ich ihn sauber mache oder ob ich ihn zuschütten werde. Er ist total zugewuchert und das Wasser müsste erneuert werden, erst alles ausschöpfen und dann, …”. Er unterbricht mich und sagt: „Das wäre kein Problem, mein Kumpel, der Franzl hat eine Elektropumpe, da könnte man im Frühjahr etwas machen, altes Wasser raus und vom See neues Wasser herauf pumpen. Ich spreche mal mit ihm wenn er kommt. Zur Zeit ist er nicht so oft hier, er hat Probleme mit seinem Knie, das muss wahrscheinlich operiert werden, er kann kaum noch laufen”. „Ja, das hat doch auch keine Eile mit dem Teich, aber wenn sich das Problem auf diese Art lösen lässt, ich meine mit der Pumpe, dann würde ich das gerne annehmen, vielen Dank”. „Das ist doch klar, wir freuen uns auch, wenn wir eine gute Nachbarschaft haben und wenn man sich gut versteht”, erklärt er. „Da haben Sie recht, das ist auch meine Meinung, da gibt es ja manchmal Streit zwischen Nachbarn wegen Dingen, die mag man gar nicht glauben”, pflichte ich ihm bei, während wir noch einen kleinen Rundgang durch seinen Garten machen. Er zeigt mir, was und wo er mit seinem Kumpel angelegt und angebaut hat, gegenseitige Kommentare dazu werden abgegeben. „So nun muss ich aber zusehen, dass ich mein heutiges Pensum noch schaffe, es dauert nicht mehr lange, dann ist es schon wieder dunkel, … komm` Betty, lass` uns gehen”. Ich rufe nach meinem Hund, der schnüffelnd jede Ecke des Nachbargartens visitiert, aber sofort auf meinen Pfiff reagiert und mir folgt. „Kommen Sie doch gerne heute am Abend mal rüber, ich übernachte hier, ich lade Sie ein, vielleicht können wir ein Glas Wein trinken, wenn Sie möchten, ich tue Ihnen auch bestimmt nichts”, ruft er noch nach, als ich meine Gartenpforte bereits wieder erreicht habe. „Ja vielleicht, … mal sehen”, gebe ich zurück und schließe meine Gartentür hinter mir. Durch den kleinen Schwatz in der Nachbarschaft habe ich dann doch nicht alles ganz geschafft, so wie ich es eigentlich vor hatte. Morgen muss ich mich ranhalten, ich möchte in den beiden Tagen, die mir noch bis zur Heimfahrt verbleiben das letzte Drittel des Gartens urbar gemacht haben. Ich teile mir, wie so oft, mit meinem Hund Betty das Brot und finde es als einen guten Einfall, wenn ich morgen vom Baumarkt ein paar Säcke Rindenmulch mitbringen würde. Ich kann damit die freigelegten Wege und auch unter den Sträuchern die Erde abdecken, damit im Frühjahr das Unkraut nicht gar so schnell wieder die Oberhand gewinnt, denn vor Mitte April werde ich nicht zurückkehren. Ich trinke meinen heißen Tee und Betty knabbert noch genüsslich an einem Kauknochen. Es ist dunkel draußen und auch ungemütlich kühl hier in meiner kleinen Hütte. Wenn ich nicht frieren will, sollte ich meine Schlafsäcke aufsuchen oder das Angebot des Nachbarpärchens annehmen. „Na, Betty, wollen wir mal nach nebenan gehen?. Was meinst Du?. Vielleicht sind die Beiden ja doch ganz nett”. Ich beschließe der Einladung Folge zu leisten, sperre meine Hüttentür ab und mache mich mit Betty auf den Weg zum Nachbardomizil. Ich klopfe leise an die Tür. Es ertönt ein lautes, deutliches „Herein” der tiefen und etwas rauen Männerstimme meines Nachbarn. Ich trete ein, es schlägt mir gleich die angenehm warme Luft eines Heizlüfters entgegen, vermischt mit dem Rauch seiner eben gerade ausgedrückten Zigarette. „Ihre Frau ist wohl gar nicht mehr da?”, frage ich und stelle im gleichen Moment fest, dass es hier eher wie eine Männerwirtschaft aussieht, als nach der Freizeitbleibe eines Paares mit Frau im Haus. „Das ist nicht meine Frau, das ist die Rosi gewesen, die heute noch mit hier war, die schläft nicht hier, die ist zu sich nach Hause gegangen, … ich bin nicht verheiratet”, gibt er zu verstehen. Ich komme seiner Aufforderung nach und setze mich auf ein kleines, ein wenig abgewracktes Sofa links neben der Tür. Betty nimmt gleich zu meinen Füßen platz. Genau diesem Sofa gegenüber steht ein Teil von einer Schrankwand. Ein kleineres, älteres Modell eines Fernsehapparates befindet sich an dem dafür vorgesehenen Platz, darüber ist eine Musikanlage. „Möchten Sie ein Glas Wein trinken?”, fragt er und fügt gleich hinzu: „Ich trinke lieber mein Bier, aber ich habe extra für Sie eine Flasche Wein besorgt, … ich hoffe, Sie mögen Rotwein?”. „Ja, natürlich, danke, und auch vielen Dank für die Einladung”. „Es ist schön, dass Sie gekommen sind, ich möchte sehr gern etwas genauer wissen wer jetzt in dem Häuschen nebenan zu finden ist”, erklärt er. Dann steht er auf, holt ein Glas, öffnet die Flasche und schenkt mir davon ein. „Ich heiße übrigens Jacob, verraten Sie mir auch Ihren Namen?”. „Ich heiße Marlene, aber die meisten meiner Freunde sagen Marli zu mir”, gebe ich Auskunft. „Sagen Sie, Frau Marlene, haben Sie etwas dagegen wenn wir „Du” zueinander sagen würden?. Es lebt sich doch sicher so besser als Nachbarn und ich glaube, wir sind so etwa in einem Alter, oder liege ich da falsch?”. Er mustert mich direkt ausgiebig und fügt hinzu: „Na, ja, vielleicht trennen uns auch ein paar Jährchen, Sie sind sicher noch ein wenig jünger als ich, … oder?, ich werde bald sechsundfünfzig und Sie?. Ich glaube, die Fünfzig haben Sie noch nicht erreicht”. „Oh, vielen Dank, das ist aber ein Kompliment für mich, ich werde im kommenden Jahr neunundfünfzig”. „Da haben Sie sich aber gut gehalten, das muss man wirklich sagen, das hätte ich jetzt nicht gedacht”, schmeichelt er meiner Person und begutachtet mich dabei erneut eindringlich. Er steht auf und holt aus einem bereits halb leeren Bierkasten eine volle Flasche und fragt: „Du wohnst wohl nicht hier, weil du vorhin angedeutet hast, dass du erst im nächsten Jahr zurück kommst?”. „Ich lebe in Schleswig Holstein, in einem etwas größeren Dorf. in Wandelsand“. „Na das ist aber der nächste Weg, wie man sagt, um einen Garten zu bearbeiten”, stellt er fest. Ich schüttele den Kopf und erzähle Jacob vom unverschuldeten Verlust meiner kleinen Praxis und dem Vorhaben, in meine Heimat zurück zu kehren. „Übermorgen fahre ich wieder los, dann bin ich soweit fertig mit dem was ich schaffen wollte”. „Wann nächstes Jahr kommst du zurück?”, möchte er wissen. Er schenkt mir noch ein Glas Wein nach und dreht sich eine Zigarette. „Stört dich der Rauch?, warte, ich mache mal einen Moment die Tür auf ”, sagt er, als er sieht, dass ich mir die Augen wische. Betty steht auf, schaut aus der Tür und geht dann vorsichtig hinaus, sie kehrt aber umgehend zurück, als sie merkt, dass ich ihr nicht folge und noch sitzen bleibe. „Interessiert dich das, oder soll ich etwas anderes im Fernsehen einschalten?”, erkundigt er sich und deutet in Richtung Bildschirm. Seine Aufmerksamkeit kommt mir schon fast unheimlich vor. Das kommt vielleicht daher, weil mir bisher nicht viel männliche Fürsorge zuteil wurde. Ich gebe darauf eine ehrliche Antwort und sage: „Nun ja, eigentlich ist bei mir am Freitagabend immer Krimizeit”. Jacob nimmt die Fernbedienung, schaltet das von mir gewünschte Programm ein und wechselt das Thema: „Morgen kommt auch die Rosi wieder, … das hat sie jedenfalls zu mir gesagt. Wir kommen gern noch einmal zu Dir rüber und helfen Dir, den Rest fertig zu bekommen”. „Nein, nein, das ist wirklich nicht nötig, ich bin fast am Ende meiner Arbeit. Ich fahre morgen nur noch zum Baumarkt und kaufe ein paar Säcke Rindenmulch zum Abdecken. Vielleicht hat Deine Freundin ja auch gar keinen Bock und möchte etwas anderes machen”, entgegne ich. „Ich hab` doch schon gesagt, die Rosi ist nicht meine Freundin, … und meine Frau schon gar nicht, sie hätte mich zwar gerne gehabt aber ich sie nicht. Ich kenne die Rosi von früher, sie war mal eine Arbeitskollegin von der Katrin mit der ich zusammen bin. Die Katrin ist fast fünfundzwanzig Jahre jünger als ich und die Mutter meiner Tochter”, berichtet er und fährt fort: „Die Katrin kommt alleine nicht zurecht und ich bin eigentlich nur noch mit ihr zusammen wegen Lara, meiner Tochter, die ist jetzt vierzehn Jahre alt. Ich habe auch noch einen älteren Sohn, Sandro, er ist über zwanzig, aber zu ihm habe ich keinen Kontakt. Ich war nicht lange mit Sandros Mutter zusammen, … ich war noch nie verheiratet, … bist du verheiratet und hast du Kinder?”. „Nein, ich bin nicht verheiratet, ich hatte das Vergnügen zweimal ohne Erfolg, ... na ja und meine Kinder sind aus dem Haus; meine zwei Mädels und die beiden Jungs auch”. „Oh, vier Kinder hast du und lebst alleine?, … oder bist du mit jemanden zusammen?”, setzt er seine Befragung fort, die mir ehrlich gesagt schon fast ein wenig lästig wurde, in Anbetracht der wenigen Stunden, die man sich kennt. „Ich lebe schon lange allein, meine Kinder besuchen mich oft und ich habe Betty, ich habe auch keinerlei Bedürfnis eine feste Beziehung einzugehen. Ich habe kein Glück in der Partnerschaft gefunden, meine Erfahrungen damit sind schlecht, um es gelinde auszudrücken. Ich bin lieber solo geblieben und habe alles sehr gut allein geschafft.”, gebe ich preis und will damit meinem Gegenüber ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen. Mir ist ein gewisses Interesse seinerseits an meiner Person nicht entgangen und ich ziehe es vor, die Unterhaltung zu unterbrechen und meine Hütte aufzusuchen. „Ich glaube es ist an der Zeit nach Nebenan zu gehen, vielen Dank für den Wein, … eine gute Nacht wünsche ich dir”, verabschiede ich mich. „Gern geschehen, … du kannst morgen sehr gern wiederkommen wenn du möchtest, ich schlafe fast immer hier im Garten. Wein ist ja auch noch da, und außerdem ist es bei mir schön warm. du hast noch keine Heizung wie ich mitbekommen habe, … oder?”. „Das ist richtig, ich habe aber einen Radiator zu Hause, den bringe ich im Frühjahr mit”, bestätige ich seine Feststellung. „Also dann sehen wir uns morgen, ich freue mich, wenn du wieder rüber kommst, … also tschüss und gute Nacht, … man sieht sich”, ruft er mir noch durch die bereits halb geschlossenen Tür seiner Hütte zu. Es ist ganz schön frisch hier in meiner Laube, wenn ich es geschmeichelt formuliere. Betty springt sogleich auf ihre Liege mit der dicken Decke, ich suche ebenfalls umgehend mein Nachtlager auf und krieche in beide Schlafsäcke. „Na, Betty, was meinst du?, was machen wir morgen?, gehen wir wieder in die Nachbarschaft oder nicht?”. Mein Hund merkt sofort, dass er gemeint ist und angesprochen wurde. Er hebt den Kopf und schaut ein wenig unter seiner Decke hervor, so als wolle er sagen: „Ja, Frauchen, das wäre sicher nicht verkehrt, es ist ganz schön kalt hier. Der Herr Jacob von nebenan ist zwar ein wenig neugierig, aber er scheint ganz nett zu sein und übermorgen fahren wir doch sowieso wieder nach Hause”. „Du hast recht Betty”, meine ich und lösche das Licht. Als ich am nächsten Morgen aus der Koje krabbele und ins Freie trete, sehe ich eine dünne Eisschicht auf dem kleinen Teich. Es ist wirklich höchste Eisenbahn, hier vorläufig die Zelte abzubrechen, ich sehne mich auch zunehmend nach meiner Badewanne. Ich mache mich ein wenig frisch, frühstücke in aller Ruhe und genieße einen herrlichen heißen Kaffee. Als sich auch Betty erhebt steigen wir beide ins Auto und fahren zum Baumarkt. So wie ich es vor hatte kaufe ich Rindenmulch zum Abdecken. Betty sitzt dabei nicht so wie immer im großen Kofferraum, sondern auf dem Rücksitz. Obwohl die es nicht kennt, angeschnallt zu sein, macht sie keine Probleme und lässt alles geduldig über sich ergehen. Den Platz im Kofferraum kennt sie seit ihrer Welpenzeit. Ich hatte die Hutablage entfernt und hinter den Rücksitzen ein Gitter angebracht, so hat Betty von je her einen sicheren und geräumigen Platz. Obwohl mir durch Bettys „Umquartierung” der Kofferraum für den Rindenmulch zur Verfügung steht, muss ich dreimal bis zum Baumarkt fahren, um genügend davon herbei zu schaffen. Indessen ist es Mittag geworden, ich versorge Betty und esse einen Döner, den ich mir an einer Imbissbude mitgenommen habe. Von meinem Nachbarn Jacob, sowie von der Rosi ist nichts zu sehen. Ich bin ehrlich gesagt eigentlich ganz froh darüber, warum, kann ich jedoch nicht eindeutig sagen. Das überfreundliche Verhalten von Jacob löst eine gewisse Unsicherheit in mir aus. Am Nachmittag bin ich dann mit den Arbeiten fertig, die ich unbedingt vor meiner Abfahrt schaffen wollte. Während ich die Arbeitsgeräte verstaue nehme ich mir vor, noch die drei Fenster auszumessen, zwei größere und ein kleines. Ich werde in den Monaten der Gartenpause neue Gardinen nähen. Betty läuft Richtung Gartentor und gleichzeitig höre auch ich meinen Nachbarn Jacob mit dem Motorrad herankommen. „Ich habe dich schon vermisst!. Du warst schon weg gefahren, als ich aufgestanden bin. Ich dachte, du und Betty seid doch schon heute nach Hause gefahren, weil es ziemlich kalt geworden ist”, ruft er zu mir herüber und fügt hinzu: „Aber ich habe es schon gemerkt, du findest nicht eher Ruhe, bevor du nicht Deinen Plan erfüllt hast”, scherzt Jacob. „Genauso ist es, … schließlich haben wir es doch als vorbildliche DDR – Bürger gelernt, stets unseren Plan zu erfüllen, … oder nicht?”, gebe ich lachend zurück. „Du hast vollkommen recht, aber ich hoffe, du stimmst mir zu, wenn ich sage, dass es in deiner Bude am Abend zum Sitzen viel zu kalt ist. Jetzt wo die Sonne weg ist, fängt es an frisch zu werden. Ich gehe also davon aus, dass du nachher wieder ein wenig zu mir herüber kommst, … und Wein ist auch noch da, der muss alle werden. Du weißt, ich trinke keinen Wein“. Jacob kommt an den Zaun heran, reicht mir die Hand und schaut mich erwartungsvoll an. „Ja, o.k, ich nehme an, aber ich komme später, wenn ich fertig bin, ich möchte meine Hütte erst noch aufräumen und wischen bevor ich morgen abfahre”. Sofort ärgere ich mich ein wenig über mich selber, weil ich so eine Art Rechenschaft abgelegt habe was mein Handeln betrifft. Ich gehe mit Betty in meine Unterkunft zurück, wir essen zu Abend und ich erledige die besagten, noch anstehenden Dinge. Als ich damit fertig bin, ist es bereits dunkel geworden. „Na komm` Betty, gehen wir uns aufwärmen, es wird kalt und es ist wirklich an der Zeit, dass wir morgen nach Hause fahren, … nicht wahr?”. Mein Hund sieht mich an so als ob er sagen wolle: „Na, Frauchen, das finde ich aber auch und vergesse bloß nicht die Heizung mit zu nehmen, wenn wir das nächste Mal hier her fahren!”. Sie steht auf, schüttelt sich und folgt mir dicht auf den Fersen bis zur Nachbarhütte. Ein Bewegungsmelder kündigt unseren Besuch an. Er spendet zwar nicht gerade ein Flutlicht, aber ohne diese schummerige Beleuchtung könnte man kaum den Weg bis dahin erkennen, der ganz dicht am angelegten Teich vorbei führt. Na und Betty mit ihrem schwarzen Fell wäre total unsichtbar. Wieder ertönt Jacobs forsche dunkle Stimme und fordert mich auf einzutreten, nachdem ich wie gestern zaghaft angeklopft habe. „Setz` dich”, sagt er während er aufsteht und den Wein, sowie ein Glas aus einem angrenzenden Raum holt und mir einschenkt.„Ich habe gedacht, der Franzl kommt dieser Tage mal vorbei, damit du ihn auch kennenlernst. Ich habe dir doch erzählt, dass der Franzl mein Freund ist. Wir haben den Garten schon einige Jahre zusammen. Der Garten und auch die Hütte hier hat mal einer älteren Frau gehört, die lebt aber schon viele Jahre nicht mehr. Ich denke mal, der Franz wird Beschwerden haben mit seinem Knie. Er hat oft Schmerzen und ist bestimmt froh, dass der Garten soweit fertig ist für dieses Jahr. Er muss sich wohl oder übel operieren lassen, er hinkt manchmal schon sehr heftig und von alleine wird es ganz sicher nicht besser“. Nach einer kurzen Gedankenpause meint Jacob: „Irgendwie sind wir gestern vom Thema abgekommen, wann genau kommst du nächstes Jahr wieder?“. „Ich denke, es wird so etwa Mitte April werden, ich muss dann gleichzeitig wegen einer Wohnung ernsthaft etwas unternehmen, ich möchte spätestens im Herbst nächsten Jahres umgezogen sein“. Jacobs Telefon klingelt „Ich bin noch hier, hier im Garten, wo soll ich denn sonst sein?, … jaaa, Rosi, ich hab` dir doch gesagt, ich bin morgen auch da“, … gibt er nicht gerade sehr freundlich von sich „Ja, is` gut, ich bin da, … tschüüüüß, tschüß“, stöhnt er und legt das Handy beiseite. „Das war die Rosi“, gibt er genervt von sich. „Die weiß doch ganz genau, dass ich im Garten bin, ich bin so gut wie immer hier, außerdem hat sie mich das gestern schon gefragt“. Er steht auf und öffnet die Tür, weil mir so wie gestern die Augen vom Zigarettenrauch brennen und ich mir mit einem Taschentuch im Gesicht herumwirtschafte. Er gießt mir ein zweites Glas Wein ein und fragt: „Schmeckt dir der Wein?, ich habe noch eine Flasche geholt, soll ich sie aufmachen?“. „Nein, es genügt, aber er schmeckt gut, vielen Dank, … du schläfst um diese Jahreszeit auch noch im Garten?, du hast zwar eine Heizung hier, aber ist das nicht trotzdem auf die Dauer zu kalt?“, erkundige ich mich und greife damit das eben notgedrungen mitgehörte kurze Telefongespräch auf. „Ich schlafe auch im Winter hier, sehr oft jedenfalls, ich gehe nur zum Duschen und Rasieren nach Hause. Meine Kumpels wissen alle, dass sie mich hier im Garten finden. Zu mir nach Hause kommen sie erst gar nicht, weil sie mich dort meistens sowieso nicht antreffen“. „Und deine Lebensgefährtin?, die Katrin meine ich, sagt die da nichts dazu?“. Er schüttelt nur den Kopf, schließt die Tür, holt sich noch ein Bier und dreht sich eine neue Zigarette. „Die kommt morgen vielleicht kurz vorbei, mal sehen“, meint er nur recht kurz angebunden und ich frage nicht weiter nach und verfolge genau wie Jacob eine Weile das Unterhaltungsprogramm im Fernsehen. Ich trinke den Wein aus und meine zu Jacob: „Es wird Zeit, ich werde langsam müde, die Arbeit den ganzen Tag an der frischen Luft ist doch ganz schön anstrengend“. Ich stehe auf und sofort erhebt sich auch Betty, so als befürchte sie, den Anschluss zu verpassen. „Na, o.k., wann fährst du morgen ab?“. „Ich werde am späten Vormittag losfahren, damit ich nicht so spät zu Hause ankomme“. „Dann sehen wir uns ja morgen noch, es wäre gut, wenn du mir deine Handynummer da lässt, damit ich dich anrufen kann, wenn etwas besonderes sein sollte“. „Ja, das ist vielleicht nicht verkehrt, ich kann dann auch anrufen bevor ich wieder komme, ... du weißt schon, wegen dem Hauptschalter vom Strom, es ist sicher besser du schaltest den Strom auf meiner Seite ab, solange ich ich weg bin, also dann tschüss bis morgen, … und gute Nacht“. „So machen wir das, alles klar, gute Nacht und schlaf` gut, … bis morgen dann!“. Ich hätte noch fragen sollen, was und wo der Jacob eigentlich arbeitet, überlege ich mir während ich meine Schlafsäcke aufsuche. Wenn er fast immer im Garten schläft, kann es ja eigentlich nur ein spezieller Schichtbetrieb sein und wie ein EU – Rentner sieht er nicht aus. Ich nehme mir vor, mir diese Frage bis zum nächsten Jahr aufzuheben, aber stellen werde ich sie, denn über mich weiß er dahingehend ja auch Bescheid. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück räume ich alles auf und packe meinen Kram zusammen. Betty spürt gleich, dass wir aufbrechen wollen und bleibt vor dem Gartentor sitzen. Sie beobachtet mich ganz genau und sobald sie mitbekommt, dass ich ihre Decke und die Futternäpfe im Auto verstaue, dann weiß sie, jetzt geht es gleich los und auch sie darf mitfahren. Ich mache noch eine kleine Runde durch meinen Garten und bin zufrieden mit dem, was ich geschafft habe. „Guten Morgen, na alles startklar?“, fragt Jacob, der mit noch etwas zerzausten Haaren auf meine Gartentür zukommt. „Denkst du noch an Deine Handynummer bitte?“, fragt er und reicht mir einen Zettel mit seiner Telefonnummer. „Ja, klar, hier ist die Nummer von meinem Handy, ich hoffe ja nicht, dass etwas schlimmes vorkommt, wenn ich nicht da bin, ich meine wegen Einbrechern oder so etwas“. „Da passe ich schon auf, ich bin ja fast immer hier, … oder auch der Franz, … oder die Rosi, einer von uns ist immer da, … wenn man vom Teufel spricht … , sagt er und deutet in den Garten nebenan. Die Rosi kommt, sie steuert sogleich auf uns zu und wird von Betty begrüßt. „Na, geht es wieder heim?“, fragt sie und wird von Jacob gleich angemault: „Was fragst denn du so blöd?, das siehst du doch und ich habe dir auch gesagt, die Marli kommt im April erst wieder“. „Jaaa, ich meine ja nur“, grummelt sie zurück und verschwindet mit einem Beutel, der offensichtlich verschiedene Einkäufe enthält in der Hütte. Fast zeitgleich kommt eine große, schlanke, nicht unbedingt sehr hübsche Frau auf uns zu und sagt zurückhaltend aber freundlich: „Ich bin Katrin und Sie sind bestimmt die neue Nachbarin“. Ich bestätige ihre Vermutung. „Ja, genau, … schön, dass ich Sie auch noch kennenlerne bevor ich nach Hause fahre, … aber nun muss ich mich sputen und den Rest meiner Sachen packen, ich möchte möglichst noch daheim ankommen bevor es dunkel wird, schönen Gruß auch noch an die Rosi“. Ich reiche ihr und Jacob die Hand . „So dann tschüss bis nächstes Jahr! Ich melde mich, bevor ich komme“. „Alles klar, tu` das“. Jacob wünscht noch eine gute Fahrt und geht mit Katrin in Richtung Gartenhütte, in die vorher die Rosi verschwand. Kurze Zeit später bin ich startklar und fahre los. Ich bin noch nicht weit gekommen, als ich die Katrin auf der anderen Straßenseite gehen sehe. Ich hupe leise, sie hebt kurz den Arm und winkt zurück. Eine eigenartige Dreierbeziehung ist das, denke ich bei mir während ich auf die Autobahn auffahre. Der Jacob scheint ganz in Ordnung zu sein, auf alle Fälle ist er sehr hilfsbereit und recht nett.
Den Rest des Jahres denke ich kaum einmal an die neuen Gartennachbarn in der Heimat und stelle auch keine Überlegungen an, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Erst zum Jahreswechsel bekomme ich von Jacob eine SMS mit guten Wünschen für das neue Jahr. Ich erwidere die Nachricht und höre dann nichts mehr von den neuen Nachbarn. Zu Anfang April 2012 rufe ich die Nummer an, die mir Jacob gegeben hat, ich möchte wie vereinbart meine Ankunft melden, damit rechtzeitig der Strom in meiner Hütte eingeschaltet werden kann. „Ach du bist es Marli, schön, dass du bald wieder kommst, die Rosi hat auch schon nach Dir gefragt, ... wann genau kommst du?“, möchte Jacob wissen. „Ich starte in drei Tagen. Mein Sohn fährt mit einem kleinen Transporter meine Pflanzen in den neuen Garten, die ich hier im Schleswig Holsteiner Garten ausgegraben habe. Es ist möglich, dass er noch vor mir ankommt, weil er eher losfährt. Er hat meinen zweiten Gartenschlüssel, also wundere Dich nicht, wenn jemand bei mir im Garten ist“. „Gut, dann weiß ich Bescheid, ich bin da, ich stelle den Strom wieder an, … du kannst ja auch noch eine SMS schicken bevor du losfährst!“. „Das kann ich gerne machen, also dann tschüss, man sieht sich, … bis später!“. Es freut mich, dass alles so klappt, wie es im Herbst zwischen Jacob und mir vereinbart wurde und wenn jemand verlässlich ist, so wie es aussieht. Am Tag meiner Abreise schicke ich wie versprochen eine SMS, steige ins Auto und fahre los. Als ich eine Weile unterwegs bin klingelt meine Handy. Ich fahre rechts an den Straßenrand heran und halte an. Es ist Jacob „Na, bist du schon losgefahren?, wir warten auf dich, die Rosi ist auch da“. Ich bin etwas irritiert über den Anruf, eigentlich weiß man doch, dass man von Schleswig Holstein bis nach Sachsen nicht nur eine Stunde unterwegs ist. Ich antworte aber scherzend: „Ja, sicher bin ich losgefahren, aber ein wenig Flugzeit brauche ich schon noch!“. „Na, dann guten Flug!“, meint man am anderen Ende der Leitung und ich lege auf. Ich schalte das Telefon aus, es stört mich beim Autofahren und zu Hause melde ich mich, wenn ich angekommen bin. Die Fahrt verläuft gut und ohne Zwischenfälle. Als ich mein Ziel erreiche ist mein Sohn Niklas bereits fertig mit dem Abladen der besagten Pflanzen und meiner Gartensitzgruppe. Auch der Radiator steht schon in meiner Hütte. Ich sehe mich um nach Niklas und höre ihn im Garten nebenan mit Jacob sprechen. Ich befreie Betty aus dem Auto und schließe es ab. Ausräumen kann ich später noch. Ich versorge meinen Hund mit frischem Wasser und gehe ebenfalls hinüber in den Nachbargarten. Niklas und Jacob sitzen vor der Hütte an einem Tisch und lassen sich ein Bier schmecken. „Hallo, Marli, schön, dass du wieder da bist, möchtest du auch ein Bier haben?“, werde ich von Jacob begrüßt, der sogleich aufsteht, ein paar Schritte entgegenkommt und mir die Hand reicht. „Ach, ja warum nicht, die Fahrt war lang“, nehme ich das Angebot an. Jacob geht in die Laube, er kommt mit drei Flaschen zurück und stellt sie auf den Tisch. „Komm` setz` dich, trinken wir ein Schnäpschen zur Begrüßung dazu?“, fragt er und geht ohne eine Antwort abzuwarten in die Hütte zurück, holt eine Flasche Korn und drei Schnapsgläser. „Ja, einen trinke ich mit, aber bringe mir für das Bier ein Glas mit bitte, ich kann schlecht aus der Flasche trinken“. Er bringt mir das gewünschte Bierglas mit und gießt dann einen Schnaps ein. Niklas lehnt ab, er will noch am späten Abend zurück fahren. „Die Rosi ist vorhin gerade wieder los gegangen, kurz bevor Du angekommen bist, die ging mir schon auf den Sack, weil sie dauernd gefragt hat, wann du kommst, dann musste sie aber doch nach Hause, wegen ihrer Katze, aber sie kommt bestimmt morgen wieder“, berichtet Jacob und wischt mit der Hand eine verschüttete kleine Schnapspfütze vom Tisch. Dann fügt er hinzu: „Ich habe ihr nämlich schon gesagt, dass sie wieder mithelfen kann bei dir da drüben, jetzt im Frühjahr gibt es genug Arbeit und allerhand Pflanzen hast du von deinem alten Garten auch mitgebracht die eingesetzt werden müssen, … ich komme natürlich auch, das ist doch klar“. „Ja, das ist ja wirklich schon fast eine halbe Gärtnerei, ich kann mir gar nicht vorstellen, wo du das alles hinpflanzen willst Mutti“, schaltet sich Niklas in das Gespräch ein. „Sicher gibt es viel zu tun, aber ich habe mindestens zwei Wochen eingeplant und mir auch schon Gedanken gemacht, wo ich welche Staude hinpflanzen möchte. Hauptsache das Wetter hält sich einigermaßen, wenn es so schön bleibt, wie es gerade ist, dann gibt es keine Probleme“. „Du willst doch nicht etwa heute noch mit der Arbeit anfangen?“, erkundigt sich mein Sohn weiter. Ich komme nicht gleich zu Wort, weil Jacob meint, für mich antworten zu müssen. „Nein, heute wird nichts mehr gemacht, ich habe doch gesagt, die Rosi kommt morgen auch wieder, die hat sowieso ansonsten bloß Langeweile zu Hause“. Er gießt noch einen Korn nach und dreht sich eine Zigarette. „Ja, siehst`e Mutti, da hast du doch Hilfe, das ist doch schön, wenn du nicht alles alleine zu machen brauchst“, stellt Niklas fest und untermauert damit Jacobs Worte. „Nein, heute räume ich nur noch das Auto aus und wässere die Pflanzen ein, der Tag war lang genug“, antworte ich und lehne einen weiteren Schnaps ab, den Jacob gerade eingießen wollte. Er zögert nicht, sich sein Glas erneut zu füllen und meint zu Niklas, der ein weiteres Bier ablehnt: „Und du willst heute noch wieder abhauen, hast du gesagt?“. „Du kannst auch bei mir in der Hütte übernachten, es ist platz genug, eingekauft habe ich auch ausreichend zum Abendessen und zum Frühstück“, biete ich meinem Sohn an. „Nein, nein, Mutti, das ist gut gemeint, aber ich muss zurückfahren. Der Transporter muss morgen Früh abgegeben werden und ich muss dann noch in die Nachtschicht, … das wird zu spät, … na ja und die Anne wartet auch auf mich“, antwortet Niklas und verabschiedet sich mit den Worten: „Ich möchte noch ein paar Freunde besuchen bevor ich nach Hause fahre, … dann mach` s gut Mutti, … und melde dich, wenn du wieder da bist“. Er reicht Jacob die Hand und umarmt mich anschließen flüchtig. „Und du melde dich, wenn du zu Hause angekommen bist und fahre bitte vorsichtig Niklas, … und vielen Dank, dass du mir den ganzen Krempel hier her gefahren hast“. „Ja, ist schon gut Mutti, das ist doch klar, das habe ich doch gern für dich getan“, sagt er und meint noch zu Jacob: „Tschüss dann, man sieht sich“, während er von Betty begleitet zum Gartenausgang geht. Ich stehe auf und folge den Beiden zur Gartenpforte und verabschiede meinen Sohn, der den Transporter ein paar Schritte vor meinem Garten geparkt hatte. Ich gehe in meinen Garten zurück, dessen Eingang nur ein paar Meter von Jacobs Gartentor entfernt ist. „Marli!, kommst du noch einmal zu mir herüber, ich möchte dich noch etwas fragen!?“, ruft Jacob zu mir herüber. „Ja, o.k. ich komme gleich, ich will nur noch meine Pflanzen wässern, sie sind ziemlich trocken geworden!“, rufe ich ihm zu. Gleichzeitig ärgere ich mich wieder über mich selber, wie schon einmal, weil ich mein Handeln vor ihm erklärt habe. Das ist eine ganz dumme Angewohnheit von mir, die ich mir bislang nicht abgewöhnen konnte.Auch wenn ich einem Patienten einen anderen Termin geben oder absagen musste, habe ich es immer begründet warum ich es tue oder tun muss. Es sind doch Fremde gewesen so wie Jacob es auch derzeit war und ich war und bin doch niemanden Rechenschaft schuldig. Vielleicht kommt es auch ein wenig daher, weil meine Mutter immer, egal wie alt ich gewesen bin von mir genau wissen wollte wo ich war, wo ich hingehe, warum ich es tue und wann ich wieder komme. Ich nehme ein paar große Schüsseln und Eimer die ich zur Verfügung habe und stelle meine mitgebrachten Pflanzen ins Wasser. Wir haben Mitte April und es ist für die Jahreszeit außergewöhnlich warm, sodass man am Abend noch eine ganze Weile draußen sitzen kann. Trotzdem habe ich meinen Radiator von zu Hause mitgenommen. Ich komme der Aufforderung nach. Ich gehe noch einmal zu Jacob hinüber und nehme mir eine Flasche Wasser mit. Auf dem Weg dahin überlege ich mir, dass es vorteilhaft wäre, gleich morgen früh zum Baumarkt zu fahren, um eine Biotoilette zu besorgen, damit ich nicht immer die Sträucher aufsuchen muss, denn bei dem schönen Wetter sind garantiert mehr Leute unterwegs als im Herbst, es wäre mir peinlich, wenn … naja. Jacob steht auf, als er mich kommen sieht. Er wischt sich mit einem Taschentuch ein paar Schweißperlen von der Stirn und fragt: „ Hast du inzwischen schon eine Toilette?“. Als ich seine Frage verneine sagt er: „Komm`, ich will dir etwas zeigen“, er nimmt mich an die Hand und deutet auf einen kleinen Anbau an seinem Schuppen. „Weißt du was das ist?“. Ohne eine Antwort von mir abzuwarten spricht er weiter: „Ich habe eine Toilette gebaut, damit du nicht immer in die Büsche gehen musst, auch für uns hier drüben war das eigentlich schon lange fällig. Es ist doch blöd, wenn man gegebenenfalls auch noch mit dem Spaten losziehen muss, … du weißt doch was ich meine, aber nun habe ich einen vernünftigen Donnerbalken gebaut, … hauptsächlich wegen dir!“. Er öffnet stolz die Tür zur neuen Örtlichkeit und präsentiert seine gelungene Arbeit. Ich bin doch recht überrascht und ich finde nicht gleich die richtigen Worte. Er fragt: „Na, wie findest du das?, der Franzl hat sicher gedacht, nun ist er ganz übergeschnappt, baut extra eine Toilette, aber wie gesagt, so eine hübsche Frau und in die Büsche gehen, das geht gar nicht“. „Das ist ja wirklich toll, so wie du das gemacht hast, das muss ich wirklich sagen, ich staune, das ist eine feine Sache, die du dir da hast einfallen lassen“, antworte ich ehrlich und ergänze: „Na, also, eine Toilette hat noch niemand wegen mir gebaut“. „Das ist aber noch nicht alles, fällt dir nichts auf?“, fragt er. Ich schaue mich um. „Nein, im Moment nicht“. „Na, dann schau mal her, hast du es noch nicht gesehen?, ich habe hier in den Verbindungszaun zwischen unseren beiden Grundstücken ein Türchen eingebaut, damit du im Schlafanzug nicht immer außen um den Garten herum laufen musst, wenn du morgens zur Toilette möchtest. Auch wenn du während des Tages oder am Abend zu mir herüber kommst ist es leichter und angenehmer als immer der Umweg an der Straße entlang“. Ich bin mit diesen Dingen ein wenig überfordert, wenn ich es so bezeichnen kann. Ich habe mit keiner Silbe an so etwas gedacht, geschweige denn erwartet. Ich weiß nicht so recht, was ich eigentlich antworten soll. Das mit der Toilette fand ich ja wirklich als eine gute Idee, für alle Beteiligten, aber einfach ein Türchen einzubauen, damit fühlte ich mich doch ein wenig übergangen, weil man mich darüber nicht um meine Meinung gefragt hatte. So lange kannte ich ja nun den Jacob noch nicht, dass er eigenmächtig darüber entscheidet, denn schließlich kann nicht nur ich jetzt jederzeit zu Jacob hinüber gehen, sondern umgekehrt auch. Eigentlich hätte ich dann doch lieber, wenigstens vorerst, den Umweg an der Straße bis zur Toilette vorgezogen. „Na, da verschlägt es dir die Sprache, was?“, triumphiert Jacob, als er sieht, dass ich ein wenig irritiert über diese Angelegenheit bin. „Ja, doch ein wenig“, gebe ich etwas verlegen zu. Ich bin zu feige, wie es halt meine Art ist, zu sagen, dass man mich hätte auch vorher fragen können und vielleicht auch, weil ich denke, dass diese Veränderungen, die mich erwartet haben, gut gemeint waren von Jacob. Für mich bleibt die Frage offen im Raum stehen: Was eigentlich denkt Jacob?. Warum tut er das?. „Na, das sind ja Überraschungen, ich weiß nicht , was ich sagen soll, Jacob“, äußere ich nach einer längeren Gedankenpause. „Ich habe das gern getan Marli, das ist doch alles viel einfacher, und du gefällst mir eben und ich freue mich, dass du wieder da bist, na komm`, wir trinken noch ein Bierchen zusammen, es ist so schön, wir können noch draußen sitzen. Heute machst du doch sowieso nichts mehr, morgen kommt auch die Rosi, wir helfen dir wieder, dann geht es schneller. Ich werfe den Grill an, dann können wir zum Abendbrot Bratwürste essen, ich habe extra welche besorgt“. „Oh, das ist aber schön, ich muss ehrlich sagen, dass ich Hunger habe“, gestehe ich und füge hinzu: „Warte, ich hole ein paar Teller“. „Die kannst du doch gleich hier bei mir nehmen, wir haben auch Geschirr. Im hinteren Raum steht ein Schrank, da wo der Kühlschrank ist.“ Er, holt Anzünder und Holzkohle und zündet den Grill an. Ich gehe durch den kleinen Raum mit dem Sofa und dem Fernseher. Wie er sagte steht im hinteren Zimmer der Kühlschrank und ein Teil einer alten Wohnwand, sowie auch ein Regal und ein Bett. Hier könnte wirklich einmal Staub gewischt werden, denke ich bei mir und wundere mich nicht nur über die Unordnung die hier herrscht, weil der vordere Raum bis auf ein wenig Staub ganz o. k. war als ich das letzte mal hier gewesen bin und zum Fernsehen eingeladen war. Wenn die Rosi hier fast jeden Tag ein und aus geht, egal was sie nun für eine Rolle spielt, dann könnte sie doch einmal Hand anlegen und ein wenig Ordnung schaffen. Vielleicht fühlt sie sich nicht verantwortlich und denkt sich, dass die Lebensgefährtin von Jacob dafür zuständig wäre, stelle ich Überlegungen darüber an. Ich nehme die Teller aus dem Schrank und frage mich nicht zum ersten Male, warum die Katrin so wenig Interesse für den Garten zeigt und kaum einmal hier ist. Der Jacob sprach vorhin wieder nur von der Rosi, dass sie morgen kommen würde, aber von der Katrin war erneut keine Rede. Ich nehme die Teller, hole Besteck und bringe es nach Draußen.Während wir warten bis es soweit ist, um die Bratwürste auf den Rost zu legen, sitzen wir vor seiner Hütte an einem runden Gartentisch. Von hier aus kann man bis zur Bootsanlegestelle am See schauen. „Hier ist im Sommer jetzt immer allerhand los seit der Bootsanleger unmittelbar hier vorne ist. Zu DDR – Zeiten war es ein ganzes Stück bis man zur Anlegestelle kam. Um den See herum musste man laufen, fast bis auf die andere Seite, aber das weißt du ja sicher noch, wenn du früher hier gewohnt hast“, erinnert sich Jacob. „ Ja, das weiß ich noch, das alte Bootshaus da hinten ist ja noch am alten Fleck, eigentlich könnte man es nun auch abreißen, es ist halb zerfallen und erfüllt so seinen Sinn nicht mehr, es ist eher ein Schandfleck geworden im Laufe der Zeit. Das hier vorne ist ganz neu mit der großen Ausleihstation auch zum Tretboot fahren wie ich sehe. Ein neuer Kiosk gehört jetzt auch dazu“. „Ja, da hast du recht, entweder abreißen, oder man hätte es neu aufbauen und modernisieren können, dann hätten wir den ganzen Betrieb jetzt nicht vor der Nase. Gut ist es, dass es nicht mehr so weit ist bis zum Imbiss,der gehört einem Italiener, wenn die Rosi morgen kommt, dann kann sie für uns alle dort Pizza holen, die schmeckt am besten hier. Weit und breit gibt es keine bessere zu kaufen, man kann sich aussuchen, was man als Belag haben möchte. Jede wird ganz frisch und so belegt, wie es jeder haben möchte“. Er steht auf und legt die Bratwürste auf den Grill. „Es ist schön, dass außer meinen Kumpels und der Rosi jetzt noch jemand da ist, ... und dazu auch noch jemand, der so nett ist wie du“, raunt er schmeichelhaft. Ich sage nichts und lächele nur zu ihm hinüber. Während er sich mit den Bratwürsten beschäftigt habe ich einen Augenblick Gelegenheit, ihn etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Ich muss gestehen, dass er für sein Alter noch recht passabel aussieht, auch wenn er ein wenig untersetzt ist und ein stattliches Bäuchlein aufweist. Seine markanten Gesichtszüge und ein jugendlicher Haarschnitt lassen ihn zumindest interessant wirken. Dennoch habe ich ehrlich gesagt keine Ambitionen mich auf eine nähere Beziehung einzulassen, auf die der Jacob offensichtlich hinsteuert. Natürlich liegt es mir daran, eine nette und hilfsbereite Nachbarschaft mit gelegentlicher Hilfe, die auf Gegenseitigkeit beruht zu unterhalten. Ich freue mich, dass ich dieses Seegrundstück bekommen hatte und meinen Garten, sowie die kleine Behausung auf Vordermann bringen konnte. Ich weiche seiner schmeichelhaften Feststellung bewusst aus, indem ich mich nach Katrin erkundige. „Die Rosi ist morgen wieder da sagtest du vorhin, kommt die Katrin auch ?“. „Nee, die Katrin hat wie ich schon sagte keinerlei Interesse für den Garten, die hockt lieber zu Hause, ich verstehe es auch nicht, aber das ist schon die ganzen Jahre so. Ich habe dir doch schon gesagt,dass ich fast immer alleine im Garten bin und nur zum Rasieren und Duschen mit dem Moped nach Hause fahre. Da bringe ich mir auch immer einen Kanister Wasser mit, wenn ich mal einen Kaffee machen will. Bei der Gelegenheit schaue ich dann immer, ob alles klar ist, ich habe dir doch erzählt, dass man die Katrin nicht völlig ohne Aufsicht lassen kann und dass ich ihr ständig sagen muss, was sie zu machen hat. Ja, ein Zusammenleben ist es nicht, aber ich fühle mich verantwortlich für sie, schon wegen meiner Tochter Lara“, antwortet er. Die Bratwürste sind indessen fertig. Jacob nimmt sie vom Rost und legt sie auf einen großen Teller. Dann geht er in die Laube, bringt Senf und stellt fragend fest: „Zum Essen trinkst du doch sicher noch ein Bier mit, da schmeckt kein Wasser, ich stelle Dein Wasser solange in den Kühlschrank, es ist schon ganz warm geworden?!“. Ich erkläre mich damit einverstanden und wir essen gemeinsam, nachdem ich von Jacob bedient wurde, indem er mir persönlich den Teller vollpackte und Bier einschenkte. Ich kannte es ja wie erwähnt überhaupt nicht, dass ich von einem Mann bedient wurde und gewohnt war ich es schon gar nicht. Es kam mir so neu und fast unglaubhaft vor, dass mir alles vorgesetzt wurde und ich nur noch zu essen brauchte. Aber ich würde lügen, wenn ich sage, es hat mir nicht gefallen. Nur gab mir das alles Rätsel auf, warum verzichtet die Katrin auf das, was man durchaus schon als Fürsorge bezeichnen kann. Ich fand keine Antwort darauf, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Als wir gegessen hatten steht er auf und räumt den Tisch ab. „Kann ich Dir nun auch noch einen Schnaps anbieten, zur Verdauung?, die Arbeit ist doch fertig für heute, oder?“, fragt er. Ich sehe keinen Grund es abzulehnen, ich lasse mir ein Gläschen nachkippen und meine dann: „Ich danke dir für die nette Bewirtung Jacob, aber ich bin müde, es war ein langer Tag, nehme es mir nicht übel, aber ich glaube, ich gehe für heute in mein Bett“, bedanke ich mich bei meinem Gastgeber. Mein Hund, der sofort mitbekommt, dass ich mich zum Gehen rüste, steht gleich auf und läuft vorneweg. „Dann geh` nur, aber ich wollte dich noch etwas fragen Marli“. Er begleitet mich zum neuen Türchen. „Ja,und das wäre?“. „Ich habe am Freitag Geburtstag, ich wollte fragen, ob du kommen würdest, ich möchte dich gerne dazu einladen?“. „Ja, warum denn nicht, ich komme gerne“. „Das ist schön, da freue ich mich, wenn du dabei bist“,meint er. „Dann gute Nacht und nochmals vielen Dank für das Abendessen“, verabschiede ich mich. „Gute Nacht, dann bis morgen, schlaf` gut“, ruft er noch, als ich bereits die Tür meiner kleinen Hütte erreicht habe. Ich krabbele unter meine Decke, momentan ist es warm genug und ich brauche den Schlafsack nicht. Auch meine Betty nimmt ihren Platz ein und ich bin so müde, dass ich keine Gelegenheit mehr habe, weder über Jacob noch über Katrin oder die Rosi nachzudenken, weil ich gleich einschlafe. Am nächsten Morgen werden Betty und ich von der Sonne geweckt, das schöne Wetter setzt sich fort. Nebenan ist es noch still, ich ziehe meinen Bademantel über und schlüpfe durch das Verbindungstürchen in Richtung Toilettenhäuschen. Ganz in Ruhe genieße ich nach einer Katzenwäsche einen köstlichen frischen Kaffee und backe mir auf dem Toaster Brötchen auf. Ich kann bereits vor meiner Hütte auf der Bank sitzen und frühstücken. Die Sonne scheint und ich habe freien Blick auf einen Teil des Sees. Den neuen Anleger kann ich von meinem Garten aus nicht sehen, das geht nur von Jacobs Seite aus. Aber ich habe einen schönen Blick auch auf das andere Ufer des Sees mit, an dem sich sicher bald wieder ein paar Angler aus den umliegenden Gärten einfinden werden. Ich sitze da und nehme mir Zeit, ich werde noch eine Weile hier sein. Ich will mich während meines Aufenthaltes in der alten Heimat noch einmal wegen einer Wohnung kundig machen, damit ich anfangen kann, meinen Umzug zu planen. Noch diese Woche werde ich erneut bei der Wohnungsverwaltung vorsprechen und nach meinem Antrag fragen.
Ich räume zuerst die Hütte ein wenig auf, verstaue mitgebrachte Dinge und nehme auch die Reste der alten, hässlichen Gardinen ab.
Gegen 9.00 Uhr mache ich mich daran, eine Terrasse um meine kleine Behausung zu bauen. Ich habe einen Teil der Bretter mitgenommen, die im letzten Garten als Bonanzazaun ihre Verwendung hatten. Auch mein Hund Betty hat ausgeschlafen und kullert sich im Gras. Nach einer Weile kommt wie erwartet der Jacob durch das neue Türchen zu mir herüber. Ich erschrecke mich dennoch ein wenig, weil er dadurch so von jetzt auf gleich plötzlich vor mir stehen kann. Auch Betty hat schnell mitbekommen, dass es jetzt diese Verbindung zwischen den beiden Gärten gibt, aber sie sieht und hört alles viel schneller als ich. Sie bellt auch nicht mehr, wenn Jacob näher kommt. Aber ich finde mich irgendwie von ihm beobachtet und fast kontrolliert, weil ich mit diesem ungefragten Eingriff nicht gerechnet hatte. Wie schon gesagt, fand ich die Idee mit dem Toilettenhäuschen gut, aber ich hätte lieber den Umweg über die Straße in Kauf genommen. „Du bist doch schon wieder am Werkeln, ich helfe dir doch bei allem, was du machen willst“, sagt er und nimmt mir direkt den Schraubendreher aus der Hand, um sich selber an die Arbeit zu machen. „Das sieht bestimmt gut aus mit der kleinen Terrasse, irgendwie abgeschlossen. Ich würde an deiner Stelle eine Schlingpflanze an die Ecke deines Häuschens setzen, irgendetwas, was schnell wächst, dann sieht man es vom anderen Ufer aus nicht so schnell, die blaue Farbe leuchtet weit“, schlägt er vor. „Genau das hatte ich vor, ich bin morgen sowieso unterwegs weil ich zur Wohnungsverwaltung wollte, da fahre ich am Baumarkt vorbei, außerdem wollte ich die Hütte noch streichen und eine Farbe nehmen, die nicht so schrill bis an das Ende der Welt leuchtet“, meine ich scherzhaft. „Na, du machst das aber alles ganz genau, damit es schön aussehen soll“, antwortet er und schraubt die Bretter für die kleine Terrasse zusammen. „Ich möchte ja auch noch eine Weile die kleine Hütte hier erhalten, … und schön aussehen soll es schließlich auch, wie du sagtest“. „Und was für eine Farbe nimmst du?“, fragt er. „Ich habe gedacht, ich nehme eine grüne Farbe, die fällt zwischen den Bäumen nicht so auf und erinnert mich ein bisschen an die kleine Gartenlaube bei meinen Großeltern als ich noch ein kleines Mädchen war“. „Das ist eine gute Idee, … cool“, fügt er hinzu. „Jetzt werde ich mir aber erst einmal meine Pflanzen vornehmen, die müssen an Ort und Stelle wenn es etwas werden soll“, sage ich zu Jacob. Er schaut mich von der Seite an . „Ich klettere solange einmal auf das Dach von deiner Laube und sehe nach, ob die Dachpappe noch in Ordnung ist, es wäre schade, wenn es irgendwo herein regnet“. Ich bin noch immer erstaunt über soviel Hilfe die mir zu teil wird. „Du, Jacob, das ist mir ja schon fast unangenehm, ich will dich nicht vereinnahmen, du hast doch selber bestimmt genug zu tun“. „Nun, höre endlich damit auf, ich helfe dir doch gerne, die Blumen bei mir und Franz im Garten das macht der Franzl sowieso lieber selber, mache dir doch nicht soviel Gedanken, ich steige jetzt hoch und sehe einmal nach“, sagt er forsch und umfasst dabei grinsend meine Schulter. … „Und weißt du was?, soll ich dir was sagen?“. „Ja, und das wäre?“, frage ich Jacob, der mich noch immer genau mustert „Ich habe dich heute morgen gesehen, wie du mit deinem Bademantel ganz schnell durch das Türchen zur Toilette gelaufen bist“. „Ach ja?“, frage ich ein wenig erschrocken nach. „Du hast niedlich ausgesehen mit Deinen zerzausten Haaren, du hast dich schnell umgedreht, aber du hast mich nicht sehen können“, lacht Jacob. „Oh“, antworte ich nur, weil es mir ungewohnt und unangenehm ist. „Was ist oh?, das braucht dir doch nicht peinlich zu sein. Außerdem siehst du doch wirklich noch sehr gut aus“, kommt seine Antwort, die ich ehrlich eingeschätzt habe, obwohl ich mich nicht so sehr gerne beobachten lasse. Ich bin es nicht mehr gewohnt, mich den Blicken anderer auszusetzen, bevor ich mich nicht ein wenig zurecht gemacht oder wenigstens gekämmt habe. Er steigt auf die Hütte und ich nehme mir die Pflanzen vor, die mir Niklas aus meinem Garten in Schleswig Holstein bis hier her gebracht hatte. Ich habe sogar den Knöterich, eine schnell wachsende Schlingpflanze ausgraben können und sie hat wie fast alle Stauden den Transport gut überstanden. Ich setze sie an eine Ecke der kleinen Laube. Bis sie anfangen würde richtig los zu wachsen habe ich das Häuschen fertig gestrichen. „Es wäre gut, wenn du aus dem Baumarkt noch einen Kübel Teer mitbringen könntest für das Dach, den gibt es auch schon als Kaltanstrich. Das Dach ist soweit in Ordnung, aber ein neuer Teeranstrich wäre gut!“, ruft Jacob vom Dach herunter. Indessen kommt die Rosi des Weges und steuert direkt auf meinen Garten zu. „Es wird ja Zeit, dass du auch schon kommst, du kannst gleich wieder umkehren und für uns alle Pizza holen!“, ruft Jacob der Rosi mit rauem Tonfall zu, es klingt wie eine unfreundliche Anweisung. Sie ruft nur „Hallo“ zu mir herüber und verschwindet mit einem Beutel in Jacobs Hütte. „Heh, hast du gehört Rosi, du sollst Pizza holen!“, wiederholt er barsch seinen Auftrag. Während die Rosi aus der Nachbarlaube zurückkommt, wundere ich mich nicht zum ersten Male über den Ton von Jacob der Rosi gegenüber und darüber, dass sie nichts dazu sagt. „Ja, ich gehe ja schon, was soll ich denn für eine mitbringen Jacob?“, würgt sie etwas gequält hervor „Du weißt doch genau, ich nehme immer eine doppelt belegte mit Salami!“, ruft er unwirsch noch immer auf dem Dach stehend. „Soll` ich dir auch eine mitbringen Marli?“. Bevor ich dankend zusagen kann, ertönt gleich erneut Jacobs schroffe Stimme: „Was ist denn das wieder für eine blöde Frage, bist du doof oder was? Klar bringst du der Marli auch eine mit, die gehört doch jetzt zu uns hier!“. Ich nicke der Rosi zu und sage : „Ja, bitte, mit viel Käse, wenn es geht“. Jacob ist indessen vom Dach herunter gekommen und kramt in seinen Hosentaschen nach Geld. Ich gehe in meine Hütte und hole ebenfalls Geld für die Pizza und sage: „Lass` mal stecken Jacob, die Pizza gebe ich aus heute, … für deine Hilfe, du bist auch eingeladen Rosi“. „Dann bringe für das Geld hier noch ein paar Bier mit“, sagt Jacob, er gibt der Rosi das Geld aus der Hosentasche und sagt: „Na, dann schönen Dank, Marli“. „Ich habe zu danken Jacob, für deine Hilfe“. „Du sollst dich nicht immer bedanken, das mache ich doch gerne, ich habe doch Zeit!“, behauptet er sich und sagt: „Komm, wir machen erst mal Mittag, die Rosi ist gleich zurück, das dauert nicht lange“.
Ich wollte erst eine Bemerkung machen wegen dem Ton, den der Jacob der Rosi gegenüber hat, aber ich lasse es dann doch bleiben, weil ich noch immer nicht weiß, in welcher Beziehung sie zueinander stehen und ich frage stattdessen noch einmal nach der Katrin. „Kommt denn deine Katrin auch vorbei?“. „Nee, die hat Spätschicht, die arbeitet im Supermarkt, ich weiß nicht, ob sie am Wochenende frei hat, aber ich habe dir doch gesagt, die hat kein Interesse für den Garten“ , brummelt Jacob. „Das ist schade, gerade jetzt bei dem schönen Wetter, es soll ja richtig heiß werden am Wochenende“, spreche ich weiter. „Ich kann sie ja mal fragen, ich fahre morgen nach dem Frühstück zum Rasieren und zum Duschen nach Hause, … aber ich glaube nicht, dass sie kommt“. Er nimmt die letzten beiden vollen Bierflaschen aus dem Kasten und während er sie öffnet sagt er fragend: „Du trinkst doch sicher auch ein Bier zum Essen?, ...oder?“. „Ja, warum nicht, ich kann mir auch ein Bier mit der Rosi teilen, ich will heute doch noch später zum Baumarkt fahren und nicht erst morgen. Ich werde gleich morgen zur Wohnungsgesellschaft gehen“. Er dreht sich eine Zigarette und bietet mir auch eine an. „Nein, ich rauche nur sehr selten mal eine mit, wenn in Gesellschaft gefeiert wird, ansonsten nicht“. „Kannst Du mir einen Gefallen tun?“, fragt er. „Und welchen bitte?“. „Wenn du zum Baumarkt fährst, könntest du da einen Kasten Bier mitbringen? Ich gebe dir Geld mit?, Die Rosi bringt zwar ein paar Flaschen mit, aber es wird nicht reichen bis übers Wochenende. Ich denke mal, der Franzl wird sich bei dem schönen Wetter sehen lassen und mein Kumpel der Achim auch, das ist ein Freund, der öfter mal zum Angeln vorbeikommt, du weißt doch wegen meinem Geburtstag“. „Ja, das kann ich freilich machen, das ist doch kein Problem, wenn ich sowieso mit dem Auto noch unterwegs bin“. „Das ist schön, da freue ich mich“, meint er und dreht sich ein paar Zigaretten auf Vorrat, während wir draußen am Tisch unter dem Sonnenschirm sitzen und auf die Rosi warten. Auch Betty ist mir wie immer gefolgt und liegt unweit vom Tisch entfernt im Gras „Es wird ja Zeit! Kannst gleich mal noch Messer holen!“, wird die Rosi von Jacob lautstark empfangen und ich wundere mich schon wieder über diesen Ton und auch wieder über die Rosi, die ohne Widerspruch zu machen scheint, was sie von Jacob aufgetragen bekommt.
Nach der ausgiebigen Pause bleiben wir alle noch eine Weile sitzen, bis ich keine Ruhe mehr habe, weil ich noch ein bisschen vorankommen will in meinem Garten. „Ich gehe rüber zu mir, also dann bis nachher“, rufe ich den beiden zu, die noch am Tisch sitzen bleiben. Es dauert aber keine halbe Stunde, da stehen beide bereits wieder hinter mir. „Du arbeitest doch schon wieder! Kannst du denn wirklich nicht einmal eine längere Pause machen?!“, höre ich Jacob fast vorwurfsvoll rufen. „Morgen ist doch auch noch ein Tag!“. „Da hast Du sicher recht, aber Du weißt, ich will noch allerhand schaffen,solange ich hier bin … ich will wenigstens noch einmal ausgiebig gießen bevor ich zum Baumarkt fahre.“ „Das kann die Rosi machen und ich helfe auch mit, los komm` und setze Dich mit uns noch einen Moment hin!“, fordert Jacob forsch. Ich gebe mich geschlagen und folge den beiden zurück in ihr Grundstück. Am See haben sich ein paar Leute eingefunden und paddeln mit den kleinen Booten auf dem stillen Wasser. „Wenn das Wochenende so warm wird, wie sie sagen, dann wird hier allerhand los sein!“, meine ich zu Rosi. „Ja ja, da drüben in der Pizzabude ist heute schon viel Betrieb gewesen“, berichtet sie während der Jacob neuen Tabak holt und sagt: „Komm` Rosi, Du kannst mir mal ein paar Zigaretten drehen, damit Du etwas zu tun hast!“. Ohne Widerspruch nimmt die Rosi die Tabakbüchse und das Zigarettenpapier an sich, sowie das kleine Hilfsgerät, welches eigens für diesen Zweck verwendet wird und macht sich wortlos an die ihr zugeteilte Arbeit. Jacobs Handy klingelt. „Hier bin ich, hier im Garten, … wie immer, … die Rosi ist auch da, … jaa, die Marli ist auch da, … du kannst mal mein Handy aufladen, … jaa, ich komme morgen früh mal nach Hause, … tschüß, …. tschüüüüß! Das war die Katrin“, gibt der Jacob etwas unfreundlich von sich. Er steht auf und kramt in dem Beutel, den die Rosi vorhin in eine Ecke vor die Hütte gestellt hat. „Willst du noch ein Bier Rosi?“, fragt er nicht gerade in sehr sanften Ton. „Jaa, Jacob, eins trinke ich noch, dann muss ich zum Bus, … meine Katze wartet!“ „Mehr kriegst Du auch nicht, das reicht für heute!“, mault er und meint in einem Atemzug zu mir: „Du hast doch von deinem Bier heute Mittag nur zwei Schlucke getrunken, Marli“ „Ja, ich weiß, ich trinke es später, wenn ich zurück bin, ich fahre erst einmal zum Baumarkt“, antworte ich und breche auf, natürlich folgt mir Betty wieder auf dem Fuße. Der Jacob kratzt sein Kleingeld zusammen, drückt es mir in die Hand.„Denkst Du bitte an den Kasten Bier? Warte, ich komme mit raus zum Auto und bringe den leeren Kasten mit“.
Als ich mit Betty vom Baumarkt zurück bin ist die Rosi bereits weg. Der Jacob kommt mir entgegen und trägt den Bierkasten in seine Hütte. „Das ist nett von dir , danke. Kommst du nachher noch ein bisschen rüber?, … Du hast auch noch Dein Bier stehen, ich habe es in den Kühlschrank gestellt“. Ich bejahe seine Frage und verstaue meine Einkäufe in meiner kleinen Laube, esse etwas und versorge auch wie immer meine Betty. Mein Handy klingelt, es ist mein frühere Nachbarin Johanna. „Marli?, da staunst du was?, ich bin`s Johanna, ich habe schon gehört, dass du bald wieder für immer da bist, ich freue mich schon darauf. Sag` mal, hast du vielleicht Lust am Sonnabend Nachmittag vorbei zu kommen?, mein Enkel hat Jugendweihe, da können wir mal ein bissel quatschen bei der Gelegenheit?!“. „Ach, ja, das ist eine gute Idee. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen, ich komme sehr gerne!“, antworte ich. „Na prima, alles klar, dann bis Sonnabend, … ich freue mich schon!“. „Ich freue mich auch Johanna, bis Sonnabend dann, … tschüssi!“. Ich stecke mein Handy ein und fordere Betty mit einem Pfiff auf mir zu folgen. „Komm` Betty, wir gehen noch einmal hinüber zu Jacob“. Die Tür zu seiner Hütte steht offen, für April haben wir ungewöhnlich warme Temperaturen. Durch die Verbindungstür, die Jacob in den Gartenzaun eingebaut hat, sind es nur ein paar Schritte bis zu seiner Tür. Sie steht offen, dennoch klopfe ich leise an. „Komm` rein, du brauchst doch nicht immer klopfen, außerdem ist die Tür auf!“,ruft Jacob mit seiner kräftigen, rauen Stimme, die fast schon gewöhnungsbedürftig ist, erst recht, wenn er lauter spricht oder der Rosi sagt, was sie zu tun habe. Ich setze mich wie immer auf das kleine Sofa und Jacob sitzt mir auf seinem Stuhl gegenüber. Auch wie immer befindet sich der Stuhl mit der Lehne zur Wand, sodass er mich, den Fernseher und die Tür gleichermaßen im Auge hat. „Na, Marli, willst du dein Bier noch trinken, oder soll ich eine Flasche Wein aufmachen?, fragt er, nimmt einen kräftigen Schluck Bier aus seiner Flasche und steckt sich eine von seinen selbst gedrehten Zigaretten an. „Ich trinke noch mein Bier aus, dann verziehe ich mich Jacob, ich bin recht müde. Ich will morgen nach dem Frühstück gleich los und mich erkundigen wegen einer Wohnung“.Jacob steht auf, holt mir unaufgefordert meine angefangene Flasche Bier, ein Glas und gießt mir ein. „Hast du eigentlich die gewünschte Farbe im Baumarkt bekommen?“, fragt er. „Ja, das habe ich, … und Teer auch“. „Das ist doch schön, da mache ich mich morgen gleich über das Dach bei dir drüben, wenn du von der Wohnungsverwaltung zurück bist, bin ich fertig, so groß ist es ja nicht“. „Jacob, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, nur, dass es mir wirklich schon peinlich ist, weil du dauernd bei mir arbeitest, … und die Rosi auch! Vielen Dank!“. „Und ich habe gesagt, du sollst dich nicht laufend bedanken, ich helfe gerne und ich habe doch Zeit!. Ist denn das so ungewöhnlich, wenn dir jemand hilft?“. „Zumindest ist es für mich ungewohnt, beide Ehemänner hatten zwei linke Hände und haben sehr viel getrunken, ich war immer auf mich alleine gestellt. Mein Vater ist verstorben, da war ich noch nicht einmal dreißig Jahre alt und Geschwister habe ich keine. Für mich ist das alles irgendwie unwirklich“. „Du kannst dich bei mir bedanken wenn du willst, wenn du am Freitag zu meinem Geburtstag kommst“. „Ja, ich habe doch gesagt, ich komme gerne, … aber jetzt sei mir nicht böse, ich gehe jetzt in mein Häuschen“, verabschiede ich mich und trinke im Stehen noch meinen letzten Schluck Bier aus. „Na, dann gute Nacht bis morgen, … wollen wir vielleicht zusammen frühstücken? Ich mache den Kaffee fertig, wenn ich dich in deinem Bademantel um die Ecke fegen sehe“,schlägt er mit einem gewinnenden Lächeln vor und gibt mir gleichzeitig einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Jaa, … gut, warum nicht, einverstanden, gute Nacht, dann sehen wir uns morgen“, erwidere ich, drehe mich um und gehe meiner Wege. Betty sitzt ein paar Meter entfernt und beobachtet alles. Als sie sieht, dass ich komme, läuft sie mir schwanzwedelnd ein Stück entgegen und dann schnurstracks, wie man sagt zur Tür meiner kleinen Laube. Ich mache das Licht an, ich möchte mich eigentlich noch ein bisschen frisch machen. Ich habe zwei Schüsseln gekauft. Eine für die Körperpflege und eine zum Geschirr abwaschen. Seife, Handtücher, Wasser aus dem See, alles ist da. Ich habe alles da, was man in so einer kleinen Behausung benötigt, aber an eines habe ich nicht gedacht: Ich habe vergessen, die neuen Gardinen, die ich im Winter zu Hause genäht habe, auch gleich anzubringen. Die alten Vorhänge habe ich entsorgt und jetzt habe ich natürlich, für heute Abend, für etwaige Interessenten freie Sicht. Zumindest, wenn ich das Licht eingeschaltet habe. Ein Hüttenfenster zeigt nach Jacobs Seite, ein Fenster weist zur Straße, dort gibt es zudem noch eine Straßenlaterne. Das dritte, kleine Fenster zeigt in Richtung See . Also mache ich das Licht lieber wieder aus und hänge an die beiden größeren Fenster provisorisch ein Handtuch. Ich gieße ein wenig kaltes Wasser in eine Schüssel und belasse es beim Gesicht und Hände waschen. Ganz leise schleiche ich mich schnell noch einmal hinaus und putze irgendwo im Gebüsch meine Zähne. Ich eile zurück in meine kleine Bude und krieche wie Betty unter die Decke. Mir ist etwas unbehaglich zumute, überhaupt jetzt, wo noch keine Gardinen an den Fenstern sind. Ich kann meine Hüttentür zwar von innen abschließen, aber die Vorstellung, Jacob könnte ohne Vorankündigung davorstehen oder zum Fenster herein schauen ist ein komisches Gefühl. Die Straßenlaterne wirft ihr geiziges Licht in meinen Garten. Dennoch drängt sich ein Teil davon durch den Spalt, den das Handtuch am Fenster freigelassen hat. Ich denke über Jacob nach. Er ist nett, aber ich weiß nicht, wie ich mich verhalten würde, sollte er den Versuch unternehmen, mir näher zu kommen. Ich fühle mich durch seine Hilfsbereitschaft überfordert. Ich kenne das nicht, dass mir von einem Mann so viel ungefragte Hilfe zu Teil wird. Viele Fragen drängen sich mir auf. Warum schläft der Jacob fast immer hier im Garten, wo er doch unweit von hier eine Wohnung hat und warum lässt sich die Katrin kaum einmal sehen? Warum schätzt sie es nicht, dass der Jacob fürsorglich ist, … oder ist er das zu Hause nicht?. Ist das augenscheinliche Interesse Jacobs an mir echt oder bin ich zu blöd, die Sache richtig einzuordnen?. Warum lässt sich die Rosi diesen nicht gerade freundlichen Ton von Jacob gefallen und tut umgehend das, was er von ihr verlangt?. Ich nehme mir vor, dem Jacob bei der nächsten Gelegenheit diesbezüglich ein paar Fragen zu stellen. Am nächsten Morgen scheint die Sonne, wie am Tag zuvor auch schon. Ich werfe meinen Bademantel über, husche durch das Türchen zur Toilette und steige vorsichtig ein Stückchen in den See hinein. Das Wasser ist kalt, aber weil bereits die Sonne scheint kann man es aushalten. Betty kommt verschlafen hinter mir her und stillt ihren Durst. Ich gehe zurück zu meiner kleinen Laube und ziehe meinen Trainingsanzug über. Ich erschrecke, weil jemand an meine noch immer zugehängte Fensterscheibe klopft. Ich nehme die Handtücher ab und öffne die Tür. „Guten Morgen,du bist ja auch schon in Gange, der Kaffee ist fertig und ich habe noch Brötchen von gestern“, meint Jacob. „O. k, ich habe einen Toaster, da können wir sie aufbacken“, antworte ich. „Das ist eine gute Idee, einen Toaster besitze ich hier im Garten nicht, … der Kaffee ist türkisch, wenn es dir recht ist“. „Ja, das mache ich im Garten auch nicht anders, Zucker brauche ich keinen, nur Milch, die bringe ich mit, wenn du keine hast“. „Nee, Milch habe ich nicht, aber ich nehme Süßstoff“, meint er. Er bringt die Brötchen und wartet bis ich sie aufgebacken habe. „Warum siehst du dich immer noch so ängstlich um, wenn du zur Toilette gehst und huscht dann schnell vorbei?“, grinst er mich an. „Na ja, ich muss mich eben erst daran gewöhnen“, antworte ich. „Ich finde es schön, dass jetzt noch jemand da ist. Wie lange bleibst du eigentlich diesmal?“. „Ich denke so bis Anfang Mai, dann muss ich wieder zurück“. „Oh, schön, das sind ja noch ein paar Tage, wir machen am 30. April immer Walpurgisfeuer, da wärst du ja noch hier!“. „Ja, genau, nach dem 1. Mai werde ich dann sicher abfahren.“ Wir nehmen unser Frühstück und gehen zu ihm hinüber und setzen uns an den runden Tisch vor seiner Laube, es ist ein schöner Morgen für ein ausgiebiges Frühstück. „Auf Frühstück habe ich schon immer viel Wert gelegt, auch als ich noch in meiner Praxis gearbeitet habe, schade, dass sie jetzt weg ist, bis August habe ich nur noch ein paar Hausbesuche, dann ist endgültig Schluss“, erzähle ich, weil ich das Thema Arbeit anschneiden will. „Na dann hau rein, ich frühstücke auch, aber allein ist es nicht so schön, oder?, gemeinsam schmeckt es besser“. Ich wollte erst sagen, dass er es ja eigentlich nicht allein zu tun brauchte, weil er ja mit Katrin frühstücken könnte, aber lasse es dann doch bleiben und sage: „Das stimmt, ich muss jetzt auch immer allein frühstücken, jedenfalls in der Woche, am Wochenende habe ich öfter mal Gesellschaft durch die Kinder. „Wolltest du heute nicht zur Wohnungsbaugesellschaft?“, fragt er nach. „Ja, genau, gleich nach dem Frühstück, ich laufe, es ist nicht weit bis in die Stadt hinein“. Wir sitzen noch eine Weile und ich trinke ausnahmsweise noch eine zweite Tasse Kaffee. Als ich das Geschirr wegräumen will, sagt er: „Nein, lass` nur stehen, das mache ich nachher, ich wasche es ab, ich habe doch Zeit“. Ich bedanke mich, ziehe mich um.und gehe langsam los. Donnerstag, ist immer ein Tag, an dem die meisten Ämter offen haben, an dem man viel erledigen kann und ich habe Zeit. Ich habe Glück, bei der Wobag ist nur eine Person vor mir und es dauert nicht lange, da kann auch ich mein Anliegen vorbringen. Ich sage der anwesenden Mitarbeiterin, dass ich gern im Oktober umziehen würde und fülle nochmals einen entsprechenden Antrag aus. Sie gibt mir den Rat, mich gleich noch auf dem Arbeitsamt zu melden, damit später auch von dieser Seite aus alles reibungslos abläuft. Gleichzeitig meint sie, als sie meine Angaben noch einmal durchliest: „Sie haben unter anderem Medizinische Fußpflege gelernt?“. Als ich es bestätige sagt sie: „Ich brauche auch immer unbedingt Medizinische Fußpflege, weil ich Probleme habe. Aber da wo ich hingehe, da fallen öfter die Termine aus, ich habe mal gehört, dass man dort dringend Personal brauchen würde“. „Oh, das wäre ja schön, wenn ich noch einmal Arbeit bekommen würde, wenn man etwas älter ist, dann wird es schwierig, noch irgendwo unter zu kommen, wo ist das denn?“. „Das ist direkt in der Stadtmitte, das ist eine größere Gesellschaft, die bieten auch noch Kosmetik an. Gegenüber im gleichen Haus ist ein Friseur der selben Firma, gehen Sie doch nachher gleich einmal vorbei und fragen Sie nach“, erklärt sie. „Das werde ich tun, fragen kostet nichts. Das ist nett von Ihnen, dass Sie mir das sagen“, entgegne ich. „Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg, vielleicht sehen wir uns ja einmal wieder, … wenn ich zu Ihnen komme mit meinen Füßen, alles Gute wünsche ich Ihnen“, lächelt sie. „Danke, das wünsche ich Ihnen auch, auf Wiedersehen!“.
Ich schaue meine Freundin an: „Mensch Marli, das hatte sich alles so gut angelassen, … “. „Ja Susanne, diese Gedanken, dass das alles mehr als nur super wäre wenn es klappen würde. Es wäre fast zu schön um wahr zu sein, … noch einmal Arbeit zu bekommen. Ich wusste dass es mir schwer fallen würde, immer zu Hause bleiben zu müssen. Es dauerte nicht mehr lange, dann würde es auf mich zukommen. Die Praxis war weg wegen Eigenbedarf, aber das weißt du ja alles bereits“. „Ja, das hattest du mir erzählt Marli, sag` nur, du hattest von der Firma, die dir die Kollegin von der Wobag vorgeschlagen hatte, eine Zusage bekommen?“. „Ja, Susanne, das hatte ich, zwar noch keinen genauen Termin, weil ich ja noch nicht wusste, wann mein Umzug sein würde, aber es wurden so dringend Mitarbeiter gesucht, dass man mir eine Zusage gab, auch auf Grund der vielen Weiterbildungen, die ich habe“. „Und zu diesem Zeitpunkt hast du noch keine Ahnung gehabt, was der Jacob für ein Mistkerl ist?“. „Nein, Susanne, er war so liebenswürdig und zuvorkommend zu mir, ich habe mich zu ihm hingezogen gefühlt. Ich war zwar zuerst ein wenig überfordert durch diese bisher mir nicht gekannte Fürsorge, aber ich hatte angefangen, Vertrauen zu Jacob zu bekommen und hatte mich wohlgefühlt in seiner Nähe“, berichtet meine Freundin weiter und ich höre zu:
Als ich nach meinen erfolgreichen Besuchen auf den Ämtern meine Stadtrunde beendet hatte und bei meiner Laube anlangte, hörte ich Stimmen im Nachbargarten. Ich entledigte mich meiner Stadtgarderobe und kleidete mich wieder salopp und gartenmäßig, wie man sagt. Als Jacob sah, dass ich aus der Stadt zurück bin kam er gleich durch das Türchen in meinen Garten. „Marli, schön, dass du zurück bist, der Franzl ist da, kommst du rüber?“. „Ich wollte eigentlich noch etwas tun, wenn ich schon den ganzen Vormittag unterwegs war“, antworte ich. „Ach, nun komm` schon, die Rosi ist auch da, wir helfen dir nachher wieder, der Franzl will dich doch auch kennenlernen“, bettelt er. Ich gebe mich geschlagen und gehe mit Jacob nach nebenan, natürlich gefolgt von Betty, die mich nach meiner Rückkehr wie immer ausgiebig begrüßt hatte. Der Franz steht auf und reicht mir seine Hand: „Na, dann lerne ich die nette Nachbarin auch endlich kennen, ich bin der Franz“, sagt er und macht eine kleine Verbeugung. Der Franzl ist ein großer, schlanker Mann Mitte sechzig. Er macht auf mich einen netten Eindruck und scheint ein lustiger Zeitgenosse zu sein. Die Rosi begrüßt mich mit einem „High Marli“ und umarmt mich flüchtig. Der Jacob gibt der Rosi wieder den Auftrag, für ihn Zigaretten zu drehen. Er selber verschwindet in seiner Laube und holt für jeden ein Bier, auch für mich. „Der Franz hat eine Flasche Korn mitgebracht, er will sich verabschieden, denn er muss nun zur Operation in die Klinik“, erklärt Jacob. Der Bierkasten ist mittlerer Weile halb leer und auch die Flasche Korn hat nicht mehr viel Inhalt. Ich mache mir aber darüber nicht wirklich Gedanken, weil ich nicht glaubte, dass es öfter so sein würde, sondern eben nur eine kleine Feier wegen dem Franz und ich freute mich auch über die guten Nachrichten des heutigen Tages. Der Inhalt der Flasche Korn reichte gerade noch, um jedem das Schnapsgläschen zu füllen. „Rosi, du kannst zum Supermarkt gehen und noch eine Flasche holen, … zur Feier des Tages, aber beeile dich!“, ordnet der Jacob an, nachdem ich erzählt habe, dass mein Besuch auf der Wobag erfolgreich war und dass ich bereits eine Zusage für eine Arbeit in meinem Beruf habe, wenn ich umgezogen bin. „Es ist ja schade, Franz, dass du morgen zu Jacobs Geburtstag nicht da bist und zum Walpurgisfeuer auch nicht!“, meint die Rosi. „Nee, leider, ich muss morgen in der Klinik antreten, aber man kann es ja nachholen und später auch noch mal ein Feuer machen!“. „Quatsche nicht so viel dumm herum, sondern mache lieber, dass du mit dem Korn zurückkommst!“, donnert der Jacob gleich wieder. „Jaa, ich gehe ja schon“, murmelt die Rosi und macht sich auf den Weg. „Und du willst wieder in deine Heimat ziehen, habe ich gehört, ist ja schön, dass du dann auch noch Arbeit gefunden hast“, spricht mich der Franz an, während der Jacob genau unser Gespräch verfolgt. „Ja, ich freue mich auch Franz, in unserem Alter ist das mit der Arbeitssuche nicht mehr so einfach“ „Richtig, man muss froh sein, wenn man noch etwas bekommt, ich habe auch immer gerne gearbeitet, nächstes Jahr bin ich dran mit der Rente, leider habe ich jetzt noch ein Jahr lang Hartz IV, aber das geht auch vorbei, die Firma hat Pleite gemacht, ich habe gedacht, dass eine Jahr schaffe ich noch, aber es wurde nichts mehr, schade!“. „Das kannst du nun halt auch nicht mehr ändern Franz, ich bin schon länger zu Hause und habe Hartz IV“, meint ächzt der Jacob, so als wäre es nichts besonderes und winkt ab. „Was hast du denn gearbeitet, Franz?“, frage ich ihn, in der Absicht, der Jacob würde das Thema noch einmal aufgreifen und diesbezüglich etwas von sich erzählen. Der Franz prostet mir zu: „Ich habe Elektriker gelernt und ich habe auch bis zuletzt in meinem Beruf gearbeitet, es hat mir Spaß gemacht, wie gesagt“. Er steht auf und macht im Radio die Volksmusik lauter. „Du immer mit deiner Volksmusik Franz!, das nervt!“, meckert der Jacob und verdreht dabei die Augen. „Es ist jedenfalls besser als deine Musik, die kann man manchmal nicht mit anhören!“, wehrt sich der Franz und sagt: „Marli, wenn du willst, dann kann ich dir eine Außenlampe an deine Hütte montieren, damit es nicht so finster rundherum ist!“. „Das kann ich auch!, das brauchst du nicht zu machen!“, eschoffiert sich der Jacob gleich. Indessen ist die Rosi zurück, nimmt die Flasche Korn aus dem Beutel und stellt sie auf den Tisch. Der Franz gießt jedem einen Schnaps ein. „Schon klar, Jacob, aber das mit der Lampe solltest du doch lieber dem Elektriker überlassen, o.k.!… ich bin nämlich ein guter Junge!“. er lacht dabei und die anderen stimmen ein und lachen über den Franz, der wie alle in der Runde leicht angedudelt ist. Die Rosi trinkt ihren Korn aus und kramt in der Tasche nach Busgeld. „Ich muss los, es wird Zeit, meine Katze wartet“. „Ja, dann hau doch ab, aber morgen kommst du wieder, wir müssen der Marli noch helfen, wie wir es versprochen haben!“, ruft ihr der Jacob hinterher. „Jacob, nehme es mir nicht übel bitte, aber ich gehe für heute auch in meine Hütte“,verabschiede ich mich, als noch eine männliche Person die Tür zu Jacobs Garten öffnet und auf uns zusteuert. Das wurde mir dann doch ein wenig zu viel. „Willst du schon weg?, bleib doch noch hier!“. Der Jacob stellt mir den Besucher vor: „Das ist der Gerhard, ein alter Kumpel von mir“. Der Mann, der in meinem Alter sein mochte, reicht mir die Hand. „Du bist Marli?, ich habe schon von dir gehört“. Er verbeugt sich wie der Franz vorhin, nimmt dabei seinen Hut ab, der eine Glatze freigibt. Ich bestätige seine Vermutung, die neue Nachbarin Marli zu sein. Ich wünsche dem Franzl noch alles Gute für seine bevorstehende Operation und verdünnisiere mich, während Betty schon am Zwischentürchen sitzt und auf mich wartet. Nee, dachte ich, ein bisschen feiern ist ganz schön, aber es reicht mir, ich habe es nicht gern, wenn so viel getrunken wird, viel zu viel schlechte Erfahrungen hängen damit zusammen. Es entging mir allerdings nicht, dass es dem Jacob gar nicht recht war, dass ich es vorzog, lieber nach nebenan in meine Laube zu gehen. Ich packte endlich die neuen Gardinen aus und hängte sie auf. Endlich kann ich wenn es dunkel wird, meine Fenster ordentlich dicht machen, dachte ich und setzte mir Wasser für eine ausgiebige Körperreinigung auf. Nachdem ich mit Betty zu Abend gegessen habe, krieche ich in mein gemütliches Nest und lese in meinem Liebesroman weiter. Bevor ich einschlief, dachte ich daran, ob Jacob wohl am Vormittag bei sich zu Hause war, so wie er es vorhatte, eben weil er duschen und sich rasieren wollte. Er hatte doch vor, die Katrin zu fragen, ob sie auch mal in den Garten kommt.
Am nächsten Morgen schien wieder die Sonne, ich stehe auf und gehe mich im See waschen, nebenan ist es noch still, ich hatte am Abend vorher nicht mehr gehört, wann der Franz gegangen ist und wie lange der Gerhard noch da war, nur dass ziemlich lange die Musik lief und laute Männerstimmen zu hören gewesen sind. Ich mache mir einen schönen Kaffee und frühstücke ausgiebig, so wie immer. Dann fiel mir ein, dass Jacob heute Geburtstag hat und ich dazu eingeladen bin. Ich überlege, ob und was ich eventuell schenken könnte. Für ein größeres Geschenk kennt man sich zu wenig, aber gar nichts ist auch blöd, denke ich bei mir. Dann fällt mir ein, dass ich vielleicht einen Kasten Bier besorgen könnte. Das ist bestimmt nicht verkehrt, sicher werden heute verschiedene Gäste kommen und der andere Kasten war ja schon halb leer, als ich gegangen bin gestern, weil allerhand Leute dagewesen sind. So machte ich es dann auch. Ich erledigte meine eigenen Einkäufe und brachte einen Kasten Bier mit. Als ich mit Betty zu meinem Domizil zurückkehre ist noch immer alles still, also räume ich meine Laube auf und mache mich dann an die Gartenarbeit. Ein bekanntes Geräusch dringt an meine Ohren und auch Betty horcht auf. Jacob kommt. „Ach ich dachte, du pennst noch?“, frage ich ihn. „Nein, ich habe gehört, wie du weggefahren bist, da bin ich aufgestanden , ich war zu Hause, das wollte ich ja eigentlich gestern schon, duschen und rasieren“. Er nimmt den Helm ab und kommt mir ein Stück entgegen, er riecht angenehm. „Aa, ja alles Gute zum Geburtstag wünsche ich dir, tut mir leid, das hätte ich fast vergessen, aber ich habe etwas für dich, ich hoffe, ich habe es richtig gemacht“. „So, was denn?“, möchte er wissen. „Ich habe einen neuen Kasten Bier besorgt, ich dachte mir, dass doch sicher noch Gäste kommen heute am Abend?“. „Oh, das ist aber eine gute Idee, komm` lass dich mal umarmen“, meint er . Ich lasse mich umarmen und ich muss gestehen, dass es angenehm gewesen ist, einmal in den Arm genommen zu werden. „Kommt die Katrin, hattest du sie gefragt?“, möchte ich gerne von ihm wissen. Er verzieht sein Gesicht und meint: „Gesagt habe ich es ihr, aber sie weiß es noch nicht, wir werden sehen“. „Ich habe noch etwas mitgebracht für den Grill, ich möchte mich nicht durchschleusen, was das Essen betrifft und ich habe heute am Abend bestimmt Hunger. Ich habe in der Stadt nur ein Eis gegessen, wenn auch ein großes“, erkläre ich und überreiche ihm ein Paket fertig eingelegte Steaks. „Du bist doch eingeladen, da brauchst du doch dein Essen nicht selber mitbringen, was soll das denn?“. „Nein, nein, nimm` nur“, bestehe ich auf meinen Standpunkt, weil er von mir das Fleisch nicht annehmen wollte. „Du hast jetzt schon öfter eingekauft und den Grill angemacht, jetzt bin ich auch mal dran, etwas dafür zu spendieren“, entgegne ich. „Na gut, ich lege es in den Kühlschrank“, gibt er sich geschlagen. Kurz darauf kommt auch die Rosi mit einem großen Einkaufsbeutel durch die Gartenpforte und steuert direkt auf Jacob zu. „Hallo, Jacob, alles Gute wünsche ich dir zum Geburtstag“, säuselt sie und startet eine flüchtige Umarmung. „Ja, ja, ist gut, du kannst mir gleich ein paar Zigaretten stopfen, wenn du lange Weile hast“; brummelt er. Sie ächzt kurz auf und wir gehen alle zu Jacobs Laube. Sie stellt den Beutel in eine Ecke und fängt an, den so eben empfangenen Auftrag von Jacob auszuführen. Jacob kramt im beiseite gestellten Beutel, fördert dabei eine Flasche Korn zutage und stellt sie in den Kühlschrank. „Ich gehe erst einmal zu mir nach drüben, ich möchte noch etwas tun“, gebe ich in die Runde. „Ach` nu, Marli, nun mal langsam, jetzt trinken wir erst mal ein Geburtstagsbier und ein Schnäppi“, protestiert Jacob und schickt die Rosi Gläser holen und auch die andere Flasche Korn, die im Kühlschrank steht, aber bereits angebrochen ist. „Wir kommen nachher mit zu dir rüber, wir helfen dir mit, das haben wir versprochen, zum Grill anmachen ist es noch Zeit“, sagt Jacob und gießt jedem einen Schnaps ein, „oder hast du schon Hunger, Marli?“, erkundigt er sich. „Nein, ach wo, ich werde schon durchhalten, so verhungert bin ich ja nun auch wieder nicht, bei der Wärme hat man sowieso nicht soviel Appetit“, entgegne ich. Als die beiden merken, dass ich aufstehe und aufbreche, erheben sie sich auch und folgen mir in meinen Garten. Ich hatte noch ein ganzes Stück Wiese umgegraben. Hier möchte ich Ringelblumen einsäen, damit ich meine alljährliche Salbe herstellen kann. Nach knapp anderthalb Stunden sind die abgestochenen Rasenbatzen auf dem Kompost entsorgt und das gegrabene Gartenstück sauber abgeharkt. „So, nun ist aber Schluss für heute, oder nicht?“, fragt Jacob. „Ja, nun reicht es, ich danke euch für eure Hilfe“, meine ich aufrichtig. „Na, das denke ich auch, genug für heute, … gehen wir rüber, den Grill können wir auch bald anwerfen“, drängt Jacob, er dreht sich um, um zu sehen, ob ich ihnen folge. „Kommst du nicht?“, fragt er nach, als er sieht, dass ich auf meine Laube zu laufe. „Doch, doch, ich komme gleich, ich will nur mich noch frisch machen gehen und was sauberes anziehen!“. Ich habe mir hinter meiner kleinen Hütte eine Ecke geschaffen, die ich wie ein provisorisches Bad eingerichtet habe. An der Außenwand hängt eine Solardusche, die ich einmal von einer Patientin bekommen habe. Die Sonne scheint am Tage sehr lange an diese Hüttenseite, sodass ich lauwarmes Wasser habe. Ich habe alles so montiert, dass ich dass Wasser beim Duschen in einer großen Schüssel auffangen kann. Ich kann dann eine ganze Weile im Wasser stehen bleiben, damit ich meine verdreckten Gartenfüße richtig sauber bekomme. Ein kleiner Spiegel und eine kurze Wäscheleine fehlen auch nicht. Ringsherum habe ich einen alten Duschvorhang befestigt, damit ich keine unerwünschten Zuschauer bekomme. Hoffentlich bleibt es noch schön warm so lange ich hier bin, diese Anlage funktioniert besser als die Schüssel in der kleinen Hütte. Ich mache mich ein wenig zurecht und gehe nach nebenan, Betty natürlich auch. Bei meinen Nachbarn herrscht bereits fröhliche Stimmung und der Grill gibt aromatische Düfte ab. Man geht nicht gerade zimperlich mit dem Bier um und Schnaps wird auch reichlich konsumiert. Der Gerhard ist indessen gekommen und der Kumpel, der immer zum Angeln geht sitzt auch in der Runde. Man lacht und hat Spaß, eine Situation, die auf eine fröhliche Gesellschaft hin deutet, eine Geburtstagsfeier, bei der man eben auch einmal etwas mehr trinkt als üblich, … so denke ich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch. Die Musikanlage gibt laute Stimmungsmusik frei und alle bedauern, dass der Franzl bereits im Krankenhaus liegt, weil er eine Stimmungskanone schlechthin verkörpert. Wir essen, trinken und tanzen alle ausgelassen miteinander bis es bereits spät geworden ist und sich die Gäste nacheinander verabschieden. Jacob umarmt mich immer wieder und ich wehre mich nicht, weil ich nicht weiß, ob ich mich überhaupt noch wehren möchte oder nicht. Die ganze Situation bringt es mit sich, dass ich Jacobs charmantes Angebot für eine gemeinsame Nacht nicht ablehne.